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Vor den Fenstern glitzern die vom Regen benetzten Straßenlaternen, als hätte sie jemand mit Sternenstaub bestreut. Nachfalter schwirren in jedem Lichtkegel, seit die Wolken sich aufgelöst haben. Noch ist die Nacht indigo, bald wird sie violett, dann pupur und schließlich werden sich Sonnenstrahlen golden über den Himmel und Berlins bunte Dächer strecken, wie die ersten Menschen, die nach und nach aufwachen.
Marten tritt mit eiskaltem Bier in den Händen zu mir auf die Dachterasse. "Du denkst schon an morgen, als wolltest du dem Abend entfliehen", stellt er fest und seine dunkle Stimme passt zur bestechenden Finsternis der Nacht. "Wärst du gerade lieber woanders?"
"Ich denke an Aliya, Mar."
"An Aliya? Wieso denkst du an meine Frau?" Er stößt mit den beiden Flaschen an. Es klirrt. Unaufgefordert reicht er mir die eine.
"Weil sie mich nicht leiden kann und mich das stört." Ich trinke einen Schluck, dann reibe ich mir über den rechten Arm und unterdrücke ein Zittern. Wenn sie mich in der transparenten, roten Bluse auf ihrer Terrasse erblicken würde, würde Aliya mir die Hölle heiß machen. Nicht Marten, nur mir ... zurecht ... irgendwie. Fröstelnd bearbeite ich weiter meinen Arm. Ich hätte wirklich was anderes anziehen sollen, bevor ich in die U-Bahn gestiegen bin.
"Aliya kann dich seit fast acht Jahren schon nicht leiden, Carrie, und heute ist der Abend, an dem du dir darüber Gedanken machst?", seufzt Marten ungläubig neben mir.
"Verdreh nicht die Tatsachen, du weißt, dass ich mir ständig Gedanken darüber mache. Es ist mir immer unangenehm, wenn wir beide gleichzeitig irgendwo auftauchen, vor allem, wenn du auch da bist. Hast du dich noch nie gefühlt, als müsstest du dich für uns in zwei Hälften teilen?"
"Mann, Carrie", stöhnt er. "Ihr seid zwei völlig unterschiedliche Menschen. Ich komme mit dir aus und mit ihr, manchmal. Ist doch egal, ob ihr miteinander könnt oder nicht." Seine Finger krampfen sich um die Flasche.
"Was war dieses manchmal gerade?" Misstrauisch gucke ich zu ihm hoch.
"Wir streiten, aber es ist nichts. Kein Grund, dir den Kopf zu zerbrechen", wehrt er ab.
"Worüber?", bohre ich dennoch nach.
"Ist dir kalt?", ignoriert er meine Frage. Marten zieht seine Sweatjacke aus und legt sie mir um die Schultern. "Fick dich, antworte mir", erwidere ich unhöflich. Seine Jacke ziehe ich währenddessen komplett über.
"Sie nervt halt", erwidert er einsilbig.
"Marten", ermahne ich ihn.
"Chiara", schießt er zurück. "Merkst du nicht, dass ich keine Lust habe über Aliya zu reden?"
"Doch, aber genau deswegen solltest du mir sagen, was los ist. Wäre es weniger ernst, würdest du mir sofort sagen, worum's geht."
"Ich werde nicht über sie reden, wieso kannst du das nicht akzeptieren?" Jetzt klingt er verletzt.
"Das ist die Frau, mit der du zwei Kinder gezeugt hast, die Frau, die du geheiratet hast ..." Ich verschränke die Arme vor der Brust. "Ich will nicht, dass du unglücklich bist. Das könnte ich nie akzeptieren."
"Reden über Aliya macht mich unglücklich, können wir das Thema damit abhaken?", trotzt er mir weiter.
"Mar", hauche ich sanfter. 
"Spar's dir, Carrie." Er verschwindet im Inneren ihres Penthouse'. "Fuck", sage ich leise zu den Sternen. Warum ist es für Marten eigentlich total selbstverständlich, dass er mich und Aliya hat, wie kann er damit so entspannt umgehen? Er koordiniert mit minimalem Aufwand, dass er Zeit mit mir und ihr verbringt, nur ist es nicht genug. Er verhält sich unfair uns beiden gegenüber. Sowohl Aliya als auch ich kommen schlecht dabei weg. Das ist wohl unsere einzige Gemeinsamkeit.
"Ich will ihm nur helfen", beginne ich einen Monolog. "Er hat seine beschissenen Eheprobleme immer mit mir geteilt. Seit wann erzählt er mir davon nichts mehr? Er erniedrigt unsere Freundschaft; wir haben einander mal vertraut."
"Führst du Selbstgespräche?"
Ich wirble erschrocken herum. Marten hat sich drinnen einen orangeroten Pullover mit weißem  Schriftzug auf der Brust geholt und eine besorgte Miene aufgesetzt. 
"Nein, ich - Ich bin stabil." Es ist echt ärgerlich, wie der Hoodie seine körperlichen Vorzüge betont.
"Henry tut dir gut, hm?" Er trinkt einen Schluck Bier, nimmt seinen Blick von mir und lässt ihn in die Ferne schweifen.
"Henry hat nichts damit zu tun", gebe ich kleinlaut zu.
"Er weiß aber -"
"Er hat's erlebt", unterbreche ich ihn.
"Tut mir leid für dich, Cara." Ich schmelze dahin, wenn er den Kosenamen meiner brasilianischen Großmutter für mich verwendet.
"Für mich? Wieso magst du ihn nicht?" Die Frage ist mir über die Zunge geglitten, ehe ich mit draufbeißen konnte.
"Es ist ganz einfach, du magst ihn nicht. Nicht auf die Art", zuckt er die Schultern.
"Das stimmt nicht", sage ich mechanisch.
Marten sagt nichts, er mustert mich bloß aus dem Augenwinkel.
"Er tut mir gut", spricht ein lebloser Roboter mit meiner Stimme.
"Eben hast du noch behauptet, dass das Quatsch ist."
"Ja, ich ..." Die menschliche Carrie findet keine Erwiderung darauf.
"Ich würde dir von Aliya und mir erzählen, aber du redest mit mir seit Monaten über richtig dumme, oberflächliche Sachen, egal, was für ein Thema ich anschneide. Deswegen werde ich mich hüten. Du bist zwar überwiegend stabil momentan, trotzdem belastet dich was, das langsam die Kontrolle über dich gewinnt und es scheint was mit mir zu tun zu haben. Mit Benjamin redest du normal, du wühlst wie sonst leidenschaftlich in seiner Tiefgründigkeit rum. Was geht denn bei dir ab, Carrie? Weißt du alles über mich? Bin ich dir zu langweilig geworden? Warum machst du auf einmal zu bei mir? Wir hatten uns geschworen, dass wir versuchen, den anderen zu entlasten und du lässt mich nicht an dich ran. In letzter Zeit, weiß ich nicht mehr, wo du bist, wenn ich morgens aufwache und abends nach Hause komme und das macht mich wahnsinnig. Du baust dauernd Mist mit Typen, das hat bei Bastian angefangen. Du tust mir weh damit, wenn du dir das Hirn wegkokst." Er nimmt die schmale, schwarze Phiole mit weißem Pulver in die Hand, die an meiner Kette baumelt. Sie ist blickdicht, aber er weiß Bescheid, obwohl ich es ihm nie gesagt habe. Er kennt mich. "Ich weiß, du denkst, du wärst verloren, ein schrecklicher Mensch, an den ich kostbare Ressourcen verschwende. Damit liegst du so falsch. Ich würde dir das jeden Tag sagen, hättest du ein offenes Ohr dafür."
Ich atme tief durch. "Du solltest mir das nicht sagen. Sowas kannst du nicht zu mir sagen. Deine Frau hat vielleicht ein Recht darauf, ich nicht."
"Jeder Mensch hat ein Recht darauf, aber Aliya muss ich das nicht erst beibringen."
"Mar, hör mir zu, ich werde das nie begreifen", akzentuiere ich jede einzelne Silbe. "Selbst wenn ich es in diesem Leben noch lernen würde, dann nicht von dir."
"Also bin ich wertlos für dich", schlussfolgert er.
Reflexartig kontere ich: "Nein, das ist nicht wahr."
"Halt bloß die Klappe, gleich widersprichst du dir sowieso wieder." Marten lässt sich frustriert auf die Outdoor-Couch hinter uns fallen.
"Genau, du hast es erfasst, weil ich nämlich nichts auf die Reihe kriege." Ich spüre Tränen in mir aufsteigen.
"Du willst doch gar nichts auf die Reihe kriegen!", regt er sich plötzlich auf. "Du wirst nicht verrückt von der Verantwortung, die auf dich zukommt, wenn du aus deinem Loch rauskriechst, sondern von der Lähmung da drin." Er tippt gegen meine Schläfe.
Taub starre ich in seine blauen Augen. "Wieso schreist du mich an?"
"Entschuldige", murmelt er halbherzig.
Eine Pause entsteht, schleichend zersetzt vom Sturm, der in uns beiden wütet. "Tja", schnaube ich. Ich ziehe seine Jacke ruppig aus, mir ist egal, dass ich mich albern benehme und aus einer Mücke einen Elefanten mache. Am besten werfe ich sie auf den Boden und trample mit meinen Pumps so lange drüber, bis sie Löcher hat.
"Carrie", meint Marten ernst. "Geh nicht, ich laufe dir eh nach, wenn du das versuchst."
"Ich würde dich schon abhängen", höhne ich und tippe auf  sein Daddy-Bäuchlein. Es macht ihn nur kuschliger, allerdings sieht er dort eine Problemzone, wenn er in den Spiegel schaut. Deswegen scheuen sich Menschen davor, intensives Vertrauen zu einer Person aufzubauen: Ist es erst einmal soweit, trifft dich jeder Giftpfeil mitten ins Herz.
Marten presst die Lippen aufeinander. "Du trägst hohe Schuhe, aber bitte, immerhin nimmst du blutige Füße in Kauf, um mich loszuwerden."
"Ich würde auch vor einen Zug springen, um nicht länger mit dir streiten zu müssen." Ich zeige ihm den Mittelfinger.
"Du musst dich beruhigen, vorher lasse ich dich nicht auf die Straße." Bedrohlich baut er sich vor mir auf.
"Du kannst mich hier nicht gegen meinen Willen festhalten!", rufe ich empört.
"Willst du gehen? Dann geh, es ist ein freies Land."
"Ich weiß nicht, was ich will!", brülle ich, bevor ich einfach auf der Terrasse  zusammenbreche. Ich sinke im Schneidersitz in mir zusammen.
Marten hebt mich hoch und trägt mich zum Sofa, doch ich lasse ihn nicht los, als er davorsteht, also setzt er sich nur, während ich mich weiter an ihm festklammere. Er hält mich stumm. Als er mir einen freundschaftlichen Kuss auf den Haaransatz drückt, zucke ich. "Sorry", entschuldigt er sich umgehend. "Ich wollte dich nicht erschrecken."
"Mar", setze ich an etwas zu sagen, aber mich überfällt ein kurzer Schüttelfrost, der in einen Heulkrampf mündet, wenn ich es nicht schaffe, mich zu beherrschen.
"Ich bin bei dir, Cara", flüstert er. 
"Ich denke ständig an dich", bringe ich mühsam raus. 
"Und ich an dich. Wir passen aufeinander auf."
"Du verstehst das nicht, Mar", schniefe ich und wische mir die Wangen trocken. "Aber das ist schon okay."
"Natürlich verstehe ich dich", protestiert er. Ich stütze mich auf ihm ab und lächle melancholisch. Auf ihm zu liegen hat etwas. Ich beneide Aliya darum. 
"Tust du nicht", wiederhole ich.
"Tu ich wohl", bleibt er hartnäckig. "Du weißt nicht, was du willst; ich weiß nicht, was ich will."
"Du wusstest wenigstens mal, was du wolltest. Du wolltest Familie und jetzt hast du eine."
"Willst du Kinder, ist es das?"
Ich verdrehe die Augen. "Du weißt, wie ich darüber denke."
"Es wird leichter, wenn sie auf der Welt sind, Carrie. Du kriegst dich selbst in den Griff, weil du sie in den Griff kriegen musst."
"Sprich von dir, Mar", murre ich. Wir schweigen ein paar Minuten. Ich genieße seine Nähe in absoluter Stille - bis Marten unter mir zu beben beginnt.
"Was kicherst du, Weibstück?", schlage ich einen tiefen Ton an.
"Ich habe mir gerade Aliyas Gesichtsausdruck vorgestellt, wenn sie uns so sehen könnte. Ihr seid schreckliche Dramaqueens", lacht er.
Unwillkürlich grinse ich ein bisschen, dann habe ich einen Geistesblitz "Habt ihr wieder angefangen, wegen mir zu streiten?", frage ich. Als Martens spätere Ehefrau ihn kennenlernte und ich auf den Plan trat, hatten sie haufenweise Auseinandersetzungen. 
"Sie wird nie verkraften, wie hübsch du bist." Er streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn. "Und wie klug, und begabt", fährt er fort. Verunsichert suche ich Abstand, doch Marten folgt mir, als ich von ihm runterrutsche und mich seitlich neben ihm niederlasse. Er lächelt. Er verhält sich unfair Aliya gegenüber. Er sieht auf meine Lippen. Er verhält sich unfair mir gegenüber. Er sieht in meine Augen. Er verhält sich unfair. Ich gebe auf, sehe auf seine Lippen und er verhält sich unfair. "Nein, Marten", will ich sagen, aber es passiert nichts. Mein vorlautes Mundwerk ist beschäftigt. Seine Hand liegt unmittelbar auf meiner Haut auf an der Hüfte. Die Bluse hat sich aus dem Bund meiner Jeans gelöst. Ich hätte wirklich etwas anderes anziehen sollen. Wenigstens schiebt er sie nirgendwohin.
Es kostet uns eine kleine Ewigkeit, bis wir genug voneinander haben. 
Marten blinzelt. "Wieso hast du den Kuss erwidert?"
"Wieso hast du mich geküsst?", meine ich verletzt.
"Das war schön, der Moment hatte ein Upgrade verdient. Es hat zur Stimmung gepasst", rechtfertigt er sich.
"Es passt, wenn ein verheirateter Mann und zweifacher Vater seine beste Freundin küsst? Es passt, wenn Marten Carrie küsst? Willst du mich verarschen?", zische ich. Während ich vergeblich nach Fassung ringe, eise ich mich von ihm los.
"Es tut mir leid, hätte ich gewusst, dass du so allergisch darauf reagieren würdest, hätte ich das gelassen."
"Warum musst du die Dinge immer noch komplizierter machen?", fahre ich mir durch das gewellte, braune Haar.
"Was soll das heißen?" Marten legt die Stirn in Falten. "Das war ein ziemlich einvernehmlicher Kuss."
"Das kannst du ja Aliya erzählen, damit sie mir mit einer Axt den Kopf abschlägt. Verdammt, Marten, du bist sogar nüchtern! Predige mir nie wieder was von Verantwortung. Das ist nicht in Ordnung." Enttäuscht stehe ich auf. "Ich fahre zu Henry und beichte ihm das."
"Das war bloß ein Kuss, Carrie. Den Moment perfektionieren war dein Argument dafür, dass du Vincent geküsst hast, mit Ben rumgeknutscht hast, mit Maurice fing's dadurch an - Du machst das oft." Er legt seine Hand an die gleiche Stelle wie eben.
"Bist du dir sicher, Mar? War das bloß ein Kuss, wie der mit Vincent, Ben oder Maurice? Oder war das vielleicht wieder nur ich, die Scheiße mit Männern baut?"
Ich drücke seine Hand von meiner Hüfte weg und küsse ihn ein zweites Mal. Unfassbar! Selbst darauf geht er noch ein! Selbst darin verliere ich mich ... "Jetzt waren's bloß zwei Küsse", flüstere ich gegen seine Lippen. "Und wenn ich nicht gehe, wird eine Nacht daraus und nach einer Nacht vermutlich ein ganzes Leben."

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