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Jedes wahre Kunstwerk offenbart ein Stück der Seele seines Schöpfers.

Erich Limpach

Lise Meitner Gymnasium 2000

Talia liebte ihren Fensterplatz. In Mathe oder Deutsch reichte ab und an ein Blick aus dem Fenster, um sich eine kleine Pause zu verschaffen. In Geschichte und Englisch wiederum hielt sie nur die Glasscheibe davon ab, umzufallen und einzuschlafen.

Sehr ungünstig war, dass Frau Clemens nicht nur beides unterrichtete, sondern auch ihre Klassenlehrerin war. »Guten Morgen«, zwitscherte die Lehrerin auch gleich los, als sie durch die Tür schritt und ihre Tasche neben dem Schreibtisch platzierte. Die Jungen liebten Frau Clemens und, soweit Talia das beurteilen konnte, waren auch alle Lieblingsschüler männlich. »Ich habe aufregende Neuigkeiten.«

Irgendetwas an Frau Clemens Tonlage verursachte bei Talia extreme Ungeduld gepaart mit unerträglicher Langeweile. Unten, auf dem Pausenhof, spielten ein paar Schüler der Unterstufe gerade Fußball. Die Glücklichen hatten einen Fußball.

»Nachdem es ein paar Schwierigkeiten mit der Umverteilung unserer amerikanischen Austauschschüler gab, habe ich gerade eine aktuelle Liste bekommen, die ich gerne mit euch durchgehen möchte.«

Gleich zu Beginn des Schuljahres hatte Frau Clemens mit einem scheinheiligen Lächeln gefragt, ob es denn in Ordnung ginge, wenn sie ihre Klasse duzen würde. Es war eine von den Fragen gewesen, bei denen ein Widerspruch einen auf eine schwarze Liste befördert hätte.

Im Hof rutschte ein Junge auf dem nassen Laub auf. Der Ball flog hoch in die Luft und verfehlte Talias Fenster um Haaresbreite. Frau Clemens ging weiterhin Namen durch. Der Junge rappelte sich auf, entdeckte Talia am Fenster und reckte beide Daumen nach oben. Leider konnte sie nichts erwidern - die Bewegungsabfolge hatte wirklich beeindurckend ausgesehen.

»Talia?«, fragte Frau Clemens. In ihren piepsigen Tonfall hatte sich eine Spur Gereiztheit geschlichen. Im gleichen Moment traf sie Chrissis Ellenbogen. Ein schmerzhafter Stoß in die Rippen.

»Picasso träumt wohl von heißen Amerikanern«, stichelte Damian.

Talia richtete sich auf und versuchte, das unterdrückte Gelächter zu ignorieren. Nur noch ein Jahr, dann konnte sie dafür sorgen, dass er nicht mehr direkt vor ihr saß. Mit viel Glück würde er in einem ganz weit entfernten Klassenraum sitzen und sie könnte ganz entspannt die elfte Klasse genießen.

Frau Clemens schüttelte den Kopf. Allerdings konnte sie das Lächeln aus ihren Mundwinkeln nicht ganz unterdrücken. Natürlich gehörte sie auch zu den Leuten, die Damians Schwachsinn lustig fanden. »Ich habe gerade gesagt, dass es in deinem Fall zu einer Änderung gekommen ist.«

Änderung? Talia zwinkerte. Was sollte das denn bedeuten? Die Emails, die sie mit Georgia ausgetauscht hatte, waren eigentlich sehr nett gewesen.

»Deine Tauschpartnerin hat Probleme mit ihrem Visum bekommen. Aber es gibt einen Nachrücker. Bei der Anmeldung habt ihr angegeben, dass es kein Problem wäre, einen Jungen aufzunehmen?«

»Nein«, erklärte Talia zögernd. Ihre Eltern hatten den Bogen ausgefüllt und gemeint, da sie für die zwei Wochen sowieso mit Penelope das Zimmer teilen würde, wäre es egal wer zu ihnen käme. Natürlich hatten sie nicht daran gedacht, Talia zu fragen. »Wir haben genug Platz bei uns.«

»Ist das denn legal?«, fragte Damian. »Nicht das Picasso über den armen Jungen herfällt.«

Frau Clemens strich sich eine Strähne hinters Ohr und legte ihren Finger über die Lippen. Als sei Damian nur ein kleiner Junge und kein Dorn im Arsch. »Also, besonders nett ist das ja nicht von dir.« Sie wandte sich wieder an Talia. »Der Junge heißt Ethan. Du bekommst von mir nach dem Unterricht alle Unterlagen. Dann könnt ihr euch ja schreiben.«

»Prima«, murmelte Talia.

Frau Clemens hörte gar nicht mehr zu. »So, wir wenden uns damit wieder dem amerikanischen Bürgerkrieg zu.«

Es dauerte bis zum Abend, ehe Talia den Mut fand, sich die Unterlagen genauer anzuschauen. Penelope schaute unten im Wohnzimmer irgendeinen Actionfilm mit ihren Eltern, so dass sich Talia nach oben verzogen hatte. Sie lümmelte auf das Sofa und studierte den Zettel. Ethan also. Das Foto zeigte einen blonden Jungen, der verschmitzt in die Kamera lächelte. Nachdem seine Mutter Deutsche war, war er zweisprachig aufgewachsen. Zu seinen Hobbys zählten Football und Schwimmen. Ein klassischer Sportler also.

Talia seufzte. Mit Georgia hatte sie sofort eine Verbindung gespürt. Die Amerikanerin spielte seit Jahren Geige und über die Kunst waren sie ins Gespräch gekommen. Worüber sollte sie sich mit einem Sportler denn Unterhalten. Auf der anderen Seite, was machte sie sich da vor. Nach dem ersten Treffen würde er ebenso auf Penelope abfahren wie der Rest des Jahrgangs. Und sie hätte wieder Ruhe.

Ihre Hand griff nach der Fernbedienung, doch sie zögerte. Warum fühlte sie sich nur so rastlos? Es war ja nicht so, dass sie beliebt sein wollte. Niemand brauchte mehr als ein paar gute Freunde, die sie hatte.

Außerdem gab es ja noch die Kunst. Das Gefühl zu Schweben, wenn sie malen konnte.

Doch trotzdem - irgendwie fehlte der Kick.

Anstatt den Fernseher anzustellen, wählte sie das Telefon. Es gäbe durchaus etwas, dass sie tun könnte. Etwas gefährliches, dass sich verboten anfühlte.

Talia biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie müsste sie sich doch für diese ganzen Schikanen rächen. Was wäre, wenn sie Damian dazu bringen könnte, sie um ein Treffen zu bitten. Um ihn dann zu versetzen. Mit so einer Dreistigkeit würde der Dämon im Leben nicht rechnen.

Bevor sie die Zimmertür schloss, versicherte sie sich, dass der Rest ihrer Familie noch beschäftigt war. Nicht auszudenken, wenn ihre Mutter oder schlimmer noch - Penelope - plötzlich das Gespräch unterbrechen würden.

Ihr Herz klopfte. Talia war zu unruhig zum Sitzen, daher wählte sie, während sie im Zimmer herum ging. Den kleinen Zettel mit seiner Nummer verstaute sie wieder in ihrer Hintertasche.

Diesmal klingelte es nur zwei Mal. »Hallo?«

Die Stimme brachte ihre Handflächen zum Schwitzen. Schwer zu sagen, ob sie Glück hatte oder nicht, aber es war definitiv der Dämon, der ihr antwortete.

»Hallo«, hauchte sie mit verstellter Stimme.

Auf der anderen Seite raschelte etwas. Eine Tür klapperte. »Du hast wieder angerufen«, stellte er fest.

»Offensichtlich.«

Sein Lachen klang dunkel. »Die Neugier ist der Tod der Katze.«

Nur, wenn sich die Katze fangen ließ. Talia schnappte sich ein Taschentuch und legte es zur weiteren Tarnung über die Sprechmuschel. »Ich hoffe nicht.«

»Warum hast du letztes Mal aufgelegt?«

Nun, nachdem er keine Ahnung von Emma hatte, würde sie die Wahrheit etwas biegen müssen. »Dein Bruder hat gestört.«

»Nun, jetzt bin ich glücklicherweise alleine.« Seine Stimme klang ein wenig wie Schokolade. Warme Trinkschokolade, die einen von innen wärmte. »Wirst du mir verraten, wer du bist?«

Ganz sicher nicht. »Wo wäre denn da der Spaß?«, antwortete Talia ausweichend.

»In Ordnung.« Sie konnte ihn förmlich vor sich sehen. Wie er sich mit einer Hand durch das schwarze Haar fuhr und seine Stirn runzelte. Geduld gehörte nicht zu Damians Stärken. Wenn er denn überhaupt welche besitzen sollte. »Wie wäre es, wenn wir ein Spiel spielen. Du und ich. Ich stelle dir Fragen und du beantwortest sie.«

»Was habe ich davon?« Ein Spiel mit dem Dämon war wahrscheinlich keine schlaue Idee.

»Was möchtest du?«, lockte Damian, der ihren Inneren Widerstand zu spüren schien.

Wenn ihr kleiner böser Plan erfolgreich sein sollte, müsste sie in seinen Kopf gucken können. »Für jede Frage, die ich beantworte, musst du mir eine beantworten.«

»Deal.« Damian klang mehr als zufrieden. Geradezu arrogant. Überheblich, so als ob Talia gar nicht hätte widerstehen können. »Soll ich anfangen?«

»Warte. Wir brauche ein paar Regeln.« Fieberhaft überlegte sie, wie sie eine Aufdeckung ihrer Identität verhindern konnte.

»Regeln.« Damian schnaubte. »Wie langweilig.«

»Keine Fragen, die etwas mit der Schule oder Personen zu tun haben, die wir beide kennen könnten.« Mehr war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen. Aber es klang für den Anfang ganz gut.

»Also gehen wir auf dieselbe Schule?« Sein Tonfall war beinahe triumphierend. Doch zu Talias Überraschung bremste er sich selber. »Warte. In Ordnung. Ich ziehe die Frage zurück und akzeptiere. Keine Fragen zum Umfeld.« Etwas klapperte. Waren das seine Finger, die auf einen Tisch trommelten? »Also, meine erste Frage: Magst du Vögel?«

Was war denn das für eine bescheuerte Frage? Zu ihrer eigenen Überraschung wurde Talia nicht wütend, sondern musste ein Grinsen unterdrücken. »Natürlich. Vor allem Schwalben.«

»Warum? Oh, warte. Du bist dran.«

»Lieblingsfarbe?« Eine Farbe sagte wesentlich mehr über einen Menschen aus, als man glauben mochte.

»Smaragdgrün.«

Für einen Moment war Talia verblüfft mit einem männlichen Wesen zu sprechen, dass mehr als die Grundfarben kannte. In der eintretenden Stille hörte sie, wie unten eine Melodie erklang, die plötzlich erstarb. Mist, der Abspann.

»Ich muss auflegen«, hauchte Talia.

»Wann rufst du wieder an?« Der Dämon schien sich sehr sicher zu sein, dass sie wieder anrufen würde. Und warum auch nicht? »Morgen.« Sie hörte bereits Penelopes Schritte die Treppe herauf kommen. Zeit, für einen frechen Abgang. »Um halb neun. Wenn du dich traust.«

Damien setzte zu einer Antwort an, doch Talia legte auf. Als Penelope das Wohnzimmer betrat, saß sie schon mit einem Buch und ihrer Decke auf dem Sofa.

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