IV.

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Der Mann vor Manon zitterte vor Angst. Er hatte endlich aufgegeben, sich aus seinen Fesseln befreien zu wollen. Stattdessen hing er schlaff von der Wand, während die Seile an seinen Handgelenken ihn wie eine Marionette aufrechthielten. Ganz Manons Willen ausgeliefert. So bevorzugte die Blaubart ihre Geliebten. Jung und ängstlich.

Genüsslich leckte Manon ihre Lippen und zog ihr Stilett aus ihrem Stiefel. Wäre sie in ihrem Körperkeller zu Hause, könnte sie den nächsten Part viel mehr zelebrieren, doch nachdem ihr ursprünglicher Besuch von Esha unterbrochen worden war, musste sie die Sache nun so zu Ende bringen. Manon zwirbelte zuerst eine Bartlocke auf der linken Seite mit der schmalen Klinge ein, dann eine auf der rechten. So lud sie das Stilett auf, um die Angst ideal aufnehmen zu können. Als ihr Vater, sie in das Handwerk eines Blaubarts eingeführt hatte, mochte sie diesen Part nicht. Sie hätte ihre Geliebten nur mit Geschenken überschüttet und auf den Rest verzichten können. Doch Angst gab ihnen als Lebenserhaltungssaft Energie und nur so konnten sie, ihre Liebe weiterverteilen. Seit sie das erkannt hatte, liebte sie es.

Manon trat näher und setzte die Klinge an den linken Unterarm ihres Liebsten. Bevor sie zustach, sog sie noch einmal den Angstschweiß des jungen Mannes ein. Herrlich. Der Mann wimmerte. In Manons Ohren klang das wie die schönste Sinfonie. Sie versenkte die Klinge im Fleisch. Die schmale Klinge saugte gierig das Blut, den Träger der Angst und aller Lebensenergie, in sich auf. Manon spürte das Prickeln des Lebenssafts in ihrer Brust und sie nahm einen befreienden Atemzug.

Das wiederholte sie beim anderen Arm. Der Mann war mittlerweile ohnmächtig geworden. Angst und Blutverlust waren ihm wohl zu viel geworden. Als Manon die Klinge an seine Kehle setzte, um die Hauptschlagader zu durchtrennen, beugte sie sich vor und leckte die Tränen von den Wangen des Mannes. Die Haut war weich und kühl unter Manons Zunge. Sie schluckte und genoss den Geschmack ihrer Liebe.

Andere Blaubärte unterschätzten die Macht, die in Angsttränen steckte. Just als das Stilett die Haut am Hals durchtrennte, lief Manon ein kalter Schauer über den Rücken. Sie hielt inne, das Prickeln nur eine nebensächliche Empfindung, verdeckt von der größeren Alarmbereitschaft.

Jemand hatte die Tür zu ihrem Körperkeller geöffnet!

*

Klapprig dürre Körper hingen wie Skelette an den Wänden. Die Körper bildeten einen Halbkreis, als würden sie auf diejenige warten, die sie anbeteten. Oder fürchteten. Am prominentesten hing der Körper einer jungen Frau direkt in Eshas Blickfeld. Obwohl sie nicht hinschauen wollte, konnte sie ihren Blick nicht abwenden. Dieses Gesicht ... Sie hatte es schon einmal gesehen, im Entrée des Hauses auf einem Gemälde. Die Frau mit den Geheimnissen! Nun war sie von ihnen und ihrem Leben befreit. Schrecken kroch in einer Gänsehaut über die Arme der Vishakanya. Der säuerlich muffige Geruch nach Verwesung vermischte sich mit dem Ammoniakgestank nach Urin und brachte Esha zum Würgen. Die Stille im Kerker dröhnte ihr in den Ohren, wurde nur doch das Tropfen von Wasser unterbrochen, das ihr wie Nadelstiche einfuhr. Ein Entsetzensschrei steckte ihr in der Kehle, doch sie war erstarrt, konnte nur auf die Szenerie vor ihr schauen, ohne richtig zu verstehen, was sie sah.

„Wir haben sie verloren", quäkte es links von Esha.

Rechts von ihr seufzte Klaarlicht: „Schade, ich dachte, sie könnte es ertragen."

Das riss Esha aus ihrer Starre. Wie könnte irgendjemand so etwas ertragen? Das waren Menschen, denen nicht einmal im Tod Respekt und Ruhe vergönnt waren! Nach ihrer Position und dem Gestank nach Exkrementen zu schließen, waren sie vor dem Ableben gefoltert worden. Hatten unbeschreibliche Ängste durchstehen müssen und sie sollte dieses Wissen einfach ertragen? Sicher nicht!

Obwohl sie über den Ruf der Blaubärte wusste, hatte sie immer gedacht, sie würden nur Herzen brechen, denn weiter hatte sie die Geschichten nie gehört. Deswegen hatte sie sich ihnen verbunden gefühlt. Vishakanya verführten auch und erfüllten Träume. Doch das vor ihr war kein wahrgewordener Traum, viel mehr der Stoff, aus dem Albträume waren. Vishakanya folterten niemanden und schon gar nicht mordeten sie. Nie wieder! Diese Zeiten waren vorbei, als sie von Herrschern als Mörderinnen benutzt worden waren. Deswegen würde Esha nicht einmal ertragen, im Haus einer Mörderin zu verweilen. Egal, wie charismatisch sie gewirkt hatte.

Energisch wandte sie sich um und wollte hinausstürmen, da flogen die Flügel der Haupttür auf und Manon stand im Eingang. Schwer atmend, die Haare zerzaust und ihr Bart in einem elektrisierten Kranz um die untere Hälfte ihres Gesichts. Ihr Mantel, der sie vor ihrer Abfahrt noch so ordentlich gekleidet hatte, hing ihr nun halb von der Schulter und ihre Hände gruben sich in das Holz der Türe. Wild, beinahe animalisch.

Wäre Esha nicht so entrüstet gewesen, hätte sie Angst gehabt. Stattdessen straffte sie die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Manon konnte ihr nichts anhaben. Eshas Berührung war tödlicher als alles, was Manon ihr entgegenbringen konnte. Dass sie niemanden ermordete, brauchte die Blaubart nicht zu wissen. Manon zog ein Stilett, dessen Spitze noch blutrot schimmerte. Damit zwirbelte sie ihren Bart auf beiden Seiten. Das Blut zog dunkle Schlieren im vibrierenden Blau. Eine Schweißperle lief über Eshas Stirn. Manon stürmte auf die Vishakanya los.

Klaarlicht und Sombre flogen über Manons Kopf nach draußen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Eshas Herz pochte so wild, es vibrierte ihr in den Ohren. Was sollte sie tun? Bevor sie eine Antwort auf die Frage fand, attackierte Manon sie, stach mit der dünnen Spitze nach ihrer Brust. Esha wich zurück. Weitere Stiche auf ihre Arme, ihre Beine, alles, was in Manons Reichweite war. Doch Esha wich aus, duckte sich unter Angriffen weg. Immer darauf bedacht, Manon nicht zu berühren.

Mit beiden Händen über ihren Kopf erhoben stürmte Manon auf sie zu. Wahnsinn im Lächeln und Blutdurst in den Augen. Angst kroch Eshas Rücken hinauf, schnürte ihr die Kehle zu. Sie sprang zurück, kollidierte hart mit der Wand hinter sich, sodass ihr alle Luft entwich. Ihre Knie zitterten und sie fühlte sich so schwach, als würde alle Energie aus ihr fließen.

Manon, das Stilett immer noch erhoben, kam ihr nun so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Hätte Esha die Kraft gehabt, ihre Arme zu heben, hätte sie mit nur einem Finger Manon außer Gefecht setzen können. Ein verzweifelt naiver Teil hoffte, sie hätte es getan. Doch so sank sie langsam an der Wand hinab, als auch ihre Beine ihr den Dienst versagten. Manon überragte sie und lächelte, die Gewissheit über den Triumph sichtbar in ihren Grübchen. Das war Eshas Ende. Sie schloss die Augen und schickte eine letzte Danksagung an ihre Schwestern. Leise murmelnd sang sie die Worte, wob sie zu einer Geschichte.

Die besten Wünsche an Benisha, die immer eine der romantischen Heldinnen sein wollte, über die sie erzählte. Verbotene Liebe, ein Liebesgeständnis, das beinahe zu spät kam ...

Sie hatte ihr träumen gelehrt.

Eine Entschuldigung von Herzen an Desna. Da Esha lieber geschlafen hatte, als ihren Erzählungen über Moral und Gewissen zu lauschen.

Wenn Esha wachgeblieben war, hatte Desna ihr gelehrt, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben.

Nur am Rand bemerkte Esha, dass kein Eisen in ihre Haut drückte. Viel eher war dieser ominöse Schatten über ihr lichter geworden. Sie konnte sich auch wieder bewegen. Die Augen immer noch geschlossen richtete sie sich auf und ihre Stimme hallte lauter und voller durch den Raum. Ihre Lebensenergie kehrte zurück.

Alles Liebe und nur das Beste an ihre Schwester Tamani. Ihre Geschichten hatten die Schattenseiten des Lebens widergespiegelt, voller Entbehrungen, Kämpfe und Niederlagen. Keine hatte je ein gutes Ende.

Tamani hatte ihr gelehrt, dass es manchmal nur jemanden brauchte, der mit einem die Dunkelheit aushielt.

Sie hörte, wie ein Körper schwer zu Boden sank und das Klirren von Eisen, als wäre eine Klinge aus kraftlosen Fingern gerutscht. Vorsichtig öffnete sie ein Auge, doch sah nur auf ihre eigenen Knie hinab. Sie traute sich nicht, den Blick zu heben.

Dayitas Erzählungen waren voller Abenteuer und Witz. Piraten gerieten in die absurdesten Situationen und befreiten sich auf noch unmöglicheren Wegen.

Sie hatte ihr gelehrt, sich nicht zu ernst zu nehmen und dem Leben lachend entgegenzutreten.

Esha öffnete das andere Auge und hob ihren Kopf. Manon kniete nicht weit von ihr und sah sie nicht mehr an, als wäre sie ein Wunder, sondern die Erlösung all ihrer Qualen. Eshas Magen machte einen unangenehmen Hüpfer. Sie war sich nicht sicher, ob sie so angesehen werden wollte.

Zuletzt dankte sie sich selbst. Sie hatte immer gefürchtet, ihr würden die Geschichten ausgehen und wollte sie deswegen alle erleben. Doch vielleicht reichte für manche ihre Fantasie.

Sie lernte gerade, dass sie nicht alles mitmachen musste.

Esha beendete ihre gesungene Erzählung und kurz war es still zwischen Manon und ihr, während sie sich nur ansahen. Etwas tobte in Manons eisblauen Augen, das sie nicht benennen konnte. Die Blaubart räusperte sich und sprach: „Du hast meinen Fluch gebrochen. Erlöse mich. Endgültig"

Obwohl Esha geschworen hatte, niemanden zu töten, rührte Manons Flehen etwas in ihr. Trotz allem konnte sie dieser Stimme wohl immer noch nichts abschlagen. Sie erhob sich, ging zu Manon und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. Sie gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ sie los. Mit einem seligen Seufzer sank Manon zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Eine Vishakanya war nun mal da, um Träume zu erfüllen. Und Esha lebte, um Geschichten zu erzählen. Das würde sie fortan tun: die Erzählung von Manon, der Blaubart, die verflucht worden und Esha, der Vishakanya, die entkommen war.

(1549 Wörter)

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