7 - Wenn ich schön bin

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Eine weitere Geschichte und diesmal zum Thema "Schönheit", wenn ich mich recht erinnere.

Wenn ich schön bin

Hastig stopfe ich Chips und Schokolade in mich hinein. Spüle alles mit klebriger Cola herunter und höre es in meinem Bauch rumoren. Er wehrt sich. Meine Magenschleimhaut ist dünn und angegriffen, durch die viele Nahrung und das ständige…Mein Hals tut weh, aber ich schlucke weiter. Nehme mir jetzt die Eiscreme vor. Meine Zähne tun weh, von der klirrenden Kälte an meinem Zahnfleisch, aber ich habe nicht viel Zeit. Mama kommt bald wieder und das Stiefmonster. Alle Tüten und Schalen sind leer. Wankend und doch vertraut eile ich in das kleine Bad und klappe den Toilettendeckel hoch. Mein Finger ist wie eine Schlange. Die Schlange kennt den Weg in meinen Rachen. Und ich höre das Blut durch meine Speiseröhre rauschen, als ich mich verliere und alles erbreche, was ich zu mir genommen habe. Doch die Schmerzen werden sich lohnen. Der Hunger wird sich lohnen. Das Versteckspiel. Das alles wird sich lohnen. Denn irgendwann bin ich schön. Irgendwann bin ich nicht mehr dick. Dann habe ich mein Ziel erreicht und bin gesund. Habe kein schwabbeliges Fett an meinen Hüften und den wuchtigen Schenkeln. Dann bin ich endlich schön.

„Wie war dein Tag?“ Ich hole das Brot aus dem Schrank und die Butter und den Käse. Alles glubscht mich verhöhnend und doch einladend an. DU HAST ES SCHON WIEDER GETAN!, kreischen sie laut und beschämend in meinem Kopf. Automatisch fasse ich mir an den brennenden Hals. „Bella?“ Ich wende mich von den unverschämten Kalorienbomben ab und lege alles auf den Tisch. „Gut.“, mehr bringe ich nicht über die Lippen. „Setz dich doch und erzähl uns wie es in der Schule war.“ Das Stiefmonster sagt nichts, aber zwingt sich unglaublich freundlich zu lächeln. Ich würde ihm jetzt gerne das Buttermesser in den Rachen rammen. Ich würde warten, bis all seine Lügen und Gehässigkeiten aus ihm herauslaufen, wie klebriges Blut. Ich würde mich daran ergötzen, wie quietschende Kakerlaken ihn zerfressen und das Gehirn aus dem Schädel saugen, wie einen süßen Sahnebonbon. Aber ich tue es nicht. „Ich hab schon was gegessen. Ich bin müde, der Tag war lang!“ Und ohne ein weiteres Wort der Rechtfertigung und ohne auf das Blut und die ekelerregenden Käfer zu achten, die aus Stiefmonsters Hals kriechen verschwinde ich in mein Zimmer.

Ich schlafe schlecht. Das passiert mir häufiger in letzter Zeit. Mir ist heiß und mein Magen tut weh. Mein Hals tut weh, vom dauerhaften Würgereiz. Doch ich weiß, dass mich die Schmerzen gesund machen. Mich vom Fett heilen und endlich schön, stark und repräsentabel machen. Ich quäle mich aus dem Bett und reiße die Fenster auf. Kühle, knackende Nachtluft umarmt mich. Automatisch umfasse ich meine Arme und reibe sie wärmend. Der schwabbelige Speck am Oberarm widert mich an und mir wird schlecht. Ich kämpfe mich in mein kleines Bad, schaffe es den Schlüssel umzudrehen, doch als ich mich über die Badewanne beuge schmecke ich nur Galle und Blut und mir wird schwindelig.

„Bella? Beeil dich, du musst in die Schule!“ Das erste, was ich außer dem nervtötenden Gepoltere meiner Mutter gegen die Badezimmertür wahrnehme, ist mein pulsierender Kopf. Hastig stehe ich auf, muss mich aber an der Wand abstützen, als kleine schwarze Pünktchen sich durch mein Blickfeld bewegen. „Ich komme!“, krächze ich. Jeder einzelne Schritt tut weh. Ich will nicht aufstehen. Ich will nicht Zähne putzen. Ich will mich nicht schminken. Ich will mich nicht anziehen. Ich will nicht meine Mutter anlügen, als sie mich fragt, warum ich so lange im Bad gebraucht habe. Ich will weiter auf den kalten einladenden Fliesen liegen und schlafen und kotzen und gesund werden. Schön.

In der Schule trage ich einen langen dicken Pulli. Er verdeckt die Speckröllchen am Bauch und meine Jeans ist jetzt auch nicht gerade figurbetont. Aber genau das ist der Plan, bis ich endlich gesund bin. Noch wiege ich viel. Zu viel. Und die Verlockungen sind groß in der Schule. Überall fette, schmatzende Kinder, die Burger und Chips in sich reinstopfen und über ihre Figur rumheulen, obwohl sie nichts dafür machen schön zu sein. Sie sind alle so hässlich. Das deprimierende an der Sache ist jedoch, dass sie immer noch schlanker sind als ich. Sie bieten mir Kekse und Butterbrote an und sie spucken mich beim sprechen voll mit ihrem zuckersüßen Speichel und ich muss mich fast übergeben. Doch ich lehne alles ab. Sie meinen, etwas Kalorienhaltiges würde mir gut tun. Sie wollen doch nur, dass ich fetter werde und ihre abgrundtiefe Ekelhaftigkeit von meiner Fettleibigkeit nur noch übertrumpft und in den Schatten gestellt wird. Doch ich esse erst zu Hause. Und wenn ich dann irgendwann endlich schön bin, schlank und rank, dann werde ich auf sie herab blicken und ihnen feixend ins Gesicht lachen. Wenn ich schön bin.

Guck sie dir doch an, wie fett sie ist!

Da schwabbelt ja alles

Ekelhaft.

Sie wird an Diabetes sterben.

Vielleicht wäre Biggest Loser ihre Rettung?

Sie denken ich höre nicht, über was sie reden. Über wen sie reden. Ich spüre ihre Blicke auf meiner nackten Haut. Jeden Moment wollen sie mich beißen und das Fett aus mir heraus saugen, wie ein lästiger Moskito. Sie wollen, dass ich an AIDS sterbe und in der Hölle schmore. Ich hasse Sportunterricht. Nicht, dass ich Sport nicht lieben würde, nein, aber ich hasse das Umziehen davor und danach. Denn die Moskitos sind überall.

Die Verkäuferin des Kleidungsgeschäfts mustert mich kurz und greift dann in den Kleiderständer. Das Ganze war Mama‘ s Idee um mich zu versöhnen. „Größe 34?“ Ich fühle mich ertappt. 34, 38, 40??? Ich weiß es nicht. Zahlen sind so verwirrend. Sie reicht mir eine Hose. Mein Bauch wird über dem Bund stehen. Ich werde wie eine Presswurst aussehen. Sie werden mich auslachen. Ich kriege Hunger. Ich muss essen. Ich schmecke Blut. Und ohne ein weiteres Wort verlasse ich den Laden. Lasse Verkäuferin und Mutter stehen. Sie werden zu Moskitos. Ich brauche eine Fliegenklatsche. Ich werde sie kriegen, wenn ich gesund und schön bin. Dann kann ich sie alle töten und mich an ihren aufgeplatzten Gedärmen sattsehen.

„Was war denn vorhin los?“ Ich antworte nicht. Mein Magen ist leer, aber ich war nicht schnell genug. Mein Körper hat das Fett schneller an sich gesaugt, als ich es wieder aus mir heraus jagen konnte. Da bin ich mir sicher. So ist es häufig, wenn ich meine Fressattacken habe. „Bella, so rede doch!“ Doch Bella – mein Name ist so eine verdammte Lüge! – redet nicht. Bella dreht sich um und geht. Denn Bella ist feige. Bella ist wie immer. Welcome to my life. Ich fahre den Computer hoch und öffne die bekannten Seiten. Die Mädchen, die alle so schön sind und Tipps geben. Das Bild einer schönen im Wasser paralysiert mich. Ihre Rippen und Schlüsselbein stechen klar unter der Haut hervor und auch das Becken läuft spitz zu. Sie sieht so wunderschön zerbrechlich aus. Und dann beginne ich die Forumeinträge von heute zu lesen:

Habe in den letzten 2 Wochen 8kg abgenommen.

Meine Mutter scheint was zu merken.

Wünsche euch einen wunderschönen Tag Mädels, bleibt stark.

Hat jemand Tipps gegen Halsschmerzen?

Ich will auch so viel abnehmen. Ich will auch, dass man Angst um mich hat, weil ich zerbrechen könnte. Ich will enge Kleidung tragen, ohne Gelächter und ich will verdammt nochmal schöner sein als sie! Als sie alle!

Der Morgen beginnt schwach und verschwommen. Vor mir klart immer wieder eine Luftlinie auf und ich reibe meine Arme. Das Fett wird flüssig zwischen meinen Fingern und läuft meinen Körper herab. Es sammelt sich am Boden wie in einem Swimmingpool. Der Pegel steigt immer mehr und mehr und ich ertrinke in meinem Fett, wie ein Bratfisch in der Fritteuse. Es gurgelt in meinem Mund und ich spüre wie ich mich damit vollsauge, wie ein vertrockneter Schwamm. Mein Hals brennt wie Feuer und ich fühle mich so ungesund. Ich will endlich heilen, schön werden, gesund vom Fett und Übergewicht. Ich nehme die Schmerzen auf und das ich ertrinke und sterbe und einsam bin. Wenn ich sterbe, dann bin ich wenigstens im Tod gesund.

Wieder wache ich flach auf der Erde auf. Verdammt, wie spät ist es? Ich rappele mich von meinem Teppich auf und suche eine Uhr. Der ständig währende Schwindel wird herunter geschluckt wie Wasser, wie Fett, wie meine Hässlichkeit. Es ist spät. Zu spät um noch pünktlich in der Schule zu sein. Verdammt. Plötzlich spüre ich wieder diesen unglaublich stechenden Schmerz und das Ziehen im Magen. Und dann kann ich nur noch die Treppe herunter sprinten und zum Kühlschrank rennen. Ich lade mir Nutella, Wurst, Käse, Brot, Cornflakes, Joghurt und Schokolade auf den Arm und lege es auf den Tisch. Ich schmiere mir 1-2-3-4- unzählbar viele Brote, doch mitten in meinem Wahn stoppt mich eine Stimme an der Tür. Sie ist unsicher und sehr leise. „Bella? Was machst du da?“ Erschrocken blicke ich in die Augen meiner Mutter. „Du musst doch zur Schule!“ Ohne etwas zu sagen oder sie weiter zu beachten stehe ich langsam auf, laufe an ihr vorbei und schwebe fast zum Auto. Ich schwebe, bis mich das Fett zu Boden zieht. Flug beendet, Flieger abgestürzt. Passagiere tot und fett.

Ich steuere mit dem PKW meiner Mutter auf das kleine Hotel am Stadtrand zu. Die Straßen sind mir unbekannt. Wenn das Stiefmonster hier nicht mal gearbeitet hätte, würde ich diese Gegend wohl nicht mal mit der Kneifzange berühren. Aber jetzt kommt mir das Gebäude sehr einladend und flüchtig vor. Ich gebe mir nicht die Mühe das Auto abzuschließen. Hoffentlich wird es geklaut, damit man jegliche Spur und jeden Anhaltspunkt auf meinen Aufenthalt gänzlich verliert. Die Eingangshalle ist schmuddelig. An den Wänden klebt fortgewischtes Blut und auf dem Boden haben vor kurzem noch Cracknutten und Dealer den Tod gefunden. So schäbig kommt es mir jedenfalls vor. Doch der Mann am Empfang ist freundlich. Ich verlange ein Zimmer und frage, ob ein Bad dabei ist. Und ich habe Glück. Vielleicht kann ich ja hier gesund werden. Es gibt keinen Fahrstuhl. Sehr gut, meine Behandlung beginnt schon jetzt mit Treppensteigen. Die großen Fleischlappen an meinen Beinen klatschen bei jedem Schritt aneinander. Ich ekle mich so. Suche mein Zimmer und finde es. Es ist klein, schmutzig und ungemütlich. Kein schöner Ort um zu heilen. Aber es muss sein. Zuhause stören mich nur alle. Das erste, was ich tue ist den komischerweise vorhandenen Zimmerservice zu überlasten.

Vor mir liegen Berge von geleerten schmutzigen Tellern, Schalen, Gläsern und Tassen. Mir wird schwindelig und schlecht als ich überlege, was ich gerade meinem Körper angetan habe. „Es muss raus!“, flüstere ich und stehe langsam auf. Ich fühle mich wie ein aufgeblähter Ballon, brauche nur einen Stich mit der Nadel um zu platzen. Das Bad ist mittelmäßig gereinigt. Ich stelle mir vor, wie hier Menschen ermordet wurden. Orgien, Gemetzel, Tod Tod Tod! Doch das schreckt mich nicht ab. Mein Hals brennt so furchtbar. Und dann öffne ich den Klodeckel und die Schlange wandert in meinen Rachen. Es dauert lange und ich schmecke Blut, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. Plötzlich geschieht etwas völlig Unerwartetes, Unbekanntes. Es fühlt sich an, als würde jemand ein Messer einmal komplett durch meinen Hals schlitzen. Das muss gut sein! Das kann nur gut sein! Ich werde gesund! Vielleicht schneidet das Messer mir ja Fett vom Leib. Trotzdem kriecht die Schlange aus meinem Hals heraus. Sie küsst meine Nase und wird wieder zu meinem Finger. Doch als ich mich aufrichten will bricht ein Sturz Blut aus meinem Hals und ich beuge mich über die Badewanne. Langsam lasse ich mich in mein Blut gleiten und spüre, wie sich immer mehr sammelt und mich umarmt. Die Wanne läuft voller und ich werde schöner und schöner und gesünder und gesünder. Und als sich langsam ein blutroter Schleier getränkt in Schwarz  über meine Augen legt und sein Stoff schwerer wird schlafe ich ein.

Nach meinem Tod. Nach meinem Tod wird eine Putzfrau um Punkt 8 Uhr morgens in mein Zimmer kommen. Sie wird beginnen mein Zimmer zu säubern. Sie wird sich über den katastrophalen Berg an Geschirr ärgern und darüber, dass sie immer noch so wenig Gehalt bekommt. Dann wird sie rückwärts die Badezimmertür öffnen, weil sie Putzmittel in der Hand hält. Sie wird den Geruch meines Erbrochenen und des Blutes auf der Zunge schmecken und würgen müssen. Und als sie sich umdreht wird sie laut laut laut schreien. Sie wird sich übergeben müssen, beim Anblick von mir. Dem schönen, schlanken, gesunden Mädchen. Gebettet in Blut und ihrem eigenen Erbrochenen. Sie wird über das Zimmertelefon einen Notarzt holen und der Notarzt wird eintreffen und zunächst denken ich hätte mich zugesoffen und wäre an meiner Kotze erstickt. Doch dann wird er feststellen, dass ich eine Ruptur, einen Riss in der Speiseröhre habe und dass ich durch den hohen Blutverlust gestorben bin. Und er wird sich sagen, wie schön das Mädchen doch war. Und ich, ich werde das Mädchen sein und auf sie herabblicken. Und ich werde meinen wunderschönen gesunden Körper betrachten und mich nicht sattsehen können. Denn wenn ich nur im Tod schön sein kann, dann war es meine Bestimmung zu sterben. Schön…

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