9. I Think I'm In Love

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"Was zur Hölle ist mit dir passiert?", fragte Ezor entsetzt, als Keith den Proberaum zu einer ihrer seltenen Samstagsproben betrat.

Nun bemerkten auch Lotor, Shay und die anderen seine Anwesenheit und kamen herüber, um Keith leicht besorgt von oben bis unten zu betrachten.

"Ich habe nicht geschlafen, das ist passiert", entgegnete dieser mürrisch und stellte seinen dritten Kaffee an diesem Morgen auf einem Tisch an der Wand ab.

Wahrscheinlich trank er allgemein einfach zu viel von dem Gebräu, denn er fühlte sich immer noch genauso gerädert wie vor ein paar Stunden.

Während die anderen zu bemerken schienen, dass er definitiv nicht in der Laune für ein Schwätzchen war, fragte James:

"Und warum hast du nicht geschlafen?"

"Konnte nicht."

"Und warum-", begann der Trompeter erneut, doch Shay warf ihm einen Blick zu und er verstummte.

Sie bauten ihre Instrumente, wenn nötig, zusammen und begannen, sich warm zu spielen, was in Keiths Fall schwer wurde, da die Noten vor seinen Augen immer wieder unscharf wurden und leicht hin und her zu tänzeln schienen.

Er hatte in der Tat die gesamte Nacht über kaum ein Auge zu getan.

Nachdem er sich von Lance verabschiedet hatte, war er nach Hause gefahren und hatte seinen Großeltern, die noch auf seine Rückkehr gewartet hatten, eine gute Nacht gewünscht, bevor er sich todmüde auf sein Bett hatte fallen lassen.

Sein Plan war es gewesen, einfach einzuschlafen, doch als er nach einer halben Stunde immer noch wach gelegen hatte, war er doch noch Zähneputzen und sich fertig machen gegangen.

Während er seine Zähne mit der Zahnbürste bearbeitet hatte, hatte er sich Dinge gefragt, wie, ob Lance eine elektrische oder normale Bürste hatte, was für eine Farbe sie hatte, ob er seine Schneidezähne in geraden Bewegungen von oben nach unten oder in Kreisbewegungen putzte, oder, ob er lieber morgens oder abends duschte.

Leicht von sich genervt war er wieder ins Bett gegangen, in der Hoffnung, endlich Schlaf finden zu können.

Doch der Schlaf war nicht gekommen.

Dutzende Male hatte er sich von einer Seite auf die andere gewälzt, hatte die Bettdecke von sich gestrampelt, weil ihm warm geworden war- er hatte sich sogar mit dem Kopf ans Fußende des Bettes gelegen, in der Hoffnung, der Wechsel würde ihn schlafen lassen.
Er hatte angefangen, von zehntausend rückwärts runter zu zählen, es jedoch schnell wieder aufgegeben, da er sich noch nicht einmal auf diese dämlichen Zahlen hatte konzentrieren können.

Auf nichts hatte er sich konzentrieren können, auf nichts.

Denn jedes Mal, wenn er versucht hatte, seine Gedanken auf eine Sache zu fokussieren, hatte sich etwas dazwischengeschoben.

Oder eher gesagt, jemand.

Lance.

Und somit hatte Keith es irgendwann aufgegeben, die Gedanken an den Tänzer zu verdrängen, und hatte sich ihnen vielmehr bewusst gewidmet.

Während er also in seinem Bett gelegen hatte und seine Gedanken um den Tänzer gekreist waren, war Stunde um Stunde vergangen.

Die Welt vor seinem Fenster war wieder heller geworden und irgendwann hatte sein Wecker geklingelt.

Und nun würde er einen Tag mit Orchesterproben und weiterem Training mit Lance überstehen müssen, da dieser heute Morgen geschrieben und weiteres Üben vorgeschlagen hatte.
Und Keith war in seiner Müdigkeit so dämlich gewesen, zuzusagen.

Nachdem er länger als je zuvor für das Stimmen gebraucht hatte, sackte Keith in seinem Stuhl zusammen, das Kinn auf der Brust ruhend und die Geige mit Bogen auf dem Schoß.

Gerade, als er seine Augen geschlossen hatte, gingen die Türen des Saales auf und mit einem von den Wänden schallenden "Guten Morgen!" betrat Coran den Raum, sein grellgrünes Oberteil Keiths Augen fast schon zum Tränen bringend.

Die gute Laune des Dirigenten ließ die Keiths nur noch schlechter werden.

Auch wenn die Müdigkeit etwas verflog, als das Orchester zu spielen begann, konnte der Violinist sich so gut wie gar nicht konzentrieren.
Eine falsche Note nach der anderen entkam seinem Instrument, er vergaß Vorzeichen, nahm Pausen zu lang und seine Finger schienen zu langsam zu sein, als dass sie die richtigen Seiten zur richtigen Zeit drücken konnten.

Frustriert verbrachte er die Mittagspause mit seiner üblichen Gruppe und schaffte es sogar kurz, an einen Baumstamm gelehnt einzunicken.
Doch wurde er nach wenigen Minuten schon wieder von einem lauten Auflachen Ezors aufgeweckt und war danach sogar noch müder und gereizter als zuvor.
Außerdem hatten Ameisen begonnen, seinen Körper zu erobern.

Lotor hatte ihm geraten, die Probe mit Lance einfach abzusagen - schließlich konnte der Tänzer auch mit Axcas Aufnahmen proben - und nach Hause zu gehen, doch das wollte er nicht.

Zwar hatte er eigentlich keine Lust, überhaupt einen Menschen zu sehen, geschweige denn, mit ihm zu kommunizieren, doch wollte er den Tänzer irgendwie doch treffen.

Es war schwer, zu beschreiben, dieses Wollen und gleichzeitige Nicht-wollen.

Und so kam Keith um halb fünf nachmittags an der Royal Academy of Dance an, in der Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Anscheinend hatte Lance noch im Tanzsaal einen der wenigen Wochenendkurse, da von drinnen immer wieder Anweisungen einer Frauenstimme zu hören waren und leichte Klaviermusik spielte.

Leise seufzend sackte Keith an der Wand entlang zu Boden, wo er sitzen blieb, den Kopf an den kalten Beton hinter sich anlehnte und die Augen schloss. Wirklich schlafen konnte er nicht, dafür war er etwas zu unruhig, doch er glitt in einen dösigen Zustand, langsam die Hintergrundgeräusche ausblendend.
Er wusste nicht genau, wie er Lance gegenübertreten sollte, es war seit gestern merkwürdig, alleine mit ihm in einem Raum zu sein, und seine Müdigkeit würde dem Ganzen auch nicht helfen.
Vor allem, da Lance indirekt für seinen Schlafmangel verantwortlich war.
Doch bevor er sich noch länger darüber Gedanken machen konnte, wurde die Tür des Saales geöffnet und die Studenten kamen heraus.

"Ähm, Lance, ich glaube, hier ist jemand für dich!", rief die Stimme eines Mädchens in den Raum zurück und Keith rieb sich die Augen, während er langsam wieder zurück in die Realität kam.

Als er aufsah, stand auch schon der Tänzer über ihm, ein Paar schwarzer Leggings, die ihm bis knapp unter die Knie reichten, zusammen mit einem schwarzen T-Shirt tragend.

Er sah gut aus in schwarz, musste Keith zugeben, auch wenn er es sehr selten zu tragen schien.

"Entschuldige meine Ausdrucksweise, aber du siehst aus, als hättest du deine Pisse zum Frühstück getrunken", begrüßte Lance ihn und Keith schloss sofort wieder die Augen.

"Ich hab kein Auge zugetan, also mach dich auf was gefasst", murrte er und hörte den anderen leise lachen, ehe er wieder in den Tanzsaal zurück ging, es Keith überlassend, seinen Weg hinein zu finden.

Dieser rappelte sich nach ein paar Minuten auf und schlurfte hinein, die Tür hinter sich schließend, die durch einen Luftzug laut knallte.
Lance hatte die Fenster geöffnet.

Mit einem angesäuerten Blick zur Tür stellte der Violinist sein Zeug ab und begann, den Notenständer aufzubauen, ein genervtes Schnauben von sich gebend, als sich eines der Rädchen nicht gleich so drehte, wie er es wollte.

"Weißt du", ertönte Lance' Stimme von den Bänken an der Seite des Saales aus, "in deinem Zustand wird das mit dem kommunikativen Üben sehr schwer heute. Wir können die Probe auch verschieben, dann kannst du schlafen gehen."

Doch Keith schüttelte den Kopf.

"Ich will eine professionelle Karriere einschlagen, da sollte ich es doch wohl auch schaffen, in müdem Zustand zu üben. Habt ihr Kaffee?"

"Unten im Eingangsbereich ist ein Automat", meinte Lance, auch wenn er immer noch so aussah, als hielte er das Ganze für keine gute Idee.

Nachdem Keith sich einen Kaffee geholt und das Gebräu hinuntergekippt hatte, begannen sie mit der Probe. Es lief etwas besser als die Orchesterprobe, wahrscheinlich, weil Keith das Stück schon so oft gespielt hatte, dass es ihm langsam ins Blut überging, doch war es bei weitem nicht so gut, wie sonst. Sobald er etwas in Dauerschleife spielen sollte, wurde seine Fingerarbeit schlampiger, er verlangsamte manchmal sogar das Tempo und mit der Zeit sank auch Lance' Laune immer mehr.

"Okay, stopp!", brach es irgendwann aus dem Tänzer heraus, als Keith der Bogen abrutschte, "Wir hören auf. So wird das nichts.
Da kann ich ja genauso gut mit der Aufnahme üben!"

"Warum tust du das dann nicht?", wollte der Schwarzhaarige wissen, der gereizte Ton des anderen und seine Kritik ihn noch saurer machend als er es vorher schon gewesen war.

"Weil- ach ist doch egal, das tut jetzt nichts zur Sache!", rief der Tänzer und lief zu seiner Trinkflasche, aus der er kurz trank, sich gleichzeitig mit einem Handtuch über den Nacken wischend.
"Fakt ist", fuhr er fort, die Flasche wieder abstellend, "dass du gerade nicht hilfreich bist!"

"Soll ich dann gehen?", wollte Keith wissen, "Schmeißt du mich raus?
Denn, wenn, dann kannst du auch in Zukunft auf gemeinsame Proben verzichten!
Weißt du, wie unglaublich anstrengend es ist, von Morgen bis Abend Geige zu spielen und immer Kritik auf sich hageln zu lassen?
Ich fahre doch nicht umsonst nochmal nach den Orchesterproben hier her, um dann als nicht gut genug befunden zu werden!"

Lance stöhnte entnervt auf- er hatte offensichtlich keine Lust mehr.

"Ich rede doch nicht von immer", stellte er klar, "Ich rede von heute!
Hättest du einfach mit einer vernünftigen Begründung abgesagt, hätte ich das sehr gut verstanden, glaub mir!"

"Also ist das ganze jetzt meine Schuld?", fragte Keith ungläubig.

"Da ich nicht zu dir gekommen bin, um dich von Schlafen abzuhalten, und dir dann zu verbieten, die Probe abzusagen, offensichtlicher Weise!", erwiderte der Braunhaarige.

Keith wollte schon etwas entgegnen, doch hielt sich noch rechtzeitig zurück.

Wenn der andere doch nur wüsste.

Wieso trug er eigentlich plötzlich die Leggings? Das hatte er vorher nie getan.

Schnell schüttelte der Musiker seinen Kopf, um sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Er atmete tief ein und aus, um sich langsam wieder zu beruhigen.

Jeder, der auch nur in der Nähe ihrer offenen Fenster gewesen war, musste alles mitbekommen haben.

"Okay", meinte er dann etwas ruhiger und nahm seine Noten vom Ständer, "Du hast Recht. Ich gehe.
Ich bin fix und alle und es läuft schon den ganzen Tag so."

Während er mit dem Gesicht zur Wand seine Geige im Koffer verstaute, fuhr er leise fort.

"Ich habe bisher so gut wie nie in so einem Zustand geprobt.
Müde war ich oft, aber noch nie so sehr.
Du glaubst nicht, wie frustrierend es ist, sozusagen als Konzertmeister, eine Zeile nach der anderen zu verhauen. Vor allem bei so wenigen Geigen hört man natürlich alles und-"

Er brach ab, als sich von hinten Arme um ihn legten und ihn leicht drückten.

"Ist doch okay", ertönte Lance' Stimme irgendwo hinter seinem linken Ohr, "Jeder schläft mal schlecht.
Man muss nur wissen, wann man sich selber etwas Gutes tut und auch mal Pausen macht."

Keith nickte leicht, nicht wissend, was er tun sollte.

Sie hatten sich noch nie umarmt, berühren taten sie sich so gut wie gar nicht, außer mal eine Hand auf die Schulter des anderen legen oder sich gegenseitig schubsen.

Er konnte spüren, wie sich Lance' Brustkorb bei jedem Atemzug hob und senkte, wie diese kleine Bewegung seinen gesamten Körper lebendig machte.
Er konnte seine langen Beine hinter sich ausmachen, die schlanken Arme des anderen, die ihn umfingen, seine breiten Schultern und Lance' Kopf, den dieser leicht zur Seite gewandt an Keiths gelegt hatte.

Die Gedanken schienen in Keith zu rennen, von einer Seite seines Kopfes zur anderen, kreuz und quer, diagonal, in Kurven, im Kreis, vorwärts und rückwärts, hin und her- er konnte keinen einzigen fassen und auf nähere Informationen zu seinen Reaktionsmöglichkeiten untersuchen.

"Weißt du", murmelte Lance, ein stilles Lächeln in seiner Stimme, "Eine Umarmung ist dazu da, jemandem Trost zu spenden und der Person etwas Komfort zu bieten.
Also entspann dich schon, ich fresse dich nicht."

Peinlich, dachte Keith und die Röte schoss ihm in die Wangen, ich benehme mich als wäre ich noch nie umarmt worden.

Er seufzte leise.

Und, obwohl sein Herz raste und er glaubte, jeden Moment etwas Dummes zu tun, atmete er aus und lehnte sich etwas an den anderen, der kein bisschen schwankte, sondern ihn nur noch fester drückte, weshalb Keith ganz losließ und sein Gewicht gegen den anderen sacken ließ.

Nie hätte er gedacht, dass Lance' Umarmungen so angenehm sein würden, so beständig, zuverlässig.

Eine Weile standen sie einfach nur so da, Keith die Augen geschlossen und etwas Energie tankend, die ihm selbst der sechste Kaffee an diesem Tag nicht hatte spenden können (er hatte in seiner Mittagspause zuvor zwei weitere getrunken).

Der Violinist hatte sogar eine Hand auf die vor seiner Brust verschränkten Arme des anderen gelegt, um sie dort zu halten und Lance blieb still so stehen, wie er war, darauf wartend, dass Keith sich wieder rührte.

"Okay", atmete dieser irgendwann aus und öffnete die Augen wieder, "Was jetzt?"

"Jetzt", meinte Lance und lockerte seinen Griff wieder, sodass sie sich voneinander lösen konnten, "gehen wir an den Strand."

---

Das Wasser glitzerte im Schein der langsam sinkenden Abendsonne, als Lance und Keith nach etwa zwanzig Minuten Fahrradfahren am Double Bay Beach ankamen.

Kurz hatten sie noch bei den McClains haltgemacht, da Lance seine Gitarre holen wollte, doch nun versanken ihre Füße im Sandstrand und der Violinist zog sich schnell seine Schuhe aus.

Reste von getrockneten Meerespflanzen hatten sich mit dem Sand gemischt, sodass dieser gar nicht so weich war, wie an anderen Stränden, doch dieser hier war am nächsten gewesen, weshalb ihnen nicht wirklich viel anderes übriggeblieben war.

Sie setzten sich an den Rand des Gehweges, der den schmalen Sandstrand vom Rasen und den umliegenden Häusern trennte.
Lance packte schweigend seine Gitarre aus und Keith ließ seinen Rucksack und den Geigenkoffer neben sich auf den Boden sinken, um seine Arme um die Knie zu schlingen und die Gegend zu betrachten.

Während der Braunhaarige begann, leise an den Seiten seines Instrumentes zu zupfen, erinnerte Keith sich an sein Leben in Sydney zurück.
Er war vor allem im Sommer täglich morgens noch vor dem Unterricht ins Meer gegangen, um ein wenig zu schwimmen, es hatte ihm immer Kraft für den Tag gegeben. In der musikorientierten Schule, die er besucht hatte, hatte man sein Talent immer unterstützt und gefördert, er war im Schulorchester und in einer der Kammermusikgruppen gewesen.
Es war eine gute Zeit gewesen und doch war keine seiner Freundschaften dort so fest gewesen, dass er sie auch hatte weiterführen können, als sie nach Tokio gezogen waren.
Somit war es, als er zurückgekommen war, irgendwie so gewesen, als wäre er alleine Jahrelang in einer anderen Welt gewesen, während die Leute, die er zuvor gekannt hatte, alle weitergegangen waren, ohne ihn.
Es war ein merkwürdiges Gefühl der Fremde, das ihn zeitweise beschlich, auch wenn er sich in der Stadt immer noch relativ gut auskannte. Sydney hatte sich ohne ihn kaum, und wenn, dann nur wenig, verändert, wohingegen er in den fünf Jahren erwachsen geworden war und studiert hatte.

Die Wellen rollten langsam und unauffällig an Land um sich dann wieder schüchtern zurück zu ziehen und dann abermals näher zu kommen.
Lance schien nicht wirklich ein spezifisches Lied zu spielen, vielmehr war es, als würde er ein paar Akkorde ausprobieren, die gut klangen, und sie dann immer wieder zu wiederholten und etwas variieren.

Es war angenehm und entspannend, der Geruch nach Salz und Sand gemischt mit ein wenig Algen, der in der Luft lag, Lance Gitarrenspiel und das leise Rauschen der Wellen erdeten Keith und er bemerkte, wie müde er tatsächlich war. Der Schlafmangel lastete wie ein großes Tier auf seinen Schultern, drückte seine Augenlider hinunter und ließ ihn gähnen.

"Also echt", schmunzelte Lance, "Da schläft er doch glatt bei meinem schönen Spiel ein."

"Nimm's nicht persönlich", murmelte Keith und lächelte schräg den anderen von der Seite an, "Ich mag dein Spiel. Bin nur müde."

Sie schwiegen eine Weile, doch wie schon die Nacht zuvor wollte der Schlaf nicht kommen.

Vielleicht lag es daran, dass Lance neben ihm saß, seine Zehen manchmal im Sand kräuselte und Keith einfach nicht das Bild von ihm in diesen Ballett-Leggings auf dem Kopf bekommen konnte.

Hatte der Braunhaarige extra diese Dinger angezogen, um seine Behauptung von gestern Nacht nochmal zu beweisen?

"Willst du mal ausprobieren?", fragte Lance und deutete auf seine Gitarre.

"Bist du dir sicher?", wollte Keith unsicher wissen, "Ich könnte was kaputt machen."

Doch der Tänzer schüttelte den Kopf.

"Ich bin mir sicher, dass du ein Instrument genügend zu schätzen weißt, um es mit Achtung zu behandeln", sagte er und reichte dem Musiker die Gitarre, der sie vorsichtig in die Hände nahm.

Er legte sie auf seinem Oberschenkel ab und griff um den Hals herum, mit der Rechten vorsichtig ein paar Seiten zupfend.

Lance erklärte ihm, welche Seite welcher Note entsprach und sah dann zu, wie der andere mal hier, mal da zupfte, Sachen ausprobierte, die er gesehen hatte, und ab und zu leicht zusammenzuckte, wenn der Ton viel lauter im Körper der Gitarre hallte, als er es erwartet hatte.

"Ich könnte dir ein paar Akkorde zeigen, wenn du willst", bot Lance an.

"Gerne", nickte Keith und wollte das Instrument schon wieder zurückgeben, als Lance ihm bedeutete, es bei sich zu behalten.

"Also", begann der Tänzer und griff stattdessen nach Keiths linker Hand, um einen Finger nach dem anderen auf die richtige Stelle der richtigen Seite zu setzen, "Das ist der C-Dur Akkord. Streich mal über alle Seiten."

Keith tat, wie ihm geheißen und musste grinsen, als tatsächlich ein C-Dur Akkord erklang, voll und warm.
Er ließ seine Finger so liegen, wie sie waren, und zupfte an den Seiten, sich aus dem Stegreif eine kleine Melodie überlegend, während Lance ihm leicht schmunzelnd zusah.

"Noch einen?", fragte er dann und der Violinist nickte.

Lance zeigte ihm sowohl den G-Dur als auch den E-Dur Akkord und nachdem er den Dreh raushatte, wechselte Keith immer wieder zwischen den drei hin und her, sich mehr und mehr an die Fingertechnik gewöhnend. Wenn er noch ab und zu Fehler machte, verbesserte Lance wie automatisch seine Finger und gab ihm Tipps, auf welchen er mehr Gewicht legen musste.

Doch nach etwa einer halben Stunde gab Keith die Gitarre wieder ihrem Besitzer zurück, ein leichtes Lächeln seine Lippen zierend.

"Wirklich ein sehr schönes Instrument", sagte er, "Toller Klang. Sie passt zu dir."

"Findest du?", fragte Lance schmunzelnd und Keith nickte.

„Das Nächste Mal kann ich eine meiner E-Geigen mitbringen, dann kannst du deinen Tanz nachholen", versprach er mit einem kleinen Lächeln und Lance nickte erfreut.

Der Musiker musste herzhaft gähnen und betrachtete dann das Wasser, das nun dunkler schien, jetzt, da die Sonne schon tiefer gesunken war.

"Ich nehme mal an, dass du etwas vernünftiger als Romelle bist und nicht die ganze Nacht lang Animes schaust", begann Lance vorsichtig und warf dem Dunkelhaarigen einen Seitenblick zu, "Darf ich also fragen, warum du kein Auge zu getan und dich entschieden hast, heute als Zombie aufzukreuzen?"

"Ich hab mich nicht dazu entschieden", brummte Keith und legte sein Kinn auf seinen Knien ab, da er die Arme wieder um seine Beine geschlungen hatte.

"Kennst du das", fuhr er leise fort, dem Wellengang wie in Trance zusehend, "wenn du müde bist und schlafen willst, deine Gedanken aber zu laut sind?"

Der Tänzer gab einen verstehenden Laut von sich und Keith lächelte leicht verzweifelt die Wellen an.

"Gestern Nacht war ich müde, aber mein Kopf war so voll, dass mein Geist meinen Körper vom Schlafen abgehalten hat und selber auch keine Zeit zum Ausruhen hatte. Ich hoffe einfach, dass es heute besser ist."

"Naja", meinte Lance und schnaubte kurz amüsiert, "Wenn du nicht schlafen kannst, denk an mich wie ich Gitarre spiele, das scheint dich ja runter zu bringen."
Er lachte leicht doch Keith zog nur eine Grimasse.

Wenn der andere doch nur wüsste.

"Falls du die Befürchtung hast, dass es heute Abend wieder nichts mit dem schlafen wird- du kannst auch jetzt versuchen, bisschen zu schlummern", schlug der Tänzer vor und klopfte auf seinen Schenkel, "Letztes Mal bist du ja auch innerhalb von wenigen Minuten weggeknickt."

"Ich weiß nicht", murmelte Keith.

Es würde sein Herz wahrscheinlich nur wieder zum Klopfen bringen und ihm nicht wirklich beim Einschlafen helfen.
Andererseits war er wirklich schnell eingeschlafen beim letzten Mal, auch wenn es ihm da sogar etwas ähnlich gegangen war...

"Was hast du an dem Tag eigentlich mit meinen Haaren gemacht?", fiel ihm in dem Moment ein und er sah Lance auffordernd an, der sich leicht lachend mit der Hand über den Nacken rieb.

"Läuse entfernt", antwortete er und Keith verdrehte die Augen.

"Ich habe keine Läuse!", entrüstete er sich.

"Nicht mehr."

"Ich hatte noch nie welche!"

"Doch, ich habe sie dir nur freundlicher Weise entfernt", beharrte Lance auf seiner Antwort.

"Und was hast du dann mit ihnen gemacht?", wollte Keith herausfordernd wissen, doch der andere behielt sein Grinsen im Gesicht.

"Gegessen natürlich, was sonst?"

"Oh Gott", seufzte Keith und lehnte seine Stirn frustriert an Lance' Schulter, "du bist echt nicht mehr zu retten."

Dieser lachte nur noch mehr und klopfte erneut auf seinen Oberschenkel, sodass Keith schlussendlich nachgab und es sich bequem machte.

Tatsächlich begann sein Herz erneut stärker zu pochen, als er merkte, wie nah er dem anderen wieder war, doch es war nicht so schlimm, wie angenommen und langsam entspannte er sich.

Und, er konnte es nicht glauben, doch nach ein paar Minuten begannen die Geräusche im Hintergrund zu verschwimmen, seine Gedanken rückten in den inaktiven Teil seines Gehirns, für einen kurzen Moment war er einfach nur, ohne sonderlich etwas zu denken, zu fühlen, oder zu hören und dann war er auch schon eingeschlafen.

---

Als er langsam wieder aus den Tiefen des Schlafes auftauchte, begann Keith allmählich seine Umgebung wieder wahr zu nehmen, zuerst die Körperwärme, die Lance ausstrahlte, dann das Gefühl von einer Hand, die ihm sanft die Haare aus der Stirn strich und nach und nach hörte er auch das Rauschen der Wellen wieder.

Als er ein müdes Brummeln von sich gab, erstarrte die Hand kurz und verschwand dann, während er langsam seine Augen öffnete und dann erst realisierte, dass er in Lance Schoß eingeschlafen war.

Sofort war er drei Mal wacher und die Röte schoss ihm ins Gesicht.

Mühsam zwang er sich dazu, Ruhe zu bewahren und nichts Unüberlegtes zu tun, was er später bereuen würde. Nach ein paar Augenblicken sah er sich dazu in der Lage, leise zu fragen:

"Wie viel Uhr ist es?"

Seine Stimme war ganz rau vom Schlaf und er verfluchte sie im Stillen dafür.

"Fast halb zwölf", antwortete Lance und prompt saß Keith kerzengerade neben ihm.

"Was?!"

"Ja", der Tänzer lachte, "Du hast geschlafen wie ein Stein."
Er war sichtlich stolz auf sich.

"Aber- was- wie-", setzte Keith mehrere Male an und stoppte kurz, um sich zu sammeln und dann zu fragen, "Du saßt die ganze Zeit hier auf demselben Fleck?!"

"Nein, ich war noch kurz mit dir auf meinem Bein Einkaufen", nahm Lance ihn auf die Schippe und verdrehte die Augen.
"Natürlich saß ich die ganze Zeit hier! Was sollte ich denn sonst tun?"

"Keine Ahnung, vielleicht mich aufwecken?", entgegnete Keith und rieb sich übers Gesicht.
"Ich kann doch nicht von dir verlangen, fast fünf Stunden auf ein und demselben Fleck zu sitzen!"

"Hast du ja auch nicht", meinte Lance, "Ich hab mich selber dazu entschieden."

Auf den verzweifelten Blick des Violinisten hin, zuckte er nur mit den Schultern und winkte ab.

"Mach dir keinen Kopf, es ist okay, wirklich", versicherte er und stand auf, sich den Sand von der Hose klopfend, "Ich hab's gerne getan."

Zwar hatte der Dunkelhaarige immer noch ein schlechtes Gewissen, doch nickte er nur und rappelte sich ebenfalls auf, um seine Sachen daraufhin aufzusammeln und Lance zurück zum Fahrrad zu folgen, das die beiden an einen Baum in der Nähe angeschlossen hatten.

Sie fuhren den Weg zurück, den sie gekommen waren, Keith auf dem Gepäckträger sitzend, immer in der Hoffnung, dass das Gefährt unter ihm nicht zusammenbrechen würde, die Arme um Lance geschlungen, um ja nicht herunter zu fallen.

Wieder durchquerten sie die Straßen in Lance' Nachbarschaft im Schein des Mondes und Keith versicherte dem Tänzer, dass er den Weg zum Bus alleine würde finden können und es kein Problem war, wenn Lance direkt nach Hause fuhr.

Somit stoppten sie nach circa zehn Minuten vor dem Hause der McClains, in dem nur noch vereinzelt ein paar Lichter brannten, und stiegen vom Rad.

"Okay", setzte Keith an und schob die Finger seiner rechten Hand unter seinen Rucksackgurt, in der linken seine Geige haltend, "Dann ... danke, dass du nicht die Nerven mit mir verloren hast."

Lance grinste.

"Wahrscheinlich habe ich sie schon längst verloren, weshalb keine mehr zum Verlieren übrig waren", er zuckte mit den Schultern, "Aber gerne."

Der Schwarzhaarige nickte und wusste nicht wirklich, wo er hinsehen sollte, doch bevor er die Situation noch unangenehmer machen konnte, beugte Lance sich über das Fahrrad hinweg zu ihm hinüber und umarmte ihn.

Zuerst versteifte er sich etwas überrumpelt, doch erwiderte dann zögerlich die Umarmung. Er konnte das Lächeln des Braunhaarigen an seiner Seite spüren und musste selber leicht schmunzeln.

"Daran müssen wir definitiv noch arbeiten", murmelte Lance dennoch und entlockte Keith ein leises Schnauben, "Du bist echt nicht der Typ für Umarmungen, oder?"

Der Musiker hob leicht die Schultern.

"Vielleicht."

Der Tänzer grinste leise vor sich hin, bevor sie sich wieder voneinander lösten und er dem anderen leicht auf die Schulter klopfte.

"Tja, da du die nächsten zwei Monate noch mit mir zu tun haben wirst, wirst du dich an Umarmungen und Körperkontakt gewöhnen müssen", er zwinkerte, "Da bin ich nämlich Spezialist drin."

Keiths Mundwinkel zuckten amüsiert, doch bevor er etwas erwidern konnte, ertönte ein Zischen über ihnen aus dem Haus:

"Lance was zum Teufel macht ihr noch da?"

Es war Marco, der sich in einem übergroßen T-Shirt aus einem Fenster im ersten Stock lehnte.

"Und was ist bitte mit deinem Haar passiert?", wandte er sich an Keith, der sich verdutzt durch die dunklen Haarsträhnen fuhr, die anscheinend kreuz und quer von seinem Kopf abstanden.

Das Augenverdrehen des Fünfzehnjährigen hätte man auch bei kompletter Finsternis durch ganz Sydney sehen können.

"Sagt mir nicht, dass ihr vor der Haustür meines Heimes rumknutscht! Ich will mir meine Unschuld noch behalten!"

"Was- Marc!", zischte Lance zurück, dessen Gesicht im fahlen Licht des Mondes nun weitaus dunkler schien, als zuvor, "Wir sind gerade erst angekommen und haben uns voneinander verabschiedet!"

"Was auch immer", wisperte der Junge nicht wirklich leise zurück, "Ich will es um ehrlich zu sein gar nicht wissen.
Ich wollte nur sagen, dass Mama deinen unsauberen Haufen an Bettwäsche in deinem Schlafgemach gefunden hat.
Den Haufen, den du zu faul warst, in die Waschmaschine zu werfen.
Ich wünsche dir viel Spaß mit ihrem Vortrag."

Mit dieser düsteren Ankündigung schloss Marco das Fenster wieder und Lance fluchte leise.

"Um ehrlich zu sein, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob du dir wirklich den Weg zum Bus gemerkt hast", meinte er und drehte sich wieder zu Keith um, "Vielleicht sollte ich dich doch noch begleiten."

Doch der Violinist lachte nur leise und schob Lance in Richtung Hauseingang.

"Du wirst dich doch wohl deiner Mutter stellen können?", fragte er und drückte, ehe Lance protestieren konnte auf die Klingel.

"Keith!", zischte der Braunhaarige, sauer und alarmiert zugleich, "das konnte man im ganzen Haus hören, es ist schon fast verdammt Mitternacht, Rachel sollte schlafen!"

Doch Keith war schon wieder auf dem Gehweg und winkte ein letztes Mal grinsend, ehe er hinter dem Briefkasten untertauchte, sodass er nicht sichtbar war, als auch schon die Tür aufgerissen wurde und mühsam leise gehaltenes - war das Spanisch? - auf den Tänzer einprasselte.

Die Haustür schloss sich wenige Augenblicke darauf und Keith empfand die Luft als rein genug, um sich auf den Weg zur Busstation aufzumachen.

Kurz bevor er aussteigen musste, begannen dann, die wütenden Nachrichten des Tänzers auf ihn einzuhageln.

Doch Keith schrieb nur mit einem Grinsen zurück, dass nicht er derjenige gewesen war, der die Wäsche nicht in die Waschmaschine gestopft hatte und das Klingeln dafür gewesen war, dass sein Haar wieder so unordentlich ausgesehen hatte.

Daraufhin begann Lance nur wieder, etwas von Läusen zu erzählen, sodass Keith selbst, als er die Wohnungstür seiner Großeltern aufschloss, kopfschüttelnd am Lächeln war.

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