Kapitel 79 Teil II

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Ich rannte, um rechtzeitig am Eingang der Laufstrecke anzukommen. Ich hoffte, dass ich nicht komplett verschwitzt ankam.

Aus der Entfernung erkannte ich, dass Aella bereits auf mich wartete. Sie trug ihre Jacke offen. Ihre Kleidung ähnelte meiner, nur hatte sie einen Pullover an, während ich vor Anspannung keine Ahnung hatte, was ich anziehen sollte. Es reichte nur Pullover, Jeans und flache Schuhe, um mein Herz zum Rasen zu bringen. Möglicherweise war es aber auch der schnelle Sprint über das Gelände, der meinen Herzschlag verstärkte.

Ich blieb abrupt stehen und keuchte, als ich Aella sah. Ihre Augen waren fragend auf mich gerichtet. Schon bei einem kurzen Blick zu ihr wurde mir ganz warm und alle Unsicherheit war wie weggeblasen.

»Wartest du schon lange?«, ächzte ich außer Atem und stützte mich an meinen Knien ab. »Nein, ich bin vor fünf Minuten angekommen. Du hättest nicht hierherlaufen müssen.«

Ich versuchte, mich zu fangen und musste husten. Meine Lungen brannten, aber diesmal nicht, weil ich erkältet war.

»Wofür hast du die Tasche?«, fragte sie mit neugierigem Blick. Ich schnappte nach Luft, weil ihre ungleichen Augen mich anstarrten. Meine Lunge brannte und ich musste keuchen. Aella legte ihre Hand auf meine Schulter, und ich atmete tief ein.

»Nein... ich habe Blaze doch erzählt, dass ich lernen gehe. Außerdem musste ich mich beeilen, da hier ja ein Spinner lauern könnte«, sagte ich und fing mich wieder.

»Den einzigen Spinner, den ich sehe, bist du«, bemerkte Aella und nahm ihre Hand von meiner Schulter.

Gott, wie ich dich abgöttisch liebe.

»Ja, das bin ich«, bestätigte ich grinsend. Solange es nur deiner ist.

Ich schob meinen Rucksack von der Schulter und holte die Taschenlampe heraus, weil es dunkler wurde. Aella betrachtete mich schräg und schien irritiert.

»Wozu brauchst du die Taschenlampe? Du weißt schon, dass dein Handy eine hat«, versuchte sie mich zu necken. »Aber die ist bestimmt besser«, ergänzte sie, um mich nicht zu verletzen. Aella schaltete ihr Handy aus, um sich vollständig auf mich zu konzentrieren. Ich tat es ihr gleich, denn ich wollte mich vollkommen auf das zwischen uns fokussieren.

Diesmal will ich nichts zwischen uns kommen lassen.

Ich schaltete die Taschenlampe ein, als Aella meinen Rucksack nahm und ins nächste Gebüsch brachte. «Den brauchst du nicht«, sagte sie verbissen und hielt sich an meinem Jackenärmel fest. Sie zog daran und führte mich durch den von Bäumen umrahmten Pfad. Ich stolperte langsam hinterher und fing mich. Ihre Finger streiften meine Haut und mir wurde ganz warm.

Wir gingen langsam nebeneinander her. Unter dem wenigen Laub und dem kurzen Schneeregen, der fiel, konnte ich den eintretenden Winter erkennen. Es schien, als ob das Wetter uns widerspiegelte. Ich war der Herbst durch meine Augen. Aella war der Winter, der es nicht mehr aushalten konnte und endlich kommen wollte.

Die Jahreszeiten vermischten sich. Zusammen waren wir das Durcheinander, das sich so gut ergänzte.

Ein kurzer Windstoß kam auf und ließ einige alte Blätter tanzen. Die Blätter raschelten leise im Wind und der Winter kündigte sich mit einem klirrenden Frost über uns an, bereit, bald die ersten Schneeflocken rieseln zu lassen. Doch heute würde er sich noch zurückhalten.

Wir gingen schweigend umher, weil keiner von uns es über sich brachte, das erste Wort zu ergreifen. Vielleicht empfand ich es besser, den Moment für sich sprechen zu lassen. Mit dem anzufangen, was leichter schien.

»Ich habe dein Therapietagebuch gelesen«, begann ich mit gedämpfter Stimme, »Blaze hat es mir gegeben, nachdem er damit fertig war.«

Aellas Finger waren immer noch an meinem Ärmel. Sie waren kühl. Ich sammelte meinen ganzen Mut zusammen und nahm ihre Hand in meine. Sie ließ es zu und ich schob sie in meine Jackentasche. Aella schaute daraufhin zu mir, aber unternahm nichts dagegen.

Ich wusste nicht, ob es ihr einfach egal war oder ob sie dasselbe getan hätte. Ich bezweifelte, ob unsere Hände in ihre Jackentasche gepasst hätten.

»Stimmt, ich wollte, dass ihr alle es seht. Ich wollte es dir nicht vorenthalten. Nicht dass du denkst, weil du der letzte bist, der es erhält. Die anderen haben einfach beschlossen ihr Alter diesmal als eine Art Vorrecht anzusehen«, erklärte Aella mit einem nachdenklichen Blick auf den Boden gerichtet.

»Das habe ich mitbekommen.« Ich musste aber nicht nur daran denken. Und genauso wollte ich sie nicht immer wieder an ihre Vergangenheit erinnern. Aella hatte das bereits vor mir mehrmals getan. Eventuell hoffte ich auch, dass sie irgendwann bereit dazu wäre, sich mir gegenüber einfach zu öffnen.

Mir schwirrte eher etwas anderes im Kopf herum, was Blaze verraten hatte. Zumindest dachte ich, dass es ein Geheimnis wäre.

»Wieso habe ich keinen Brief bekommen?«

Aella bleib wegen meiner Frage stehen. Sie wandte sich mir zögernd zu. »Weil es mir bei dir schwer gefallen ist.«

Am liebsten hätte ich meinen Mund dramatisch offen gelassen, nur um eine Form von Entsetzen oder Ähnlichem zeigen zu können. Scheinbar konnte Aella aber auch ohne meinen Ausdruck das erkennen.

Warum? Warum war es so schwer bei mir?

»Ich habe über die ganze Zeit mit meinen Problemen gekämpft, du hast sie selbst gelesen«, bekam ich langsam eine Erklärung für meine Frage, die ich nicht laut gestellt hatte. »Ich habe immer noch Schwierigkeiten damit. Ich denke, dass es mir deshalb so viel Druck gemacht hat, als ich vor deinem Brief saß.«

Aella musste eine Pause machen und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie wieder vor einem leeren Blatt saß.

»In der Therapie wurde ich dazu genötigt Briefe an meine Freunde zu schreiben und meine Emotionen darin auszudrücken. Der letzte Brief, den ich immer wieder aufgeschoben habe, war deiner. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und konnte es mir auch nicht erklären. Es fiel mir nicht leicht und ich musste viel damit kämpfen.« Sie kramte mit der freien Hand in ihrer Jackentasche und zog etwas heraus. Es war ein leuchtend weißer Briefumschlag, auf dem mein Name zart geschrieben stand.

Aella blickte auf den hellen Umschlag. »Ich habe ihn hier«, murmelte sie und reichte ihn mir. Ich zog meine Hand aus der Jacke, um ihn mit beiden Händen entgegenzunehmen. Dabei vergaß ich, dass ich zuvor ihre Hand gehalten hatte und das Gefühl ihrer Finger auf meiner Haut verschwand.

»Ich bin manchmal grausam, das kann ich nicht leugnen. Es ist ein Teil von mir, auch wenn ich versucht habe, ihn zu verleugnen. Wahrscheinlich habe ich deshalb so viele Probleme gehabt. Na ja, egal. Lass dich davon nicht abschrecken und zögere nicht, wenn du etwas bemerken möchtest. Ich beiße nicht, auch wenn ich schon jemanden...verletzt habe.«

Ich hob eine Braue, weil mich interessierte, was Aella getan hatte, oder eher wem sie etwas angetan hatte.

»Wem?« Wir setzten uns langsam wieder in Bewegung. Der Brief war noch in meinen Händen, ohne dass ich ihn gelesen hatte, geschweige denn geöffnet.

Aella verzog den Mund, als hätte sie in einen sauren Bonbon gebissen.

»Ich habe JellyBee auf dem Gewissen. Blaze will noch eine Beerdigung organisieren. Wir bekommen bald eine Einladungskarte dafür.«

Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht herauszulachen. Ich konnte mir nur die bevorstehende Katastrophe vorstellen... oder eher Komödie.

»Na ja, der Exorzismus, um das Böse aus mir herauszutreiben, hat wohl nicht geklappt. Meine Therapeutin ist gescheitert«, scherzte Aella mit einem Hauch Sarkasmus.

»Ich habe nie gesagt, dass die Art an dir abstoßend ist. Du weißt, was du willst und wer du bist. Du bist dir selbst ehrlich«, bekräftigte ich Aella diesmal, wie sie es sonst immer bei mir tat.

Aella schien dankbar und gleichzeitig erleichtert über meine Worte zu sein.

»Ich möchte nicht noch einmal über meine Probleme sprechen, aber ich kann einfach nicht richtig mit meinen Emotionen umgehen. Du solltest es noch einmal von mir hören und nicht nur lesen. Falls du Fragen haben solltest, stelle sie bitte. Blaze hat deshalb auch nicht gezögert.«

Sie wurde ausnahmsweise rot, und ich konnte nur denken, dass sie an etwas Peinliches dachte. Ich fragte mich, ob sie daran dachte, als er sie ausgefragt hatte, während sie auf der Mädchentoilette war. Brea hatte sich deswegen bei Treyton beschwert. Blaze würde immer dreister werden. Mich erschreckte das ehrlich gesagt nicht. Sein Gehirn funktionierte anders. Ich konnte mein Grinsen nur schwer verbergen wegen dieses Gedankens.

»Wir können uns Zeit lassen«, antwortete ich nur mit zuckenden Fingern. Ich hätte Aella so gerne über die Wange gestreichelt, nur um mich ihr noch näher zu fühlen.

Sie blickte mich an, als könnte sie durch mich hindurchsehen. Mein Körper war nur eine Hülle meiner selbst.

»Ich wollte über die ganze Zeit, in der ich nicht da war, mit dir reden und wissen, was mit dir los ist. Und noch etwas. Du scheinst viel zu haben, was du durchkauen musst, Hayden«, stellte Aella eher fest, als zu fragen. Sie hatte nicht unrecht. Mein Herz machte in meiner Brust einen Satz, weil ich mitbekommen hatte, dass ich in ihrem Geist immer präsent war. Nur stellte sich die Frage, auf welche Weise.

Aellas Finger waren so nah an meinen, dass ich das Gefühl hatte, sie zögen mich magnetisch an. Ich hielt den Brief immer noch in meiner Hand und war hin- und hergerissen, was ich tun sollte.

»Ja, tatsächlich läuft nicht alles glatt. In der Zeit, in der du nicht da warst, sind die Probleme bei mir zuhause gewachsen. Seit meinem 18. Geburtstag sind sie sogar schlimmer geworden, weil meine Mutter mir bei allem, was ich getan habe, mit meinen Geschwistern gedroht hat. Ich habe alles getan, was sie wollte, nur damit sie Kate und Henry in Ruhe ließ. Anscheinend war es nie genug. Ich bin froh, dass das langsam ein Ende hat.«

Aellas Finger zuckten zu meinem hin. Ich nahm ihre Hand, weil mir so schien, als wollte sie es auch. Mir kam es so vor, als würden unsere Hände zu einem Fleischklumpen verschmelzen. Nicht gerade romantisch ausgedrückt, ich weiß.

»Ich hätte die beiden immer entführt, nur um ihm all das zu ersparen. Blaze hat sogar Skimasken dafür. Aber ich hätte es auch ohne Tarnung getan. Auch bei dir, um dich aus den Fängen deiner Mutter zu befreien«, entfloh es Aella, während sie unsere verschlungenen Finger betrachtete.

Ich musste breit grinsen, mir wurde so wohlig in meinem gesamten Körper, dass ich mich seit langem wieder eins damit fühlte. Ich war kein Fremdkörper in mir selbst mehr.

»Das traue ich dir auch zu, du hast meiner Mutter den Mittelfinger stolz präsentiert«, gluckste ich erheitert. Aella schielte zu mir hoch und ich erkannte mosernde Flecken auf ihren Wangen. Dafür waren nicht nur die sinkenden Außentemperaturen zuständig.

»Mein Vater will die Scheidung einreichen, auch wenn meine Mutter nie zustimmen wird. Es wird schwer sein, damit zu leben, obwohl meine Familie nie wirklich stabil war. Aber es ist seltsam, zu sehen, wie der kindliche Wunsch nach einer normalen Familie zerbricht«, fuhr ich fort und spürte, wie diese Erkenntnis ein Kratzen in meiner Stimme verursachte. Offenbar hat all das doch Spuren in mir hinterlassen.

Aella drückte unterstützend meine Hand. Ich war dankbar dafür, dass wir uns so offen zueinander zeigen konnten.

»Das wusste ich nicht. Warst du deswegen in der einen Nacht bei mir?«, fragte sie mit einem Ausdruck, der mir das Gefühl gab, dass ich mich in ihren Armen verkriechen könnte.

Ich strich mit dem Daumen über ihren Handrücken und blickte in ihre Augen, die nur auf mich gerichtet waren. Ich fühlte mich so wichtig. Als wäre ich das Einzige, was zählte. So ging es mir mit ihr.

»An dem Tag ist der Streit zwischen meinen Eltern eskaliert. Ich habe mich eingemischt und die Konsequenzen gespürt. Ich war froh, dass Kate und Henry bei dir waren. Danke, Aella«, wisperte ich ihr zu. Ich fühlte mich so verletzlich, als ich ihr mein Innerstes offenbarte und schenkte.

»Du musst mir nicht danken, für mich ist es selbstverständlich«, kam es hauchend aus ihrem Mund. Mir kam es so vor, als wären wir uns so nah, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüren konnte. »Nein, das ist es nicht. Ich werde dir immer danken.«

Aellas Blick schweifte an meine Wange und mir war, als würde ich halbwegs in die Nacht zurücktauchen, als ich meinen Weg zu ihr ins Zimmer gefunden hatte. Sie legte ihre Hand zärtlich an meine Haut, als wäre ich das wertvollste, was es gab. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss den Augenblick. Saugte das Gefühl ein, als könnte ich es nie wieder erleben.

»Sie hat dich geschlagen, nicht wahr? Hat sie das öfter getan?«, fragte Aella sanft, als such ihre Augen langsam verdüsterten. »Ich bringe sie um. Sie sollte aufpassen, wenn sie schläft«, fauchte meine Kindheitsfreundin vor mir. Sie war wütend darüber, dass ich verletzt wurde.

Ich hätte mich entmannt fühlen sollen, aber so war es nicht. Für mich war es eher ein Zeichen dafür, dass ich Bedeutung hatte. Ich musste nicht nur stark sein, wie immer von Jungen und Männern erwartet wurde. Ich durfte Schwäche zeigen, und das war okay.

»Ihre Handgreiflichkeiten beschränkten sich darauf, mich zu packen oder mein Leben zu bedrohen. Zumindest bis vor Kurzem.«

Ich wusste, wie ich mich verteidigen kann, aber es machte mich nicht stolz, mich gegenüber Kindern, Frauen, Alten und allen, die mir sicherlich unterlegen waren, Gewalt anzuwenden. Deswegen tat ich es nicht.

Aella zog mich in ihre Arme, während sie versuchte, sich auf den Zehenspitzen hochzuhalten. Mein Kinn ruhte an ihrer Schulter und sie strich mir über das Haar. Ich war überrascht, weil sie kleiner war als ich. Aber dennoch fühlte ich mich geborgen, warm und angekommen.

Es war lange her, dass ich den Duft von Aella eingeatmet hatte. Zuletzt in Fetzen, die zurückgebliebenen Fragmente vor den Sommerferien.

»Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war, Hayden. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich...«, begann Aella sich bei mir grundlos zu entschuldigen. Ich machte ihre keine Vorwürfe. Ich fiel ihr ins Wort. »Nein, du kannst nichts dafür. Und es ist gut, dass du dich deinen eigenen Problemen gestellt hast. Bereue deine Entscheidungen nicht.«

Ich ließ Aella los, um sie anzuschauen. Sie war verärgert und kaute genervt auf ihre Unterlippe herum, als ob sie sie immer noch über etwas haderte. Na, worüber denkst du nach?

»Ich hätte deiner Mutter noch eine verpassen sollen, Hayden.«

Ah, da ist es ja.

Das sie ausgerechnet das bereute, überraschte mich keinesfalls. Ich musste lächeln und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, bevor sie sich in ihrem Mund verfing und ich meinen Blick nicht mehr von ihren Lippen abwenden konnte.

»Dann habe ich mir das nicht eingebildet«, gluckste ich vor mich hin. Aella starrte mich an, als wüsste sie nicht, woran ich mich alles erinnern konnte, als ich krank war. Ich würde sagen...alles.

»Dann warst du also nicht die ganze Zeit auf dem Hustensaft-Trip. Schade, ich dachte ich probiere es auch mal aus, um den Effekt selbst zu spüren«, witzelte sie und wir mussten nach einer Runde Schweigen plötzlich lachen. Vielleicht wollte sie mir einfach die Scham nehmen, bevor wir tiefer ins Gespräch gingen.

Immerhin hatte ich noch immer nicht den Brief gelesen und es gab noch mehr, das sowohl auf mich als auch auf sie zukam.


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