8 | Hoffnung

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Das Handy unter meinem Kopf vibriert und reißt mich damit aus dem Schlaf.
Beschleunigt mein Herz in Sekunden. Verdammt! Ich wollte nicht schlafen, mich nur ein bisschen aufwärmen und warten, dass sich mein Magen beruhigt. Hastig schlage ich die Decke zurück, blicke verstohlen auf das Display. Wie konnte ich vergessen es auszuschalten? So kann er mich damit finden. Doch die Nachricht darauf ist nicht von Simon, sondern von Juls. Mein Chef und einziger Freund. Er ist in alles eingeweiht, ohne seine Hilfe hätte es nicht funktioniert.

Juls: Hast du es geschafft?
Leuchtet mir auf meinem Handy entgegen.
Schnell tippe ich die Antwort, bevor ich es ausschalte.

Isaac: Ich bin weg aber noch nicht im Zug, ich melde mich mit neuer Nummer.

Erleichtert korrigiere ich meinen Fehler, entnehme die Speicherkarte und breche sie in kleine Teile.
Besorgt sehe ich zur Tür, aber an ihr steckt nach wie vor der Haustürschlüssel von innen. Tief durchatmen Isaac, alles ist gut.

Leise ziehe ich meine Schuhe an. Ich war die ganze Zeit bereit abzuhauen, hab in meinen Klamotten auf der Couch gelegen. Aber ich musste ja einschlafen.
In 30 Minuten geht ein Bus, hoffentlich steht Aiden jetzt nicht auf.
Den Zettel mit seiner Nummer stecke ich in meinen Rucksack, das Geld lege ich ihm neben das Müsli.
Es war eine nette Geste, aber ich bin kein Obdachloser. Wenn alles gut geht, nehme ich ab heute mein Leben wieder in die Hand.

Leise verlasse ich die Wohnung, schleiche mich an dem Kiosk vorbei, um nicht von seinem Freund
gesehen zu werden, der eifrig Zeitungen einsortiert. Ich kann jetzt keine Verzögerungen brauchen.
Nur noch einmal muss ich funktionieren, wie eine Maschine, dann kann ich wieder Mensch sein.
Warum sind um sechs Uhr morgens so viele Menschen auf der Straße?

Der Weg bis zur Haltestelle wird so für mich zum Spießrutenlauf. Ich suche in den Gesichtern nach Freunden von Simon, ohne mich selbst zu zeigen. Die Kapuze im Gesicht ist dabei nicht hilfreich, aber soll meinem Schutz dienen.
Haltestelle. Warten, von einem Bein auf das andere treten. Kein Handy um auf die Uhr zu sehen, schweißnasse Hände, frösteln.

Er kann noch nicht wach sein, es ist viel zu früh.

Ich sehe einen stark torkelnden Mann in einiger Entfernung. Um Gleichgewicht bemüht schleppt er
sich in meine Richtung. Noch einer den das Wochenende fertig gemacht hat. Als der Bus neben mir hält, atme ich erleichtert aus. Nur drei weitere Fahrgäste sind darin, sehen zum Fenster raus oder in eine Zeitung. Mit Rucksack und Reisetasche schlängle ich mich bis nach hinten durch. Ich brauche den Überblick.

Als der Bus losfährt sehe ich wieder zu dem Betrunkenen, der jetzt die Haltestelle erreicht hat und darin seinen Mageninhalt leert. Als er seinen Kopf hebt erkenne ich die Person als einen von Simons Freunden.

Anstatt wegzusehen, starre ich wie ein Trottel in das Gesicht, unfähig mich abzuwenden und beginne zu Grinsen. Ich bin in einem Bus, auf dem Weg zu meinem neuen Leben, wenn sich der arme Tropf, ausgenüchtert noch an mich erinnert, fresse ich einen Besen. Zu gerne würde ich jetzt den
Mittelfinger zeigen, aber da sind wir schon aus seinem Sichtfeld.

Weitere 20 Minuten später sitze ich im Zug. Er verlässt den Bahnhof und ich mit ihm diese verfluchte Stadt. Simon weiß, dass ich die Berge liebe, deshalb fahre ich genau in die andere Richtung. Hamburg wird mein neues Zuhause werden. Mehr als 700 km zwischen mir und dem Teufel. Ich hoffe das reicht.

In mein Handy lege ich eine neue Sim-Karte, die ich am Bahnhof gekauft habe. Juls Nummer ebenso die beiden anderen Nummern, die ich noch brauche, habe ich auswendig gelernt. Diese speichere ich ein und schicke eine Nachricht an Juls.

Jetzt komme ich auch wieder an meine Musik. Aus meiner Jackentasche ziehe ich die Kopfhörer und
drücke Play. Zum ersten Mal seit Monaten, seit ich diesen Plan gefasst habe, kann ich mich entspannen. Was war das für ein Krimi.

Mein Glück war, dass Simon so überheblich geworden ist. Nie hätte er damit gerechnet, dass ich der unfähige, dumme Tropf einfach verschwinden würde. Schon seit einem Jahr wollte ich weg, wusste aber, wenn ich es unüberlegt mache, dann geht es in die Hose und er findet mich. Nur ein Fehlversuch und er hätte alle Daumenschrauben angezogen und ich hätte für lange Zeit jede Möglichkeit verspielt.

Das Suchen einer Wohnung und einer Arbeit in einem fremden Ort war unfassbar schwierig. Man
bekommt keinen Job ohne ein Vorstellungsgespräch. Nur durch die Zusprache von Juls hat es mit einer Arbeit und einer Wohnung funktioniert. Ich konnte das Vorstellungsgespräch online machen mit meiner baldigen Chefin und bin auch weiterhin mit ihr in Kontakt geblieben. Aber nur während der Arbeitszeit und nur von Juls Handy aus.

Die Angst entdeckt zu werden fraß mich vom ersten Tag an auf. Ich war immer auf der Hut, damit Simon nichts merkt. Aber ich denke unterbewusst muss er etwas gefühlt haben. Den Braten gerochen haben, denn so nett wie in den letzten vier Wochen, war er schon lange nicht mehr. Zum Glück für mich hatte ich da schon die wichtigsten Sachen erledigt, denn er begann mich vor der Arbeit abzuholen. War plötzlich wieder besorgt und zuvorkommend. Noch vor einem halben Jahr hätte er mich damit erneut eingelullt.

Deshalb verstärkte sich das Theater noch einmal. Ich musste ebenfalls auf ihn eingehen, seine freundlichen Gesten honorieren. Mein persönlicher Todesstoß. In einen Menschen verliebt zu sein, der dich runter macht, dem der Dreck unter seinen Füßen mehr wert ist als ich, ist hart aber kam
schleichend. Etwas womit man klar kommt. Wenn er sich aber von dir abwendet und mit voller Absicht vor dir flirtet, andere küsst und dir dabei in die Augen sieht, Sex mit ihnen im Nebenzimmer hat und dich durch das Verschließen der Tür dazu zwingt dem beizuwohnen, das bringt dich um.

Aber wenn es dann endlich in dir Klick macht, du verstehst, dass deine Liebe nichts weiter als ein
narzisstischer Versager ist, er dich anwidert und du, um eine Chance zu haben Zuneigung vorspielen musst, das zeigt dir unmissverständlich auf, wie tieft du selbst gesunken bist.

Unruhig kontrolliere ich den Inhalt meines Rucksacks. Ich könnte jetzt zwar nichts mehr ändern, aber ich brauche etwas zu tun. Etwas, das mich von mir und der Vergangenheit mit Simon ablenkt.

So fördere ich eine Mappe zutage mit Unterlagen und Papieren.
Du kannst in Deutschland verschwinden, ohne Klamotten, Zahnbürste und allem anderen Mist, aber wehe dir fehlt nur eine Urkunde, dann bricht der Wahnsinn los.

Als ich den Schlüssel meiner neuen Wohnung aus meinem Rucksack ziehe muss ich lächeln. Juls hat mir einen Christopherus als Glücksbringer daran gehängt. Er hat mir geholfen, obwohl er nicht mal die Hälfte der Geschichte kennt. Ich werde ihm auf ewig dankbar sein.

Mit den Händen im Rucksack damit es keiner der andern Fahrgäste sieht, sehe ich nach meinem Geld. Viele grüne Scheine in einer Dose und noch welche in einem Umschlag.

Ich habe genug Trinkgeld gesammelt um die Miete für die nächsten 3 Monate zu bezahlen. Erst in einer Woche beginne ich meine neue Arbeit. Doch auch hier sollte ich noch eine Weile über die Runden kommen. Was brauche ich schon groß.

Wieder dröhnt das Gitarrenriff von Medicine durch die Kopfhörer an mein Ohr und ich ziehe den Zettel von Aiden aus der Tasche. Blicke auf dessen akkurate Handschrift. Denke an seine dunkelblonden Haare, strubbelig und wild. Die breiten Wangenknochen bedeckt von kurzen Barthaaren. Die markante Nase, der fein geschwungene Mund. Augen so grau wie Felsen und sie passen so gut zu ihm. Heute Nacht war auch er mein Felsen, Stark und Standhaft.
Makellose Haut über kräftigen breiten Oberschenkeln. Er muss lange Zeit die Sonne gemieden haben, aber am Rand seiner Short war noch klar der Unterschied zwischen der einstmals gebräunten Haut und seinem Po zu sehen. Der breite Rücken, die stahlharte Brust. So wie Aiden dasteht, immer mit offenen Beinen und diesen Muskeln, muss er Kampfsport betreiben. Oder lernt man das in der Ausbildung zum Sanitäter? Ich frage mich wie die Sache ausgegangen wäre hätte er den Schlag kommen sehen.

Seine Hände sehen nicht zart aus. Sie sind die Hände eines Mannes, der zupackt. Groß und kräftig. Ich denke nicht, dass sie rau sind, so sahen sie nicht aus. An seinem Bauch war eine Narbe in Form einer Sichel und ich musste mich beherrschen nicht danach zu fragen.

Mein Engel, nie werde ich ihn wieder sehen. Traurig zerknülle ich den Zettel mit seiner Nummer darauf. Genau in den letzten Stunden in dieser gottverdammten Stadt, muss mir so ein wundervoller Mensch über den Weg laufen. Warum ist mein Leben nur so grausam?

Was wäre der Sinn darin mit ihm Kontakt zu halten. Wir sind schon bald so weit voneinander entfernt. Mit den letzten Tönen des Liedes wische ich mir die Tränen vom Gesicht und lösche das Lied auf meiner Playlist. Es wird mich immer an die Begegnung mit Aiden erinnern.

Aber jetzt muss ich mich um das kümmern was vor mir liegt und das ist so ungewiss. Und was soll er auch mit einen kaputten Typen wie mir? Ängstlich, introvertiert und dumm. Ach was mach ich mir denn vor, er ist von Beruf ein Helfer. Er hat es selbst gesagt er hat ein Helfersyndrom. Genau das ist es, was ich für ihn war, ne kleine arme Wurst, genau wie für Simon.

Aber er hat mir gezeigt, was ich in Zukunft sein möchte. Ohne es zu wissen hat er mir ein Ziel gegeben und daran werde ich arbeiten.

Danke Aiden!

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich frage mich, wie es weitergehen wird. Keine Ahnung wann und wo die beiden sich wiedersehen. Ob sie sich überhaupt wiedersehen?

Wie gut, dass hier eure Ideen gefragt sind ;)

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