🖤 02

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"Papa!", ertönt ein leises Flüstern. Mit glitzernden Augen und bebender Lippe schaut das Kind zu mir hoch. Auch Inho neben mir ist kurz davor wieder zu weinen.

"Äh? Wie bitte?"

Fest wird mein Bein umklammert. Am Ende des Ganges sehe ich ein noch kleineres Kind, das eilig angewaschelt kommt. Auch dieses ruft laut: "Papaaaa!"

"Da liegt wohl eine Verwechslung vor?"

Inho schluckt und vergräbt das Gesicht in seiner Hand. Mittlerweile kleben beide Kinder an mir und sind nicht mehr wegzukriegen. "Ich mag hoch, Papa!", schluchzt das größere Kind und das kleine Mädchen stimmt mit ein: "Hoch! Hoch!"

"Soll ich jetzt beide auf den Arm nehmen??"

"Kommt her", sagt Inho und streckt die Arme aus. Beide Kinder widersprechen vehement: "Nein, du nicht!"

Inho packt den Jungen an, der wild aufschreit und die Arme nach mir ausstreckt. Er hört auf zu zappeln, als ich ihn Inho abnehme. Dafür empört sich unten die Kleine.

"Das geht schon, ich hab zwei Arme", meine ich und bekomme von Inho das zweite Kind auf die andere Seite. Beide kuscheln sich an mich. Sie sind schwerer als gedacht, aber das geht schon irgendwie. Er nimmt der Kindergärtnerin die bunten Rucksäcke ab und verlässt das Gebäude. Ich eile ihm mit den Kindern hinterher. Die Kleine ist auf meinem Arm eingenickt.

"Was ist mit ihrem Vater?", frage ich in der Bahn leise. Diesmal haben wir Sitzplätze, die ein grimmig guckender Mann mit Hund uns angeboten hat.

"Autounfall", erwidert Inho tonlos und starrt geradeaus.

"Nono hat gesagt, du musst für immer im Himmel bleiben", flüstert der Junge mir feucht ins Ohr und sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ach du Sche¡ße. Mir wird schlecht. Ich habe keine Ahnung, was ich in dieser Situation machen soll und Inho ist offensichtlich ebenso überfordert. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie stumme Tränen über seine Wangen rinnen, und diesmal schert er sich nicht einmal drum, sie wegzuwischen. Er sitzt einfach nur da und starrt vor sich hin, als würde er auch am liebsten sterben wollen.

"Es tut mir so leid", sage ich hilflos. Vielleicht sollte ich das Missverständnis aufklären, aber ich bringe es nicht übers Herz, dem Kleinen, der mich so tieftraurig anschaut, selbiges zu brechen, indem ich ihm sage, dass ich nicht der bin, für den er mich hält. Irgendwann wird er es sicher herausfinden, aber jetzt gerade bin ich nicht stark genug dafür, ihm diese Enttäuschung anzutun.

"Hab dich vermisst", sagt er und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. "Du riechst anders", findet er. "Aber ist nicht schlimm, Papi."

Gott. Ich muss auch gleich heulen. Ich will nicht.

Jetzt kann ich Inho verstehen. Er hasst mich nicht. Und er ist nicht absichtlich so kaltherzig zu mir. Wie schwer muss das jeden Tag für ihn sein, jemanden neben sich sitzen zu haben, der offenbar so aussieht wie ein verstorbener geliebter Mensch? Ich wüsste an seiner Stelle auch nicht, wie ich damit umgehen soll.

Eine kleine Hand tätschelt meine Wange. "Hast du uns auch vermisst? Du musst nicht traurig sein. Jetzt hast du uns doch wieder."

Sche¡ße Sche¡ße Sche¡ße. Herr, vergib mir, dass ich so viel fluche.

Meine Jacke wird nass. Das Mädchen sabbert im Schlaf und ich finde das alles so rührend, dass ich fest die Zähne zusammenbeißen und ganz doll blinzeln muss. Inho weint schon genug für uns alle zusammen, ich muss nicht auch noch anfangen.

Als die nächste Station angesagt wird, steht Inho auf. Er schultert alle Rucksäcke und nimmt mir das schlafende Kind ab. Den Jungen trage ich. Zwischendurch nehme ich ihn auf die andere Hüfte.

"Werd ich zu schwer?", fragt er besorgt.

"Das geht schon."

"Oki. Nono trägt uns fast nie, weil wir zu schwer sind." Kann ich mir vorstellen, zwei Kinder plus drei Rucksäcke sind eben zu viel. "Ich weiß nicht, ob du das schon weißt, aber wir wohnen jetzt woanders. Wir sind gleich da", informiert er mich.

"Gut."

Vollbepackt bleibt Inho vor einem Haus stehen. "Soll ich aufschließen?", biete ich an. Er nickt und fischt die Schlüssel aus seiner Jackentasche, wobei die kleinen bunten Rucksäcke von seiner Schulter rutschen. Das Mädchen brabbelt bei ihrem Nickerchen und sabbert auch seine Jacke voll.

"Fünfter Stock", meint er dann. Es gibt keinen Fahrstuhl. Ächzend schleppe ich das Kind hoch, das mir oben Bescheid sagt, dass ich die linke Wohnung aufschließen muss.

"Ich bring Teddy ins Bett. Momo zeigt dir das Wohnzimmer", sagt Inho hinter mir, kickt seine Schuhe durch den Flur und verschwindet hinter einer Tür. Endlich kann ich seinen Sohn absetzen, der mir eifrig erklärt, wo ich unsere Jacken aufhängen soll und mir dann Hausschuhe bringt.

"Magst du die mit Hasi oder die mit Bärli?", fragt er und hält sie mir gespannt hin.

"Äh. Bärli." Die haben schätzungsweise meine Größe. Er stellt sie mir vor die Füße und räumt die anderen auf. Dann nimmt er mich mit ins Bad.

"Wenn man heimkommt, muss man als erstes Händewaschen!"

"Da hast du recht!"

Freudestrahlend lächelt er mich an, während er seine Hände gründlich einseift und abspült und zeigt mir dann noch stolz sein Handtuch mit Pfirsichmotiven, bevor er mich durchs Wohnzimmer führt. "Nono mag es nicht, wenn es unordentlich ist, deswegen ist dort unsere Spielecke. Vorm Sofa dürfen wir nicht spielen, weil dort gucken wir Fernsehen, und am Esstisch essen wir. Oder malen."

In der Spielecke verläuft ein Regal in Kinderhöhe über die ganze Wand. In fast allen Fächern sind Einschubkisten oder Türen, außer in denen, wo Bücher drinstehen, und jedes Fach hat eine andere Farbe. Auf manchen sind Motive, die wohl das zeigen, was da reingehört, damit die Kinder leichter Ordnung halten. Aus dem roten Fach holt Momo ein Feuerwehrauto. Seine Augen leuchten. "Das hab ich von Tante Maya zum Geburtstag bekommen! Da warst du nicht da! Du hast ganz viel verpasst, aber das ist nicht so schlimm. Du bleibst doch, oder?"

"Ähm." Meine frischgewaschenen Hände werden plötzlich schwitzig. "Ich bin leider nur zu Besuch."

"Oh." Das Lächeln des Jungen friert ein. Dann rutschen die Mundwinkel ganz nach unten. Ein wenig erinnert mich dieser Gesichtsausdruck an Inhos typischen Büroblick. Ich frage mich, welcher der beiden Männer wohl der leibliche Vater der Kinder ist, Inho oder der Verstorbene? Oder vielleicht von jedem eins?

Er hat es sicher nicht einfach im Leben. Ein homosexuelles Paar hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, doch dann noch so ein Schicksalsschlag, wenn man es geschafft hat, eine Familie zu gründen...

Traurig spielt der Junge an den Rädern herum. "Naja", seufzt er resigniert. "Du musst bestimmt zurück zu-" Er beendet den Satz nicht, als Inho zur Tür reinkommt. Sein Magen knurrt.

"Habt ihr Hunger?", fragt er ausdruckslos.

Der Junge schüttelt den Kopf. "Im Kindergarten gab es heut Schnitzel! Und Teddy hat ihre Erbsen aufgegessen!", berichtet er stolz.

Auf Inhos Lippen schleicht sich ein Lächeln. "Wie schön!" Liebevoll streicht er dem Jungen durch die Haare. Dann meldet sich sein Bauch wieder.

"Du musst was essen, sonst verhungerst du noch!" Besorgt tätschelt Momo Inhos Bauch.

"Ich verhungere schon nicht so schnell", erwidert Inho lächelnd. "Kommst du mit in die Küche?", fragt er mich dann.

"Müsst ihr Erwachsenengespräche führen?", erkundigt sich der Kleine.

"Ja."

"Na gut. Da guck ich ein Buch an. Aber ich mag dann noch mit Papa spielen!"

"Ich weiß nicht, ob er so lange Zeit hat", seufzt Inho auf dem Weg zur Küche. Der Kleine zieht einen Flunsch, widmet sich dann aber dem Regal. Ich folge Inho.

In der Küche nebenan lehnt er sich an den Kühlschrank und sieht mich mit schmerzverzogener Miene an.

"Wie lange ist das her?", frage ich leise.

"Etwa ein halbes Jahr", erwidert er tonlos. Er versucht seine übliche undurchdringbare Maske aufzusetzen, hält meinem mitleidigen Blick aber kaum eine Sekunde stand und dreht sich um. Während er im Kühlschrank nach etwas Essbarem sucht, höre ich leises, fast lautloses Schniefen. Wie so oft wischt er sich über die Wangen. "Es ist noch Nudelauflauf von gestern da. Du hattest ja noch keine Mittagspause heute, oder?", bietet er mir an.

"Äh, nein. Ich würd gern einen Happen essen."

Er nickt und macht eine riesige Portion auf einen Teller, den er in die Mikrowelle stellt. Einen zweiten Teller und Besteck stellt er neben der Spüle bereit. Wieder schweigen wir und wieder ist es erdrückend. Ich weiß echt nicht, was ich machen soll oder wie ich mit ihm umgehen soll. Ich würde ihm gern irgendwie helfen, aber ich bin denkbar ungeeignet dafür. Schließlich bin ich nicht sein verstorbener Partner, den er so schmerzlich vermisst.

Als ich hilflos seinen Rücken tätscheln will, weil die blöde Mikrowelle nach einer drückenden Ewigkeit immer noch über eine halbe Minute anzeigt, bittet er: "Hyunuk, bitte... du solltest mir nicht zu nahe kommen."

"Oh, klar, ok." Verlegen knacke ich meine Fingerknöchel, so wie ich das auch des Öfteren im Büro zu tun pflege.

"Wie ich das hasse...", murmelt Inho. "Er hat das auch ständig gemacht." Statt das Essen rauszunehmen, weil die Mikrowelle piept, dreht er sich zu mir und sieht mich an. Ich habe das Gefühl, als wäre das das erste Mal, seit wir uns kennen, dass er mich wirklich direkt ansieht und nicht nur an mir vorbei schaut oder einen kurzen Seitenblick zuwirft. Ich sehe zum ersten Mal den tief sitzenden Schmerz in seinen Augen und es ist schrecklich.

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