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Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.

Karl Valentin

Talia trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk. Das Ergebnis war unerwartet, in vielerlei Hinsicht. Seit sie durch die Tür in ihrer kleine Dachgeschosswohnung gestürmt war, hatte es in ihr gebrodelt. Die Farben suchten einen Weg aus ihr heraus und sie war dem Ruf nur zu gerne nachgekommen.

Ein brauner Ast wuchs von der linken Seite des Bildes über die Leinwand. Rote Knospen harmonierten mit dem goldenen Hintergrund und in der Mitte kämpften zwei Kraniche mit aufgerissenen Schnäbeln gegeneinander.

So froh sie über die wiederentdeckte Kreativität war, so sehr irritierte es sie, dass es ein asiatisches Motiv geworden war.

Sie streckte sich, um ihre verspannte Rückenmuskulatur zu lockern. Dann starrte sie entsetzt auf die Uhr. Drei Uhr und 52 Minuten. Wo war denn der Abend geblieben?

Eigentlich hatte sie nach dem Termin noch mit Penelope skypen wollen. Und richtig, auf ihrem Handy warteten sechs entgangene Anrufe. Der letzte lag gar nicht lange zurück.

Talia schickte ihr ein Foto des Bildes, was ihr Zwilling mit einem Rückruf beantwortete.

»Süße, das sieht großartig aus!« Penelopes warme Stimme hüllte sie ein. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Besuch beim Therapeuten so schnell wirkt, aber ...«

Nun, mit den Ereignissen des Abends hatte Talia auch nicht gerechnet. »Was das angeht ...«

Etwas knarrte am anderen Ende. »Ich will alles wissen.« Penelopes Reaktion kam so schnell wie immer, auch wenn sich ihre Schwester seit einem Jahr in Österreich aufhielt.

»Wollen wir nicht lieber morgen reden?« Immerhin mussten auch leitende Angestellte irgendwann schlafen.

Ein Wasserhahn wurde aufgedreht und Talia konnte beinahe sehen, wie sich ihre Schwester eine Tasse und einen Teebeutel aus ihrer Lade hervorzog. Keine Chance, also.

»Ich muss heute sowieso eine Nachtschicht einlegen«, erklärte Penelope. »Es gab ein neues Urteil im Bereich, doch ich will dich nicht mit Details langweilen.«

Eine Annahme, die durchaus ihre Berechtigung hatte. Talia würde nie verstehen, warum sich ihr Zwilling so für die Welt der Statistiken und Zahlen begeistern konnte. Aber wahrscheinlich galt das auch umgekehrt, auch wenn Penelope immer Interesse zeigte.

Auf der anderen Seite brodelte das Wasser und gewährte Talia einen Moment, um sich ihre nächsten Sätze zurechtzulegen. Sie kam nicht oft in die Situation, Penelope überraschen zu können.

»Also, was ist passiert? Du warst doch da, oder?«, fragte ihre Schwester.

»Ja, war ich.« Talia ertappte sich dabei, aufgeregt durch das Wohnzimmer zu laufen. Glücklicherweise waren die einzigen, die ihr dabei zusehen konnten, ihre Fische Fishi und Foxy. Um wieder zur Ruhe zu kommen, setzte sie sich aufs Sofa. »Du errätst nie, wen ich in der Praxis getroffen habe. Wem quasi diese Praxis gehört. Nie.«

»Ich kenne nicht viele Therapeuten, wenn ich ehrlich bin.«

»Ganz genau«, bestätigte Talia.

Im Hintergrund hörte sie Geräusche, die sie nicht identifizieren konnte. Vielleicht tippte sie den guten Doktor schon in die nächste Suchmaschine ein. Doktor. Das musste man sich einmal vorstellen - Dr. Damian Sommer.

»Ach du Scheiße.« Bingo. »Du musst mir glauben, das wusste ich nicht!«

»Wie denn auch. Wir haben ja keinen Kontakt mehr zu den Sommer-Brüdern gehabt.« Etwas veränderte sich, eine minimale Schwankung in ihrem Zwillingsradar. Talia stutzte. »Oder?«

»Nun, nicht mit Damian«, erklärte Penelope, wenn auch zögernd.

Natürlich. Warum sollte ihre wunderbare Schwester auch ein schlechtes Verhältnis zu ihrem Exfreund haben. Sie verdrängte das hässliche Gefühl in ihrem Bauch. Vor ihrem inneren Auge tanzten gelbe Punkte. Natürlich kehrten jetzt auch ihre Farben zurück. »Verstehe«, murmelte Talia und kehrte zur Ablenkung zum unwahrscheinlichsten Thema überhaupt zurück. »Nun, offenbar hat der Dämon mittlerweile seine geheimen Kräfte eingesetzt, um sich einen psychotherapeutischen Doktorentitel zu ergattern. Wenn das mal nicht abgedreht ist. Der sprichwörtliche Bock, der Gärtner wurde.«

»Ich kann es auch kaum glauben. Natürlich war er schon immer schlau, aber ich hätte etwas weniger humanitäres erwartet«, stimmte Penelope zu.

Ohne es steuern zu können, hoben sich ihre Mundwinkel. »Bankenaufsicht, Controlling, IT«, zählte Talia auf. »Und damit wären genau die Gebiete passender gewesen, in denen du dich herumtreibst.«

»Oder Anwalt«, fügte Penelope hinzu. »Wie war er denn?«

Vor Talias Augen bildete sich der schlanke Körper mit dem prägnanten Gesicht. Die dunklen Haare hatten genauso wild gewirkt wie während der Schulzeit. Als ob man nur einmal hindurchfahren müsste, um sie wieder in Ordnung zu bringen. Talia räusperte sich. »Nun, ich habe keine Ahnung. Glaubst du, ich lege mich bei Damian Sommer auf die Couch?«

Penelope kicherte und es war dieser Moment, in dem sie die Nähe ihrer Schwester vermisste. Natürlich war es toll, skypen zu können. Aber nichts ersetzte nunmal die körperliche Anwesenheit eines vertrauten Menschen.

»Ich kann es mir auch nicht vorstellen.« Ihr Zwilling trank einen Schluck, bevor sie weitersprach. »Das letzte, das ich von ihm gehört hatte, war, dass er auf einen Selbstfindungstrip nach Vietnam aufgebrochen ist.«

Irgendwie konnte Talia es nachvollziehen, dass selbst jemand wie der Dämon gerne seine Wurzeln kennen lernen wollte. Für sie war Vietnam nur ein fernes Land auf der Karte, aber für ihn musste es das Land seiner Geburt sein. Sie hatte einmal gehört, er wäre bereits mit einem halben Jahr adoptiert worden. Auf der anderen Seite war er nun wirklich kein reflektierter Typ gewesen. »Selbstfindungstrip, eh? Frauen und Strände sind jetzt nicht das, was ich darunter verstehe, aber ich mag mich irren.«

Penelope pustete und trank einen Schluck. »Vielleicht hat ja die Reise seine Sichtweise auf die Dinge geändert.«

»Glaubst du, er hat dort eine Seele gefunden?« Talia dimmte das Licht und legte sich mit dem Rücken auf die Sitzfläche. Durch das Dachfenster sah sie die Sterne.

»Glaubst du es?«

Wann war sie wohl das letzte Mal zu dieser Zeit auf gewesen? Sie wusste es nicht. »Wenn, dann definitiv nicht seine eigene. Aber ich will mal nicht ausschließen, dass er einem armen Kerl eine gestohlen hat.« Ihre Augenlider wurden schwer. »Du Pen. Nimms mir nicht übel, aber ich werde echt müde.«

»Kein Problem. Ich habe sowieso noch zu tun.«

»Mach nicht mehr so lange«, murmelte Talia, obwohl sie wusste, dass es Penelope nicht bremsen würde.

Sie schaffte es gerade noch, sich eine Decke über die Beine zu ziehen. Damians Gesicht verfolgte sie in ihre Träume.

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