Vier

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„Ich habe gerade mit meinem Freund geschrieben und ihm erzählt, dass ich dir das Ersatzteil verkauft habe. Der ist gerade auf Montage und deswegen wusste ich nicht, dass er das für unsere eigene Maschine gekauft hat und nächste Woche einbauen wollte. Ich hab' s einfach gesehen und wollte es los werden, weil es im Bad rum lag, entschuldige."

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Die Frau, die definitiv nicht Finn ist und doch meinen ganzen Körper nur mit ihrer Anwesenheit hat einfrieren lassen, sieht mich entschuldigend an. Sie hat die Arme fröstelnd um sich geschlungen und nur Hausschläppchen an. Anscheinend ist sie mir gleich hinterher gerannt nach der Nachricht ihres Freundes.

„Ich weiß, du bist extra aus der Innenstadt her gefahren, aber könnte ich das Teil wieder zurück kaufen?", fragt sie zähneknirschend.

Ich würde ihr wirklich gerne antworten, aber ich kann mich immer noch nicht bewegen. Und erst recht nicht sprechen.

„Ist alles okay?", fragt sie, da sie langsam merkt, dass etwas nicht stimmt.

Da ist sie wieder, meine Stimme. „Äh...ja, natürlich", antworte ich, schiebe mir fahrig einige verschwitzte Strähnen aus der Stirn und beuge mich zum Rucksack runter, den ich vor Schreck fallen gelassen habe. Mit bebenden Fingern zerre ich am Reißverschluss.

„Geht' s dir wirklich gut? Ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigt sie sich.

Ich schlucke. Mir müsste es eigentlich blendend gehen. Immerhin ist sie nicht der, den ich eigentlich erwartet habe.

„Schon okay", presse ich hervor und gebe ihr das blöde Ding, das der einzige Grund dafür war herzufahren, wieder.

„Für deinen Aufwand", meint sie und gibt mir fünf Euro mehr zurück, als ich bezahlt habe. Ich stopfe das Geld in meine Hosentasche und bedanke mich knapp.

Als sie in ihrem Haus verschwindet, wünsche ich mir fast, dass ich ihr einfach folgen und im Fahrstuhl schlafen kann. Der Schreck hat für die nächsten Wochen schon wieder gereicht.

Diesmal bin ich sogar noch schneller, dafür aber komplett im Eimer, als ich zu Hause ankomme. Einen Moment lang muss ich an meinem Rad vor der Haustür stehen bleiben, um wieder normal atmen zu können. Mein Herz klopft mir trotzdem bis zum Hals, auch als mein Körper sich abgeregt hat. Mit schweißnasser Stirn und dem Bedürfnis, schnell duschen zu gehen, verschwinde ich in meine Wohnung und gehe ohne Umschweife ins Bad, wo ich mich abschminke, ausziehe und unter die Brause steige.

Mit kühlerem Kopf und viel entspannter als vorher, da ich endlich in meinen eigenen vier Wänden bin, föhne ich meine Haare an, putze mir die Zähne und tapse mit nackten Füßen in ein Handtuch gewickelt in mein Zimmer. Ich schaffe es gerade noch, mir einen Schlafanzug anzuziehen, bevor ich in mein Bett falle und in einen tiefen, traumlosen Schlaf sinke.

Jemand ist hier.

Es ist mitten in der Nacht, als ich plötzlich komplett wach aus dem Schlaf schrecke. Da war ein Geräusch, ich bin mir sicher. Panisch taste ich nach meinem Nachtlicht und gleichzeitig auf dem Nachttisch nach meinem Handy. Sobald es hell ist, wird mir klar, dass ich es nicht finden werde – es ist nicht da. Verdammt, es muss noch in meinem Rucksack sein und den habe ich vorhin im Bad gelassen. In mich hinein fluchend klettere ich aus meinem Bett und schleiche zur Tür, an der ich noch einen Moment lausche.

Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, es ist wieder mucksmäuschenstill.

Trotzdem brauche ich mein Handy. Tief durchatmend drücke ich meine Zimmertürklinke herab, schiebe einen Arm raus und knipse das Küchenlicht an.

Hier ist keiner. Zumindest in diesem Raum.

Ruhig, Nika. Ruhig.

Vorsichtig taste ich mich bis zur nächsten Tür vor, wo ich die Prozedur wiederhole und feststelle, dass auch im Flur keiner ist. Die Badezimmertür ist offen, ich habe vorhin wohl vergessen das Licht zu löschen. Keiner da. Schnell husche ich hinein, greife nach meinem Rucksack und renne zurück in mein Zimmer, wie damals, als ich als kleines Kind etwas aus dem Keller holen musste und mich so gefürchtet habe.

Doch ich komme nicht weit.

Meine Zimmertür ist abgeschlossen und in diesem Moment wird mir klar, dass ich vorhin definitiv nicht vergessen habe, das Licht im Bad zu löschen.

„Bitte erschreck dich nicht."

Er ist wieder da.

Ich habe mich nicht geirrt.

Das Geräusch war keine Einbildung.

Er hat mich wieder niedergeschlagen.

Er ist wieder da.

Stöhnend über das unfassbar unangenehme Dröhnen meines Kopfes, komme ich langsam zu mir. Erst ist mir das nicht bewusst, ich habe das Gefühl, immer noch ohnmächtig zu sein, weil alles Schwarz ist. Nur der Schmerz ist bei mir, sonst nichts. Bis es plötzlich holpert und ich meine Glieder spüre. Ich kann sie nicht auseinanderziehen, ich kann den Mund nicht öffnen und ich kann mich unmöglich aufrichten. Vermutlich würde ich sowieso gegen das Innere einer Kofferraumklappe stoßen, denn ich liege ziemlich sicher in einem Auto.

Ich glaube, ich weine. Und ich weiß nicht, ob aus Angst oder wegen des Schmerzes. Vermutlich beides.

Er hat es mir versprochen. Louis hat es mir versprochen.

Und jetzt ist er wieder da. Er ist wieder da und hat mich einfach mit sich genommen. Weil er immer noch der festen Überzeugung ist, dass ich sie bin.

Wie komme ich nur aus dieser Situation wieder raus, die beschissener nicht sein könnte? Und wo zur Hölle bringt er mich hin? Verschleppt er mich ins Ausland, zur Sicherheit? Wir sind nicht weit von der Küste entfernt, vielleicht hat es gerade so geholpert, weil wir auf die Fähre gefahren sind.

Hör auf, Nika. Nicht den Teufel an die Wand malen.

Nicht – was? Der verdammte Teufel ist längst Realität geworden und tanzt auf meinem Schädel Tango. Das hat auch nichts mit Schwarzmalerei zu tun, denn es ist schwarz, schwärzer wird es nicht.

Oh Nika, bist du dir da sicher? Es hat doch gerade erst angefangen.

Nach einer Weile muss ich furchtbar dringend auf die Toilette. Mehrmals ist mir schlecht geworden, vielleicht habe ich eine Gehirnerschütterung, aber die Übelkeit ist wieder abgeflaut und jetzt ist mein größeres Problem, dass ich mir fast in die Hosen mache.

Ich wünschte, das wäre allgemein mein größtes Problem.

Als er endlich, endlich anhält, platze ich fast. Die Kofferraumtür geht lautlos auf und als ich ihn über mir erkenne, ist der körperliche Drang plötzlich hintergründig.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber es schockiert mich dennoch, ihn zu sehen. Dass er es wirklich ist, dass das wirklich passiert.

Und dass er offenbar schon wieder ein schlechtes Gewissen hat.

„Es tut mir...es tut mir leid, Mavie", bestätigt er meine Annahme. „Ich wünschte, es hätte auch anders funktioniert."

Ich sehe ihn einfach nur starr an, keine Ahnung, was mein Gesichtsausdruck aussagt, aber anders kann ich nicht.

Er glaubt es noch immer. Dass ich seine Frau bin. Seine geliebte, seine tote, seine wunderschöne Frau, die ich definitiv nicht bin. Er nimmt doch Medikamente, das hat Louis zumindest gesagt. Wieso wirken sie nicht? Wer weiß, was das für Zeug ist. Vielleicht soll es ihn auch einfach nur beruhigen.

Wie soll man einen vollkommen verrückten Gedanken mit Tabletten aus einem vollkommen verzweifelten Gehirn bekommen? Muss er es nicht zumindest wollen, zumindest einsehen, dass das, was er glaubt, absolut unmöglich ist?

Dann würde er es nicht glauben.

„Wir sind jetzt da und ich bringe dich rein, okay?"

Meine Atemfrequenz steigt in die Höhe, ich kriege keine Luft. Wo bringt er mich hin?

„Hey, ganz ruhig", sagt er sanft, zieht das Klebeband ab und streicht mir über den Schopf. „Es wird alles gut, versprochen. Jetzt wird endlich alles gut."

Egal ob Mavie existiert hat, was nicht sein kann, oder nicht – er liebt sie. Er liebt sie abgöttisch. Sonst hätte er mich nicht um jeden Preis hier her gebracht, sonst hätte er nicht das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben und sonst würde er nicht so unfassbar vorsichtig mit mir umgehen.

Das sah vorhin aber noch ganz anders aus.

Weil er verzweifelt war. Er wusste sich nicht anders zu helfen.

Und er tut mir leid. Das sollte er nicht, das sollte er wirklich nicht, denn ich sollte mir selbst im Moment am nächsten sein, aber er ist krank. Er ist krank und nun hat er keinen Grund mehr mir wehzutun.

Hör auf, Nika. Hör auf damit.

„Wo sind wir?", frage ich. Wir stehen auf einer kleinen, über eine Holztreppe zu erreichende Terrasse eines hochgebauten, in der Dunkelheit aber schwer zu erkennenden Hauses. Finn hat mich her getragen und nun abgestellt, einen Arm um meine Taille geschlungen, um nach seinem Schlüssel zu kramen. Da er ihn nicht findet, drückt er seufzend einen Lichtschalter neben der Tür. Eine Lichterkette aus bunten Glühlampen über dem Türrahmen springt an und erleuchtet die Terrasse schwach. Jetzt, da es etwas heller ist, erkenne ich ihre Ausmaße vollständig. Sie ist größer als gedacht und wird durch ein Holzgeländer, um das weitere, schwach strahlende Lichterketten geschlungen sind und ihr warmes Licht abgeben, begrenzt. In einer Ecke steht ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen und einer bereits herab geschmolzenen Kerze in einer Weinflasche. Das weiße Wachs ist mit der Zeit das grüne Glas herabgeklettert und in einem hügeligen, unebenem Muster erstarrt. Es sieht so aus, als hätte hier jemand oder mehr als nur ein jemand viele, lange Nächte verbracht.

Eine Gänsehaut überkommt mich.

Was, wenn es Mavie doch gibt? Aber wieso, um Gottes Willen, hält er mich dann für sie? Wenn er sie so unfassbar stark liebt, kann er uns doch nicht einfach verwechseln.

Oder er inszeniert es. Um mich zu verunsichern, was leider ziemlich gut funktioniert.

Das Klicken des Schlüssels im Schloss lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich. Finn sieht auf mich herab und lächelt. „Wir sind zu Hause."

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