16. Grow As We Go

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Keith bog schon in die Seitenstraße der Royal Academy of Dance ein, als er eine Nachricht von Lance erhielt.

"Ich muss die Probe heute leider absagen, obwohl du wahrscheinlich schon auf dem Weg bist. Bin im Krankenhaus", blinkte auf dem Bildschirm seines Handys. Verwirrt zog der Musiker seine dunklen Augenbrauen zusammen und blieb stehen. Im Krankenhaus?

"Was machst du im Krankenhaus?", schrieb er also zurück, in der Hoffnung, dass der Tänzer noch antworten und ihn nicht auf dem Trockenen sitzen lassen würde.

Tatsächlich wurde ihm angezeigt, dass Lance schrieb, jedoch dauerte es fast schon Ewigkeiten, bis eine Nachricht zurückkam, sodass der Musiker schon auf dem Boden an der Hauswand hockte, als sein Bildschirm wieder aufleuchtete.

"Hatte einen Fahrradunfall. Hand etwas lädiert, Kopf auch, hatte aber noch Glück."

Keith unterdrückte ein Fluchen. Gerade jetzt, wo sie mit den Bühnenproben begonnen hatten, musste Lance sich die Hand verletzen? Er würde beim Tanzen sehr eingeschränkt sein, wenn er überhaupt tanzen durfte, und das Üben von Hebefiguren mit den Mädchen würde gar nicht mehr gehen.

"In welchem Krankenhaus bist du?", fragte der Musiker und rappelte sie wieder auf, um gleich losgehen zu können.

"St. Vincent's", kam zurück und er nickte zu sich selber.

"Bin gleich da", tippte er schnell und schob sein Telefon wieder in die Jackentasche zurück, um möglichen Protest ignorieren zu können. Immerhin hatte Lance einen Unfall gehabt.
Er war zwar etwas ... resigniert, doch das minderte nicht seine Besorgnis.

Leider wurde das mit dem Ignorieren von Protest nicht wirklich was, da er sein Handy wieder brauchte, um den Weg zu finden.
Es gab zwei erfreuliche Nachrichten in dem Schlamassel: Lance hatte nicht protestiert und das Krankenhaus war nur sieben Minuten zu Fuß entfernt.

Ein Seufzen ausstoßend, schulterte Keith seinen Rucksack neu, schob sich die schwarze Sonnenbrille auf die Nase und festigte den Griff um seine Geige. Dann begann er seine kleine Wanderung zum Hospital.

---

So gut wie fertig mit dem Anlegen des Verbandes, gab der Arzt Lance gerade noch weitere Anweisungen für die nächste Zeit, als es an der Tür klopfte und Keith den Kopf hereinstreckte.

Der Tänzer war etwas erstaunt aber auch irgendwie erleichtert gewesen, als der Schwarzhaarige sich angekündigt hatte und warf ihm nun ein kleines Lächeln zu, während der Musiker leicht schüchtern eintrat.

"Freunde?", fragte der Arzt und sah von einem zum anderen. Wahrscheinlich wollte er mit der Frage sichergehen, dass Keiths Anwesenheit im Behandlungszimmer von Lance' Seite in Ordnung war.

"Äh- ja", antwortete dieser, schnell, um nicht irgendwie versuchen zu müssen, ihre, aus seiner Sicht, komplizierte Beziehung zueinander zu erklären, und der Mann nickte.

Keith indessen hatte sich einen der Plastikstühle herangezogen und sich darauf niedergelassen, den Geigenkoffer zwischen seine Knie geklemmt und ließ die Fingerspitzen auf eine leicht nervöse Art und Weise aneinander tippen.

"Was zur Hölle hast du gemacht?", fragte er mit einer Mischung aus Besorgnis, Unglauben und Resignation.

Lance lachte leicht verlegen auf und rieb sich mit der linken Hand über den Nacken, da die rechte immer noch vom behandelnden Arzt beansprucht wurde, den Blick des Musikers meidend.

"Ich habe beim Fahrradfahren etwas geträumt", gab er zu, "und dabei eventuell einen Laternenpfahl übersehen."

Ein kleiner Seitenblick auf den Dunkelhaarigen zeigte, dass dieser ihn fassungslos ansah.

"Und was ist dann passiert?"

"Naja", meinte Lance, "ich bin dagegen gestoßen, mit dem Lenker, glaube ich. Bin vom Fahrrad geflogen."

"Das Handgelenk ist verstaucht, aber zum Glück nur leicht", klinkte der Arzt sich ein, "Er wird vom Sturz wahrscheinlich auch leichte Blutergüsse an manchen Stellen bekommen und es könnte etwas Schwindel auftreten, schließlich hat er sich auch den Kopf gestoßen. Da die Untersuchungen aber gezeigt haben, dass es nichts Ernstes ist, wenn überhaupt eine ganz leichte Gehirnerschütterung, muss er aber nicht über die Nacht hierbleiben."

"Okay", sagte Keith und Lance hörte den Musiker tief durchatmen, "Glück im Unglück gehabt würde ich sagen."

"In der Tat", nickte der Arzt darauf. Er öffnete einen kleinen Kühlschrank, der an der Wand stand und gab Lance ein neues Kühlpad. "Sie sind Tänzer haben Sie gesagt?", wandte er sich dann an den Braunhaarigen, der mit aufeinandergepressten Lippen nickte.
Der Mann seufzte. "Naja, dann muss ich Sie enttäuschen. Die nächste Woche werden Sie bitte nicht tanzen. Der Verband kommt in circa zwei Wochen ab, in der zweiten Hälfte dieser Zeit dürfen Sie zwar alles was Beinarbeit anbelangt tun, aber Bewegungen, die ihr Handgelenk beanspruchen werden unterlassen."

Lance schluckte.

"Das Ziel ist es jetzt, ihr Gelenk zu schonen, zu kühlen und hochzulegen. Selbst wenn der Verband weg ist, werden Sie niemanden hochheben und auch keinen Handstand und dergleichen machen, damit warten Sie bitte auch nochmal etwa eineinhalb Wochen.
Umso mehr Sie sich ausruhen, desto besser. Und danach ist ausgiebiges und langsames Aufwärmen extrem wichtig, vor allem, was das Gelenk anbelangt.
Werden Sie darauf aufpassen, dass er sich nicht überanstrengt?", wandte er sich anschließend an Keith, der sich etwas in seinem Stuhl aufrichtete.

"Natürlich", konnte Lance ihn antworten hören, "Ich pass auf."

"Gut", nickte der Arzt, "Dann schauen Sie bitte auch, dass er nun nach Hause geht und sich hinlegt. Ich hoffe, dass ihm nicht zu schwindlig wird, Übelkeit sollte nicht auftreten, Kopfschmerzen sind aber möglich.
Am besten lesen Sie heute aber nicht mehr, auch keine digitalen Geräte für die nächsten paar Stunden bitte, das könnte Ihre jetzt noch leichten Beschwerden schlimmer machen", ermahnte er Lance, der nickte.

"In Ordnung", seufzte der Doktor und stand auf, sich die Hose glattstreichend, "Eine Kollegin kommt gleich noch mit ein paar Papieren, dann dürfen Sie auch schon gehen. Sie wird Ihnen auch ihren nächsten Termin geben.
Haben Sie noch Fragen?"

Langsam sah der Tänzer auf und schwieg kurz, ehe er fragte:

"Werde ich nach der Heilung eingeschränkter sein, was Hebungen beispielsweise angeht?"

"Nicht wirklich", antwortete der Arzt, "Es ist noch nicht einmal eine wirklich schlimme Verstauchung. Laut Ihrer Aussage hatten Sie auch noch keine an diesem Handgelenk, also sollte keine Gefahr bestehen. Erst, wenn sie öfters Verstauchungen und Verletzungen generell hatten, können die Stellen schneller ausleiern und anfälliger sein. Also passen Sie auf sich auf."

Erleichterung schwappte durch den Braunhaarigen und er brachte ein kleines Lächeln zustande.

"Mach ich", versprach er und stand ebenfalls auf, um dem Arzt die Hand zu schütteln, der nickte, Keith ebenfalls noch die Hand reichte und dann aus dem Zimmer trat, die Tür leise hinter sich schließend.

Stille erfüllte den Raum.

Sie wurde erst unterbrochen, als eine junge Frau mit Pferdeschwanz hereinkam und sie mit einem Lächeln begrüßte.

Lance musste ein paar Blätter, die sie ihm gab, ausfüllen und sie unterhielten sich über den nächsten Kontrolltermin.

"Keine Sorge", versicherte sie ihm mit einem warmen Lächeln, "Das heilt schnell. Und ein paar Tage Pause sind auch immer gut."

"Das ist beruhigend zu wissen", erwiderte Lance und Keith konnte nicht umhin, eine Augenbraue hochzuziehen, bei dem charmanten Lächeln, das die Lippen des Tänzers zierte. Sowieso sahen die beiden sich etwas zu lange in die Augen, dafür, dass Lance nur einen Termin brauchte.

Sie gab ihm noch ein paar Tipps und erste Hilfe Methoden, falls die Schmerzen schlimmer werden sollten und Lance nickte aufmerksam, während der Schwarzhaarige die Augen verdrehte. Das hatte der Arzt vorher bestimmt auch schon gesagt.

Um zu zeigen, dass er nicht Ewigkeiten auf diesem Plastikstuhl sitzen würde, stand er auf, schulterte seinen Rucksack wieder und nahm die Geige in die Hand.

"Ich habe gehört, Sie sind Tänzer", anscheinend war das Gespräch von Terminen abgekommen, "Hoffentlich behindert die Verletzung Sie jetzt nicht in den Proben."

"Etwas wahrscheinlich schon", musste Lance zugeben und Keith konnte sich nur schwer ein entnervtes Zungenschnalzen und Augenverdrehen verkneifen.

Er hatte sich vorstellen können, dass Lance ein Frauenmagnet war, doch hatte er ihn noch nie flirten gesehen. Und das machte die Situation unangenehm.
Andererseits konnte er auch nicht den Blick vom Tänzer wenden.

Lance saß zwar so gut wie immer gerade, als Tänzer hatte er eine sehr gute Haltung, aber das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, war fesselnd. Auch, wenn er als Patient nach einem Fahrradunfall im Behandlungsraum saß, wirkte es, als wäre er absichtlich hergekommen, alleine, um mit der jungen Arzthelferin zu sprechen.

Als sie begannen, sich über das Projekt zu unterhalten, reichte es Keith jedoch.

"Ich warte draußen auf dich", ließ er den Braunhaarigen knapp wissen und verließ beinahe fluchtartig den Raum. Bloß weg aus der Lance-Fessel-Flirt-Zone.

Die beiden hatten sich noch nicht einmal Komplimente gemacht und dennoch hatte alleine der Augenkontakt gereicht, um den Violinisten wahnsinnig zu machen.

Vor dem Haupteingang des Krankenhauses ließ er sich auf dem Steinrand nieder, grüne Wiese hinter sich, und setzte die Sonnenbrille auf. Ein paar Leute liefen in das Gebäude hinein und kamen wieder heraus, ab und zu kam ein Auto vorbei.

Wieso wartete er überhaupt auf Lance?

So wie es aussah, würde sein Gespräch mit der Zopfträgerin noch eine Weile dauern, weshalb verschwendete er dann noch weitere Zeit seines späten Nachmittags?

Keith seufzte leise und sah erstaunt auf, als die Türen aufgingen und nicht irgendeine besorgte Mutter mit ihrem Kind, sondern Lance heraustrat, das Gesicht bei der Außenhitze leicht verziehend.

"Warum bist du denn so plötzlich abgehauen?", fragte der Tänzer, als er bei Keiths Sitzplatz ankam, "Ich war fast fertig, wir hätten zusammen gehen können."

Der Musiker hob eine Augenbraue.

"Fertig? Es sah aus, als hättest du vorgehabt, dort dein neues Wohnzimmer einzurichten", murrte er, bevor er sich irgendwie zurückhalten konnte, und stand abrupt auf, um sich endlich auf den Weg nach Hause zu machen.

"Bitte was?", lachte Lance leicht auf und folgte ihm hastig die Treppen hoch zur Straße zurück.

"Egal", meinte Keith, der keine Lust auf eine Diskussion hatte, vor allem, wenn Lance von seiner Reaktion amüsiert zu sein schien, "Hast du Schmerzen?"

Der Tänzer blieb stehen.

"Du klingst nicht wirklich, als würde dich das gerade interessieren", meinte er und Keith drehte sich entnervt um.

"Entschuldige, aber ich hatte nicht vorgehabt, mir eine Folge "Loverboy Lance" reinzuziehen", antwortete er und wandte sich wieder um, um die zweiten paar Treppen zu nehmen.

Diesmal folgte Lance ihm, die Sporttasche über seiner Schulter richtend. Mit ein paar schnellen Schritten hatte er den Musiker eingeholt und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Keith wollte sie schon genervt wegschieben, als er bemerkte, dass es die verletzte war, und innehielt.

Er seufzte leise, in der Hoffnung, sich etwas entspannen zu können.

"Wie geht's dir?", fragte er erneut, als sie sich auf dem Gehweg nach rechts wandten.

"Den Umständen entsprechend", wich der Größere aus, "Und das war keine Folge "Loverboy Lance"."

Der Violinist schnaubte und blieb stehen.

"Heißt, du kannst noch schlimmer sein?"

Erstaunt öffnete Lance den Mund, schloss ihn dann jedoch wieder.

"Ich bin nicht schlimm!", verteidigte er sich entrüstet, "Ich bin sogar sehr gut!"

Eine gehobene Augenbraue war alles, was Keith als Antwort gab.

Wie als würde er nach Worten suchen, sog der Tänzer Luft ein, verlagerte etwas sein Gewicht und ließ den Blick schweifen.

"Schau mal, es kann sein, dass ich eigentlich auch schnell nach Hause wollte, aber-"

"Aber diese Frau zu gutaussehend war", unterbrach Keith ihn, "Natürlich. Ich versteh schon. Da will man selbstverständlich ein Schwätzchen halten."

"Hör mir doch einfach zu!", stöhnte Lance, "Wenn du dich schon wie eine eifersüchtige Ehefrau benehmen musst, dann hör mir doch wenigstens zu!"

"Ich bin nicht eifersüchtig!", entgegnete Keith, schnell seine Lautstärke runterschraubend, da sie mitten auf dem Gehweg standen und manche Passanten schon angefangen hatten, ihnen merkwürdige Blicke zuzuwerfen. "Ich bin einfach nur genervt!"

Der andere schien nun langsam mindestens genauso genervt wie Keith zu sein, der angespannte Zug um seinen Mund sagte genug.

"Was ich sagen will", begann er erneut, gab dann jedoch einen leicht ungeduldigen Laut von sich und nahm dem Musiker die Brille von der Nase. Keith sah ihn verwirrt an, doch Lance fuhr fort, anscheinend zufrieden, dass er jetzt die Augen des anderen sehen konnte. "Was ich sagen will, ist, dass ich nicht vorhatte, mich länger mit ihr zu unterhalten."

"Du meinst flirten", fiel der Violinist ihm ins Wort und Lance verdrehte die Augen.

"Wenn du's so nennen willst", meinte er. "Ich wollte da einfach nur schnell raus. Aber, weißt du, ich bin es eigentlich gewohnt, direkt auf andere einzugehen."

"Du meinst, du bist es gewohnt, zu flirten, wohin du auch gehst?"

"Jetzt übertreib mal nicht! Ich kann wenigstens flirten, also solltest du eigentlich gar nichts sagen!", motzte Lance, der Geduldsfaden schien bei ihm gerissen zu sein.

"Woher willst du das denn wissen?" Keith wusste, dass er eigentlich aufhören sollte, da er wieder begann, sich in ungünstige Situationen zu begeben, aber Lance schaffte es immer, ihn so zu provozieren, dass er nicht einfach weggehen wollte.

"Du schaffst es doch noch nicht einmal, jemandem für längere Zeit fest in die Augen zu sehen!"

"Natürlich schaffe ich das, willst du's ausprobieren?!", forderte der Dunkelhaarige, auch wenn alles in ihm schrie, dass das eine schlechte Idee war.

"Dafür bin ich doch nicht hergekommen!", rief Lance und warf die Hände in die Luft, frustriert mit der Gesamtsituation, ehe er kurz das Gesicht verzog, als sein Gelenk protestierte.

"Wow, stell dir mal vor, dass ich auch nicht hergekommen bin, um dir nach deinem dämlichen Unfall zu helfen - Der übrigens unglaublich gebraucht wurde in unserer jetzigen Lage, vielen Dank auch! - bloß um zu sehen, dass du schon in den allerbesten Händen bist!", fauchte Keith verächtlich.

Lance Gesichtszüge fielen.

Er trug nun einen Ausdruck, den Keith zuvor noch nie an ihm gesehen hatte - denn es war keiner.
Kaum, dass ihm die Gesichtszüge entgleist waren, hatte er es geschafft, jede Regung aus seinem Antlitz zu nehmen. Und bei Lance, dem man jede Verstimmung von der Nase ablesen konnte, war die Mauer, die nun zwischen ihnen zu stehen schien, gruselig.

"Eines solltest du über mich wissen", sagte er mit fast schon hohler Stimme, "Ich bin nicht dumm. Dass dieser Unfall nur negative Seiten hat, ist mir auch bewusst."

Mit den Worten drehte er sich um und lief weg, den Weg in die andere Richtung entlang, Keith fassungslos vor dem Hospital stehen lassend.

Der Musiker sah ihm entsetzt nach. Sein Herz, das ihm zuvor fast bis in den Hals hochgeschlagen hatte, war ihm in die Hose gerutscht.

Was hatte er getan?

Warum hatte er das gesagt, er hätte doch wissen müssen, dass Lance sich selber schon genügend Vorwürfe machen würde. Er war schließlich nicht dämlich!

Wie festgefroren beobachtete er, wie der Tänzer um die Ecke bog, und in ihm schien alles kalt zu werden.

Er musste etwas unternehmen, das konnte er nicht so stehen lassen, Lance würde ihm für Ewigkeiten böse sein und denken, dass er ein unsensibler Idiot war und das war er doch nicht!

Fluchend ließ er seinen Rucksack zu Boden sinken, schob ihn an den Rand des Bürgersteiges und legte seine Geige daneben, ehe er einer älteren Dame, die näher geschlendert war, zurief, dass sie bitte darauf aufpassen sollte und er gleich zurück sein würde. Dann hastete er los, in der Hoffnung, Lance würde nicht schon in einem Bus oder dergleichen sitzen und davonfahren.

So schnell wie er konnte, hetzte er um die Ecke, fast den Kinderwagen eines Vaters umrennend, und stolperte den Gehweg entlang, Erleichterung ihn durchflutend, als er Lance' Rücken einige Meter weiter erkannte.

Er legte nochmal an Geschwindigkeit zu und rannte den Tänzer fast schon um, als er vor ihm schlitternd Halt machte und ihn an den Schultern packte, sodass dieser abrupt halt machen musste.

Lance trug seine Sonnenbrille.

Auch, wenn er unglaublich gut mit dem schwarzen Accessoire aussah, schob Keith sie ihm ungeduldig in die Haare, um ihm dann fest in die Augen zu sehen, die ihm immer noch entgegensahen, als wäre eine Tür zugefallen.

"Es tut mir leid, ich weiß, dass du nicht dumm bist und, dass du dir Vorwürfe machst! Mein Kommentar war idiotisch, ich hätte das nicht sagen sollen. Ich- ich war einfach sauer und ich weiß, dass das keine Entschuldigung für mein Verhalten ist, ich hätte darüber nachdenken sollen, was ich sage. Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen, ich will dich doch eigentlich unterstützen und ich- Es- es ist egal, wenn es dir besser dadurch geht, dann flirte doch mit der ganzen Welt, mir soll es egal sein, Hauptsache, du fühlst dich wohl. Es tut mir leid, dass ich wie ein beleidigtes Kind abgezogen bin und dich dann so angezickt habe, ich bin in keiner Weise in der Position, das zu tun und es war idiotisch von mir. Es tut mir leid, ich wollte das alles nicht, es ist einfach über mich gekommen und dann war alles so schnell und- es tut mir leid, ja?"

Beinahe flehentlich suchte er verzweifelt in Lance' Augen nach Vergebung, in diesen Augen, die ihm wie die See bei Sonnenschein entgegenblickten.

"Wo ist dein Rucksack? Und deine Geige?", fragte der Tänzer, immer noch leicht distanziert.

"Das ist egal, ich hab sie vor dem Krankenhaus gelassen", wischte Keith die Frage zu Seite und schüttelte den Kopf leicht.

"Du hast deine Geige vor dem Hospital gelassen?"

"Ja", erwiderte Keith, etwas verwundert, dass das den anderen so interessierte.

Ein leiser Laut entkam Lance, es war etwas wie ein kurzes, ungläubiges Ausatmen, beinahe tonlos, und für den Bruchteil einer Sekunde schoss der abwegige Gedanke, dass Lance ihn küssen würde, durch Keiths Kopf, als der Tänzer schon die Arme um ihn geschlungen hatte und den Musiker fest umarmte.

"Du bist so ein Idiot", murmelte er fassungslos, während Keith erleichtert die Umarmung so fest er konnte erwiderte, "Lässt deine Geige einfach stehen - weißt du eigentlich wie teuer so ein Instrument ist? Und dann rennst du mir nach und baust wahrscheinlich nebenbei noch drei weitere Unfälle - schaust du überhaupt, wohin du läufst? Oh Gott, du bist so ein Idiot."

Doch Keith konnte nur erleichtert grinsen und bei weitem befreiter ein leises Auflachen ausstoßen, während Lance immer noch baff Worte murmelte und ab und zu leise etwas ungläubig lachte, als könnte er Keiths Taten immer noch nicht wahrhaben.

Keinen von beiden kümmerten die anderen Passanten, die ihnen manchmal amüsierte, manchmal genervte Blicke zuwarfen, sie standen einfach weiterhin mitten im Weg und hielten sich in den Armen.
Als Lance seine Hand nach oben rutschen ließ, sodass seine Finger nun in Keiths Haaren vergraben waren und er den Musiker noch ein wenig mehr an sich drücken konnte, schloss dieser die Augen und atmete tief Lance' Geruch nach Sonnencreme und Wärme ein, die Finger sich fest um den Stoff von dessen Oberteil schließend.

"Vielleicht sollten wir nach deiner Geige schauen gehen", murmelte der Tänzer nach einer Weile, doch Keith brummte nur.

"Ich hab einer älteren Dame gesagt, dass sie darauf aufpassen soll", meinte er gedämpft und konnte spüren, wie ein stilles Lachen durch den Körper des anderen lief.

"Was ist, wenn sie einen dringenden Termin im Krankenhaus hat?", fragte er mit leisem Amüsement im Unterton und musste nun hörbar lachen, als Keith mit den Schultern zuckte.

Auch, wenn der Violinist alles dafür getan hätte, die Umarmung nicht zu unterbrechen, drückte Lance ihn nochmal an sich, ehe er sich von ihm löste und ihm mit einem leicht verschmitzten Lächeln in die Augen sah.

"Komm, wir müssen dein Instrument einsammeln gehen", meinte er und griff nach Keiths Hand um ihn wieder die Straße entlang zurück zu ziehen, "Was hattest du im Rucksack?"

"Meine Noten", meinte der Dunkelhaarige und folgte Lance, leicht benebelt von dem vielen Körperkontakt, "Mein Geldbeutel. Hausschlüssel. Flasche Wasser."

"Oh Gott", stöhnte der Tänzer und warf Keith einen Blick zu, als würde er seine geistige Gesundheit in Frage stellen, auch wenn immer noch etwas Warmes, fast schon Erfreut-Ungläubiges in seinen Augen lag.

Er beschleunigte seine Schritte und Keith, der einfach nicht glauben konnte, dass Lance seine Hand hielt, als wäre es keine große Sache, stolperte ihm nach.

Als sie um die Ecke bogen, sahen sie tatsächlich die ältere Dame, der Keith zugerufen hatte, die wie eine Wachfrau neben seinen Sachen stand und ihnen entgegensah, ihr Blick auf die Entfernung nicht ganz lesbar.

Sofort ließ Lance Keiths Hand los und eilte ihr entgegen, erleichtert leise dessen Verhalten verfluchend, während der Musiker ihm langsam hinterherlief.

Als er ebenfalls bei der Dame ankam, mit der Lance sich in seiner Lance-typischen Weise höflich und charmant unterhalten hatte, sah sie ihm mit einem nachsichtigen Lächeln und einem Kopfschütteln entgegen.

"Es ist Ihren Sachen nichts passiert", ließ sie ihn wissen, als er kurz den Koffer öffnete und in seinen Rucksack hineinsah, "aber Sie können froh sein, junger Mann, dass meine Freundinnen es verstehen, wenn ich zu spät zum Kartenspielen komme."

"Das bin ich, vielen Dank", bedankte Keith sich und die Gewohnheit schlug bei ihm wieder durch, als er plötzlich bemerkte, dass er sich verbeugte, "Es tut mir leid, Sie plötzlich da hineingezogen zu haben, vielen Dank für Ihr Verständnis."

Die Dame lachte und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.

"Alles in Ordnung", wiegelte sie ab, und viele kleine Fältchen bildeten sich in ihrem Gesicht, als sie ihm entgegenlächelte, "Ich weiß, dass das Leben manchmal solche Maßnahmen erfordert."

Zu Keiths Erstaunen bedeutete sie dann Lance, sich zu ihr hinunter zu beugen und flüsterte dem Tänzer dann etwas ins Ohr, woraufhin dieser nickte.

"Werde ich", versprach er nachdrücklich und sie tätschelte seine Schulter, ehe sie den zweien zunickte und mit den Worten "Viel Erfolg Ihnen beiden noch" und einem Zwinkern an ihnen vorbei und in ihre Richtung weiterlief, als wäre sie nie von Keith aufgehalten worden.

"Was hat sie dir da zugeflüstert?", konnte der Schwarzhaarige sich nicht verkneifen, zu fragen, bekam aber nur ein allwissendes Grinsen zurück.

Doch bei seinem unnachgiebigen Gesichtsausdruck, lachte Lance auf und meinte:

"Lebensweisheiten einer alten Dame."

Keith schnaubte und schulterte seinen Rucksack. Um ehrlich zu sein, war er unglaublich erleichtert, dass es seinen Sachen gut ging und er das Glück gehabt hatte, dass gerade als er es gebraucht hatte, eine freundliche Person vorbeigekommen war.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück, ohne, dass Keith überhaupt so richtig wusste, wo es hin ging.

"Wo ist eigentlich dein Fahrrad?", fiel ihm da ein und er sah Lance neugierig von der Seite an.

"Ach das", meinte dieser, "Das hab ich vor der Academy gelassen, die war nah genug und ich konnte den Rest herlaufen."

"Du bist gelaufen?"

"Ja, natürlich. Glaubst du etwa, bloß wegen einer kleinen Verstauchung wird man mit dem Krankenwagen gefahren?", erwiderte Lance mit einem Lachen, als wäre es das natürlichste der Welt.

"Aber- was ist eigentlich genau passiert?", hakte Keith nach, dem jetzt erst auffiel, dass er gar nicht genau wusste, was genau geschehen war.

"Wie gesagt", meinte Lance also, "Ich bin mit dem Fahrrad gefahren. Ich habe geträumt und nicht aufmerksam nach vorne geschaut. Ich bin mit dem Lenker, soweit ich weiß, an einem Laternenpfahl oder so hängen geblieben und wurde ein wenig vom Fahrrad geschleudert. Da ich, Vorbildperson, die ich bin, keinen Helm getragen habe, hab ich mir den Kopf gestoßen und bin blöd mit der Hand aufgekommen, weshalb ich jetzt ein verstauchtes Handgelenk habe.
So ein Mann hat mir aufgeholfen und auch gefragt, ob ich einen Krankenwagen brauche, aber ich hab abgelehnt. Das Adrenalin hat mich nicht wirklich was spüren lassen. Also", schloss er, "habe ich mich aufgerappelt und bin möglichst schnell von dem Ort verschwunden, da das ganze natürlich peinlich war. Wegen ein bisschen Schwindel bin ich nicht nochmal gefahren, ich hab stattdessen das Rad bei der Academy stehen lassen und überlegt was ich tun soll."

Er unterbrach sich plötzlich und blieb abrupt stehen. Mit einem leichten Schreck bemerkte Keith, dass er etwas schwankte, als Lance auch schon nach seiner Schulter griff und sich an ihm festhielt, die Augen geschlossen. Bestimmt hatte das zügige Laufen, als er weggegangen und der Dame entgegengekommen war, ihm nicht gut getan.

In der Hoffnung, dass der Arzt recht behielt und die Erschütterung in Lance' Kopf nicht so schlimm war, wie sie hätte sein können, legte Keith seine Hand auf den Rücken des Tänzers, zwischen seine Schulterblätter, wie, um ihm von hinten eine Orientierung zu geben, und musste sogar ein wenig gegen das Gewicht des anderen drücken, dessen Schwindelattacke anscheinend noch nicht vorüber war.

Doch seine Hand schien zu helfen, Lance entspannte sich irgendwann etwas, bis er regungslos wieder fest auf beiden Beinen stand und vorsichtig die Augen öffnete, ehe er Keith auch wieder losließ.

Ein fast schon schüchternes Lächeln breitete sich vorsichtig auf seinen Lippen aus, als er leise meinte:

"Danke. Es wurde kurz etwas ... kreiselig um mich."

Keith nickte nur. Wahrscheinlich war es Lance unangenehm, dass er die Hilfe von jemand anderem brauchte und sich zeitweise nicht auf seinen Gleichgewichtssinn verlassen konnte, wie jeder andere Mensch. Vor allem als Tänzer musste das peinlich sein.

Sie gingen weiter und der Braunhaarige führte seine Erzählung noch zu Ende:

"Mein Handgelenk hatte angefangen weh zu tun, genauso wie mein Kopf und vor allem der Schwindel, der mal kam, mal ging, machte mir zu schaffen. Also bin ich zum Krankenhaus, da meine Mutter mich sowieso hingeschleppt hätte, wenn ich so nach Hause gekommen wäre."

"Weiß sie, was passiert ist?", fragte Keith und der Tänzer schüttelte den Kopf.

"Das wird eine schöne Überraschung, wenn ich nach Hause komme", meinte er mit einem gequälten Lächeln und Keith lachte leise.

"Tja, wenn du auch nicht nach vorne schaust, wie man es dir von klein auf beigebracht hat", er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen und Lance schnaubte.

"Ich hab nach vorne geschaut!"

"Wie konntest du dann den Pfahl übersehen?"

"Ich habe nachgedacht und halt alles andere ausgeblendet", murrte der Tänzer.

"Und was war so wichtig, dass du nicht wann anders darüber nachdenken konntest?", bohrte Keith weiter, neugierig, was Lance so intensiv beschäftigte.

Dieser gab nur leises grummeln von sich.

"Eigentlich ist das alles deine Schuld", meinte er dann beleidigt, "Wenn du nicht diese merkwürdige Frisur hättest-"

"Du hast über meine Haare nachgedacht?", unterbrach Keith ihn ungläubig und verkniff sich ein Lachen, "Was zur Hölle? Warum?"

"Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie du mit kurzen Haaren aussiehst!", verteidigte Lance sich und Keith beobachtete ungläubig, wie sich eine leichte Röte auf seine Wangenknochen legte. "Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Und dann kam einfach dieser Laternenpfosten..."

Bei der Art, wie der Braunhaarige seinen Kopf leicht nach unten neigte und fast schon verschämt zur Seite, weg von Keith, blickte, konnte der Musiker sich sein Lachen nicht mehr verkneifen.

"Du bist süß", rutschte ihm mit einem Grinsen heraus und er wurde selber etwas rot, ehe er sich kurz räusperte und meinte:
"Wenn du willst, kann ich dir mal Bilder aus meiner Schulzeit zeigen. In Japan musste man bei meiner Schule einen einheitlichen Haarschnitt tragen und früher, als meine Mutter noch das Sagen über meine Frisur hatte, trug ich sie auch noch kurz. Meine Großeltern sollten Fotoalben oder sowas haben, schließlich schick mein Vater ihnen am Ende des Jahres immer alle Fotos, die er geschossen oder irgendwie sonst in die Finger bekommen hat. Es sollte sich also was finden lassen."

"Gerne", ging Lance auf das Angebot ein. "Findet deine Mutter deine jetzige Frisur nicht gut?", fragte er dann vorsichtig und bekam ein leises Schnauben als Antwort, ehe Keith meinte:

"Ich würde sagen, dass sie sie okay findet, aber sie redet immer davon, mir die Haare einmal wieder richtig zu schneiden- Ich hab sie mir halt einfach länger wachsen lassen und wenn dann einmal den Pony gekürzt oder so." Er zuckte mit den Schultern.

"Heißt, ich würde dich nicht dazu bekommen, dir spontan die Haare schneiden zu lassen?", wollte Lance wissen und der Violinist schüttelte den Kopf.

"Ich trage sie nun schon seit fast vier Jahren so, ohne die Länge würde ich mich wahrscheinlich nackt fühlen", meinte er mit einem verschmitzten Lächeln, "Das ist das Gleiche wie mit meinen Handschuhen. Ohne sie fühle ich mich nicht so ganz wohl."

Der Tänzer nickte verstehend und sie schwiegen den Rest der Strecke, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.

Als sie um die Ecke zum Eingang der Royal Academy of Dance bogen, beschlich Lance ein unruhiges Gefühl.

Ein paar Schritte weiter und seine dunkle Vorahnung bestätigte sich.

Sein Fahrrad war weg.

---

"Was?!"

Keith zuckte leicht zusammen, als von unten die erhobene Stimme von Lance' Mutter heraufklang, gefolgt von einem Schwall wütendem Spanisch.

Keith hatte Lance davon überzeugt, ihn noch nach Hause zu bringen und sicher zu gehen, dass der Tänzer sich auch, wie vom Arzt angeordnet, ausruhte und nicht begann, irgendwelche Dehnübungen zu machen.

Als Rosa die Tür geöffnet hatte, hatten sofort die Fragen begonnen zu hageln, sobald sie Lance' Hand gesehen hatte. Der Tänzer hatte es geschafft, sie abzuwimmeln, genauso wie Rachel, die neugierig herbeigehoppelt war, und hatte Keith die Treppe hoch und in sein Zimmer bugsiert, wo ihm erneut schwindelig geworden war.

Sobald die erneute Attacke überwunden war, hatte er Keith gebeten, oben zu warten, da die Nachrichten von seiner Mutter wahrscheinlich nicht gut aufgenommen werden würden.

Also wartete Keith und hoffte einfach, dass Rosa den Kopf ihres Sohnes dran ließ.

Und tatsächlich, es dauerte nicht so lange, wie er gedacht hatte, die Stimmen unten im Wohnzimmer beruhigten sich und kurz darauf konnte man Lance' Schritte wieder auf der Treppe hören.

Die Tür des Nebenzimmers ging auf und Veronicas Stimme ertönte, gefolgt von der des Tänzers, doch das Gespräch der beiden dauerte nicht lange und wenige Augenblicke später ging die Tür wieder auf und Lance kam herein.
Als er Keith, der ihm entgegenblickte, auf dem Bett sitzen sah, blieb er stehen, blinzelte kurz mehrere Male hintereinander, schüttelte leicht den Kopf, als würde er Gedanken wegwischen wollen und schloss denn die Tür hinter sich.

"Und, schon die Leiche unterm Bett gefunden?", fragte er und Keith schmunzelte.

"Natürlich", antwortete er, "Das erste, was ich tue, wenn ich in fremden Zimmern bin, ist, mich auf dem Boden auf den Bauch zu legen und unter alle Möbelstücke zu sehen. Gut für die Rückenmuskulatur, muss ich schon sagen."

Der Braunhaarige grinste und ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder. Die Unterarme auf die Rückenlehne gestützt drehte er sich mal nach links, mal nach rechts.

"Und, wie hat deine Mutter reagiert?", fragte Keith in die Stille zwischen ihnen hinein und nestelte etwas an seinen Handschuhen herum.

"Naja, sie hat mir eingebläut, anzurufen, wenn mir so etwas passiert und nicht einfach durch "die halbe Stadt zu laufen"", meinte der Tänzer und setzte schöne Gänsefüßchen in die Luft, während Keith zustimmend nickte. Er war voll und ganz Rosas Meinung.
"Und sie konnte einfach nicht glauben, dass das Fahrrad weg ist, weil ich es ja angeschlossen hatte. Aber, ich meine, wenn du eine gescheite Zange hast, kannst du diese Kunststoffdinger ja immer beschädigen. Naja, das neue darf ich mir natürlich selber kaufen, weil ich ja schon volljährig bin und alles."

Er seufzte leise.

"Wird wohl langsam Zeit, dass ich ausziehe."

"Willst du denn weg?", fragte Keith und rutschte etwas auf der Matratze herum, die Beine überkreuzt.

"Ich weiß es nicht", seufzte der Größere, "Es wäre bestimmt ein guter Schritt, aber umso länger ich hier bin, desto merkwürdiger ist der Gedanke wegzugehen. Wo soll ich denn das Geld hernehmen? Aktuell arbeite ich nicht wirklich, hab mal ab und zu einen kleinen Job vielleicht, aber nicht viel. Es ist einfach- keine Ahnung."

Er schnaufte frustriert und legte den Kopf auf seinen verschränkten Armen ab.

"Bequemer?", fragte Keith mit einem leisen Lächeln und der andere nickte zögerlich.

"Wenn ich ausziehen würde, dann müsste ich mir Sorgen um Miete und Stromkosten und was weiß ich was machen. Es wäre, als wäre ich dann ganz erwachsen. Das will ich aber nicht, es ist-"

"Angsteinflößend?"

"Ja."

Stille legte sich über das Zimmer, nur ab und zu unterbrochen vom Quietschen des Schreibtischstuhles und dem Knarzen des Bettes.

"Wie geht's deinem Gelenk?", murmelte Keith nach einer Weile und Lance brummte leise.

"Geht schon."

"Wenn's schlimmer wird, nimm eine Tablette, ja?"

"Ja, mach ich schon." Lance lachte leise. "Du klingst schon wie meine Mutter."

"Ich mach mir halt Sorgen!", murrte der Musiker beleidigt, was den anderen jedoch nur noch mehr zum Grinsen brachte.

"Vielleicht kannst du ja doch flirten", meinte er leise, "schließlich hast du es bei deinem Entschuldigungs-Monolog geschafft, mir durchgängig in die Augen zu sehen."

"Tja", antwortete Keith und ließ sich nach hinten auf die Matratze fallen, "du siehst, was ich kann, wenn ich es ernst meine."

"Oh ja", lächelte Lance und beobachtete den Musiker, der einfach auf seinem Bett herumlag und an die Decke starrte, seine Haare wie ein schwarzer Heiligenschein auf dem Kissen ausgebreitet. Sein Traum kam ihm wieder in den Sinn und er kniff kurz die Augen zusammen, um die unangebrachten Gedanken los zu werden.
"Übrigens", setzte er an, "hast du Samstagabend schon was vor?"

Kurz herrschte Stille, dann:

"Warum?"

"Allura wollte da ihren Titanic-Abend veranstalten", erklärte er und Keith lachte leise.

"Hätte nicht gedacht, dass sie das ernst meint."

"Llura meint alles ernst. Also, wie steht's? Schließlich wollte sie diesen Mopp auf deinem Kopf auch behandeln", meinte Lance und kicherte bei Keiths empörten Beschwerden über diesen Kommentar.

"Ja, passt, ich sollte Zeit haben", sagte er dann jedoch zu, "Wer ist eigentlich alles da?"

Lance überlegte kurz.

"Eigentlich nur Leute, die du schon kennst", antwortete er dann, "Sie wollte Pidge und Hunk auch einladen, Romelle wollte ebenfalls kommen, wir zwei, ja, und Allura halt."

"Sechs Leute? Wie viel Platz hat die denn?", lachte der Musiker ungläubig, "Aber, okay, bei dem Wagen wundert mich das nicht."

"Du wirst dich noch umsehen", grinste Lance, sich noch zu gut daran erinnernd, wie er sich gefühlt hatte, als er das erste Mal bei der Tänzerin zu Besuch gewesen war, "Es ist zwar gemütlich, aber nicht so eng und heimelig wie hier."

Keith machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Hauptsache, die Atmosphäre ist gut", meinte er, "Auch, wenn ich eher eng und heimelig bevorzuge."

Der Tänzer wollte schon etwas erwidern, als sich erneut alles um ihn herum zu drehen begann und er leise stöhnend die Augen schließen musste.
Er hasste Schwindel.
Es war, als würde die Welt zu einem Karussell aus Gummi werden, sein Körper wurde quasi elastisch und alle Kraft schien aus ihm gesogen zu werden.

Dieses Gefühl der Machtlosigkeit jagte ihm Angst ein, das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren.

Das Blut rauschte ihm in den Ohren und erst, als er Keiths Hand zwischen seinen Schulterblättern spürte, bemerkte er, dass der Musiker zu ihm gekommen war und ihn davon abhielt, seitlich vom Stuhl zu rutschen.

Es fühlte sich an, als würden seine Augäpfel sich wild in ihren Höhlen drehen, obwohl er die Augen geschlossen hatte, alles schien um sich zu kreisen.

Vielleicht hatte ihm die erhobene Stimme seiner Mutter nicht gutgetan, vielleicht hätte er sich aber auch nicht ausgerechnet auf einen Drehstuhl setzen sollen.

Minutenlang war Lance in einer Zwischenwelt des Taumels gefangen, bis der Krach des Blutes in seinen Ohren abebbte, seine Augen zum Stillstand zu kommen schienen und der Boden unter seinen Füßen sich festigte und nicht mehr wie eine Geleemasse schwankte.

Leise ausatmend traute er sich wieder, die Augen zu öffnen.

Das Zimmer war dasselbe. Er saß immer noch auf seinem Stuhl, bloß seine Hände lagen nicht mehr oben auf der Lehne, sondern klammerten sich vielmehr seitlich an sie, in der Hoffnung, Halt zu finden. Schnell lockerte er den Griff seiner rechten Hand, da sein Gelenk unangenehm zu pochen begonnen hatte.

Und Keith war da und sah ihn besorgt mit seinen dunklen Augen an.

"Vielleicht solltest du dich lieber hinlegen?", schlug er leise vor und der Tänzer nickte zaghaft.

Langsam, beinahe schon im Schneckentempo, stand Lance auf und obwohl ihm das Ganze, seine eigene Unfähigkeit, unglaublich peinlich war, war er dankbar, dass der Violinist neben ihm stand, wie ein Fels in der Brandung, und ihn stützte.
Noch etwas wackelig auf den Beinen tapste Lance zu seinem Bett hinüber und legte sich hin, in die kleine Kuhle hinein, die Keiths Körper zuvor schon geformt hatte.

Auch, wenn er protestierte, ließ Keith es sich nicht nehmen, ihn zuzudecken.

"Vielleicht hilft die Wärme ja! Das ist wie bei Fieber, da muss man die kranke Person auch einpacken!", argumentierte er und wäre Lance nicht immer noch schwummrig, hätte er die Augen verdreht.

"Keith, wenn man Fieber hat, ist einem innerlich heiß, weil der Körper die Krankheit bekämpft. Man packt die Leute da dick ein, damit sie nicht von außen erfrieren.
Wir haben es Hochsommer, willst du mich braten? Ich bin doch schon knackig genug!"

"Pff", machte der Musiker jedoch nur und warf ihm einen genervten Blick zu, er hatte sogar den Nerv, die Decke an den Seiten noch fester unter Lance' Körper zu stecken. Mit verschränkten Armen und düsterer Miene betrachtete er dann sein Werk.

"Du siehst aus, wie dieses Zigarren Börek, oder wie das heißt. Das, das manchmal mit Spinat gefüllt ist", bemerkte er.

"Willst du damit jetzt sagen, dass ich wie Spinat aussehe, oder zum Anbeißen bin?"

Keith grinste. Es war eines der schönsten Dinge, die Lance je gesehen hatte.

"Keins von beidem", erwiderte er.

"Wie dann?"

"Süß."

"Ist das dein Ernst?", stöhnte Lance, bewegungsunfähig durch den Käfig der Decke, sonst hätte er sich mit der Hand gegen die Stirn geschlagen, um seine Röte zu verdecken, "Da laufe ich tagtäglich unter der Sonne herum, sehe zum Anbeißen aus, und du findest mich süß, wenn ich in eine Decke gewickelt wie ein Burrito herumliege und nichts machen kann?
Möge dich einer verstehen."

Doch das Grinsen war nicht aus Keiths Gesicht gewichen. Er amüsierte sich sichtlich über Lance' Lage.

"Oh Gott, bitte schau mich nicht so an!", schimpfte Lance, "Ich komme mir blöd dabei vor!"

"Vielleicht sollte ich dich als Burrito einspeichern", überlegte der Musiker laut vor sich hin, Lance' Worte ignorierend.

"Wie hast du mich denn jetzt eingespeichert?"

"Als Lance."

"Wie unpersönlich", maulte der Tänzer und Keith verdrehte wieder die Augen.

"Du bist so dramatisch", seufzte er, "Vielleicht ist "Dramarrito" besser."

Bei der Idee musste Lance sich ein Lachen verkneifen.

"Ich glaube, es ist Zeit für dich, zu gehen", grinste er, "Dramarrito braucht seinen Schönheitsschlaf."

Keith schnaubte, doch stand auf.

"Kann ich dir das Versprechen abnehmen, dass du auch morgen so liegen bleibst und keine Ballerina-Sachen abziehst?", fragte er, "Sonst komme ich persönlich wieder vorbei."

"Das ist die mieseste Drohung, die ich je gehört habe", schmunzelte Lance, "doch, okay, ich bleibe liegen.

"Und nimm Tabletten, wenn die Schmerzen zu schlimm werden."

"Mach ich, Mama."

"Ey-"

"Jaja, schon gut."

Der Violinist schüttelte leicht verzweifelt den Kopf, doch angelte sich dann seine Sachen vom Fußende des Bettes.

"Brauchst du noch was?", fragte er, doch Lance schüttelte den Kopf. Er wurde tatsächlich langsam müde und auch, wenn er es etwas bereute, Keith spaßeshalber rausgeschmissen zu haben, wollte er eigentlich nur noch schlafen.

"Gut", Keith nickte, Geige in der Hand und Rucksack auf dem Rücken. Er schien schon zur Tür gehen zu wollen, als er kurz innehielt und dann etwas tat, das Lance' Augen sich erstaunt weiten ließ: Er strich ihm kurz mit der Hand über die Stirn und schenkte ihm ein Lächeln.

Dann war er auch schon mit einem "Tschüss, bis Samstag" aus dem Zimmer gehuscht und hatte die Tür leise hinter sich geschlossen.

Lance lag im Bett und fühlte sich, als würde er tatsächlich bei lebendigem Leibe gebraten werden, so heiß war ihm plötzlich geworden. Wahrscheinlich war es gut, dass er alleine war, die Röte seines Gesichts konnte er selber schon leuchten sehen.

Dieser Mann würde noch seinen Tod bedeuten.

Er konnte noch hören, wie Keith die Treppen nach unten nahm und sich dann im Wohnzimmer mit Rosa unterhielt, die sich wahrscheinlich bei ihm für seine Mühen bedankte. Hinzu kam Rachels helle Stimme, dann ein kleines hin und her, und Lance wunderte sich schon, warum die Haustür nicht geöffnet und geschlossen wurde, als eine Melodie zu ihm nach oben drang.

Anscheinend hatte seine Schwester Keith überzeugen können, etwas auf der Geige für sie zu spielen, da ihre Töne nun durch das Haus hallten, sich auf jedes Möbelstück legten und in jede Ritze drangen, zart und klar.

Nebenan ging die Tür auf - wahrscheinlich saß Veronica nun im Eingang und lauschte leise von oben - und Lance konnte nur mit einem Lächeln die Augen schließen und sich weiter in die dicke Decke kuscheln, die doch ganz angenehm war.

Mit Keiths Violinenspiel im Ohr schlief er ein.

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