Das Grab am See

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Wir sollten wieder umkehren, mir gefällt das nicht. Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.

Stell dich nicht an, lachte Jonna unbesorgt. Wir sind bestimmt gleich da!

Doch da war ich mir nicht so sicher. Die anderen im Camp suchen uns sicher schon, versuchte ich es erneut. Doch das brachte meine beste Freundin nicht von ihrem Plan ab. Triumphierend bog sie einen großen Ast beiseite.

Ach was, die sind doch noch nicht einmal aufgestanden. Hier ist der Weg, komm schon, sagte sie und duckte sich unter dem Dickicht hinweg. Von einem Weg konnte hier eigentlich keine Rede sein. Unser steiniger Pfad, der uns vom Camp hierher geführt hatte, verlief sich einige Meter weiter vorne auf der Lichtung. Was Jonna als Weg bezeichnete war nicht viel mehr als ein Trampelpfad auf dem mir das Gras in die Beine piekste.

Ich kann das Wasser schon sehen, wir sind gleich da, verkündete sie nach nur ein paar Metern und ich hoffte inständig, dass sie Recht hatte. Ich hatte für diese Aktion definitiv das falsche Schuhwerk an. Wie aufs Stichwort versank mein Fuß in einem Wasserloch, das auf den ersten Blick wie normales Gras gewirkt hatte. Ich spürte, wie meine Socke sich mit Wasser voll sog.

Mist, murmelte ich und stolperte Jonna weiter hinterher. Mir behagte es ganz und gar nicht, soweit weg alleine unterwegs zu sein. Was taten wir denn, wenn wir einem Elch begegneten? Oder einem Bären? Hier würde uns niemand zur Hilfe kommen können. Doch bevor ich meiner Freundin meine Sorgen mitteilen könnte, jauchzte sie begeistert auf.

Hab ichs doch gesagt. Sieh doch nur, wie schön es hier ist. Ich musste ihr beipflichten. Sie hatte uns an einen kleinen See voller weiß bläulich blühender Seerosen gebracht. Der Nebel zog in Schwaden über die spiegelglatte Wasseroberfläche und es herrschte vollkommene Stille. Meine Freundin setzte sich auf einen mit Moos bewachsenen Felsen direkt am Ufer. Ich schaute mich prüfend um. Kein Bär war in Sicht und trotzdem ließ mich dieses ungute Gefühl nicht los, als sollten wir nicht hier sein. Aber Jonna schien unbekümmert.

Setz dich doch, sie klopfte neben sich auf das Moos. Was für ein magischer Ort. Ich fröstelte und bereute, nicht doch eine Jacke angezogen zu haben.

Hm, stimmte ich ihr zu. Hier herrschte wirklich eine unwirkliche Atmosphäre, sobald man aus dem dichten Wald ans Ufer trat, war man wie in einer anderen Welt. Und trotzdem war etwas nicht richtig. Aber vielleicht hatte ich auch nur zu viele Bücher gelesen.

Lass uns zurückgehen, ich hab langsam Hunger, schlug ich vor.

Damit hatte ich sie. Ist gut, ganz kurz nur noch. Während sie das Gesicht in die Sonne reckte und die Augen schloss, schlang ich meine Arme fester um meinen Körper. Die Sonne ging doch immer weiter auf, warum wurde es dann immer kälter? Etwas links von uns entdeckte ich plötzlich etwas am Ufer. Es sah aus wie eine steinerne Bank, halb von den Wasserpflanzen und dem Schilf überwuchert. Neugierig ging ich darauf zu, Jonna sah mir nach.

Was machst du?, wollte sie wissen.

Ich befreite das, was auf den ersten Blick wie eine Bank ausgesehen hatte, von dem Gestrüpp und stolperte augenblicklich ein paar Schritte zurück. Es war keine Bank, sondern ein Grabstein.

Sie dir das an, flüsterte ich. Ein Schauer lief mir über den Rücken.

Du zitterst ja, bemerkte sie, als sie neben mich trat. Oh mein Gott, entfuhr es ihr, als sie den Grabstein ebenfalls erkannte. Was zum Warum sollte jemand hier ein Grab errichten?

Vielleicht, weil hier jemand gestorben ist, sagte ich und meinte es vollkommen ernst. Sieh mal, da steht ein Name drauf. Ich beugte mich weiter vor, um die verwitterten Buchstaben zu entziffern. Die Wörter waren in alter Schrift geschrieben, doch mit etwas Mühe konnte ich es lesen. Aurelia von Neri, geboren 1314, gestorben 1339, las ich vor.

Sie ist nur fünfundzwanzig geworden, stellte Jonna fest. Aber warum ist ihr Grab hier an diesem See und nicht auf einem Friedhof? Gab es sowas im Mittelalter nicht schon?

Keine Ahnung. Ich blickte mich um, doch der See lag unverändert ruhig da. War es hier vorhin zwischen den Bäumen auch schon so dunkel gewesen? Lass uns einfach zurückgehen.

Doch Jonnas Interesse war nun geweckt. Aurelia von Neri, las sie von ihrem Handydisplay ab, war eine Hexe im Mittelalter, die wegen dem Verrat am schwedischen König im Alter von fünfundzwanzig Jahren ertränkt wurde. Diese ungewöhnliche Art der Hinrichtung sollte- Dann brach sie ab und verzog verärgert das Gesicht. Mist, ich hab keinen Empfang mehr.

Nachdenklich schaute ich aufs Wasser hinaus. Es war am Ufer glasklar, sodass man bis auf den Grund sehen konnte, doch umso tiefer es wurde, desto mehr spiegelte die Oberfläche des Sees und ließ nur vermuten, was sich unterhalb des Wassers befand.

Sie war eine Hexe? Wahrscheinlich wurde sie deshalb nicht auf einem normalen Friedhof sondern hier im Wald beerdigt, sagte ich in die Stille hinein.

Jonna nickte. Die Frage ist, ob sie überhaupt begraben wurde.

Wie meinst du das?, fragte ich und musterte den verwitterten Marmorstein. Erst jetzt fielen mir die vielen wilden Blumen auf, die überall um das Grab herum wuchsen.

Naja, wenn sie doch ertränkt wurde? Meinst du, sie starb in diesem See?, überlegte meine Freundin und sah mich fragend an.

Ich denke mal, warum sollte ihr Grab sonst hier sein? Mir wurde immer kälter, wir sollten nicht hier sein und ich spürte es.

Im selben Moment schüttelte ich den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen. Hexen und Geister waren etwas für kleine Kinder, sie gab es nicht wirklich. Wir standen lediglich an einem wunderschönen friedlichen See, in dem vor vielen hundert Jahren eine junge Frau ihr Leben hatte lassen müssen.

Ich ging einmal um den Stein herum, um zu sehen, ob man dahinter noch weiter am Ufer entlang gehen konnte. Als ich den Grabstein umrundet hatte, erstarrte ich jedoch. Am Fuß auf der Rückseite des Steins lag ein verwelkter Haufen Blumen. Ein Blumenstrauß, der auseinander gefallen zu sein schien.

Ich schluckte schwer, wer brachte hier Blumen her? Mitten in den Wald an das Grab einer Frau, die seit über sechshundert Jahren tot war? Mein Blick wanderte durch die dicht stehenden Bäume. Mein Herz blieb einen Augenblick stehen, als ein schwarzer Schatten an meinem linken Ohr vorbeirauschte. Ein großer Rabe landete krächzend auf Aurelias Grabstein.

Ich traute meinen Augen nicht, denn er hielt eine blaue Rose im Schnabel die verblüffende Ähnlichkeit mit den Rosen auf dem See hatte. Er ließ sich von unserer Anwesenheit nicht im Geringsten stören und öffnete mit einem tiefen Krächzen seinen Schnabel, sodass die Rose langsam zu den toten Blumen hinab segelte und auf dem Strauß liegen blieb.

Ich schnappte nach Luft, unfähig zu sprechen. Die schwarzen Augen des Vogels blickten tief in die meinen. In seinem Blick lag eine unnatürliche Weisheit. Als würde er tausende Geheimnisse kennen. Oder ich wurde langsam verrückt vor Hunger. Dann krächzte er ein weiteres Mal und stieß sich kraftvoll vom Grabstein ab. Ja, das würde es sein, ich brauchte einfach etwas zu essen. Wie ferngesteuert folgte mein Blick ihm, wie er am Himmel immer kleiner wurde. Aber von zu wenig Essen bekam man doch keine solchen Halluzinationen, oder? Man bildete sich keine unheimlichen Raben ein.

Eine junge Frau, sehr lange bereits tot. Begraben an einem See, an einem See, in dem sie ertränkt wurde, weil sie als Hexe den König verraten hatte. Alles schön und gut, vielleicht ein gutes Material für eine Gruselgeschichte für Kinder. Aber ein Rabe, ein leibhaftiger echter Rabe, der ihr Blumen ans Grab brachte? Blaue Rosen? Und das bereits mehrfach? Das konnte ich mir mit meinem Verstand nicht erklären. Ein Schaudern überlief meinen ganzen Körper.

Jonn?, meine Stimme war nicht viel mehr als ein zittriges Piepsen. Hast du Hast du das gerade gesehen?

Hm?, machte meine Freundin und kam zu mir herüber geschlendert.

Den Raben, erklärte ich, Hast du ihn eben gesehen?

Ihr Interesse verwandelte sich in Verwirrung und sie hob eine Augenbraue. Mein Herz sank ein Stück, während ich es immer lauter schlagen hörte.

Ganz schön kalt, was?, sagte sie schließlich und überging den Moment der Stille einfach. Lass uns zurückgehen und endlich was essen. Endlich sah sie es ein, doch meine Erleichterung brachte mich nicht davon ab, mich auf halben Weg durch das dichte Gebüsch noch einmal umzudrehen. Der See ruhte friedlich, doch ein leichter Rückenwind und ein Rabe begleiteten uns den ganzen Weg zurück zum Camp

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