5 - Pinkelpausen und andere Probleme

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Waverlys POV

„Geht es dir schon besser, Schätzchen?", erkundigt sich Mom besorgt bei mir, als ich mittags in die Küche schlurfe. Sie und Dad hocken am Küchentisch und stürzen sich hungrig auf das Blech Pizza, das vor ihnen steht.

„Ja", lächele ich, um meine Eltern zu beruhigen.

„Sehr gut." Mom erwidert mein Lächeln. Dann runzelt sie allerdings ihre Stirn und fügt mit einem warnenden Unterton in der Stimme hinzu: „Du bleibst heute trotzdem den ganzen Tag zuhause, Avie, verstanden? Kein Training!"

Mit einem genervten Seufzen lasse ich mich auf die Sitzbank plumpsen. „Ja ja", murre ich genervt, „ich hab's kapiert!"

Obwohl ich keinen Hunger habe und Mom das ganz genau weiß, schiebt sie mir ein Stück Pizza zu. Normalerweise liebe ich Ananas und Schinken, aber jetzt gerade dreht sich mir bei diesem Anblick mein Magen um.

Hätte Serena nicht etwas länger bleiben können, um mich vor dem gemeinsamen Mittagessen mit meinen Eltern zu bewahren?

Vor ungefähr fünf Minuten haben wir uns voneinander verabschiedet. Nicht, weil wir uns nichts mehr zu erzählen hatten, sondern weil sie unbedingt noch das Kommando „Peng!" mit ihrem Kater Schnurrbert üben möchte.

Von Everest habe ich seit seiner Kotz-Ankündigung nichts mehr gehört.

Ob ich ausnahmsweise mal Glück habe und er schon wieder verschwunden ist? Hoffentlich!

Während meine Eltern die Pizza essen, starre ich Löcher in die Luft. Jedenfalls so lange, bis mich Dad vorsichtig anstupst und auffordert: „Wenn du schon nichts isst, dann trink wenigstens etwas, Avie!" In demselben Atemzug schiebt er mir meinen pinken Einhorn-Becher zu, der fast bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist.

Als Leistungssportlerin weiß ich natürlich, wie wichtig es ist, genug zu trinken, aber trotzdem komme ich nicht über einen Liter pro Tag hinaus. Meistens trinke ich auch nur dann etwas, wenn ich trainiere.

Und ja, mir ist bewusst, dass ich diese Einstellung ändern muss!

Um mir keine Predigt über mein schlechtes Trinkverhalten anhören zu müssen, führe ich den pinken Becher langsam zu meinem Mund und leere den Inhalt in zwei Zügen. Blöderweise kippt Dad sofort neues Wasser hinterher, sodass ich mich erneut dazu zwingen muss, die kühle Flüssigkeit herunterzuschlucken.

„Sehr gut!", lobt er mich, als ob ich ein kleines Kind wäre. „Wenn du genug trinkst, wirst du auch schnell wieder fit."

„Mhm."

Ich warte, bis Mom und Dad ihre Pizza aufgegessen haben und verkrümele mich dann zurück in mein Zimmer. Gerade als ich meinen Laptop aufklappe, um nach neuen Sporthosen und Trainingsjacken zu suchen, ertönt ein leises Stöhnen in meinem Kopf.

Och nö. Wie es scheint, ist Everest noch immer in meinem Oberstübchen gefangen.

So ein Mist! Nach seinem stundenlangen Schweigen hatte ich wirklich die Hoffnung, dass er verschwunden sei. Tja, mein Karma hasst mich wohl nach wie vor.

Ich bin mir nicht sicher, ob es die falsche Entscheidung ist, Everest anzusprechen, aber ich frage ihn nach einigen Sekunden alarmiert: „Hast du in meinen Kopf gekotzt?"

„Was?" Everests Stimme klingt überfordert, schrill und verwirrt. Als könnte er meine Worte überhaupt nicht zuordnen. Es dauert ein paar Sekunden, bis er krächzend hinzufügt: „Ich sehe hier keine Kotze."

Gott sei Dank! Ich atme erleichtert auf und spüre, wie mir ein riesiger Felsbrocken vom Herzen fällt.

„Aber ich glaube, ich war ohnmächtig."

„Echt?", entfährt es mir überrascht. Das würde zumindest erklären, warum er die letzten zwei Stunden keinen einzigen Mucks von sich gegeben hat.

Auch wenn es gemein ist, wünsche ich mir, dass er erneut in Ohnmacht fällt. Einfach, damit ich meine Ruhe habe und keine nervtötende Stimme durch meinen Kopf spukt.

„Ja", murmelt Everest, obwohl ich keine Antwort von ihm erwarte. „Nach deinem wilden Kopfschütteln muss ich irgendwie mit der Stirn gegen den Kühlschrank gekracht sein. Zumindest blute ich dort ganz leicht."

Ich ignoriere Everests zweite Aussage und hake stattdessen verwirrt nach: „Was für ein Kühlschrank?"

Er seufzt. „Ich habe dir doch erzählt, dass es hier einen Kühlschrank mit Eis und Limo gibt. Sag bloß, du hast das schon wieder vergessen?!"

Ach ja, da war ja was ...

Bevor ich mir eine glaubwürdige Ausrede einfallen lassen kann, reißt Everest erneut das Wort an sich, indem er von mir wissen möchte: „Wo ist eigentlich Serena?"

„Zuhause", antworte ich ihm. „Sie will ihrem Kater Schnurrbert ein paar neue Tricks beibringen."

Everest lacht. Tatsächlich klingt er dabei so losgelöst und glücklich, dass auch an meinen Mundwinkeln ein Schmunzeln zupft.

Serena und Schnurrbert sind ein ziemlich verrücktes Duo. Trotzdem passen sie perfekt zusammen und ergänzen sich. Das sehen ihre 312.059 Follower auf TikTok genauso.

„Und was machen wir jetzt, Avie? Mir ist verdammt langweilig!"

Oh oh, das ist kein gutes Zeichen. Damit Everest nicht auf irgendwelche dummen Ideen kommen kann, fordere ich ihn auf: „Sag mir einfach, was ich machen muss, damit du deine Klappe hältst, und ich schwöre dir, dass ich es tun werde."

Auch wenn ich Everest nicht sehen kann, bin ich mir sicher, dass er triumphierend grinst und seine wiesengrünen Augen leuchten. Ebenso wie ich liebt er es, seinen Willen durchgesetzt zu bekommen.

„Dann schmeiß mal schön deinen Laptop an und such uns einen richtig geilen Action-Film raus, Avie."

Nichts lieber als das!

Nach etwa drei Minuten flimmert Mission: Impossible - Phantom Protokoll über meinen Bildschirm. Ich muss zugeben, dass Tom Cruise ein sehr beeindruckender Schauspieler ist und mich die Storyline sofort in ihren Bann zieht.

Everest hält sein Versprechen und ist mucksmäuschenstill. Wahrscheinlich, weil er genauso sehr mitfiebert, wie ich.

Die Zeit und der Film schreiten immer weiter voran. Blöderweise macht sich irgendwann auch meine Blase bemerkbar.

„Man, Waverly!", beschwert sich Everest genervt. „Kannst du mal aufhören, mit deinen Beinen herumzuwackeln? Ich sehe nichts mehr!"

Seufzend pausiere ich den Film.

„Ey!"

Wie erkläre ich Everest jetzt am besten, dass ich aufs Klo muss?

„Gar nicht!", kommt prompt seine Antwort. „Geh doch einfach pinkeln. Das ist was ganz Natürliches."

Oh, verdammt! Vermutlich werde ich mich nie daran gewöhnen, dass er neuerdings meine Gedanken lesen kann.

„Jetzt stell dich nicht so an, Avie, und geh aufs Klo! Ich will den Film weitergucken!"

Während Everest schadenfroh lacht, zieht sich in meinem Magen ein unangenehmer Knoten aus Stahl zusammen. Mein größtes Problem ist nicht meine volle Blase, sondern Everest. Denn wenn ich ihn richtig verstanden habe, kann er alles sehen, was ich auch sehe, und das ist auf der Toilette ziemlich ungünstig.

Ein paar Minuten schaffe ich es noch, meinen Harndrang mithilfe von merkwürdigen Beinverrenkungen zu unterdrücken, bis ich mich aus meinem Bett kämpfe und barfuß ins Badezimmer tapse, das sich am anderen Ende des Flurs befindet. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe, frage ich Everest hoffnungsvoll: „Machst du deine Augen zu?"

„Nö. Warum sollte ich?"

Gott, dieser Idiot hat echt kein Taktgefühl!

„Musik liegt mir halt nicht so ..."

Ich beiße meine Zähne fest aufeinander, um einen lauten Schrei zu verschlucken. Obwohl es mir schwerfällt, bemühe ich mich, ruhig und gleichmäßig weiterzuatmen.

Wenn Everest nicht freiwillig seine Augen schließt, muss ich ihn halt dazu zwingen.

„Wie meinst du das?", hakt er verunsichert nach.

Ich ignoriere ihn und klappe schon mal den Toilettendeckel nach oben. Dann kneife ich meine Lider zusammen, ziehe Hose samt Slip hinunter und setze mich auf die kalte Kloschüssel.

„Hey!", beschwert sich Everest natürlich sofort. „Mach wieder das Licht an!"

„Vergiss es!", zische ich zurück.

Kaum haben diese zwei Wörter meinen Mund verlassen, entleert sich meine Blase. Damit Everest das laute Plätschern nicht hört, summe ich die Melodie von dem Kinderlied Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad.

Nachdem meine Blase endlich wieder leer ist, folgt der knifflige Part meines Toilettenausflugs. Ich taste blind nach dem Klopapier, doch finde es nicht. Meine Finger greifen mindestens zehnmal ins Leere, bevor sie das dünne Papier zu fassen bekommen.

Zum Glück ist das Hochziehen von Hose und Slip einfacher.

Als alle intimen Regionen mit Stoff bedeckt sind, lasse ich meine Augenlider aufflattern, klappe den Toilettendeckel zu, spüle ab und wasche meine Hände.

„Oh man", seufzt Everest unzufrieden, während ich in eine Wolke aus Lavendel-Seife gehüllt werde, „es gab ja gar nichts Spannendes zu sehen."

„Sei froh, dass du überhaupt wieder sehen kannst!", erwidere ich warnend. „Ich kann dir auch ganz schnell wieder das Licht ausknipsen."

„Okay, okay! Ich hab's kapiert!"

Dann kehrt Ruhe in meinem Oberstübchen ein.

***

Damit mich meine Eltern morgen wieder trainieren lassen, zwinge ich mich abends dazu, eine Scheibe Brot mit Käse zu essen. Und natürlich muss ich auch wieder zwei Becher Wasser trinken, um nicht von bösen Blicken durchbohrt zu werden.

Nach dem Abendessen mache ich mich direkt bettfertig. Während Everest permanent über den Film Mission: Impossible schwärmt, putze ich mir die Zähne, wasche mein Gesicht und entleere ein weiteres Mal meine Blase. Wieder mit geschlossenen Augen.

Pünktlich um 9 PM liege ich dann eingekuschelt in meinem Bett. Da ich heute nicht auf dem Leichtathletikplatz war, fühle ich mich unausgelastet und noch voller Energie.

Es nervt mich, dass ich nicht an meinem Traum arbeiten konnte. Dafür wird mein Training morgen umso härter.

Gedanklich male ich mir schon die perfekte Sprinteinheit aus, als mich plötzlich das Vibrieren meines Handys zurück in die Realität reißt.

Sofort greife ich nach meinem Smartphone und entsperre das Display. Zum Vorschein kommt eine neue Nachricht von ...

Preston?

Oh mein Gott! Mein Herzschlag schießt wie auf einer Achterbahnfahrt in die Höhe und mehrere elektrische Blitze zucken durch meine Adern.

Seit wann habe ich Prestons Nummer? Und seit wann schreibt er mir?

Als könnte ich es steuern, keimen auf einmal Erinnerungen vom Vorabend in mir auf. Ich sehe Preston und mich gemeinsam im Park. Mit seinem Schäferhund Bark Vader. Wir reden miteinander. Und dann fragt er mich wie aus dem Nichts nach einem Date.

Krass! Das sind die schönsten Erinnerungen, die ich jemals hatte. Nur blöd, dass ich mich nicht mehr richtig an unser Gespräch erinnern kann.

„Jetzt entspann dich mal, Avie!", ertönt Everests spöttisches Lachen in meinem Kopf. „Die ganze Leinwand ist schon mit pinken Herzchen voll."

Wie so oft in den vergangenen Stunden ignoriere ich ihn. Stattdessen öffne ich WhatsApp und lese mir die Nachricht durch, die mir Preston geschrieben hat.

Hey Avie, wie siehts morgen gegen 4 PM bei dir aus? Also ich hätte bei dem guten Wetter Lust auf ein Eis.

Während ich breit grinse und mein Herz einen aufgeregten Hüpfer macht, stöhnt Everest genervt. „Der hätte sich ruhig mal mehr Mühe mit seiner Nachricht geben können", meint er. „Der hat ja nicht mal Smileys benutzt."

„Halt die Klappe, Everest!" Noch in demselben Atemzug tippe ich eine Antwort ein.

Hey Preston, das klingt perfekt. Treffen wir uns vor Frosty Flavors Fountain?

Keine Sekunde später schickt er mir einen Daumen-Emoji zurück.

Ha! Von wegen, er würde keine Smileys benutzen ...

Ich freue mich, Avie.

Ich mich auch!

Oh mein Gott. Ich kann es kaum glauben. Habe ich morgen wirklich ein Date mit Preston Beaumont? Vor Freude würde ich am liebsten schreien, aber ich belasse es sicherheitshalber bei einem leisen Quietschen. Nicht, dass meine Eltern denken, es würde mir wieder schlechter gehen.

„Stehst du etwa auf diesen Kerl?", erkundigt sich Everest halb neugierig und halb spöttisch bei mir.

Scheiße! Ich muss lernen, meine Gedanken für mich zu behalten. Und zwar schnell!

„Das geht dich nichts an!"

Ich lege mein Handy zurück auf den Nachttisch und knipse die Lampe aus, die dort steht. Direkt wird mein Zimmer in einen Schleier aus Dunkelheit gehüllt.

„Hey!", murrt Everest. „Was machst du da?"

„Schlafen!", antworte ich ihm.

„Ich bin aber noch nicht müde!"

„Mir doch egal!"

Everest schnaubt beleidigt. Dann fängt er plötzlich damit an, lautstark irgendwelche Lieder zu trällern. Außerdem scheint er wie ein Flummi auf und abzuspringen. Jedenfalls fühlt es sich so an, denn ein dumpfes Pochen breitet sich unter meiner Schädeldecke aus.

Gott, dieser Idiot treibt mich echt in den Wahnsinn!

„Wenn du wach bleibst, muss ich dich auch nicht nerven, Avie", säuselt Everest gespielt unschuldig. „Mach wenigstens das Licht wieder an."

Pah, das kann er vergessen! Hier gelten meine Regeln!

„Du willst nicht kooperieren?" Everests Stimme wird nun von einem Hauch Überheblichkeit durchzogen. „Fein! Dann bekommst du jetzt die Konsequenzen zu spüren!"

Und so nimmt mein privates Kopfkonzert seinen Lauf ...

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