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Amber - 11:00 Uhr

»Danke, dass du mich heute eingeschoben hast.«

Ich nickte meinem Patienten zu, der seine Unsicherheit hinter einem wackeligen Lächeln zu verbergen versuchte. Er ließ sich in den alten Ledersessel vor meinem Schreibtisch sinken und starrte auf die Wand hinter mir, an der meine Auszeichnungen und Diplome hingen. Unzweifelhaft war ich die Beste in diesem Kaff.

»Natürlich, Thomas.« Ich nickte professionell. »Was kann ich denn für dich tun?«

Ein paar Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. »Ich mache mir Sorgen wegen der Abschlussfeier heute Abend.«

»Aber Thomas, wir haben doch darüber gesprochen. Es wird dir gut tun, einen Schlussstrich zu ziehen.« Ich biss mir auf die Lippe, um den Drang zu unterdrücken, ihn weiter anzutreiben. Wen genau wollte ich hier eigentlich überreden? »Was genau beunruhigt dich?«

»Ich weiß nicht, ob es der richtige Anlass ist. Immerhin kommen ja alle, um zu feiern. Nicht, um meinen Vater zu gedenken.«

Nicht, dass irgendjemand wirklich gerne an den Dreckskerl dachte, aber diesen Auftritt hatte ich mir einfach verdient. Da sollte der Junge nur nicht abspringen. Die Erinnerung an den Tod des Direktors barg einen gewissen Kitzel, dem ich mich nicht entziehen konnte. »Da hast du natürlich recht. Auf der anderen Seite hat uns das Schicksal deines Vaters natürlich auch geprägt und begleitet. Ich halte es für einen passenden Rahmen.«

»Stimmt, das hattest du mir schon versichert. Ach, Amber. Ich bin so froh, dass ich zu dir in die Therapie gekommen bin.«

Es gab hier kaum eine Alternative zu mir. Und ich hatte ihm unbestreitbar geholfen. Fast wirkte der Welpe vor mir wie jemand, den man ernst nehmen konnte. »Und schau, wie weit wir gekommen sind! Du hast so große Fortschritte gemacht.«

Thomas Adamsapfel hüpfte auf und ab, während sich seine Wangen mit einer zarten Röte überzogen. »Danke schön.«

»Natürlich dränge ich dich zu nichts. Aber als deine Therapeutin würde ich es befürworten, wenn du dich deiner Vergangenheit stellst.«

In seinen blassen Augen glomm ein Hauch von Willensstärke auf. »Ja. Ich werde das schaffen. Vater würde das bestimmt auch von mir erwarten.«

Ich nickte langsam und setzte mein neutrales Beratergesicht auf. Der Sessel unter mir knirschte, als ich mein Gewicht verlagerte. Nur keine Emotionen zeigen. »Er wäre bestimmt stolz auf dich.« Nicht, dass der Sack zu so einem Gefühl wirklich fähig gewesen wäre. Sein Tod war wahrscheinlich das Beste, was er je für seinen Sohn getan hatte. Ach was, die ganze Schule hatte davon profitiert.

»Ich kann mich nicht mehr besonders gut an ihn erinnern. Er hat ja meistens gearbeitet und sogar Überstunden gemacht. Shield Valley lag ihm wirklich am Herzen.«

Von wegen. Das Einzige, was ihm wirklich gefallen hatte, war Zugriff auf junge Mädchen zu haben. »Sehr. Es war ihm ein Anliegen, selbst die Regelbrecher auf die richtige Schiene zu bringen. Ich glaube, gerade in Bezug auf die Schuluniform kannte er keine Kompromisse.« Und jede wusste, was ihr blühte, wenn der Rock zu kurz war oder er ein Stück Haut am Bauch sehen konnte. Jede außer Coralie, die alles auf die harte Tour lernen musste.

Thomas lächelte und sah in diesem Moment seinem Vater so ähnlich, dass ich mich zurückhalten musste, ihm nicht ins Gesicht zu schlagen. »Zu Hause war er viel lockerer. Manchmal kam er pfeifend heim, klopfte mir auf die Schulter und sagte, dass das Leben verdammt viel Spaß macht. Ich fragte ihn, was er damit meinte, und er versprach dann, es mir zu erklären, wenn ich ein Mann sei. Ich wünschte, er hätte es mir noch sagen können.«

Die Erinnerung brachte mein Herz zum Pumpen. Geschäftig wischte ich über die multifunktionale Schreibtischlampe, die ich mir erst letzte Woche gegönnt hatte. Ich kannte das Geheimnis des Direktors nur zu gut. Eine neutrale Antwort traute ich mir nicht zu, daher nickte ich einfach.

»Weißt du, er ging immer zu Fuß heim, obwohl es fast drei Meilen waren. Er sagte, er müsse den Kopf frei kriegen.«

»Bestimmt musste er das«, krächzte ich, bevor ich mich räusperte und aufstand, um ein Fenster zu öffnen. Der Himmel war bewölkt und ein kühler Wind fuhr mir ins Gesicht.

»Ja, ich glaube, du hast mich überzeugt. Ich werde heute Abend eine kurze Rede halten und allen die Möglichkeit bieten, sich von meinem Vater zu verabschieden.«

Thomas stand auf und rieb sich die Hände.

Jetzt, wo ich ihn so weit hatte, fühlte sich der Erfolg beinahe schal an. Ja, es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass der Mistkerl nicht mehr unter uns weilte. Es war sogar noch besser, dass niemand genau wusste, was eigentlich passiert war. Dennoch fühlte ich mich leer. Und einsam.

Das Telefon klingelte und Thomas winkte ab. »Geh ruhig ran, ich finde allein raus. Wir sehen uns ja heute Abend!« Seine Augen bekamen diesen liebeskranken Ausdruck, der meinem Ego zwar gut tat, aber irgendwie auch nervte. »Es soll übrigens regnen.«

Ich wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, dann meldete ich mich. »Guilt-Free Counseling, Sie sprechen mit Dr. Wittman. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Amber!« Scotts Stimme drang durch den Hörer. Er klang sowohl frustriert als auch anbiedernd. »Ich wollte nur fragen, ob du heute Abend kommst.«

»Scott!«, zwitscherte ich. »Wie nett, von dir zu hören. Natürlich komme ich.«

»Kann ich dich auch abholen?« Jetzt war er kurz davor zu betteln.

»Ach, ich dachte, das Auto hätte deine Exfrau bekommen? Aber egal, ist nicht nötig. Ich fahre lieber selbst.«

»Oh, kein Problem.« Etwas klapperte im Hintergrund und ich konnte hören, wie er etwas trank. »Du, Amber. Ich habe gehört, dass der Sohn des Direktors etwas plant. Irgendeine Gedenkfeier.«

War ja klar, dass Scott deswegen die Nerven verlor. Was mich eher wunderte war, dass er so lange gebraucht hatte, um davon zu erfahren. »Ach, keine Sorge. Wir müssen ja nicht zuhören!«

»Ja, stimmt.« Wieder trank er. »Bist du eigentlich deshalb Therapeutin geworden? Um mit damals abzuschließen?«

Die Frage kam unerwartet. »Es gibt nichts, womit ich abschließen müsste. Oder siehst du das anders?«

»Nein, natürlich nicht«, brabbelte er. »Ich wollte nur mal fragen.«

»Dann ist ja gut.« Bevor er noch mehr dumme Fragen stellen konnte, übernahm ich die Gesprächsführung. »So, mein Lieber. Ich muss mich jetzt fertig machen. Kommt Coralie auch?«

»Ja, ich ...«

»Wie schön. Dann muss ich mir Mühe geben, damit ich neben ihr nicht aussehe, wie ein Mauerblümchen.«

»Ach was. Du bist immer noch so schön ...«

»Danke, mein Lieber«, schnurrte ich. »Dann sehen wir uns später. Und fahr vorsichtig. Ich habe gehört, dass es noch regnen soll.«

»Danke. Bis später, Amber!«

»Es wird schön, dich zu treffen, Scott.«

Ich ließ mich in meinen Sessel zurücksinken und schloss die Augen. Manchmal hatte ich extra einen besonders kurzen Rock angezogen, um den Direktor zu provozieren. Immer dann, wenn Coralie mich abblitzen ließ und ich das Gefühl haben wollte, dass mich jemand wirklich wollte. Immerhin hatte der Direktor ziemlich gut ausgesehen. Ich seufzte. Alles wäre ganz anders gekommen, wenn er nicht eine Grenze überschritten hätte, die ich ihm nicht verzeihen konnte.


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