Neun

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Verlieb dich. Verlieb dich doch einfach, Nika. Ist doch nicht so schwer.

Wütend schnaube ich, mein Kinn auf die angezogenen Knie gelegt, stur geradeaus auf den Baum starrend, der vor mir in die Höhe wächst. Ich sitze auf dem weichen Rasen im Garten, Finn ist in der Küche und macht etwas zu Essen. Nach unserem Gespräch hat er mich in Ruhe gelassen, jetzt hocke ich hier und bin mir nicht sicher, ob ich schmolle wie ein kleines Kind oder nicht.

Wie stellt er sich das bitte vor? Ich soll mich erinnern oder verlieben. Ich kann mich nicht erinnern, weil es keine Erinnerung gibt und ich kann mich nicht verlieben, weil er ein Psycho ist, der mich entführt hat.

Es gibt noch eine dritte Option: ich verschwinde von hier. Hat Finn natürlich nicht zur Wahl gestellt, aber für mich ist sie die einzige Möglichkeit, diesem Albtraum zu entkommen.

Aber noch nicht jetzt. Obwohl mir jede Sekunde in diesem verfluchten Haus gegen den Strich geht, würde es überhaupt nichts bringen, ein drittes Mal einen Fluchtversuch zu wagen.

Ich muss erst gesund werden. Die Schnitte müssen verheilen. Und ich muss es irgendwie schaffen, dass er mich aus den Augen lässt. Keine Ahnung, wie er das macht, aber er behält mich irgendwie im Auge. Selbst jetzt, obwohl er in der Küche herum werkelt. Sonst würde er mich nicht hier draußen sitzen lassen.

Mühselig richte ich mich auf und drehe mich Richtung Haus. Prüfend sehe ich mich um, auf der Suche nach irgendwas Auffälligem. Einer Kamera oder so etwas. Fündig werde ich nicht, was auch daran liegen könnte, dass ich keine Ahnung habe, wie so was aussieht. Eine große Überwachungskamera wie in einem Parkhaus wird Finn ja wohl kaum mit einem darauf verweisenden Leuchtpfeil angebracht haben. Und dennoch wusste er Bescheid, als ich aus dem Badezimmer das Weite suchen wollte.

Er wusste es.

„Hey, kommst du essen?", ruft er plötzlich von drinnen. Obwohl ich wirklich Hunger habe, schließlich habe ich eine gefühlte Ewigkeit nichts gegessen, presse ich die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und rühre mich nicht von der Stelle. Er soll ja nicht glauben, dass ich aufgegeben habe nach seiner Ansage. Dass ich mich beuge. Dass er gewonnen hat.

„Mavie?"

Ich höre ein Klappern aus der Küche, als würde er Besteck auf den Tisch legen. Dann ist es kurz still.

„Ist alles in Ordnung?"

„Ich will nichts essen", brülle ich wütend zurück.

Ich sehe, wie er verwundert aus der Küche kommt. Er hat ein Geschirrtuch in der Hand, das er sich über die Schulter wirft. Stirnrunzelnd kommt er zu mir, bleibt mit einem Abstand von etwa einem Meter vor mir stehen und verschränkt die Arme, während er mich abschätzend mustert.

„Du hast seit gestern nichts gegessen. Was soll das jetzt werden? Glaubst du, ich vergifte dich?"

„Nein", sage ich sofort. Und das meine ich sogar ernst. „Aber ich werde mit dir nicht auf heile Welt machen, ganz bestimmt nicht."

Sein Blick ist voller Unverständnis. „Weil du mit mir isst?"

„Ja", antworte ich aufgebracht. Ist das nicht selbstverständlich?

„Dann iss eben allein", meint er schulterzuckend, womit er mir augenblicklich den Wind aus den Segeln nimmt.

„Schön", antworte ich schrill, weil ich damit nicht gerechnet habe und marschiere an ihm vorbei in die Küche. Wütend ziehe ich einen Stuhl zurück und setze mich an den Tisch. Finn, der mir gefolgt ist, tut sich schmunzelnd etwas aus den Töpfen auf.

„Ich geh dann mal ins Wohnzimmer."

Als Antwort erhält er von mir nur einen vernichtenden Blick.

Ich werde ihm einfach aus dem Weg gehen. Bis es mir wieder besser geht, werde ich kein Wort mit ihm sprechen, meine Zeit nicht im selben Raum wie er absitzen und ich werde kein Mitleid mit ihm haben.

Ich werde kein Mitleid mit ihm haben.

Und ich werde hier weg kommen.


Stockfinstere Dunkelheit umgibt mich, als ich mitten in der Nacht schweißgebadet aufwache. Ein pulsierendes Pochen durchfährt meinen Kopf, meine Brust, meine Glieder. Mein T-Shirt klebt unangenehm an meinem Rücken. Meine Arme brennen. Und mir ist schlecht, furchtbar schlecht.

Was passiert mit mir?

Schwankend setze ich mich auf, versuche ruhig zu atmen, aber die Übelkeit verfliegt dadurch auch nicht. Verzweifelt will ich mir die Stirn reiben, aber die Beugung meiner Arme schmerzt unfassbar stark. Ich keuche vor Schreck auf, kämpfe mich irgendwie aus dem Bett und zwinge mich, einen Fuß vor den anderen Richtung Tür zu gehen. Meine Knie sind weich wie Pudding.

Etwas stimmt nicht. Etwas stimmt ganz gewaltig nicht.

Hat er mich vergiftet? War etwas in dem Essen drin, das er gekocht hat?

Er hat es auch gegessen, das kann nicht sein.

Ich brauche Wasser.

Taumelnd schaffe ich es bis ins obere Bad.

Bis vor den Spiegel.

Sehe mich selbst.

Sehe aus wie ein Geist.

Mavie, höre ich. Der Name klingelt in meinen Ohren.

Mavie, höre ich es wieder.

Und dann halten mich zwei Hände, wie aus dem Nichts, bevor meine Beine nachgeben.

Ich sehe Finn noch wie eine noch nicht getrocknete, verwischte Zeichnung im Spiegel aufblitzen.


Der Schmerz ist weg, als ich die Augen aufschlage. Als wäre mit diesem einen Wimpernschlag einfach alles von mir abgefallen.

Misstrauisch orientiere ich mich, sehe mich verstohlen um. Ich liege in meinem Bett, in Finns meine ich. Die Decke ist über mir ausgebreitet und die Vorhänge sind zugezogen. Vielleicht war das letzte Nacht auch nur ein Traum.

Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet.

„Wie geht' s dir?"

Ich zucke zusammen, mein Blick schnellt Richtung Tür, in der Finn lehnt. Wie lange steht er dort schon und beobachtet mich? Wenn ich hier so liege und er dort aufgerichtet steht, fühle ich mich unsicher und verletzlich, weswegen ich mich aufsetzen möchte, aber Finn ist mit wenigen Schritten bei mir und hält mich an den Schultern sachte zurück.

„Bleib liegen. Mach ganz langsam, okay? Nicht, dass dein Kreislauf absackt."

Er nästelt an meinem Handgelenk rum. Erst jetzt fällt mir auf, dass genau dort eine Nadel in mir steckt, die über einen durchsichtigen Schlauch zu einem Infusionsbeutel führt.

„Was is das?", frage ich. Meine Stimme fühlt sich schwer an, jedes Wort rollt langsam, unbequem über meine Zunge. Ich fühle mich schwammig, als hätte man mich mit Wasser gefüllt, das mich nicht mehr verlassen will.

„Ein Beruhigungsmittel. Und etwas gegen deine Schmerzen. Und das Fieber." Prüfend legt er eine Hand an meine Wange, ich starre ihn ausdruckslos an, weil ich zu mehr nicht in der Lage bin.

„Wieso...wieso hastu das?" Jetzt fühle ich mich wie eine Betrunkene. Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt. Es ist mir furchtbar unangenehm, so wehrlos zu sein.

Finn lächelt nur, streicht mir eine Strähne aus der Stirn. „Ich habe mal was im medizinischen Bereich gemacht. Und ich weiß, wo ich bekomme, was ich brauche." Verständnislos runzele ich die Stirn. Sein Lächeln wird etwas breiter. „Weißt du, dass du sie immer noch hast? Diese steile Falte auf der Stirn, wenn du jemandem nicht traust?"

Mit aller Kraft drehe ich mich auf die Seite, weg von ihm, weiche einer Antwort aus.

Seine Hand legt sich auf meine Taille. „Ich seh später nochmal nach dir. Ruf mich, wenn etwas ist."

Kurz ist es still, dann entfernen sich seine Schritte und mir wird kalt.


Ich träume von einem steilen Fluss, zur Hälfte aus Milch, zur Hälfte aus Kaffee mit einem Löffel Zucker, der durch einen Berg aus Farbe fließt, die mein Gesicht zeichnet.

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