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In einer irrsinnigen Welt vernünftig sein zu wollen, ist wiederum ein Irrsinn für sich.

Voltaire

Anstatt die Mittagspause zum Essen gehen zu nutzen, verbrachte Damian sie mit einem Kaffee an seinem Laptop. Vielleicht war es der Restkater vom Wochenende, vielleicht auch die Erinnerung an die Schulzeit - jedenfalls ließ Picassos Besuch ihn nicht los.

Überraschenderweise war es sehr einfach, Talia zu googeln. Sie war auf den Social Media Seiten vertreten und hatte eine Homepage. Es gab ein paar Links zu Kinderbüchern, die Talia entweder illustriert oder vollständig erschaffen hatte. Ein fleißiges kleines Bienchen, das im renommierten Verlag Sanchez-Meisner untergekommen war.

Irgendwie freute ihn das. Damian folgte dem Link zu ihrem ersten Buch und fand sich auf der Plattform eines Onlineversandhändlers wieder. Willi Waschbär - Abenteuer im Immergrünwald. Die Zeichnungen waren süß und aussagekräftig. Auf jeden Fall brachten sie sein inneres Kind zum Grinsen. Damians Finger zuckte über den Bestellbutton. Aber sollte er wirklich?

Er trank einen Schluck lauwarmen Kaffee und verzog das Gesicht. Seine Finger trommelten über die Tischplatte. Wozu bräuchte er ein Kinderbuch? War er für profane Neugier nicht irgendwie zu alt?

Laut der Uhr auf seinem Bildschirm hatte er noch vierunddreißig Minuten, bis sein nächster Termin eintraf. Vielleicht sollte er sich doch noch ein Sandwich holen.

Ohne noch weitere Zeit zu verschwenden, schnappte sich Damian seine Jacke. Beim Hinauseilen winkte er Nina kurz zu, die an ihrem Schreibtisch sah und ihm verdutzt hinterher blickte.

Auf der Straße angekommen, lief er in Richtung Bäckerei. Doch schon nach wenigen Schritten blieb er vor einem Schaufenster stehen. In der Auslage waren verschiedene Bücher arrangiert. Krimis, Romanzen und Fantasybücher. Hinten, im Verkaufsraum, konnte er auch ein paar Kinderbücher erkennen.

Essen wurde doch auch überbewertet.

Die Türglocke bimmelte, als er ins Geschäft eintrag. Ein Mann erhob sich hinter dem Tresen und musterte ihn neugierig. »Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«

Damian räusperte sich. »Ja, bitte. Ich suche ein Kinderbuch. Willi Waschbär.« Dann setzte er hinzu. »Das ist von Talia Friedrich.«

Der Verkäufer nickte. »Eine Hannoveraner Autorin. Schön, dass Sie das unterstützen. Folgen Sie mir bitte.«

Zwei Stufen führten hinauf auf eine Plattform, wo sich die Bilderbücher und Vorlesegeschichten befanden. Zielsicher griff der Buchhändler in ein Regal und zog zwei Bände hervor. »Wir haben Abenteuer im Immergrünwald und Rückkehr in den Immergrünwald. Welches hätten sie denn gerne?«

»Beide, bitte.«

»Soll es ein Geschenk sein?«

»Nein, danke.« Allerdings konnte er kaum mit den beiden Büchern im Büro erscheinen, ohne komische Fragen gestellt zu bekommen. »Aber hätten Sie vielleicht eine Tüte?«

Der Mann lächelte freundlich, als er kassierte. »Natürlich.«

Die Glocke bimmelte wieder, als er den Laden verließ. Fast so, als würde sie ihn auslachen. Wahrscheinlich würde ihn die braune Tüte unter seinem Arm unseriös wirken lassen, aber wenn er sich beeilte, kam er noch vor den wartenden Patienten im Büro an.

Nina verzog jedoch keine Miene, als er an ihr vorbei eilte und in seinem Zimmer verschwand. Ihre Einstellung war definitiv eine gute Wahl gewesen. Den kalten Kaffee schüttete er weg, dann verstaute er die Bücher in seinem Schreibtisch. Nach diesem Termin hatte er ein wenig Zeit.

Kurz darauf ließ Nina schon die junge Frau ein, mit der er schon seit längerem gegen ihre Depressionen kämpfte. Er verbannte jeden Gedanken an Picasso und konzentrierte sich ganz auf seine Patientin.

Es waren Babyschritte die sie machten, aber sie gingen immerhin in die richtige Richtung. Sie öffnete sich ihm langsam. Jedesmal war es für Damian ein besonders Gefühl, wenn die Mauern seines Gegenübers sanken und sie gemeinsam an Problemen arbeiten konnten. Vertrauen war ein Geschenk, das er immer würdigte.

Als er wieder alleine war, zog er das erste Buch hervor. Es ging um einen Waschbären, auf der Suche nach einem Zuhause, der eine Nachricht aus dem Immergrünwald erhielt. Damian zögerte. Eine Idee formte sich in seinem Kopf.

Vielleicht könnte er Talia ja schreiben. Natürlich nicht unter seinem richtigen Namen, denn jegliche Nachricht von ihm würde nach den Ereignissen damals wahrscheinlich verbrannt werden. Ein Pseudonym, oder so.

Damian schaltete den Laptop ein und kehrte zu ihrer Homepage zurück. Er könnte Kontakt aufnehmen. Immerhin war sie es ja gewesen, die wieder in sein Leben getreten war, das wäre doch nur gerecht. Zögernd öffnete er seinen Emailaccount. Eine anonyme Adresse musste her.

Mit verschränkten Armen lehnte er sich sich in seinem Stuhl zurück. Draußen zogen ein paar Schäfchenwolken am Himmel entlang. Wie sollte er sich also nennen?

Eine Idee traf ihn mit der Kraft eines Platzregens. Es gab doch bestimmt einen Schutzpatron für Maler. Wenn er das irgendwie mit seinem Lieblingskünstler kombinierte, wäre das Ergebnis ein perfektes Versteck. Er musste nur dafür sorgen, das Talia nicht dahinter kam. Die Chance war groß, dass sie sein Gedankenspiel nicht besonders wertschätzen würde.

Die Blüten des Kastanienbaumes strahlten förmlich im Frühlingslicht. Wenn das nicht ein gutes Zeichen war. Es war nie gut, seine Neugier zu unterdrücken. Damian trank noch einen Schluck Wasser, bevor er zu tippen begann.

Liebe Frau Friedrich!
Durch Zufall bin ich auf Ihre zauberhafte Kinderbuchreihe gestoßen. Besonders die Illustrationen haben es mir angetan.

Ob er sie nach einer Signatur fragen sollte? Auf der anderen Seite, wie sollte die Übergabe stattfinden? Er trommelte mit den Fingernägeln auf die Tischplatte. Er bräuchte eine unverfängliche Frage. Ohne eine Frage würde sie ihm kaum zurückschreiben.

Sind denn Folgebände geplant? Genug Potential besitzt Ihre Serie ja!

Damian schrieb gerade eine unverfängliche Grußformel unter die Email, als seine Tür aufgerissen wurde. Herein stürmte Felix, der unerwartet zerzaust wirkte.

»Kannst du diese Woche meine Fälle übernehmen?«, brummte er anstatt einer Begrüßungsformel.

»Hattest du dich nicht heute krank gemeldet?« Damian musterte seinen Freund. Etwas stimmte ganz und gar nicht, aber es schien nichts gesundheitliches zu sein.

Mit einer Hand fuhr sich Felix durch die zerzausten Haare. »Ja. Kannst du?«

Damian sparte sich die Frage, ob alles in Ordnung war. Das war es zweifelsfrei nicht. Felix Haut war blass, seine Augen gerötet. »Natürlich«, bestätigte er. »Kann ich noch etwas für dich tun?«


Sein Freund schüttelte die blonde Mähne und drehte sich wortlos um. Für einen Moment befürchtete er, dass Felix gehen würde, ohne noch etwas zu sagen. Doch bevor er durch die Tür hinaus ging, stoppte er. »Johanna hat mich verlassen. Ich brauche etwas Zeit.«

Fragen bedrängten Damian, doch er hielt sie zurück. Wenn etwas schief lief, zog sich Felix stets zurück. Er würde sich öffnen, wenn es an der Zeit war und er reden wollte. Solange musste sich Damian gedulden. »Nimm dir was du brauchst.«

Mit der Faust klopfte sein Freund bestätigend gegen den Türrahmen, dann ging er ohne zurückzublicken.

Es dauerte nicht lange, bis Nina ihren Kopf hereinsteckte. »Wie merkwürdig. Sie waren ein so schönes Paar.«

Seine Finger klopften schon wieder auf die Tischplatte. »Bitte gleich unsere Terminkalender ab. Was dringend und möglich ist, übernehme ich, den Rest musst du verschieben. Ruf zur Not auch meine Patienten an.«

Die Assistentin nickte und kurz darauf hörte er das Klappern ihrer Tastatur.

Nichts im Leben war stabil, nicht mal Beziehungen wie die von Felix und Johanna. Das Leben war definitiv zu kurz, um sich Was-wäre-wenn-Fragen zu stellen. Mit einem letzten Blick auf den Bildschirm drückte er auf Senden.

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