8 - Wenn die Fäuste fliegen

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Vielleicht bin ich wirklich ein Langweiler, der einen Stock im Arsch hat, aber ich verstehe beim besten Willen nicht, was so toll an dem Kindergartenspiel Flaschendrehen sein soll.

Fast zwanzig Jugendliche haben sich in einem Sitzkreis auf dem Rasen versammelt. Unter ihnen befinden sich auch Emery, Shirin, Cameron und ich.

Wie es das Schicksal – oder ist es doch mein Karma? – so möchte, sitzt Cameron genau gegenüber von mir. Er trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd, das aufgeknöpft ist und den Blick auf seinen definierten Oberkörper freigibt, und eine helle Hose. Seine dunkelblonden Locken sind verwuschelt und seine giftgrünen Augen vom Alkohol rot unterlaufen.

Scheinbar ist er schon so betrunken, dass er nicht mal die Anwesenheit seiner Freundin bemerkt, denn ich bezweifele, dass er sie im nüchternen Zustand neben einem anderen Jungen sitzen lassen würde.

Na ja, dieser Kerl ist sowieso eine wandelnde Red Flag. Keine Ahnung, was Shirin so toll an ihm findet, aber früher oder später wird sie hoffentlich an meiner Seite landen.

Meine Gedanken werden durchbrochen, als sich irgendein leicht bekleidetes Mädchen in die Mitte des Kreises stellt und laut sagt: „Der, auf den die Flasche zeigt, muss sein Oberteil ausziehen!"

Ernsthaft? Sind wir hier in einem Stripclub, oder was?

Begleitet von Gebrüll und euphorischem Gejohle dreht das Mädchen die Flasche. Es dauert ein paar Sekunden, bis der Hals auf einen Jungen zeigt, der mindestens so breit wie ein Schrank ist. Ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern, streift er sich sein Shirt über den Kopf und wirft es achtlos hinter sich.

Hui, da haben die Mädels aber jetzt was zu gucken ... Bei den vielen Muskeln werde selbst ich neidisch.

Der Bodybuilder-Typ ist der Nächste, der die Flasche dreht. „Trinke einen Shot aus dem Bauchnabel einer Person deiner Wahl!"

Oh Gott. Das ist erst die zweite Aufgabe, aber schon jetzt merke ich, wie niveaulos dieses Spiel ist. Kein Wunder, dass fast alle Anwesenden betrunken sind, denn nüchtern hält man das kaum aus.

Zu meinem großen Bedauern werden die Aufforderungen von Runde zu Runde immer schlimmer.

„Gib deinem Sitznachbarn einen Lapdance!"

„Laufe nackt eine Runde durch den Garten!"

„Mache deine Stöhngeräusche aus dem Bett nach!"

„Zeige deine Blowjob-Künste an einer Banane!"

„Öffne die Hose eines Mitspielers mit deinen Zähnen!"

Ich bin mehr als nur erleichtert, dass der Flaschenhals kein einziges Mal auf mich zeigt. Am liebsten würde ich aufstehen und mich an das Lagerfeuer zurückziehen, aber da ich nicht von Shirin als Spielverderber abgestempelt werden möchte, bleibe ich tapfer auf dem Rasen sitzen.

Einfach hoffen und beten, dass dieses blöde Spiel gleich ein Ende nimmt ...

Jetzt gerade ist ein Junge, der nur eine neongrüne Badehose trägt, an der Reihe. Auf dem Weg in die Mitte stolpert er mehrfach und fällt beinahe hin. Keine Ahnung, wie er es schafft, aber irgendwie erreicht er die Flasche, ohne sich dabei alle Knochen zu brechen.

Respekt!

„Der Nächste muss entweder seinen rechten oder linken Sitznachbarn küssen!" Der Junge grinst dümmlich, ehe er die Flasche in Bewegung setzt.

Mein Herz klopft viel zu schnell gegen meinen Brustkorb, während ich die Flasche dabei beobachte, wie sie von Person zu Person weiterwandert. Nach etwa zehn Sekunden verliert sie an Geschwindigkeit und bewegt sich gefährlich nahe auf mich zu.

Oh oh, bitte nicht!

Ich möchte gerade aufspringen und mich mit einer schlechten Ausrede auf die Toilette verabschieden, da zeigt der Flaschenhals auch schon auf mich und lautes Gejubel bricht aus.

Scheiße! Ich muss jemanden küssen?

Ein riesiger Kloß bildet sich in meinem Hals. Da ich seit über fünf Jahren unsterblich in Shirin verliebt bin, habe ich noch nie ein Mädchen geküsst – abgesehen von meinem Einhorn-Kuscheltier, um ein bisschen zu üben. Ich wollte mir meinen ersten Kuss unbedingt für Shirin aufbewahren, damit er etwas ganz Besonderes wird.

Oh man, was soll ich denn jetzt machen? Kneifen ist keine Option, oder?

Der Typ in der neongrünen Badehose nimmt mir meine Entscheidung ab, indem er mich fragt: „Wen willst du küssen, Mann? Unsere vergebene Star-Cheerleaderin oder das graue GINie-Mäuschen?"

Mein Blick wandert nach links. Dort sitzt Emery, die mich nervös aus ihren rehbraunen Augen anschaut.

Rechts von mir hockt Shirin, die kaum merklich mit dem Kopf schüttelt. In ihren babyblauen Augen spiegelt sich ein Fünkchen Furcht wider, wohingegen ihre Mundwinkel in Richtung Boden zeigen.

Auch wenn ich Shirin leider ansehen kann, dass sie mich nicht küssen möchte, ist das die perfekte Gelegenheit für mich, um ihr näherzukommen. Vielleicht merkt sie dann ja auch, dass sie Gefühle für mich hat, und schießt ihren dämlichen Cameron endlich zum Mond?!

Ich schlucke meine Angst hinunter und nähere mich dann ganz langsam Shirins Gesicht.

„Was machst du da, Luca?", fragt sie mich ängstlich. Ihre Augen springen derweil zwischen meinen Pupillen und Lippen hin und her.

„Wonach sieht es denn aus?", hauche ich so leise, dass nur sie mich verstehen kann. „Ich erfülle meine Aufgabe."

„Das geht nicht", sträubt sich Shirin. „Ich habe einen Freund!"

Obwohl es gemein ist, entflieht mir ein spöttisches Lachen. „Ach, du meinst den Freund, der dich schon dreimal betrogen hat? Es wird Zeit, aufzuholen, Rini!"

Bevor mich mein Mut wieder verlässt, lege ich meine Hände an Shirins glühend heiße Wangen und überbrücke den letzten Abstand zwischen unseren Lippen.

Eigentlich rechne ich damit, dass nun ein Feuerwerk in meinem Herzen explodiert, aber stattdessen spüre ich gar nichts. Shirins Lippen sind zwar weich und warm, doch sie lösen keinen Schwarm aus tanzenden Schmetterlingen in mir aus.

Shit! Das liegt bestimmt nur daran, weil das mein erster Kuss ist und ich keine Ahnung habe, was ich machen muss.

Wie sieht das denn immer in Filmen aus?

Nach kurzer Bedenkzeit möchte ich damit anfangen, meine Lippen zu bewegen, allerdings schließt sich plötzlich eine Hand um den Kragen meines T-Shirts, die mich ruckartig von Shirin wegzieht.

Schade, ich war doch noch gar nicht fertig ...

„Du Pisser!", brüllt mir auf einmal ein wütender Cameron entgegen. Seine Brust hebt und senkt sich viel zu schnell „Was glaubst du eigentlich, wer du bist, hm? Niemand hat das Recht, mein Mädchen zu küssen!"

In Camerons Augen lodert ein Feuer des Zorns. Mit all seiner Kraft zieht er mich auf die Beine, sodass ich mit meinem Gesicht gegen seinen muskulösen Oberkörper krache.

Cameron ist ungefähr einen halben Kopf größer als ich und mindestens dreimal so breit. Ich weiß, dass ich mich nicht von ihm einschüchtern lassen sollte, doch in meinem Magen bildet sich ein riesiger Knoten.

Verdammt! War es wirklich die richtige Entscheidung, Shirin zu küssen? Und dann auch noch gegen ihren Willen?

Mit dieser Aktion habe ich mir vermutlich wirklich den Titel eines Arschlochs eingehandelt ...

„Entschuldige dich gefälligst bei mir, du Bastard!" Während mich Cameron anschreit, bricht um uns herum aufgeregtes Gemurmel aus.

Keine Ahnung, was mit meinem Hirn nicht stimmt, aber irgendwie muss ich gerade wieder an Emerys Worte denken. „Shirin liebt es, wenn Cameron betrunken ist und den eifersüchtigen Freund heraushängen lässt. Frag mich nicht warum, aber wenn er sich ihretwegen prügelt, bekommt sie immer fast einen halben Orgasmus."

Okay, wie es aussieht, ist das gerade meine Chance, Shirin zu beweisen, dass ich mich ebenfalls für sie prügeln würde.

Augen zu und durch, richtig?

„Sorry, aber auf eine Entschuldigung kannst du lange warten, du aufgeblasener Affe!", provoziere ich Cameron. „Es war echt geil, deine Freundin zu küssen. Oh man, Shirins Lippen sind ein Traum. Und wie sie sich wohl an anderen Körperstellen anfühlen würden?"

Automatisch verstärkt sich Camerons Griff um meinen Kragen. Auch wenn ich kaum noch Luft bekomme, grinse ich ihn frech an und säusele: „Hoffentlich können Shirin und ich das bald mal ausprobieren."

Oh man, ob Cameron wohl merkt, dass ich mir gerade beinahe in die Hose mache? Mein Herz rast und mein ganzer Körper steht unter Strom.

Ich habe mich noch nie zuvor mit jemandem geprügelt, aber wie es scheint, ist irgendwann immer das erste Mal.

Damit Cameron nicht derjenige ist, der die Schlägerei anzettelt und alle Lorbeeren erntet, hole ich mit der rechten Faust aus und lasse sie gegen seine Brust krachen.

„Fuck!", fluche ich leise. Hat Cameron etwa Muskeln aus Stahl oder warum fühlt sich meine Hand so an, als wäre sie in Millionen kleine Splitter zerbrochen?

„Ist das dein Ernst, du Lutscher?" Obwohl Cameron lacht, blitzt Wut in seinen Augen auf. „Ich zeige dir jetzt mal, wie man richtig zuschlägt!"

Noch bevor seine Worte mein Hirn erreicht haben, rammt mir Cameron seine Faust mitten ins Gesicht. Ein leises Knacken ertönt und im nächsten Moment spüre ich, wie eine warme Flüssigkeit aus meiner Nase läuft.

Schmerzen, die ich nicht mal annähernd in Worte fassen könnte, fluten meinen Körper.

Obwohl ich es nicht möchte, sacke ich mit Tränen in den Augen zu Boden und fasse mir vorsichtig an meine pochende Nase.

Blut, da ist überall Blut.

„Steh auf, du Loser!", ertönt Camerons zornige Stimme über mir. „Ich bin noch nicht fertig mit dir!"

Am liebsten würde ich ihm vor die Füße spucken, aber da ich Angst habe, er könnte mein Gesicht noch weiter verunstalten oder mir mehrere Knochen brechen, halte ich lieber die Klappe. Stattdessen erfüllt nun die aufgeregte Stimme von Emery die Luft. „Lass ihn in Ruhe, Cameron!"

„Warum?", erwidert der Footballspieler angriffslustig. „Dieser kleine Pisser hat doch angefangen!"

Ganz langsam und vorsichtig hebe ich den Kopf. Ich kann sehen, wie Emery erwartungsvoll zu ihrer besten Freundin schaut, doch Shirin zuckt bloß mit den Schultern und sagt: „Cam hat Recht. Luca hat angefangen."

„Aber das ist doch kein Grund, gewalttätig zu werden! Sieh nur, Luca liegt sogar schon am Boden!", setzt sich Emery für mich ein. Die Tatsache, dass ich zum ersten Schlag angesetzt habe, um Shirin zu beeindrucken, scheint sie zu ignorieren.

„Mir egal!" Kaum sind diese zwei Wörter verflogen, schubst Cameron Emery zur Seite und kommt nur einen Wimpernschlag später vor mir zum Stehen. Ein böses Funkeln verschleiert seine Pupillen, als er raunt: „Kommst du meinem Mädchen noch einmal zu nahe, dann schwöre ich bei Gott, dass ich dir alle Knochen brechen werde!"

Ich schlucke schwer und nicke. Innerlich habe ich die Hoffnung, dass mich Cameron nun in Ruhe lässt, doch genau in dieser Sekunde holt er aus und tritt mir mit all seiner Kraft in den Bauch.

Sofort bleibt mir die Luft zum Atmen weg und ich sehe nur noch schwarze Punkte.

Scheiße! Fühlt sich so sterben an?

***

„Alter! Was ist passiert?" Rhett kommt außer Atem und mit einem besorgten Gesichtsausdruck vor mir zum Stehen. Ich sitze gemeinsam mit Emery vor dem Lagerfeuer und halte mir ein Taschentuch unter meine blutende Nase. Mein Bauch tut zwar immer noch höllisch weh und ich habe das Gefühl, als würde ich in tausend Teile zerreißen, aber wenigstens habe ich meine erste – und hoffentlich auch letzte – Prügelei überlebt.

„Luca hat sich mit Cameron angelegt", übernimmt Emery den Part des Antwortens für mich. Besorgnis und Mitleid spiegeln sich in ihren rehbraunen Augen wider, während sie mir tröstend über den Handrücken tätschelt.

„Warum das denn?" Rhett scheint die Welt nicht mehr zu verstehen.

„Na ja", druckst Em herum. „Er wollte wohl Shirin beeindrucken, denke ich."

Kaum sind ihre Worte verebbt, schlägt sich mein bester Kumpel mit der Handfläche gegen die Stirn. „Wie blöd kann man eigentlich sein?!", fragt er mich wütend. „Merkst du denn gar nicht, wie sehr du dich für dieses Mädchen verstellst?"

„Doch, natürlich", gebe ich zu. „Aber das gehört alles zur ersten Lektion."

Daraufhin hebt Rhett spöttisch seine Augenbrauen. „Ach ja? Und was genau besagt diese erste Lektion?"

„Dass ich ein nettes Arschloch werden muss!"

Leider ist mir das bisher noch nicht so gut geglückt, aber aufgeben ist keine Option!

Mit jeder Sekunde, die verstreicht, sieht Rhett entsetzter aus. Vermutlich zweifelt er gerade meinen gesunden Menschenverstand an und würde mich am liebsten einmal durchschütteln.

Na ja, verübeln kann ich ihm das nicht ...

„Am besten, wir verschwinden von hier!", murmelt mein Kumpel nach einigen Sekunden kopfschüttelnd.

„Was?! Nein!", entfährt es mir. „Das geht nicht! Ich muss doch noch Shirin sagen, dass ich mich nur für sie geprügelt habe!"

„Auf keinen Fall!", widerspricht mir Rhett. „Wir fahren jetzt ins Krankenhaus und danach unterziehe ich dich einer Gehirnwäsche. Das hätte ich schon viel früher tun sollen!"

Meine Augen wandern hilflos zu Emery, die immer noch neben mir auf einem Baumstumpf sitzt, aber leider weicht sie meinem Blick konsequent aus.

„Rhett hat Recht. Die Party ist beendet, Luca!"

Na toll, so habe ich mir den Ausgang dieses Abends definitiv nicht vorgestellt ...

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