20-gute Erinnerungen

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TW: Tod, Waffen, Blut

Immer noch sprachlos schaue ich mich zum hundertsten Mal in dem Restaurant um, betrachte den riesigen Kronleuchter, der sich über uns befindet. Viele, kleine glasklare Kristalle hängen an den zu Blättern geformten goldenen Strängen, reflektieren das warme Licht der Kerzen im Raum. Es war das Erste was mir ins Auge fiel als wir den Raum betraten.

Die Wärme, welche von den Lichtern und der Atmosphäre im Raum ausging, mich sofort einhüllte und in ihren Bann zog.

Und jetzt drehe ich mich erneut auf meinen Sitzplatz um, verfolge einen der feingekleideten Kellner, der ein Tablett mit kristallenen, verzierten Champagnergläsern zu einem der Tische bringt.

Alle Tische, welche aus Marmor sind, was mir beim Blick unter den weißen Stoff der Decke auffiel, sind mit weißen Blumen in teuren Vasen und weißen Kerzen in goldenen Kerzenständern dekoriert. Die Stühle, alle samt gepolstert, wirken anmutig, wie aus einem Tronsaal. 

An der Wand befinden sich historische, prunkvolle Bilder, die Persönlichkeiten aus verschiedenen Jahrhunderten zeigen, daneben blühende Blumen. Goldene Verzierungen, wie kleine Ranken, verlaufen über die beige Tapete. Der Marmorboden reflektiert die Lichter, ist glatt poliert, sodass man Angst haben könnte auf der Fläche auszurutschen.

Eine große Bar, verziert mit Gold und einer riesigen Auswahl an Alkohol befindet sich hinter uns. In Richtung des Eingang wird sie von einer Wand versteckt, an der sich weitere teure Flaschen befinden.

Alles erinnert mich an einen Traum. Ein Traum, aus dem ich in jeder Sekunde aufwachen könnte, da es einfach nicht wahr sein kann.

"Ihr Champagner, Sir", räuspert sich ein Kellner, eine große Flasche und sechs lupenreine Gläser auf seinem Service balancierend. Seine Hände befinden sich in weißen Handschuhen. "Eine Aufmerksamkeit des Hauses", fährt er fort und beginnt bei dem Mann neben mir, die sprudelnde Flüssigkeit zu servieren.

"Dankeschön", bedankt sich Harry, zwinkert mir zu, als er meinen total baffen Blick entdeckt. Zwischen Harry und Hailey sitzend, verfolge ich die anmutige Handlung des Kellners, wie er gekonnt jedem von uns ein Glas überreicht.

Immer wieder füllt er den Champagner so hoch ein, dass ich befürchte der Schaum würde gleich über den Rand laufen und die saubere Tischdecke ruinieren. Doch geschieht dies nicht, so als habe er tausend Mal ausgetestet, bis welchen Punkt er die Gläser auffüllen kann. Selbst diese Kleinigkeit fasziniert mich.

Mit einem breiten Grinsen greift Naill, der links von meiner besten Freundin sitzt, nach seinem Glas und hebt es in die Luft, was wir ihm alle gleich tun. Leicht zieht die Kälte in meine Finger, während ich beobachte, wie sich das Licht nun in dem Glas und Champagner bricht.

"Auf einen geilen Abschluss", meint der Ire.

"Einen guten Abschied", fügt Liam hinzu, lässt sein Champagner sanft gegen das von Louis klirren, der neben ihm nickt, dann von dem Getränk nippt.

Die Männer sehen sich kurz an, haben so einen Ausdruck, den nur sie zu verstehen scheinen.

"Vielleicht kein Abschied", nehme ich das leise Murmeln neben mir wahr. Langsam drehe ich meinen Kopf zu Harry, der meinen Blick erwidert, sein Glas zwischen den Fingern der Hand mit dem Kreuztattoo. Etwas Vielversprechendes liegt in seinen Augen. "Nur ein auf Wiedersehen."

Dem zustimmend nicke ich, bevor ich die kühle Flüssigkeit zu meinen Lippen führe und einen Schluck des guten Champagners nehme. Es schmeckt als würde ich pures Gold über meine Zunge gleiten lassen.

Es wird kein Abschied. Harry und ich haben unsere Abmachung, dass ich ihn öfters zum Zoo begleiten darf. Wir werden uns wiedersehen. Vielleicht nicht sofort, oder in den kommenden Wochen.

Aber wir werden uns wiedersehen.

Und somit ist dies kein Abschied.

Zudem wird Hailey sicherlich weiterhin Dinge mit den Jungs unternehmen. Sie ist immer noch Nialls Freundin. Sie werden sich also auf alle Fälle wiedersehen. Und vielleicht wird sie mich ab und zu mal mitnehmen, sodass ich auch die anderen wiedersehen werde.

Nach einer Weile kommt der Kellner mit der Karte für uns alle zurück. Eingehüllt in schwarzem Leder, verziert mit goldenen Buchstaben und Ranken liegt die Karte in meiner Hand, nachdem sie mir übergeben wurde.

"Unser Koch empfiehlt heute Abend den Lammrücken mit der hauseigenen Schoko-Oliven Soße", spricht der Mann sanft, behält ein freundliches Lächeln. "Zudem haben wir ganz neu ein Jerk-Garnelen-Cury auf unserer Karte."

Interessiert werfe ich einen Blick auf die erste Seite und entdecke die beiden Vorschläge in den obersten Zeilen. Was mich verwirrt, sind die fehlenden Preise. Nichts hat einen Preis angegeben. Wahrscheinlich ist das bei diesem Klientel üblich.

Gott, bin ich froh, dass ich das grüne Samtkleid trage und nicht eines meiner Sommerkleider. Damit würde all die Aufmerksamkeit ansonsten auf mir liegen.

Neugierig blättern wir alle in der Karte, tauschen uns ab und zu über unsere mögliche Essenswahl aus. Besonders Niall und Liam sind unentschlossen. 

Die beiden diskutieren, ob sie das Übliche wie sonst nehmen, um auf Nummer Sicher zu gehen, oder doch mal etwas anderes wählen. Diese Gedanken kenne ich zu gut.

Wenn meine Eltern und ich Essen fahren, wähle ich meistens auch immer das gleiche Gericht, damit ich wenigstens ein Stück an Gewissheit habe, dass es mir schmecken wird und ich das Restaurant nicht hungrig verlasse.

Deshalb checke ich die Karte eines Restaurants vorher immer schon online -nur um mich zu vergewissern, dass ich etwas finden werde.

Von Lachs zu Rinds, bis zu Meeresfrüchten hat die Karte eine große Auswahl zu bieten. Selbst die Wahl der Beilagen ist etwas überwältigend. Harry neben mir scheint sich schon entschieden zu haben, da er seine Karte nun geschlossen vor sich auf den Tisch legt, die Hände verschränkt.

"Hilf mir", raune ich flehend in seine Richtung, lehne mich zu ihm. Ich musste kurz über diese Entscheidung nachdenken, doch entschied mich dann einfach dafür, da mir die Wahl so schwer fehlt. "Was soll ich nehmen?"

Mit einem Schmunzeln lehnt er sich ebenfalls weiter zu mir. Sein Atem prallt sanft gegen mein Gesicht, die grünen Augen auf mich gerichtet. Kurz wandern sie zu meinem Mund, dann wieder hoch zu meinem Blick und er erkundigt sich: "Was isst du denn sonst gerne?"

"Steak", gebe ich leise zu. "Und dazu Pommes."

Meine Wahl ist immer das selbe, langweiliges Steak mit Pommes und klein geschnippelten Gemüse, das als Deko auf dem Teller verteilt wurde.

"Okay", entgegnet der Mann, wobei seine Grübchen zum Vorschein kommen. Dann blättert er etwas in der Karte und deutet mit einem Finger auf etwas. "Hier." Ich schaue auf das, was er mir zeigt. "Das Steak ist wirklich gut und schmeckt mit der hauseigenen Soße süß. Vertrau mir. Dazu gibt es selbstgemachte Pommes, auch wenn sie die Kartoffelstücken hier niemals so bezeichnen würden."

Amüsiert grinse ich bei seinen letzten Worten, nicke dankbar und entscheide mich dafür, ihm zu vertrauen.

Auch die anderen haben ihre Entscheidung gefällt und nach einiger Zeit kommt unser Kellner wieder, nimmt all die Bestellungen, plus individuelle Änderungen, mit einem freundlichen Lächeln auf.

Dann unterhalten wir uns eine Weile über alles mögliche. Die Deko, die letzten Tage und darüber, ob eine Krawatte ein Outfit besser macht, nachdem Niall uns zuflüsterte, wie cool er die Krawatte von einem der anderen Gäste findet. Rot mit kleinen Raumschiffen, die von weitem nur wie Punkte aussehen.

Der Gast ist ein Kind.

"Ich muss mal fragen", meint dann aber Liam, die Ellenbogen auf dem Tisch abgelegt und zwischen mir und Hailey hin und herblickend. "Wie habt ihr beide euch kennen gelernt?"

Lachen bricht von meiner besten Freundin neben mir aus, während die Hitze in mir in mein Gesicht schießt. Hailey hält amüsiert ihren Bauch, schaut zu mir. Vor lauter Lachen muss sie erst einmal die Tränen unter ihren Augen vorsichtig wegwischen.

"Das sollte Hailey wohl erzählen", antworte ich ruhig, schüttele den Kopf, da die Blondine neben mir sich noch nicht beruhigt hat.

"Wieso das?", harkt Louis nach, starrt mich verwirrt an. Ihm steht sein Hemd sehr gut, betont die sonst unauffälligen Muskeln und schmiegt sich sanft um den von den letzten Tagen gebräunten Körper. "Warst du bei dem Treffen etwa nicht anwesend?"

Diese Frage sorgt dafür, dass Hailey nur wieder laut lacht, obwohl sie sich gerade beruhigt hatte. Tränen rinnen über ihre Wangen. Kopfschüttelnd seufze ich, spüre meine glühenden Wangen.

"Ich war schon dabei", erkläre ich, nehme den aufmerksamen Blick des Mannes neben mir wahr. Alle Augen sind auf mich gerichtet. "Aber ich kann mich nicht daran erinnern", gebe ich dann zu und senke meinen Kopf, sodass ich auf meine verschränkten Finger auf meinem Schoss schaue.

Der goldene Ring an meiner linken Hand erscheint mir plötzlich sehr interessant.

Fassungslos erkundigt Niall sich: "Wie, du erinnerst dich nicht daran?"

Flehend schaue ich zu Hailey, dass sie es endlich erklärt und mich aus dieser Situation bringt. Sofort bemerkt sie meinen Blick und beruhigt sich ein wenig, richtet den Saum ihres Kleides und meint dann: "Freya und ich kennen uns schon eine Weile", beginnt sie.

"Wir haben uns normal, wie alle anderen auch kennen gelernt. Freya erinnert sich bloß nicht", kommt sie dann zu der Erklärung, sieht zu mir. "Weil sie ein Jahr nachdem wir uns kennen gelernt haben, die Treppe runtergefallen ist. Sie hatte eine schwere Gehirnerschütterung."

Mit großen Augen blicken die vier Männer zu mir, so als können sie es gar nicht fassen. Ihre ganze Aufmerksamkeit liegt bei mir.

"Und du erinnerst dich an nichts mehr?", harkt Louis fassungslos nach. "Nichts?"

"Nein", entgegne ich kopfschüttelnd. "Ich erinnere mich an alles."

"Außer an mich", fügt Hailey hinzu. "Sie ist im Krankenhaus aufgewacht und hat mich mit großen Augen angestarrt. So als sei ich ein Geist."

Ich spüre noch dieses verwirrte Gefühl in mir, wenn ich daran denke, wie ich die Blondine zum ersten Mal sah, das erste Mal in die Augen blickte und keine Ahnung hatte, wer da vor mir sitzt. Ich weiß noch, wie leer ich mich fühlte, während sie und meine Eltern mir alles erzählten und ich keine Erinnerungen zu den Erzählungen in meinem Kopf fand.

Zu meiner Zeit mit Hailey vor dem Unfall ist alles dunkel und leer, so als hätten diese Tage nie existiert.

Und manchmal fühle ich mich schlecht deswegen.

Wie kann es sein, dass ich nur meine beste -und zudem einzige- Freundin vergessen habe? Warum ausgerechnet die schöne Zeit? Laut ihren Erzählungen.

Sie und meine Eltern mussten sehr viel Geduld mit mir haben, ständig sich wiederholen und Insider mir wieder und wieder erklären, da ich sie nicht verstand.

Ärzte könnten auch nicht helfen. Niemand wusste so recht, warum ich nur diesen Teil meines Lebens vergessen habe, wieso nichts anderes betroffen ist.

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, tue manchmal so, als würde ich mich an alles erinnern. Obwohl ich mir bloß jedes Detail aus den Erzählungen gemerkt habe. Dafür musste ich sie aber auch oft hören und immer wieder nachfragen.

So sehr, dass selbst Hailey manchmal einige Details vergaß oder vertauschte.

"Und du erinnerst dich bis heute an rein gar nichts?", fragt Harry neben mir vorsichtig. Seine Hand legt er einfühlsam auf meine Schulter.

Kopfschüttelnd erkläre ich: "Nur an die Dinge vor dem Sturz. An die Geschehnisse danach erinnere ich mich dafür um so besser."

Seit diesem Tag versuche ich immer Bilder von allen möglichen, wichtigen Ereignissen in meinem Leben zu schießen. Um mich daran zu erinnern!

Es gibt keine Bilder von mir und Hailey, und ich bereue das sehr.

"Wir haben ja auch dafür gesorgt, dass sie unvergesslich werden", gibt meine beste Freundin mit einem stolzen Lächeln hinzu, nimmt mich sanft in ihren Arm. Harrys Hand rutscht deswegen von meiner Schulter.

Eng drückt sie mich an sich und ich erwidere die Umarmung, nehme den süßen Geruch ihres Parfüms wahr. Es stimmt! Wir haben einiges unternommen. Nachdem sie es war, die meine Eltern immer beruhigt hatte.

Nächte in Clubs, Ausflüge ans Meer, Abende mit Gesichtsmasken und fettigen Fastfood im Bett, Shopping Tripps, bei den wir kein Pfund mehr übrig hatten. Das erste Mal Alkohol, skandalöse Kleider, bei denen meiner Mom die Kinnlade zum Boden geklappt wäre, Streiche und der größte Blödsinn. 

Alles gute Erinnerungen.

Hailey und ich lösen uns wieder voneinander, schauen zu den Männern vor uns. Niall greift unter dem Tisch seiner Freundin, Louis nimmt schweigend einen Schluck von dem Champagner und Liam betrachtet seine verschränkten Finger.

Und Harry?

Harry sitzt neben mir, beobachtet meine Reaktion, weswegen ich mit einem Lächeln zu ihm blicke, damit verdeutliche 'Es geht mir gut', worauf sich seine angespannten Schultern langsam entspannen.

"So, genug von uns", lenkt die Frau neben mir ab, setzt wieder ein Lächeln auf. "Wie habt ihr euch kennen gelernt?"

Bei der Frage werde auch ich aufmerksam, werfe den Männern fragende Blicke zu. Wie haben die vier sich wohl kennen gelernt?

Sie wissen eindeutig von Harrys Aufgaben, den Gründen, warum er manchmal verschwindet. Und sie machen daraus ein ebenso großes Mysterium, wie der Mann.

"Oh", lacht Liam. "Wir kennen uns schon lange", fährt er fort. Doch sagt er nicht mehr. Eher guckt er bittend zu dem Mann neben mir, der seufzt. Leicht gereizt fährt er sich mit einer Hand durch seine Haare, holt dann tief Luft.

"Wir haben uns bei Veranstaltungen der Organisation meiner Eltern kennen gelernt"; erklärt er. "Zumindest Louis, Liam und ich. Niall kam erst später dazu."

Der Ire nickt zustimmend.

"Konnte Liam am Anfang nicht leiden", fährt Harry fort, grinst bei den Gedanken. "War eine verdammte Nervensäge."

"Du warst bloß eifersüchtig, dass ich mehr Lob als du bekommen habe", mischt sich der Mann mit den braunen Haaren ein. "Weil ich dich immer besiegt habe."

Kopfschüttelnd kontert der Lockenkopf: "Vielleicht", zuckt mit den Schultern. "Aber das hat sich ja eindeutig geändert."

Ich verstehe nicht ganz, worüber sie reden. Hailey auch nicht, da sie nachfragt: "Wo drin war Liam besser?"

"Allem", antwortet ihr der genannte sofort. "In allem war ich besser. Unser-", kurz überlegt er, fährt dann fort: "Lehrer hat mich immer mehr gelobt."

Sag doch gleich, dass es um die Schule geht.

Irgendwie stelle ich es mir lustig vor, wie Harry eifersüchtig auf einen jungen Liam ist, der besser rechnen und schreiben kann. Wie er wütend wird, wenn er bloß eine Zwei bekommt. Ich stelle mir vor, wie der Junge die Augenbrauen zusammen zieht, den anderen Jungen mit seinen grünen Augen anfunkelt.

"Mag ja sein, dass er besser war als ich. Aber nur bis wir zwölf wurden. Seitdem bin ich der Beste von uns", spielt sich der Mann neben mir auf. Seine Brust spannt er zudem an.

Amüsiert schüttele ich den Kopf, da sie beginnen wie Hähne zu diskutieren, wer tatsächliche der Beste ist. Auch Louis und Niall bringen immer wieder Argumente hervor.

"Männer", stöhnt Hailey genervt, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück an die Lehne. In meine Richtung schauen verdreht sie ihre wunderschönen Augen. "Jeder will der Beste sein."

Ich kann nur schmunzeln, verfolge die ganze Situation.

Mein Herz fühlt sich nicht schwer oder bedrückt an. Nein, ich fühle mich frei und unbeschwert, genieße die Situation. Auch wenn diese Diskussion so komisch ist, macht genau diese Tatsache sie so lustig und amüsant. Und zu einem ebenso schönen Moment dieser zwei Wochen.

Die Männer sind mir ein Stück ans Herz gewachsen und werden mir fehlen.

Doch dieser Moment wird plötzlich unterbrochen.

Gar nicht schnell genug kann ich reagieren, da werde ich auch schon von dem Mann neben mir an meiner Hand runter zu Boden gerissen. Mein Herz schlägt vor Schock schnell in meiner Brust und ich bin schon dabei die erlernten Techniken anzuwenden, um ihn von mir runter zu bekommen, da nehme ich etwas wahr.

Laute Schüsse.

Fassungslos starre ich zu Harry, der sich auf mir befindet, eine Hand auf meine Brust gepresst, die andere direkt neben meinem Kopf. Mit einer verdammten M1911 zwischen den Fingern, der Zeigefinger am Abzug.

Mit großen Augen starre ich zu ihm auf, während er mir verdeutlicht, dass ich leise sein muss.

Um uns herum fliegt Glas durch die Luft. Von Champagnergläsern oder den Kristallen aus den Kronleuchtern. Leute Schreien, stampfen um uns herum über den Boden.

Alles in mir zieht sich zusammen, während die Angst langsam immer höher und höher kriecht. Bis mir schlecht wird und ich mich am liebsten übergeben möchte.

Bleib ruhig, sage ich mir selbst. Denk nach!

"Erste Regel: Bleibe ruhig und verliere ja nicht die Fassung. Wenn du nicht klar denkst, hast du schon verloren."

Also hole ich tief Luft, konzentriere mich kurz auf meine Atmung, Harry weiterhin auf mir liegen habend und eng an mich gepresst. Der Geruch von Vanille und Pfefferminz dringt in meine Nase und ich konzentriere mich darauf. Und auf die Wärme, die von dem Körper des Mannes ausgeht.

"Zweite Regel: Schaue dir deine Umgebung genaustens an. Suche nach Auswegen, achte auf jedes kleinste Detail! Es kann dir den Hintern retten. Dein Leben!"

Langsam werfe ich einen Blick zu der Stelle, wo Hailey sich noch vor kurzem befand. Doch sie sitzt dort nicht, sondern befindet sich ebenfalls, wie ich, auf dem Boden. Niall liegt über ihr, ebenfalls eine Waffe in der Hand und schnaubend versuchend irgendetwas in dem Wirrwarr um uns herum zu erkennen.

Menschen laufen schreiend von einem Punkt zu dem anderen, Glas fliegt in alle Richtungen, während ich unklare Schreie und Anweisungen von Stimmen wahrnehme. Über uns fliegen die Kugeln durch die Gegend.

Sie kommen alle aus einer Richtung. Dem Eingang.

"Dritte Regel: Überlege dir ein Ablenkungsmanöver. Denk nach. Aber schnell! Lass dir nicht zu viel Zeit."

Harry liegt weiterhin auf mir, die Waffe neben meinem Kopf und in Richtung des Eingangs gerichtet. Er benutzt sie nicht gegen mich! Wo hat er aber die verdammte Pistole her?

"Niall, du bringst Hailey hier raus. Ich kümmere mich um Freya", beginnt der Lockenkopf schnaubend Anweisungen an seine Freunde zu geben. "Louis, Liam!" Die beiden tauchen sofort auf, kriechen über den Boden und schauen Harry wartend an. "Ihr schaltet die Typen aus."

"Dort hinten gibt es eine Bar. Ihr könnt euch hinter der seitlichen Wand verstecken und habt eine gute Schussbahn auf den Eingang", keuche ich, deute vorsichtig zu der Bar, an die ich mich von meinen Blicken durch den Saal erinnere.

Beide nicken und beginnen über den Boden in Richtung der Bar zu kriechen. Durch die Decken der Tische können die Eindringliege sie nicht entdecken, wenn sie tief genug und schnell sind.

Wer verdammt nochmal stürmt ein Restaurant?

Meine Atmung wird schneller, ich spüre wie sich Schweiß von dem Stress auf meiner Stirn sammelt. "Niall", warnt Harry den Iren. "Sei vorsichtig und mach nichts Dummes. Wir treffen uns bei den Autos."

Der Ire nickt, ehe er seine Freundin vorsichtig mit sich mitzieht, die Waffe immer bereit hält. Ängstlich schaue ich den beiden nach, kann nicht glauben, dass wir uns trennen. Aber es ist sicherer so. Wenn uns einer von den Typen am Eingang entdeckt, dann würden sie wissen, wo wir uns befinden. Wo wir uns alle befinden.

"Komm mit", flüstert Harry mir leise zu, bewegt sich langsam von mir weg.

Doch ich schnappe sofort nach seinem Handgelenk und stoppe ihn. "In der Richtung liegt der Eingang. Dort sind diese Leute", teile ich ihm mit, spüre wie die grünen Augen sich in meine bohren. "Du würdest ihnen direkt in die Arme laufen."

Tief Luft holend nickt er, weshalb ich fortfahre: "Es muss einen Hinterausgang durch die Küche geben. Niemand der Köche kommt ins Restaurant. Sie nehmen wahrscheinlich den Hinterausgang. Und man hört keine Schüsse von draußen. Sie haben also niemanden am Hinterausgang."

Das alles musste ich in einer so kurzen Zeit aufnehmen und jetzt ihm auch noch mitteilen. Ich fühle mich von der ganzen Situation etwas überwältigt.

Nickend antwortet Harry, nachdem er selber kurz den Schüssen und Schreien um uns herum lauschte: "Okay, auf mein Kommando sprintest du in die Küche und raus aus dem Gebäude. Egal was passiert, du wirst nicht umkehren, sondern so schnell wie möglich zu den Autos laufen. Niall und Hailey sollten da sein."

Dann holt er tief Luft und fügt hinzu: "Wenn sich niemand bei den Autos befindet, dann läufst du weiter. So weit weg, wie du nur kannst. Haben wir uns verstanden?"

Hektisch nicke ich, starre auf die Pistole. Meine Atmung geht schnell, mein Brustkorb hebt und senkt sich. Regel Nummer eins, erinnere ich mich, atme tief ein, um meine Gedanken wieder zu sortieren. Bleib ruhig!

Kurz wirft der Lockenkopf einen Blick über unseren Tisch, sieht sich in dem Saal um. "Los!", schreit er mir dann zu und nickt. Mit einem kräftigen Griff greift er mir unter die Arme und hilft mir auf, damit ich loslaufen kann.

Meine Beine fühlen sich so schwer an, schmerzen, als ich stehe und etwas gebeugt beginne in die Richtung der Küche zu laufen. Dicht hinter mir befindet sich Harry, schießt in die Richtung der Angreifer.

Weiterhin herrscht ein totales Chaos um uns herum. Leute schreien, weinen, gemischt mit den Schüssen. Geschirr klirrt, Glas fliegt durch die Gegend. Im Augenwinkel nehme ich Louis und Liam an der Bar wahr, von wo sie tatsächlich eine gute Schussbahn haben. Doch sie selbst werden von der Wand geschützt.

Warum besitzen alle vier Waffen?

Die Beretta in Liams Hand trifft ihre Ziele hervorragend, sodass einige der Angreifer schreiend zu Boden sinken. Auch Louis trifft fehlerlos.

"Pass auf!", faucht Harry mir zu, zieht mich an meinem Handgelenk grob zurück.

Keuchend starre ich auf den Körper vor mir. Regungslos liegt eine Frau auf dem Boden, die Arme und Beine von ihrem Körper ausgestreckt. Aus der Schusswunde auf ihrer Stirn und der Verletzung an ihrer Schulter rinnt das Blut auf den Boden, färbt ihr wunderschönes gelbes Kleid rot.

Mir wird schlecht, die Übelkeit breitet sich in mir aus.

"Du hast nicht aufgepasst! Geträumt", dringt die wütende Stimme des Mannes, wie ich sie schon so oft hörte an mein Ohr. "Geträumt, Freya!", meckert mein Vater.

Doch Harry gibt mir nicht mehr Zeit die Situation zu verarbeiten, sondern schiebt mich weiter, seine Hand in meinen Rücken gepresst. Er schnauft, wirkt aufgewühlt, während er immer Mal in die Richtung hinter uns schießt.

Stöhnend, außer Atem presse ich die Tür zur Küche auf, würde gerne stehen bleiben und kurz einmal tief einatmen. Jedoch gibt mir der Mann keine Pause. Vorsichtig verschränkt er unsere Finger miteinander, zieht mich weiter mit sich mit, raus aus der Tür, die uns in die eiseskalte Nacht führt.

Ein peitschender Wind weht um meine Ohren, kühlt mich sofort ab. Mein Körper kühlt sich von feuerheiß auf eiskalt innerhalb weniger Sekunden ab.

Glas fällt leise klirrend aus meinen Haaren zu Boden, Splitter, die sich aus den Kornleuchtern in meinen offenen Haaren verfangen haben.

Bibbernd schaue ich mich in den Hof um, entdecke niemanden. Auch Harry wirft einen Blick in alle Ecken, bevor er mich weiter mit sich mitzieht. Weiter zu den Wagen, mit denen wir hier angekommen sind.

Gerade als wir um die Ecke, welche zur Straße führt gehen wollen, zieht Harry mich erneut zurück, presst mich dicht an die kalte Wand. Sein ganzer Körper versteckt mich und ich muss meine Atmung erneut unter Kontrolle bekommen.

Schweiß befindet sich auf seiner Stirn, sein ganzes Gesicht verdeutlicht seine Anspannung.

Eng an mir stehend, eine Hand neben meinen Kopf, die andere die 1911 fest umklammernd, verdeutlicht er mir, dass ich leise sein muss, bevor er vorsichtig um die Ecke schaut. Einige Schüsse nehme ich wahr und manchmal hört man noch Schreie der Menschen aus dem Restaurant.

Langsam beginne ich zu Zittern, spüre, wie die Angst sich immer mehr in mir ausbreitet.

Bleib ruhig! Behalte die Kontrolle!

"Einige befinden sich vor dem Eingang", teilt er mir dann mit. Die grünen Augen mustern meine Reaktion genaustens, während Harrys Atem gegen mein Gesicht prallt. Brust an Brust stehen wir im Schatten der Gasse.

"Was geht hier vor sich?", frage ich nach, kann nicht glauben, wie klein und eingeschüchtert meine eigene Stimme klingt. Doch ich will mich nicht unnötig räuspern. "Wer sind die Leute, Harry?"

Kopfschüttelnd murmelt er ein 'Später', wirft erneut einen Blick um die Ecke.

Doch bei einem Geräusch hinter uns zucke ich erschrocken zusammen, starre voller Angst in die Richtung des Hinterausgangs, aus dem wir vor wenigen Minuten traten. "Ach du heilige Scheiße", flucht der Blondschopf, die Blondine fest in seinen Armen haltend.

"Halt die Klappe", zischt der Mann sofort warnend zu Niall, dem Louis und Liam folgen. "Dort stehen einige. Wie viele habt ihr zurückgelassen?"

"Sechs, höchstens acht", antwortet Liam sofort auf die Frage. "Einige stehen draußen, aber es waren auf alle Fälle noch drei drin."

Bei der Antwort nickt der Lockenkopf vor mir. "Es stehen vier draußen", teilt er den anderen mit.

"Für jeden einen", zischt Louis, lädt seine Waffe leise nach.

Zustimmend nickt der Mann neben mir, tritt nun etwas von mir zurück. "Liam nimmt den, der am dichtesten an der Tür steht. Niall den dicken mit der 1911 und Louis den, der die Rückendeckung gibt. Ich schieß auf den, der sich am dichtesten zu uns befindet."

Sofort kommt ein Nicken von jeden der Männer, die ihre Waffen überprüfen. "Verstanden!", raunt Liam, spannt die Muskeln an. Niall richtet sich gerade auf, ein ernster Gesichtsausdruck. So ernst habe ich ihn noch nie gesehen.

Hailey hingegen zittert, sieht ängstlich zu mir, weshalb ich auf sie zutrete und ihre Hand ergreife, die ich fest drücke.

"Wir gehen vor", wendet sich Harry an uns beide. "Ihr folgt erst dann, wenn ich es euch sage und sprintet so schnell wie möglich zum Auto!" Es ist keine Frage, kein Vorschlag, sondern ein Befehl, weshalb ich ihm mit einem Nicken zu verstehen gebe, dass wir ihn verstanden haben.

Alle vier stellen sich an der Ecke auf, ihre Waffen bereit haltend und holen kurz Luft.

Dann geht Harry mit einem großen und schnellen Schritt aus dem sicheren Versteck im Schatten und beginnt mit erhobenen, angespannten Armen auf die Leute vor dem Restaurant zu schießen. Sanft weht der Wind zwischen seinen Haare, das Licht der Straßenlampen umspielt sein gutaussehendes Gesicht.

Die anderen folgen ihm, schießen ebenfalls.

Und nur wenige Kugeln fliegen ihnen entgegen, verfehlen sie, ehe ich auch schon ein Winken des Lockenkopfes wahrnehme und Hailey mit mir in seine Richtung ziehe, hektisch lossprinte.

Die am Boden liegenden Körper ignoriere ich, folge dem Lockenkopf, während man leise unsere Schritte auf dem Asphalt in der Nacht hört. Mittlerweile dringt kein Ton mehr aus dem Gebäude.

Harry läuft vor uns. Niall und Louis neben uns, um uns vor den Schüssen zu schützen, die Waffen weiterhin in Richtung des Restaurants gerichtet. Liam eilt zum Schutz hinter uns her.

Mein Herz hat noch nie zuvor so wild geschlagen, so stechend schwer in meiner Brust.

Am Auto angekommen reißt er die hintere Tür von Nialls Wagen auf, gibt schnaubend Anweisungen. "Niall, Louis! Ihr bringt die beiden zurück zur Hütte. Passt unterwegs auf. Liam und ich schauen uns im Restaurant um. Ich will wissen, wer das war."

Was? Geschockt bleibe ich stehen und schaue ihn fassungslos an. Das meint er nicht ernst.

Sofort bemerkt er meinen Blick, kommt auf mich zu, seine Hände auf meine Schultern legend. "Ich weiß, was ich tue", versichert er mir. "Niall und Louis passen auf euch auf. Wir kommen in spätestens einer Stunde nach."

Kopfschüttelnd will ich ein Wort hervor bekommen, doch bringe nur stammelnde Laute raus. Das ist Wahnsinn!

Wir sollten alle hier wegfahren. Alle! Zusammen!

"Vertrau mir!", fleht er, drückt mit seinen Händen auf meinen Schultern zu. "Bitte."

Sie haben alle vier Waffen dabei, konnten in der Situation schnell reagieren. Sie sind muskulös gebaut, konnten ohne Probleme mit ihren Pistolen umgehen. Was passiert hier?

"Ich will wissen, was hier vor sich geht", meine ich, blicke ernst zu ihm auf.

"Wirst du", versichert er mir. Zusätzlich nickt er. "Aber erst bei der Hütte. Wir müssen euch erst hier wegbekommen. Bitte?"

Einverstanden seufze ich, vertraue ihm und folge Hailey in den Wagen, wo sie schon auf der Rückbank sitzt. Harry läuft eilig zu seinem Wagen, taucht dann wieder bei der Tür auf, vor der Liam bedrohlich mit seiner Waffe stehen blieb, die Umgebung um uns herum scannt.

Niall und Louis machen den Wagen bereit zur Abfahrt.

"Hier!" Der Lockenkopf reicht mir seine Jacke, die er aus seinem Auto holte.

Erst jetzt fällt mir auf, was für eine Gänsehaut sich auf meinen Armen gebildet hat, wie sehr ich zittere. "Danke." Ich nehme ihm die Jacke ab, schlüpfe schnell in sie. 

Dann kann ich nur noch "Sei vorsichtig!" sagen, ehe die Autotür laut zugeknallt wird und Niall mit einem hohen Tempo losfährt, weg von dem Restaurant, auf das sich Liam und Harry zu bewegen. Lange blicke ich ihnen durch die Rückscheibe nach, bis wir um eine Kurve fahren und sie aus meinem Sichtfeld verschwinden.

Was zur Hölle passiert hier?

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