17-Süd-Amerika

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Mulmig.

Das beschreibt meine Gefühlslage sehr gut. Ich fühle mich mulmig, während meine Augen weiterhin hoch zu dem Schild gerichtet sind. Der Mann neben mir seufzt tief, fährt sich mit einer Hand durch die Haare, was ich nur im Augenwinkel beobachten kann.

Es ist nicht die Tatsache, dass ich mich hier mit Harry befinde, sondern ehe die Gerüche und Geräusche, der erste Eindruck des Schilds, die mich verunsichern.

Ein unangenehmer, strenger Geruch setzt sich in meiner Nase fest. Eine Mischung aus Abfällen, Scheiße und altem Fleisch. Und dazu der süße Geruch von Harrys Parfüm. Eine tolle Mischung.

Rost kleidet das ganze Schild über uns ein, umrankt von Efeu und vertrockneten Rosen. Der Mauer fehlen Steine oder sie besitzt große Löcher an anderen Stellen, so als habe jemand mit einem Hammer sehr lange zugeschlagen. 

Und zu allem Überfluss kann ich die Geräusche hinter dem Tor nicht ganz zuordnen.

Hier können sich keine Tiere mehr befinden! Oder?

"Ich komme hier öfters hin", murmelt der Mann neben mir leise, dreht sich in meine Richtung. "Wenn ich mich ablenken muss, dann suche ich mir einen der Kontinente aus und wandere durch die leeren Gehege."

Leer. Das Wort schallt laut in meinen Ohren.

Nicht, weil ich mich vor Tieren fürchte oder sie uninteressant finde. Nein! Sie würde mir leid tun, wenn sie hier alleine wären. Ich würde sie bemitleiden und nicht mehr gehen wollen, bis ich weiß, dass es ihn gut gehen wird.

"Nachdem ich mit meiner Aufgabe fertig geworden bin, war ich noch einen Tag hier", gesteht er. Dabei mustert er meine Reaktion auf die Aussage.

Doch ich weiß nicht ganz, wie ich reagieren soll...

Geschockt? Empört? Nein, das auf keinen Fall! Überrascht?

Überrascht passt wahrscheinlich am besten, da er mich überrascht hat. Erneut.

Harry machte auf mich nicht den Eindruck, als würde er gerne seine Zeit in einem leeren Zoo verbringen, so als genieße er die alten Gehe und die komplette Stille. Deshalb frage ich nach, möchte ihn besser verstehen und kennenlernen: "Wie bist du hier drauf gekommen?"

Schulterzuckend antwortet er: "Bin mal nach einem Auftrag durch die Gegend gefahren und dann hier gelandet. Da waren schon die Hälfte aller Tiere weg und nur noch ein paar Pfleger vor Ort."

Ich stelle es mir vor, wie er wütend oder gestresst mit seinem Auto durch die dunkle Nacht fuhr, Zigarette nach Zigarette verarbeitete, und dann irgendwann hier landete. Bei einem alten, heruntergekommenen Zoo und sich in seinen Ban gezogen fühlte.

"Ich habe mich schon früher als Kind für Tiere interessiert", gesteht er dann weiter. 

Begeistert schmunzle ich, meine: "Du bist ja doch nicht so langweilig, wie ich dachte."

Wahrscheinlich lüge ich mit der Aussage bloß mich selbst an, da er von Anfang an ein interessanter Charakter war. Als mürrisch beschrieben, bloß verschlossen am Ende gewesen. Und zudem ein guter Partner für Unterhaltungen.

"Eine Sache, die ich lieber für mich selbst behalte", fährt der Mann fort, setzt sich nun langsam in Bewegung, wobei die Steine unter seinen Füßen knirschen.

"Wieso?", harke ich verwirrt nach, folge ihm aufmerksam. Meine Augen nehme ich nicht von seinen. Etwas funkelt in den grünen Augen, ein Stück Scham und Zurückhaltung, bis er tief seufzt.

"Mein Großvater hatte andere Pläne für mich und meinte, dass ich mich von diesen kindischen Träumen bloß ablenken lasse."

Schnaubend entgegne ich gereizt: "Dem würde ich was erzählen!" Meine Arme verschränke ich vor meiner Brust. "Soll froh sein, dass du dich für etwas Vernünftiges interessierst."

Harry hätte auch andere Interessen entwickeln können. Tiere sind da etwas total Normales und vor allem Lehrreiches. 

"Und auf welchem Kontinent gehst du am liebsten herum?", erkundige ich mich bei, eile etwas hektisch zu ihm, als ich bemerke, dass ich mich unter dem Schild befinde. Neben ihm hergehend, schaue ich mich um.

Verwelkte Büsche, kaputte Wege und umgestürzte Schilder fallen mir ins Auge. Alles wirkt sehr heruntergekommen. Und reizt einen dadurch nur noch mehr.

"Afrika", antwortet er mir. "Warum, wirst du noch verstehen, aber erst möchte ich dir etwas in Süd-Amerika zeigen."

Bei den Worten strahlt er freudig, zeigt mir sein breites Lächeln, was mich auch zum Lächeln bringt. Die Augen leuchten konkurrieren mit der Schönheit der Sterne. Und Harry wirkt frei, unbeschwert.

So als seien seine Probleme verflogen.

Aber wir beide wissen, dass wir sie gerade nur vergessen und sie einen irgendwann wieder einholen werden.

"Wehe, da springt mich irgend so eine vergessen Spinne an", warne ich ihn, hebe bedrohlich einen Finger, so als würde ihn das in irgendeiner Art und Weise einschüchtern. "Ich hasse Spinnen."

Lachend versichert er mir: "Keine Angst. Alle Spinnen und Schlangen wurden vor einem halben Jahr an andere Zoos abgegeben." Er zwinkert mich frech an. 

"Was erwartet mich dann in Süd-Amerika?", versuche ich es aus ihm herauszulocken, doch schüttelt er bloß seinen Kopf und meint: "Das verrate ich dir nicht. Lass dich einfach überraschen."

Noch eine Überraschung heute.

Lange folge ich dem Lockenkopf einfach schweigend, schrecke bei kleinen Geräuschen aus der Entfernung manchmal zusammen und muss manchmal echt mit den Gerüchen kämpfen.

"Es stinkt", teile ich dem Mann mit, rümpfe meine Nase.

"Ich weiß", antwortet er. "Es kommt nur niemand mehr, der sich um die Abfälle und Tierkot kümmert. Der gammelt hinten bei den Ställen herum."

Das stelle ich mir lieber nicht bildlich vor.

Angewidert schüttele ich den Kopf, biege ebenfalls links auf einer Weggabelung ab und entdecke ein Schild, welches von Moos bedeckt ist, auf dem in großen, bunten Buchstaben "Süd-Amerika" steht. Gleich daneben befindet sich ein leeres Gehe. 

"Hier waren früher die Wasserschweine", erklärt mir Harry, während wir an dem alten, kaputten Zaun vorbeigehen. "Fünf Stück. Und dort-" Mit einer Hand deutet er auf das Gehen, welches direkt neben dem der Wasserschweine liegt. "Dort befanden sich die Maras."

Überfordert gestehe ich: "Ich habe keine Ahnung, was Maras sind."

Meine Information über Tiere erstreckt sich nicht über das Grundwissen und eine Vorliebe für Katzen hinaus. Jedoch finde ich es so spannend und interessant, wie Harry mir mit einem großen Begeisterung von allem erzählt.

"Sehen aus wie große Hasen", erklärt er mir. "Sind aber mit den Meerschweinchen verwandt."

Innerlich kann ich es mir ein bisschen vorstellen, muss jedoch wegen dem Mann vor mir schmunzeln. Tiere scheinen sein Ding zu sein und er muss sich in diesem Zoo nicht verstecken. 

Sein Großvater befindet sich nicht in der Nähe.

Plötzlich bleibt er vor etwas stehen und mir stockt der Atem. Fassungslos, sprachlos starre ich das Haus vor mir an, kann meinen Blick nicht von dem Glas wenden.

Vor mir, eingehüllt in Ranken befindet sich ein Glashaus. Auch wenn das Glas an einigen Stellen Flecken besitzt und schmutzig ist, sieht es trotzdem schön aus. Vor allem durch das blaue Licht, welches im Inneren strahlt. Spitz läuft es im Dach zusammen, erstreckt sich zum dunklen Himmel.

Ich kann es mir am Tag als Schlicht, unscheinbar vorstellen. Aber jetzt erleuchtet in der Nacht.

"Was?", stammele ich, starre weiterhin zu dem Haus vor mir. "Das sieht wunderschön aus."

"Von Innen wird es noch viel schöner", versichert er mir, greift vorsichtig nach meiner Hand.

Kurz wartet er ab, ob ich sie ihm entziehe, doch als ich es nicht tue, leitet er mich in Richtung Tür, die er öffnet. Wir befinden uns nur in einem Zwischenraum aus Glas.

Vorsichtig schließt er die Tür, als wir uns in dem Raum befinden und öffnet dann die Tür vor mir, zieht mich weiter mit sich. Sein Gesicht wird von dem blauen Licht angestrahlt, betont leicht seinen Kiefer und die Haare, welche so lässig auf seinem Kopf liegen.

Keine einzige Falte befindet sich in seinem Gesicht.

"Versprich mir gleich bloß eine Sache", bittet er mich, seine Hand weiter an dem Türgriff. "Nicht anfassen."

Irritiert starre ich ihn an, nicke schweigend, während ich mich frage, wieso er so etwas sagt. "Ist es gefährlich?", frage ich vorsichtig.

Sofort schüttelt er den Kopf und verneint, schmunzelt leicht. "Nein. Aber sie sind sehr empfindlich und wenn du sie berührst, verlieren sie ihre winzig kleinen Schuppen", erklärt er mir, zieht mich weiter mit sich.

Bis ich etwas sehe und verstehe, was er meint.

Viele wunderschöne Schmetterlinge fliegen durch das Haus, von verwelkter Blume zu verwelkter Blume. Einige sind so blau wie das Licht, andere gelb. Es ist so wunderschön wie sie über uns flattern, das Licht sich in ihren Flügeln verfängt. 

Meinen Mund bekomme ich gar nicht mehr zu, schaue auf.

Dieser Ort erinnert mich an einen dieser Plätze, wo der Hauptcharakter aus einem Buch von seiner Loveinterest zu einem Date hin ausgeführt wird. Ein Ort, wo der erste Kuss in den Büchern statt findet, wo sich die Charaktere ihre Liebe gestehen.

Und ich könnte jeden Autor verstehen, der solch einen herrlichen, wunderschönen Ort für solch eine rührende Szene wählt. Man fühlt sich wie in einem Traum.

"Harry, das..." Es verschlägt mir die Sprache.

"Sie werden hier sterben", teilt er mir leise mit, worauf ich mich sofort zu ihm drehe und traurig frage: "Wieso?"

Seufzend erklärt er: "Weil es zu stressig wäre sie alle einzufangen und an einen anderen Ort zu bringen. Also lassen wir sie hier und sorgen dafür, dass es ihnen bis zu ihrem Ende gut ergeht."

Während er spricht fliegt einer der blauen Falter dicht an uns heran. Seine Flügel schimmern sanft im Licht und er fliegt wie eine Feder durch die Luft. Anmutig und sanft.

Begeistert folge ich dem Schmetterling, bis er sich auf einem Blatt niederlässt.

"Ein blauer Morphofalter", raunt Harry nah an mein Ohr, befindet sich direkt hinter mir. "Meiner Meinung nach einer der Schönsten."

Schweigend nicke ich zustimmend, weiterhin das blaue Tier beobachtend. Schmetterlinge mag ich auch.

Früher bin ich als Kind den Schmetterlingen im Garten nachgelaufen oder habe ihre Flugbewegungen imitiert. Bis mein Vater die Grazie der Falter mit in mein Training einbaute und sie zu etwas Ernstem gestaltete. Ich verlor meine Freude an ihnen.

Aber jetzt, hier mit Harry, verliebe ich mich erneut in die wunderschönen Tiere. Wahrscheinlich die schönsten auf dieser Welt. Sie faszinieren mich wieder.

Erst jetzt fällt mir auf, wie nah wir aneinander stehen, die Hände immer noch ineinander verschränkt, weshalb ich mich räuspere und von dem Mann ein wenig Abstand nehme. Verlegen trete ich von einem Fuß auf den anderen.

"Es ist wunderschön hier, Harry", teile ich ihm mit, erwidere den Blick der grünen Augen. "Ich kann verstehen, warum du gerne hier herkommst."

In seiner rechten Wange bildet sich durch sein Schmunzeln ein Grübchen, was mich ebenfalls zum Lächeln bringt. "Danke", raune ich dann.

"Danke wofür?"

Harry kratzt sich am Nacken, während ich erkläre: "Dafür, dass du mir diesen schönen Ort zeigst und mit mir teilst. Danke."

Es scheint so, als würden die anderen nichts von diesen Ort wissen, als sei ich die Erste, der er diesen besonderen Platz gezeigt hat. Und ich fühle mich geehrt, kann verstehen, dass er sich hier gut beruhigen kann.

"Du meintest, dass Afrika dein Lieblingskontinent ist", meine ich, drehe mich gleichzeitig zu ihm um, da er sich etwas hinter mich gestellt hat. "Darf ich erfahren wieso? Wenn Süd-Amerika schon diese Schönheit zu bieten hat. Die anderen Tiere sind doch alle weg."

"Nicht alle", verneint er kopfschüttelnd. "Wir haben noch den Streichelzoo mit einigen Tieren und ein Gehege in Afrika ist besetzt", erklärt der Mann weiter. Er denkt an etwas, sagt dann: "Afrika hat jedoch auch einen traurigen Aspekt."

Er wirkt bedrückt.

"Was meinst du? Trauriger Aspekt?"

Seufzend sagt er: "Du wirst schon sehen. Es ist besser zu erklären, wenn wir dort sind", und greift erneut nach meiner Hand, welche er sanft in seine nimmt. Ein Kribbeln breitet sich von meiner Hand in meinen ganzen Körper weiter aus, bis ich die Hitze in meinen Wangen spüre.

Was ist mit mir nur los?

Sicherlich die Überraschung und dieses schöne Gefühl, welches der Anblick der Schmetterlinge in mir verbreiten.

Ruhig und langsam, bedacht keinen der Schmetterlinge in den Weg zu kommen, verlassen wir das Glashaus und gehen den Weg durch den Kontinent Süd-Amerika zurück. Viele Gehe sehen so verwüstet aus, als habe jemand sie mit Absicht zerstört, nachdem die Tiere weg waren.

"Wie kam es überhaupt dazu, dass der Zoo schließen musste?", erkundige ich mich bei Harry, der mich führt, seine Hand um meine geschlungen.

"Schlechte Verkaufszahlen und ein unfähiger Zoodirektor, der keine Ahnung hatte, wie man Tiere Artengerecht hält", wütet er leicht. "Dazu kamen dann noch ein paar komische Banden, die es für lustig hielten, hier für Unordnung zu sorgen", erklärt er weiter, wirkt ein wenig aufgebracht.

Im schien fiel an diesem Zoo zu liegen.

Mittlerweile sind wir in Afrika angekommen und als erstes fällt mir ein riesiges Elefantenhaus ins Auge. Jedoch wirkt es sehr heruntergekommen. Der Stein zerbröckelt und der Graben, welcher die Besucher und Tiere trennen soll, ist voll mit einer komischen braunen Pampe.

Daneben befindet sich ein Gehege, umrandet von Glas und ein Schild auf dem ich gerade noch so das Wort "Erdmännchen" entziffern kann. Eine Figur, die genau dieses Tier darstellen soll, liegt umgekippt und zerkratzt auf dem Boden. Ein großes Loch befindet sich mitten in dem Auge des gemalten Tiers.

Auf einmal nehme ich ein Geräusch war, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellen und ein Schauer meinen Rücken hinab läuft.

"Harry?", frage ich sehr überfordert, da ich von diesen Lauten sehr verwirrt bin. Das kann nicht sein. "Was war das?"

Jedoch kommt er nicht zur Antwort, da sich hinter uns jemand räuspert und wir beide uns zu einem Mann mit einer grünen Latzhose, Gummistiefeln und einem kahlen Kopf umdrehen. Freundlich lächelt er mich an, wendet sich dann an Harry.

"Ich habe Sie heute Abend nicht hier erwartet, Mr. Styles", dringt seine alte, jedoch ruhige Stimme an meine Ohren.


*Bisschen kürzer als sonst... Bin fertig, hab um 17 Uhr angefangen, dann um 18 Uhr Pause wegen Kopfschmerzen gemacht (kurz gepennt) und dann jetzt zu Ende geschrieben... Morgen kommt dann mehr. Schönen Abend euch noch:)*


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