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Zu jeder Kunst gehören zwei: einer, der sie macht, und einer, der sie braucht.

Ernst Barlach

Lise Meitner Gymnasium, 2000

Ein Blick auf die Uhr verriet Talia, dass die achte Stunde sich endlich dem Ende neigte. Obwohl sie Physik liebte, saß sie heute wie auf heißen Kohlen. Chrissi stupste sie an, so dass Talias Blick in die Höhe fuhr.

»Langweile ich Sie, Frau Friedrich?« Natürlich. Herr Meisner hatte ihren Blick sofort bemerkt.

»Nein, natürlich nicht«, widersprach Talia. Der Klingelton erlöste sie und Herr Meisner entließ sie mit einem nachsichtigen Lächeln.

»In Ordnung.« Seine laute Stimme stoppte das Rascheln. Jeder wusste, dass es nicht gut war, den Unmut des Lehrers zu erregen, wenn man nicht auf Zusatzaufgaben stand. »Bitte bearbeiten Sie die Aufgaben auf Seite 36 und auf Seite 39 die ersten beiden. Ansonsten wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.« Dann warf er Damian einen Blick zu. »Herr Sommer, auf ein Wort.«

Emma wartete bereits vor dem Klassenraum. »Wochenende!«

»Was habt ihr vor?«, fragte Chrissi, als sie gemeinsam zu ihrer Freundin traten.

»Ich schlafe heute bei Talia.« Über ihrer Schulter trug Emma eine weitere Tasche, die ziemlich schwer wirkte. »Playstation spielen, endlos quatschen und das wichtigste: kein nervender Bruder.«

Kichernd liefen sie Richtung Ausgang. »Dafür gehen wir halt meiner Mutter aus dem Weg.«

Chrissi warf einen Blick über ihre Schulter. »Ich glaube, ich habe etwas vergessen.« Die Schule lehrte sich. Ihre Klassen waren die letzten, die Freitag Nachmittag noch Unterricht hatten. »Ihr müsst nicht warten. Wir sehen uns ja am Montag.«

Das Sonnenlicht, dass durch die Glastüren fiel, lockte Talia, daher verabschiedeten sie sich und in Richtung U-Bahn-Station.

»Was wohl unsere Chrissi vom Dämon will?«, zwitscherte Emma.

Die wachelnden Augenbrauen ihrer Freundin brachten Talia zum Lachen. »Wie meinst du das?«

»Was? Sag bitte nicht, dass dir Chrissis schmachtender Augenaufschlag entgangen ist?«

Auf den Straßen stockte der Verkehr, als die Elterntaxis eintrafen und sich mit dem Feierabendverkehr anlegten. »Ich hab da jetzt nicht drauf geachtet.«

Emma hakte sich unter. »Ach, Talia. Du siehst auch nur das, was du sehen möchtest, hm?«

»Glaub mir, mein Leben ist besser, je weniger ich vom Dämon sehe.« Sie seufzte. »Ich bin auf jedenfall froh, wenn sich nächstes Jahr die Klassen neu mischen. Hoffentlich werde ich ihn los und bekomme dich dazu. Nur die AGs und Sportkurse sind echt zu wenig.«

Die U-Bahn fuhr gerade ein, als sie den Bahnsteig betraten. »Das verstehe ich. Jeder braucht mehr Emma im Leben.«

Ihr Wagen stank nach Schweiß und Essen. Sie liefen weiter, bis der Geruch erträglich wurde. »Zweifelsfrei. Freitags beneide ich immer Penelope, deren Klasse heute schon mittags aus hat. Sie schläft übrigens bei Finja. Eigentlich wollten wir beide bei uns sein, aber Mama meinte, das wäre ihr zu voll. Immerhin kommt mein Vater morgen nach Hause und da will sie nicht so viel Leute im Haus haben.«

Emma nickte. »Wie lange wer er eigentlich jetzt weg?«

»Eh nur zwei Wochen. Morgen sind sie erstmal unter sich und am Sonntag ist Familientag. Dann sind beide wieder erträglich.« Draußen zogen die Häuserzeilen von Kleefeld und vom Heideviertel vorbei. An der Station Roderbruch stiegen sie aus.

»Wenn man überlegt, dass ich immer ne dreiviertel Stunde brauche, wenn mich niemand fährt, ist deine Strecke echt nicht erwähnenswert. Wie lange brauchst du, dreißig Minuten?«

»So in etwa.« Sie gingen durch den Park und betraten die kleine Siedlung, die eigentlich mehr wie ein Vorort wirkte, obwohl sie noch Teil des Stadtgebietes war.

Als sie an ihrer Doppelhaushälfte ankamen, stand Talias Nachbar im Garten und schnitt die Rosenbüsche. »Hallo, Herr Allermann!«

Der ältere Mann blinzelte und senkte die Heckenschere. »Moin!«

Talias Aufmerksamkeit wurde von den wunderschönen Blütenblättern eingefangen, die rosa, gelb und schneeweiß leuchteten. Herr Allermann liebte seine Rosen.

Sie stoppte am Zaun. »Dürfte ich ein paar haben?«, fragte sie und deutete auf die abgeschnittenden Knospen. Auch wenn sie eigentlich verblüht waren, an einigen hingen noch zarte Blätter, die sich unheimlich gut auf einer Leinwand machen würden.

Frau Allermann trat aus dem kleinen Gartenhaus, das neben dem Hauptgebäude stand. In ihren Händen trug sie einen Nistkasten.

»Natürlich, Mädel.« Herr Allermann bückte sich, um ihr ein paar zu geben. Dann lächelte er, setzte die Heckenschere an und schnitt eine der wunderschönen Blüten ab. Es war in zart rosa. Von einem anderen Busch entfernte er eine ähnlich zauberhafte in gelb. Beide reichte er mit den verblühten Knospen über den Zaun, die rosafarbene für Talia und die gelbe für Emma. »Viel Spaß.«

»Danke«, antwortete Talia und Emma fügte hinzu: »Die sind wundervoll!«

Talias Nachbar streckte sich, legte eine Hand auf seinen Rücken und warf einen zerknirschten Blick in die Runde. »Ich glaube, ich gehe rein und trinke einen Schluck Wasser.«

»Du solltest dich mehr schonen, mein Lieber«, murmelte Frau Allermann. Sie setzte den Nistkasten auf den Boden und folgte ihm. Bevor sie ihre Haushälfte betrat, drehte sie sich nochmal zu den Mädchen um. »Talia.« In ihren grauen Locken fing sich ein Sonnenstrahl. »Emma. Ich wünsche euch einen schönen Nachmittag.«

Als sich die Tür hinter ihr schloß, sah Emma mit aufgerissenen Augen von ihrer Rose zu zum Haus und dann zu Talia. »Woher kennt sie meinen Namen.«

Das war ein Mysterium für sich. »Das kann ich dir leider nicht sagen.« Mit den Rosen im Arm fiel es ihr schwer, ihre Haustür zu öffnen, aber mit Emmas Hilfe gelang es ihnen. »Aber Frau Allermann weiß sowas einfach.«

Im Hausflur roch es nach Essen, doch niemand war zu sehen.

»Hallo, jemand da?«, rief Talia. Keine Antwort.

Als erstes holte sie aus der Küche eine Schale, in die sie Wasser einfüllte. Morgen hätte sie genug Zeit, um ein bisschen mit den Acrylfarben herumzuexperimentieren.

»Hey, hier ist ein Zettel«, sagte Emma und wedelte mit einem Papier. »Da steht, dass deine Mutter noch arbeitet und für uns Essen im Kühlschrank steht.«

»Also alles wie immer«, stellte Talia fest. »Hast du Hunger?«

Emma nahm bereits am Küchentresen Platz. »Wie ein Bär!«

Der Nachmittag war wundervoll. Sie spielten Spyro und Final Fantasy auf der Playstation. Irgendwann steckte Talias Mutter ihren Kopf ins Zimmer, doch ansonsten waren die Mädchen für sich. In der oberen Etage befanden sich nur die Zimmer der Mädchen, ein kleines Wohnzimmer und ihr Bad. Es war wie eine kleine eigene Wohnung. Sie hatten sogar ein eigenes Telefon!

Ihre Mutter löcherte die beiden beim Abendessen mit Schulthemen, fragte nach Klassenarbeiten und Vorbereitungen, so dass Talia froh war, als sie wieder hoch ins Wohnzimmer konnten.

Im Fernsehen lief nichts, also entschieden sie wieder für "Prinzessin Fantaghiro". Gerade, als sich Fantaghiro mit Romualdo den entscheidenden Kampf lieferte, rief ihre Mutter von unten. »Ich gehe jetzt ins Bett. Macht nicht mehr so lange!«

»Klar, Mama. Schlaf gut«, antwortete Talia. Dann schloß sie die Tür, um die Geräusche zu dämpfen.

Emma hatte sich auf dem Sofa eingekuschelt. Das Reich wurde vom König an die neuen Paare übergeben und der Abspann flimmerte über den Bildschirm. »Ich bin noch nicht müde. Was machen wir jetzt?«

Mit angezogenen Beinen drehte sich Talia zu ihrer Freundin um. »Hm, wir könnten noch ein bisschen weiter gucken. Vielleicht Teil drei oder gleich zu Tarabas springen?«

»Uh, verlockend.« Emma fächerte sich mit der Hand Luft zu. »Der ist so heiß. Aber abbrechen ist blöd und ein ganzer Film ist ganz schön lang.«

Die Uhr zeigte an, dass es bereits 23 Uhr war. Talia dachte nach, doch der Gesichtsausdruck ihrer Freundin hellte sich bereits auf. Emmas Augen glitzerten. Ein Zeichen, dass Talia die Idee mit Sicherheit nicht gefallen würde.

»Wir könnten jemanden anrufen«, begann Emma schon.

Oje. »Um diese Zeit?«

»Mhh.« Emma sprang auf und die Decke fiel zu Boden. »Ja, es müsste jemand sein, der auch einen eigenen Anschluss hat.«

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in Talias Bauch aus. Einerseits ließ sie sich gerne von Emma mitreißen, andererseits konnte sie selten dabei den gesunden Menschenverstand ausschalten. »Und wer könnte das sein?«

Ihre Freundin hüpfte beinahe vor Aufregung. »Linus!«

Oh, nein. Fieberhaft suchte Talia nach einem Ausweg. »Wie schade, dass wir seine Nummer nicht haben.«

Doch Emma lächelte breit. »Wir nicht. Aber ich habe gesehen, dass er sie Penelope gegeben hat. Er hat sie in der Pause in ihren Block geschrieben. Na los, komm schon. Wir sehen nach.«

Auf dem Weg ins Zimmer ihrer Schwester hoffte Talia inständig, dass Penelope ihren Rucksack mit zu Finja genommen hatte. Doch leider nein. Alles stand fein ordentlich neben dem Schreibtisch. »Hey, meinst du nicht, das wir ihre Privatsphäre respektieren sollten?«

Emma war bereits dabei, den Reißverschluß aufzuziehen, stoppte, und legte ihren Kopf zur Seite. »Hast du Schiss?«

Wie verrückt. »Nein, das ist es nicht.« Talia schluckte. »Aber wie stellst du dir das vor? Er wird doch kaum mit uns einfach so plaudern wollen.«

»Ha!« Ihre Freundin zog den Block hervor, blätterte, bis sie die entsprechende Seite fand und deutete mit ihrem Finger auf die Telefonnummer. »Gefunden!« Sie griff nach einem Post-it und schrieb die Zahlen ab, bevor der Block wieder verstaut wurde.

»Vielleicht sollten wir doch lieber schlafen gehen?«, versuchte Talia ein letztes Mal, das Unglück aufzuhalten.

»Quatsch«, entgegnete Emma. Sie schwenkte den kleinen Zettel und stürmte zurück ins Wohnzimmer. »Du musst keine Angst haben. Wir verstellen einfach unsere Stimmen. Sprich so hoch, wie du kannst. Kopfstimme, Baby!«

»Das ist der Plan?«, protestierte Talia, während Emma schon wählte. Sie schaltete den Lautsprecher an.

Es tutete. Vielleicht war ja niemand da.

Beim vierten Mal Klingeln hob jemand ab. »Hallo?«

Die Stimme war dunkel, weich und gehörte eindeutig nicht Linus. Emma riss die Augen auf.

»Ist da wer?«, forderte der Sprecher. Emma drückte Talia den Hörer in die Hand. Offenbar wollte sie nicht mit dem Dämon plaudern. Niemand wollte das. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dann traf sie eine Entscheidung.

»Hallo.« Ihre Stimme klang piepsig, viel zu hoch und schwer zu erkennen.

»Wer ist da?«, fragte Damian.

»Rate mal«, flüsterte Talia und kletterte aufs Sofa.

Diesmal war es Emma, die sie groß anstarrte.

Damian machte eine Pause. Etwas knisterte. »Ein Mädchen, das mit dem Feuer spielen möchte.« Keine Frage, es war eine Feststellung.

»Vielleicht.«

Langsam beruhigte sich ihre Freundin wieder, kroch zu Talia aufs Sofa und hob aufmunternd beide Daumen.

»Also kennen wir uns?«, hakte der Dämon nach.

Talia spielte mit der Telefonschnur. »Vielleicht.« Es war bestimmt gut, möglichst vage zu bleiben. Auch wenn ihr der Anruf wider erwarten Spaß machte, der Dämon dürfte auf keinen Fall herausfinden, wer sie war.

Auf Damians Seite ertönte eine weiter Stimme. »Hey, Kleiner. Wer ruft denn jetzt noch an?«

Ihr Hals wurde trocken. Jetzt war offenbar auch Linus eingetroffen. Emma zog sich mehrmals den Finger über den Hals. Sie sollte sich töten?

»Ist für mich.« Damians Stimme klang ganz schön selbstzufrieden.

Plötzlich klickte es. Die Leitung war tot.

Talia schaute auf und sah, dass Emma den Anruf unterbrochen hatte. »Uh-uh«, sagte ihre Freundin. Sie hatte fieberrote Wangen.. »Du warst großartig. Tut mir leid, das ich gekniffen habe.«

Langsam bekam Talia wieder Luft. Es war wahnsinnig warm im Raum. »Warum hast du aufgelegt?«

Emma tätschelte ihren Arm. »Du sahst aus, als ob du gleich umfällst. Und wolltest du echt mit beiden plaudern?«

»Ich wollte nicht mal mit einem plaudern!«, stellte Talia klar, wurde aber von Emmas Lachen unterbrochen.

»Du hast es aber genossen!«

»Vielleicht«, fiepte Talia, bevor sie ebenfalls kicherte.

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