10. 90 Days

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Lance und Hunk saßen auf der langen Bank, die sich die ganze Hafenpromenade in den Rocks entlangzog. Jeder sein Mittagessen vor sich - in Lance' Fall ein großer Salat mit Hühnchen und von Veronica kreierte Energie-Riegel - hielten sie die Gesichter in die Sonne, sobald diese hinter den Wolken auftauchte.

Heute war es milder als die Tage zuvor, ein leichter Wind wehte vom Ozean aus in die Stadt hinein und für den Abend war sogar leichter Regen angesagt worden- der erste seit fast drei Wochen. Es war ein besonders trockenes Jahr.

Kauend betrachtete Lance die Stelle der Promenade, an der Keith sonst oft stand, direkt vor dem Museum of Contemporary Art. Ohne den Violinisten erschien ihm der Ort leer und irgendwie seelenlos, obwohl er ihm vorher nie besonders aufgefallen war. Es war lediglich ein Teil der Promenade gewesen, an dem man bei einem Spaziergang vorbeilief, nichts Besonderes.
Doch seit er Keith kennengelernt hatte, hatte er diese Stelle der Rocks immer mit dem Musiker verbunden.
Zwar hatte dieser erzählt, dass er auch in Flughäfen und Metrostationen gespielt hatte, doch da hatte Lance ihn bisher noch nie gesehen.
Dadurch wurde diese Stelle hier sozusagen für Lance die Bühne von Keiths Künsten auf der E-Geige.

"Vermisst du deinen Geigenspieler?", fragte Hunk kauend und grinste ihn von der Seite an.

"Er ist nicht mein Geigenspieler", erwiderte Lance sofort, doch der andere lachte nur.

"Weißt du, Pidge ist schon ganz beleidigt, dass du ihr als einzige von uns nichts über ihn erzählt hast", merkte er dann an und nahm einen Bissen von seinem prächtig gefüllten Wrap.

"Stimmt, wir haben in letzter Zeit kaum geschrieben", gab Lance zu und stocherte nachdenklich in seinem Salat, "Ich habe sie auch echt lange nicht mehr gesehen."

Hunk schluckte und meinte daraufhin mit ernster Miene:

"Das liegt daran, dass du in letzter Zeit immer mehr gearbeitet hast, Lance.
Seit dieses Projekt angefangen hat, bist du so gut wie jeden Abend und oft auch am Wochenende damit beschäftigt.
Zusätzlich zu deinem normalen Unterricht das auch noch- bist du dir sicher, dass dein Körper das aushält?"

Es war Hunk ähnlich, sich Sorgen zu machen, das war in ihrer Freundesgruppe fast schon sein Job.
Immerhin hatten vor allem Allura und Romelle ab und zu Verletzungen vom Tanzen, Lance stürzte sich oft ohne nachzudenken in Rettungsaktionen von Katzen, die er von Bäumen holen musste, und bei Pidge wusste man nie, was sie als Nächstes hacken würde, bloß um zu schauen, ob sie's konnte, und dann irgendwann vielleicht sogar angezeigt zu werden.

"Ich bin okay, bis jetzt habe ich, wenn, dann leichten Muskelkater und Überdehnungen, aber das ist normal", versicherte Lance, also seinem besten Freund. "Das Projekt ist etwas Besonderes.
Außerdem ist in zwei Monaten sowieso alles wieder vorbei."

"Stimmt", Hunk nickte und fragte dann, "Weißt du eigentlich schon, wann die danach alle abreisen?
Ich meine, Keith fliegt doch dann auch zurück nach Tokio, oder? Und was passiert mit dem Rest? Coran kann doch unmöglich so viel Mühe in das Ganze hineinstecken und es danach ins Leere laufen lassen."

Da hatte er Recht, dachte Lance und seufzte.

"Um ehrlich zu sein, will ich eigentlich gar nicht an das Danach denken", murmelte er und spießte ein Stück Hühnchen auf, „Das Jetzt gefällt mir gerade ganz gut."

Er spürte den Blick von Hunk auf sich, der schon nach erneuter Besorgnis zu schreien schien.

"Du sagts ihm aber schon noch was, bevor das alles endet, oder?", wollte sein Freund wissen und Lance seufzte.

"Von was denn?"

"Naja", Hunk schmunzelte, "Dass du offensichtlicher Weise Gefühle für ihn entwickelst."

Anstatt etwas über diese romantische Ausdrucksweise zu sagen, schob der Tänzer sich das Hühnchenstück in den Mund.

Entwickelte er Gefühle für Keith?

Vorher hätte er möglicher Weise noch mit "vielleicht" auf diese Frage geantwortet, doch spätestens seit dem Grillabend mit seiner Familie konnte er sie nur noch bejahen. Wahrscheinlich war es schon vorher geschehen, vielleicht auch schon am Tag ihres Kennenlernens und er hatte es erst später realisiert, doch die Tatsache konnte er beim besten Willen nicht mehr abstreiten.

Aber waren es wirklich richtige Gefühle oder nur eine Schwärmerei?

"Wie bitte?", fragte Hunk und Lance erkannte, dass er seine letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte.

"Ich- Ich habe mich gefragt, ob es wirklich richtige Gefühle sind", wiederholte er also leise mit dem Wissen, dass Hunk eine der Personen war, die ernsthaft über so eine Frage nachdenken würden.

"Wie meinst du das?"

"Ich meine", begann Lance also und sah auf, "Wann genau weiß man das denn? Und wann sagt man eher, dass es sowas wie ... verknallt sein ist? Eine Schwärmerei?" Er war Richtung Ende seiner Frage immer leiser geworden und sah seinen besten Freund fast schon hilflos an.
"Oder gibt es da keinen Unterschied?"

Sein Gegenüber lächelte, leichtes Erstaunen in seinen Augen schimmernd.

"Okay, also, wenn du das fragst, Loverboy Lance", meinte er, "dann muss es dich echt erwischt haben.
Ach komm schon", meinte er auf Lance' hochgezogene Augenbraue hin, "Du hattest bisher doppelt so viele Beziehungen wie ich und mehr noch als Allura, was man bei ihrem Aussehen erst schaffen muss.
Du bist der erste von uns allen, wenn es darum geht, jemand hübschen anzuflirten, also sag jetzt nicht, dass du Aufmerksamkeit dieser Art nicht magst."

Dagegen konnte Lance nun tatsächlich nichts mehr sagen, also beließ er es dabei.

Seine Frage hatte jedoch anscheinend Hunks Neugierde erregt, da dieser fragte:

"Wann ist er dir denn das erste Mal aufgefallen? Also nicht nur vom Aussehen her oder so, sondern mehr von seinen Taten her."

"Hm, also, abgesehen von dem Mal, wo wir ihn beide haben spielen sehen, würde ich sagen, bei dem großen Treffen am gleichen Tag.", erzählte Lance also, ohne wirklich zu wissen, worauf Hunk mit dem Ganzen hinauswollte, "Es ging darum, was ich tragen würde. Axca sagte, dass sie an etwas hautfarbenes gedacht hatte. Und, als ich also darauf antwortete, dass ich dann ja genauso gut nackt tanzen könnte, meinte Keith, dass sie das alle gerne sehen würden."

Er lachte bei Hunks Gesichtsausdruck auf, der ganz deutlich sagte: Also, ich nicht!

"Offensichtlicher Weise war es nicht ernst gemeint oder so, aber ich habe für einen Moment kurz überlegt, was er getan hätte, hätte ich gesagt, dass ich ihm vor der Tür einen Vorgeschmack geben könnte."

Ungläubig begann Hunk neben ihm zu prusten und schenkte ihm einen seiner "Dein Ernst?"-Blicke, mit denen er ihn immer bombardierte, wenn Lance etwas fragwürdiges tat.

"Dir ist klar, dass man das nur unglaublich falsch verstehen kann?", wollte sein Freund wissen und Lance lachte leicht verschämt.

"Ich habe es ja nicht ausgesprochen", erklärte er, "Es war nur einer dieser Gedanken, die wie ein kleiner Blitz durch dein Hirn flitzen."

Trotz des offenen Zweifels in Hunks Gesicht bedeutete dieser ihm, fortzufahren.

"Danach nochmal am selben Tag, als er über eine halbe Stunde darauf gewartet hat, dass ich aus der Academy rauskomme", erzählte Lance also weiter, "Er hat es zwar abgestritten, aber seine Ausreden waren so schlecht, dass es mehr als offensichtlich gewesen war. Ich war ziemlich verwundert, vor allem, weil bei unserer Probe nicht wirklich alles glatt lief, aber irgendwie war es auch voll süß."

Hunk nickte, nun ein sanftes Lächeln im Gesicht.

"Und in wie weit hat sich dein Eindruck von ihm in den letzten Wochen geändert?", wollte er dann wissen, "Denn, vor allem am Anfang bleiben Gefühle ja nicht immer gleich."

"Ich weiß nicht", überlegte Lance, "Ich meine- ich habe ihn einfach näher kennen gelernt und, ja, mehr kann ich nicht wirklich dazu sagen."

Er zuckte fast schon zaghaft mit den Schultern.

"Ich mag ihn einfach."

"Hm", machte Hunk, der die Rolle des Gefühlstherapeuten zu mögen schien. "Meinst du", fragte er dann vorsichtig und musterte Lance kurz, "ich kann ihn mal kennen lernen? Dann könnte ich so ein bisschen sehen, was für ein Typ Mensch er ist und wie ihr miteinander umgeht, das würde mir bisschen helfen, die Situation besser zu verstehen."

Der Tänzer überlegte kurz, doch nickte dann.

"Warum nicht? Solange er nichts dagegen hat, stell ich euch gerne vor. Aber du musst mir eins versprechen."

"Was denn?"

"Umarme ihn zur Begrüßung, das bringt ihn durcheinander."

---

Es war in etwa halb acht Uhr abends, als Lance und Hunk sich im Kittyhawk auf ihre Stühle setzten, zwei von dreien, die um einen kleinen hohen Tisch gestellt worden waren.

Sie hatten sich bewusst gegen einen Platz an der Bar entschieden, da es dort immer sehr rege zuging und man sich zwar gut unterhalten konnte, jedoch nie wusste, wer sich als nächstes in ihr Gespräch einklinken würde.
Somit befanden sie sich in dem Teil der Cocktailbar in dem hauptsächlich Berufstätige ihren Feierabend ausklingen ließen, kleine Grüppchen um die hohen Tischchen bildend, auf denen gerade mal ihre Getränke Platz hatten.
Es war ein angenehmer Ort des Lokals, Stimmengewirr erfüllte die Luft zusammen mit dem Klappern von Besteck und Geschirr, und regelmäßig ertönte Gelächter aus den verschiedensten Ecken, das zeigte, dass so ziemlich alle hier ihre Zeit genossen.

Es war erstaunlich einfach gewesen, ein gemeinsames Treffen zu organisieren, da Keith nicht viel dagegen zu haben schien, Lance' besten Freund kennen zu lernen, und sowohl der angehende Koch, als auch der Musiker beide noch heute Abend Zeit hatten, sodass Lance nur noch eine geeignete Bar hatte auswählen müssen.

Schon ein paar Mal war er hier im Kittyhawks gewesen, vor allem mit Pidge, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle Getränke zu probieren, die es auf der Speisekarte gab, was eine ziemliche Herausforderung war, da die Speisekarte sehr lang und sie dazu geneigt war, Getränke zu bestellen, die sie schon probiert und die ihr gut gefallen hatten.

"Hast du dich schick gemacht?", fragte Hunk und deutete auf Lance' weißes Hemd und seine sandfarbenen Hosen, die er aus den Tiefen seines Kleiderschranks gekramt hatte.

Der Tänzer grinste schräg.

"Naja, irgendwie kann man nicht in kurzen Shorts und Tanktop hierherkommen", meinte er und deutete damit auf seine Kleidungswahl des Tages hin. Hunk nickte, denn Lance hatte schon Recht. Die meisten Leute hier trugen noch ihre Businesskleidung, Jacketts waren über Rückenlehnen gehängt worden und Absatzschuhe klackerten manchmal über den Boden. Auch die Gäste, die so aussahen, als wären sie vorher noch zu Hause gewesen, trugen eher elegantere Kleidung, nicht wirklich pompös, dennoch mit Stil.

Hunk hatte seine Kleidung des Tages angelassen - ein graues T-Shirt und seine khakifarbene Hose - wahrscheinlich war er gerade erst aus der Arbeit gekommen, da ein leichter Duft nach Kräutern und Nudeln von ihm ausging.

Ein leises Seufzen entkam dem angehenden Koch und er zog die Speisekarte zu sich.

"Du weißt ja, dass ich meinen Job liebe", meinte er erschöpft zu Lance, "Aber manchmal ist selbst für mich der Stress der Küche zu viel."

Lance nickte verstehend und beugte sich ebenfalls vor, um einen Blick auf die Karte zu werfen, was ihm nicht viel brachte, da er kein großes Genie im Auf-dem-Kopf-lesen war.

Doch ehe er sich wirklich beschweren, oder auf Hunks Seite rutschen konnte, legte sich eine Hand auf seine Schulter und noch bevor er sich umdrehte, konnte er Keiths Präsenz hinter sich spüren. Dieser begrüßte ihn mit einem kleinen Lächeln, als der Tänzer sich umgedreht hatte, und seine Miene wich einem nervös-verlegenen Gesichtsausdruck, als Lance ihn zur Begrüßung in die Arme schloss.

"Ja, ähm, hi", murmelte Keith mit einem kleinen Lachen und legte seine Arme vorsichtig ebenfalls um Lance, der zufrieden grinste und den Violinisten dann losließ, um sich an Hunk zu wenden, der die Szene amüsiert beobachtete hatte.

"Hunk, darf ich vorstellen, das ist Keith. Keith, das ist Hunk, mein bester Freund und der großartigste Koch in ganz Sydney", machte Lance die beiden miteinander bekannt und Keith hielt dem jungen Mann höflich seine Hand hin, die dieser nahm, jedoch bloß, um ihn in eine seiner festen Umarmungen zu ziehen.

Der Tänzer lachte zufrieden über Keiths Gesichtsausdruck, der nicht zu wissen schien, was er denken sollte, jedoch zögerlich den Größeren zurückumarmte.

"Umarmungen tun der Seele gut", sagte Hunk, als die beiden sich lösten, "und machen die Stimmung etwas lockerer." Er schenkte dem Schwarzhaarigen eines seiner breiten Sonnenschein-Lächeln, das dieser warm erwiderte. "Außerdem hat Lance mir gesagt, dass ich dich umarmen soll", fügte Hunk hinzu und Keith drehte sich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht zum Braunhaarigen.

Lance zuckte grinsend mit den Achseln.

"Wir müssen dich doch an Umarmungen von anderen gewöhnen", meinte er.

Keith zog leicht die Augenbrauen zusammen.

"Das klingt, als wäre ich ein Hund und du würdest mich umerziehen wollen", bemerkte er düster und setzte sich auf den Stuhl, der bisher noch frei danebengestanden hatte.

Da Lance nicht wirklich wusste, was er darauf erwidern sollte, und nur lauter „Ähh"s aus seinem Mund kamen, zusammen mit einem beschämten Lachen, schüttelte Keith mit einem Schnaubend den Kopf, ein leichtes Lächeln nun an seinem Mundwinkel zuckend.

"Kannst du etwas empfehlen?", fragte er dann Hunk und Lance musste zugeben, dass er sich leicht links liegen gelassen fühlte.

Während der braungebrannte Koch also Keith beriet und sie darüber debattierten, ob Whiskey oder Wodka besser waren, betrachtete Lance den Musiker von der Seite.
Heute hatte Keith seine sonst zerrissenen Jeans gegen unbeschädigte getauscht, die Ärmel seines schwarzen Hemdes waren, wie bei Lance, hochgekrempelt. Die oberen zwei Knöpfe an seinem Kragen waren nicht zugeknöpft, was ihm ein recht lässiges Aussehen verlieh, und Lance versuchte, nicht zu sehr auf den Ansatz seiner Schlüsselbeine zu starren.

"Aber Rum ist auch gut", gab Hunk gerade zu und Keith nickte zustimmend.

"Was magst du am liebsten, Lance?", fragte der Violinist und wandte sich Lance zu, seine Augen im dämmrigen Licht der Bar von einem leichten Glitzern erfüllt.

"Gin", antwortete der Tänzer, "Cocktails allgemein. Die sind oft bei weitem süßer und sehen auch noch gut aus. Ansonsten Wein. Bier ist auch okay."

Keith nickte.

"Mein Vater liebt Wein", erzählte er mit einem nostalgischen Schmunzeln, "Einmal hat er uns alle zu einer Weinverkostung geschleppt, als wir alt genug waren.
Meine Mutter hatte bisschen zu viel und Shiro - mein Bruder - mag Wein nicht so, weshalb er sich ziemlich gelangweilt hat." Er lachte bei der Erinnerung leise in sich hinein.

"Und, wie fandest du den Wein?", fragte Lance.

"Ganz gut", antwortete Keith mit einem kleinen Lächeln und stützte die Unterarme am Rand des Tisches ab, die Finger gefaltet.

Hunk, der still zwischen den beiden hin und her gesehen hatte, räusperte sich leicht und verkündete dann:

"Ich glaube, ich werde den Scotch Blend nehmen."

Der Kellner, der gerade vorbeigekommen war, drehte sich wieder um zu ihnen und zückte seinen Notizblock, seine Hand zur Stabilisierung unter den Papierstapel legend.

"On the Rocks?", fragte er und Hunk nickte.

"Natürlich."

Der Kellner nickte mit einer Miene, die zeigte, dass er Hunks Wahl für sehr gelungen hielt.

"Die Herren?", wandte er sich dann an Keith und Lance, ersterer schon die Karte wieder zu sich ziehend.

"Einen Bloody Mary bitte", bestellte er und Lance verkniff sich ein Lachen.

"Wegen dem Tomatensaft?", konnte er nicht umhin, amüsiert zu fragen und zog ungläubig die Augenbrauen hoch.

"Natürlich wegen dem Tomatensaft", antwortete Keith schlicht und sein Grinsen schien wie ein Pfeil direkt in Lance' Herz zu treffen.

Er konnte sich gerade noch davon abhalten, an die Stelle zu greifen und spähte stattdessen nun seinerseits auf die Karte, während der Kellner sich schmunzelnd Keiths Wunsch notierte.

"Ich glaube, dann nehme ich einen Gin Gin Mule", entschied er sich letztendlich und der Kellner nickte, auf seinen Block kritzelnd.

"Noch ein Canapé vielleicht?", fragte er, "So auf den leeren Magen ist Alkohol keine so gute Idee."

Da mussten sie alle zustimmen und der Mann wartete geduldig, bis sie sich alle jeweils für eine Kleinigkeit zu Essen entschieden hatten.

Mit den Worten, dass ihre Bestellung in ungefähr zehn Minuten kommen sollte, verschwand er wieder in der Menge.

"Darfst du als Tänzer überhaupt trinken?", fragte Keith neugierig, nachdem er seinen Blick kurz über die Menschen um sie herum hatte schweifen lassen, und sah Lance an, der mit den Schultern zuckte.

"Sagen wir so", erklärte der Tänzer, "Alkohol wirkt sich schon am nächsten Tag ein wenig auf dein Tanzen aus, aber, solange du dich jetzt nicht kopflos betrinkst und es auch nicht oft tust, sehen die wenigsten ein Problem damit.
Vor allem Wein und ein paar Biere können in bestimmten Mengen sogar gut für uns sein.
Und, da keiner es mir offiziell verboten hat-"
Er grinste.

"Es wird schon nichts passieren", schloss er und Keith nahm seine Worte mit einem Nicken zur Kenntnis.

"Also", begann Hunk und rückte ein wenig auf seinem Stuhl herum, bis er auf seinen Händen saß, die er unter seine Beine geschoben hatte, und beugte sich leicht vor, "vielleicht ist es etwas Offensichtliches, das ich übersehen habe, aber was ist mit Tomatensaft?"

Lance und Keith warfen sich einen grinsenden Blick zu, ehe sie begannen, dem Dritten im Bunde die Sache mit dem Tomatensaft etwas näher zu erklären.

---

Der Abend verlief angenehm.

Lance freute sich, wie gut Keith sich mit Hunk verstand, obwohl es ihn andererseits auch nicht sehr wunderte- wer mochte Hunk schließlich nicht?

Es war lustig zu beobachten, wie Keith immer leicht den Mund offen hatte, wenn er jemandem konzentriert zuhörte, wie er unbewusst an seine Knie fasste, um dann zu bemerken, dass dort keine Löcher mehr waren, an deren Rändern er mit ein paar Stoffasern spielen konnte.

Keith war jemand, der ein Getränk in Schüben trank, das hatte Lance auch beim Pasta Essen bemerkt.
Er trank nicht immer wieder ein Schlückchen, sondern schien viel eher für eine gewisse Zeit zu vergessen, dass er etwas vor sich stehen hatte.
Dass er ebenfalls einen Drink vor sich hatte, fiel ihm oft erst auf, wenn Hunk zu seinem Glas griff, auch wenn dieser von derselben Sorte war und meist erst kurz vor dem Gehen die restliche Hälfte seines Getränks hinunterkippte.

Auch, wenn Lance sich zu Beginn manchmal etwas abseits gefühlt hatte, wenn die beiden sich unterhalten hatten, war das Gefühl schnell wieder verschwunden.
Außerdem geschah es nicht weniger häufig, dass Keith sich an ihn wandte und Hunk etwas einsam daneben saß.
Oder, dass Lance und Hunk in Kindheitserinnerungen schwelgten und dem Schwarzhaarigen von ihren Abenteuern erzählten.
Der schien sich zwar sichtlich zu amüsieren, aber dennoch konnte man ihm ansehen, dass es in ihm ein Gefühl der Fremde auslöse, wenn er zwei Personen gegenübersaß, die sich beinahe schon in und auswendig kannten.

Hunk war ganz begeistert gewesen, als er erfahren hatte, dass Keiths Großeltern eines der besten Sushi Restaurants Tokios führten und sein Opa alte Familienrezepte von dessen Vater immer noch anwandte.
Keith hatte dem jungen Koch versprochen, nachzuforschen, ob eine Art Praktikum im Sushi-Machen möglich wäre, zu organisieren, und während er also Hunks Handynummer in sein Telefon einspeicherte, formte der Größere ein "Ich liebe ihn" über den Kopf des Schwarzhaarigen hinweg zu Lance, der leise lachen musste.

Hunk erzählte, dass Pidge und er ebenfalls vorhatten, zur dritten Vorstellung zu kommen.

Daraufhin mussten sie Keith natürlich erst erklären, wer Pidge genau war.

"Stell sie dir als klein, lustig und gefährlich schlau vor", meinte Lance und Hunk lachte.

"Das lässt du sie besser nicht hören", warnte er, "Vor allem den Teil mit dem klein sein." Er warf Lance einen bedeutungsschweren Blick zu. "Pidge ist erst letztes Jahr mit der Schule fertig geworden", erzählte er dann Keith, "Du weißt gar nicht, wie anstrengend es war, sie über Physik auszufragen, wenn du doch froh darüber warst, nie wieder etwas davon hören zu müssen.
Sie hat mir einmal gesagt, dass sie freiwillig nochmal die Oberstufe durchlaufen würde, wenn es sicherstellen würde, dass sie in einem Jahr ohne Schule nicht so dumm wird, wie ich es geworden bin."

Er lächelte bei der Erinnerung, während Lance sich sichtlich amüsiert ins Fäustchen lachte.

"Immerhin hat sie gesagt, dass ich zumindest nicht so dämlich wie Lance hier geworden bin", fügte Hunk hinzu und war nun selber an der Reihe mit Lachen, während Lance abrupt damit aufgehört hatte.

"Vielleicht ist es doch gut, dass ich sie so lange nicht mehr gesehen habe", überlegte der Tänzer, "Für sie ist es das auf jeden Fall."

"Also, ja", fuhr Hunk fort, "Sie ist echt gefährlich eigentlich. Auch, wenn Allura schlimmer ist, wenn sie sauer ist."

"Oh Gott, jaa", stöhnte Lance und vergrub sein Gesicht in den Händen, "Allura, wenn sie wütend ist- da kannst du dich nicht entscheiden, ob du vor Angst in die Knie gehen und ihre Füße küssen oder wegrennen willst."

Er warf Keith einen wehleidigen Blick zu, dessen Mundwinkel zuckten, während er zurückblickte.

"Genau", stimmte Hunk ihm mit einem ernsten Nicken zu, "bei Pidge ist das Problem, dass du nicht weißt, ob du wegrennen, oder dich über sie lustig machen sollst."

"Ja, ich bin immer kurz davor, in Lachen auszubrechen, weil ich sie, wenn sie sauer ist, nicht ernst nehmen kann", Lance zog eine Grimasse. "Einmal, das weiß ich noch, hab ich gelacht.
Mein Allerwertester sah am nächsten Tag nicht gut aus, sag ich dir." Er schüttelte klagend den Kopf. "Wer hätte gedacht, dass ein Fuß so hart sein kann?"

Er zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen, als Keith, der sich anscheinend nicht mehr halten konnte, leise zu kichern anfing, die Hand vor den Mund gehalten und die Haut um seine Augen herum sich vor Freude kräuselnd.

Hunk, der einen großen Schluck von seinem Whiskey, genommen und sein Glas damit vollends gelehrt hatte, stellte es auf dem Tisch in ihrer Mitte ab und streckte sich kurz seufzend, ehe er aufstand.

"Bin kurz für kleine Köche, gleich wieder da", informierte er die beiden, ehe er in der Menge verschwand, die Toiletten suchend.

""Für kleine Köche"?", echote Keith ungläubig, kurz davor, erneut zu lachen.

Lance grinste.

"Er hat ein ganzes Repertoire von solchen Sprüchen", erzählte er, sich leicht über den Tisch hinweg vorlehnend, als würde er ein Geheimnis weitererzählen.
"Was mir noch am besten gefällt, ist „Für nicht so kleine Singles"", er giggelte leise in sich hinein, "Da ist er nicht mehr so nüchtern gewesen und Gespräche um drei in der Nacht können schon etwas ... unter die Gürtellinie gehen."

Keith schnaubte und grinste.

"Was hätte ich auch anderes bei einem deiner Freunde erwarten sollen?"

"Was soll das denn heißen?", wollte Lance wissen, doch der Dunkelhaarige grinste nur breiter.

"Socken", war alles, was er sagte.

Lance lachte und schüttelte seinen Kopf.

"Das wirst du nie ruhen lassen, oder?"

"Nie", versprach der Violinist und auch, wenn es dazu gedacht war, ihn zu ärgern, ging Lance' Herz dabei ein wenig auf.

Er wusste nicht, ob es am Alkohol lag, oder, ob er heute besonders lustig war, doch hatte er das Gefühl, Keith würde mehr lachen, als sonst.
Denn, wenn er ehrlich sein musste, schien Keith nicht wie eine Person, die oft lachte.

Am Tag ihres Kennenlernens hatte Keith so gut wie nie gelächelt, vielmehr hatten sie sich gegenseitig auf die Schippe genommen und gestritten.
Doch schon bei ihrer zweiten Probe hatte der Violinist schallend gelacht, so schallend-

Wie er es seitdem nicht mehr getan hatte.

Es war schon merkwürdig, dass er dennoch so viel zu lächeln schien, überlegte Lance, vor allem, wenn sie sich unterhielten.
Als Keith mit Hunk geredet hatte, hatte viel mehr ein interessiert-neutraler Ausdruck sein Gesicht geziert.

Es musste also an Lance liegen.

"Bin ich heute lustiger als sonst?", fragte er also und Keith sah erstaunt von seinem Glas auf, das er wie in Trance beobachtet hatte.

"Was lässt dich das denken?"

"Du lachst irgendwie öfter. Und lächeln tust du auch", stellte Lance klar und Keith schnaubte.

"Ist das so selten?", fragte er ungläubig und der Braunhaarige zuckte mit den Schultern.

"Es ist mir aufgefallen", meinte er und erneut stahl sich ein schräges Lächeln auf Keiths Gesicht.

Er schien kurz zu überlegen, eine Hand auf seinem Knie, an dem immer noch keine Löcher waren, während die andere sein Glas hielt und sein Zeigefinger leise dagegen klopfte.

"Ich glaube, es ist eine Mischung aus beiden", meinte er dann und auf Lance' verwirrten Blick hin, erläuterte er seine Worte näher, "Alkohol macht mich meistens selbst in sehr kleinen Mengen bisschen ... lockerer würde ich sagen. Da findet man Sachen schneller lustig."

"Heißt, eigentlich bin ich nicht gut?", wollte Lance wissen und erneut huschte ein kleines Lächeln über Keiths Lippen, die übrigens toll heute aussahen, waren sie an anderen Tagen auch so hübsch?

"Nein, ganz im Gegenteil eigentlich", meinte er und drehte sich mehr zum Tisch, um sein Glas nun mit beiden Händen zu umfassen, "Du bringst mich so oft zu lachen, wie es selten Leute schaffen."

Er fuhr mit seinem Zeigefinger leicht an der Schale der Zitronenscheibe entlang, die den Rand seines Glases zierte.

"Ich weiß nicht, ob es wirklich Witze sind, oder vielmehr du selber", fuhr er fort und Lance gab einen beleidigten Laut von sich.

"Heißt, ich bin eigentlich eine Witzfigur an sich oder wie?", wollte er wissen und Keith lachte beschwichtigend auf, die Hände hebend, als würde er zeigen wollen, dass er nichts Böses wollte.

"Nein, das mein ich nicht", stellte er klar und schien kurz zu überlegen, wie er es erklären sollte, ohne, dass der Tänzer schmollen würde, "Es ist wie mit kleinen Hundewelpen, weißt du? Wenn du einen Hundewelpen auf dem Schoß hast, bist du doch auch immer am Grinsen!"

"Ich bin also ein Hundewelpe?" Lance wusste nicht ganz, ob er die Arme verschränken, oder lachen sollte.

"Ja- Nein-", Keith schien nach etwas zu suchen, das besser als Metapher passte.
"Wie die Sonne!", rief er dann fast schon aus, glücklich, das Passende gefunden zu haben, und drehte sich wieder mehr Lance zu, um seine Erklärung glaubhafter erscheinen zu lassen.

"Du bist, wie eine Sonne! Alleine wenn ich dich sehe, hab ich das Gefühl, lächeln zu müssen", erklärte er und schüttelte dann über sich selber den Kopf.
"Eigentlich passt der Vergleich auch nicht, weil du mich auch manchmal so aufregen kannst, dass ich dich am liebsten kopfüber in eine Mülltonne stopfen könnte", murmelte er, doch Lance winkte ab.

"Das können wir mal vergessen", meinte er, ein Lächeln sich auf seine Lippen bahnend, auch, wenn er selber zu gerne manchmal schauen würde, in welchen Müll man Keith würde werfen müssen, "Sonne gefällt mir ganz gut."

Ein leises Lächeln huschte über das Gesicht des Musikers und kurz sprach sogar etwas Verlegenheit, ja sogar etwas Schüchternes aus seiner Haltung, doch da richtete er sich schon wieder auf und schenkte etwas hinter Lance seine Aufmerksamkeit.

"Da kommt er wieder", kündigte er Hunks Rückkehr an, der auch schon wenige Sekunden später wieder bei ihnen angekommen war, mit den nassen Händen leicht in der Luft herumwedelnd.

"Unglaublich voll da drinnen", meinte er uns setzte sich wieder zu ihnen an den Tisch.

Da sie alle wieder pünktlich zu Unterrichtsstunden, Proben oder zur Arbeit mussten, blieben sie auch nicht mehr lange.
Jeder bezahlte sein Getränk und sein Canapé und bald standen sie draußen vor dem Kittyhawks, aus dem die Geräusche des Pubs auf den Gehweg drangen.
Auch hier vor dem Eingang waren einige Leute, Gläser in Händen und in ihre Gespräche vertieft, ebenfalls meist Businessmen und -women, die sich mit ihren Kollegen und Kolleginnen über den neuesten Tratsch der Abteilung unterhielten.

Die Drei schlugen den Weg zur nahegelegensten Busstation ein.

Es war schon dunkel geworden, die Hochhäuser um sie herum ließen sie sich noch kleiner fühlen und trotz der angenehmen Wärme einer Sommernacht hatten die Straßen etwas an sich, das Lance dazu brachte, möglichst schnell auf anderes Gelände zu wollen.

Bald kamen sie da auch hin, da ein Park gleich in der Nähe war, derselbe Park, in dem Keith regelmäßig mit seinen Freunden aus dem Orchester Probepausen verbrachte und im Schatten unter den Bäumen döste. Das Conservatorium of Music musste also gleich in der Nähe sein.

"So", meinte Hunk, bevor die den Park betraten, "Ich muss dann in eine etwas andere Richtung." Er lächelte schräg.

"Aber du-", setzte Lance an, da Hunk eigentlich sogar ziemlich nah an ihm dran wohnte und somit nicht in eine andere Richtung musste, aber der Blick, den sein bester Freund ihm zuwarf, brachte ihn zum Schweigen.

Hunk hatte wohl seine Gründe, sich früher als nötig von ihnen zu trennen.

Mit seinem warmen Sonnenschein-Lächeln umarmte der große Koch Keith, der zwar leicht verlegen dabei aussah, jedoch schon viel besser damit umging.

"Bist ein toller Kerl, Keith", meinte Hunk und drückte ihn noch ein wenig fester, sodass alle Luft aus den Lungen des Musikers gepresst wurde, "Pass in den Proben für mich auf Lance auf, ja?"

Der Schwarzhaarige nickte.

"Es war schön, dich kennen zu lernen", murmelte er und Hunks Lächeln wurde, sofern das überhaupt gehen konnte, noch strahlender.

Sie ließen einander los und auch Lance und Hunk umarmten sich zum Abschied, wobei sie sich gegenseitig auf die Rücken klopften.

"Ciao, Kumpel", verabschiedete sich Lance und Hunk nickte.

Dann trennten die zwei sich ebenfalls voneinander und Hunk lief mit einem Winken und einem letzten "Tschüss!" in die frühe Nacht Sydneys hinein, Keith und Lance alleine lassend.

Die drehten sich zum Park und begannen, durch ihn hindurch zu laufen, in der Hoffnung, an einem Ende auf einen Bus zu treffen.

"Du hast einen guten Geschmack, was Freunde angeht", sagte Keith in die Stille zwischen sie hinein, "Hunk ist echt eine gute Seele."

"Das ist er", bestätigte Lance, der nicht wusste, was er mit seinen Händen machen sollte, da sein Hemd offensichtlicher Weise keine Taschen hatte.
Und, verflucht sei sie, seine Hose hatte vorne nur angedeutete Taschen, wofür auch immer die gut sein sollten. Bisher hatte er es bei keiner Hose erlebt, dass sie keine echten Taschen hatte, normalerweise waren nur Frauenhosen mit so etwas gestraft.

Taschenlos und leicht nervös ließ Lance seine Arme also an seinen Seiten herabhängen, wie sie es sonst auch oft taten, doch dieses Mal fühlte es sich an, als würde er total dämlich damit aussehen.
Vorsichtig schielte er zu Keith rüber, um zu schauen, wie dieser mit der Situation umging.

Doch im Gegensatz zu Lance schien der Violinist ordentliche Hosen anzuhaben, da er fast schon unerträglich lässig seine Hände bis zu den Fingerknöcheln in seine vorderen Jeanstaschen geschoben hatte.

Der Weg, den sie gerade entlangliefen, war unbeleuchtet und die Dunkelheit um sie herum ließ seine bloßen Unterarme heller erscheinen, als sie eigentlich waren (auch, wenn Keith im Vergleich zu Lance schon ziemlich blass war), genauso wie sein Gesicht, das leicht nach oben geneigt war, in dem Versuch, ein paar Sterne zu erkennen.

Doch dunkle Wolken nahmen jede Hoffnung auf eine sternenklare Nacht. Es würde bald regnen.

Keiths dunkles Haar, die genauso dunkeln Augen und Brauen zusammen mit der schwarzen Kleidung und seiner fast schon strahlenden Haut ließen ihn wie eine Person aus einem alten schwarz-weiß Film aussehen- auch, wenn seine Frisur dort ebenfalls nicht passen würde.

Abermals musste Lance sich zwingen, seinen Blick von Keiths Ausschnitt und seinen Schlüsselbeinen zu reißen, da es in ihm ein Gefühl auslöste, als würde der Stoff des schwarzen Hemdes alles und nichts auf einmal bedecken.

Verdammtes Zwei-Knöpfe-offen-lassen!

Verdammte Hosen ohne Taschen!

Lance fluchte innerlich laut vor sich hin, als Keith abermals die Stille zwischen ihnen brach:

"Ist Hunk eigentlich in einer Beziehung?"

"Nein, nicht, dass ich wüsste", antwortete der Tänzer zögerlich und Verwirrung breitete sich in ihm aus.

Mochte Keith Hunk? War es das?

Würde er weitere Treffen organisieren müssen, damit die zwei sich näherkamen?

Leises Grauen erfasste Lance und zog an ihm, sodass er fast zu sehr abgelenkt von seinen Gedanken die nächsten Worte Keiths überhört hätte:

"Ich glaube, er und Shay würden echt gut zusammenpassen."

Kälte schwappte in Lance hinein, doch es war eher eine angenehme Kühle, die die Hitze, die durch das Rattern seiner Zahnräder im Schädel entstanden war, abkühlte und Klarheit verschaffte.

Keith mochte Hunk nicht auf diese Weise.

Keith wollte Hunk mit jemandem verkuppeln.

Bevor es also zu spät für eine angemessene Reaktionsdauer war, fragte Lance:

"Shay? War das nicht die, mit der ich mich unterhalten hatte?"

Der Violinist nickte.

Er hatte schon Recht, musste Lance zugeben, wenn er sich richtig zurückerinnerte, hatte Shay sogar etwas an sich gehabt, das ihn in dem Moment an Hunk erinnert hatte.
Beide teilten die warme Aura der Freundlichkeit und Shay war offen für alles gewesen, genauso wie eine sehr gute Gesprächspartnerin.

"Stimmt", murmelte er nachdenklich, um Keith etwas an seinem Gedankengang teilhaben zu lassen, "Ich glaube, ich versteh, was du meinst."

Ein Grinsen, in dem eine leicht freche Note mitschwang, zierte Keiths Lippen, als er meinte:

"Wir müssen die beiden spätestens nach dem Auftritt einander vorstellen."

Lance nickte, voll und ganz der Meinung des anderen, doch dann fiel ihm etwas ein und die Vorfreude auf das Zusammentreffen der beiden verflog.

"Apropos Projekt und Auftritt und so", setzte er an und merkte, wie Keith ihn von der Seite ansah.
Also drehte er auch seinen Kopf, um dem anderen ins Gesicht sehen zu können, als er fragte:
"wann reist du eigentlich ab? Und- weißt du, was nach dem Auftritt passiert?"

Der Violinist gab einen kleinen Laut von sich und blieb stehen, als hätte er erst jetzt realisiert, dass es das Thema auch zu besprechen gab, doch ging dann schnell wieder weiter.

"Ich- also-", er stockte kurz, "Ich habe um ehrlich zu sein noch gar nicht darüber nachgedacht. Ich weiß auch nicht, wie es um die anderen im Orchester steht.
Flugtickets habe ich jedenfalls noch nicht, deshalb kann es gut sein, dass ich nach dem Auftritt noch etwas bleibe, um ... meinen weiteren Lebensweg zu planen.
Und etwas noch die Zeit zu Hause zu genießen."

Er schwieg kurz und es erstaunte Lance, wie wenig er Tokio als seine Heimat anzusehen schien.

Nachdem er dem Tänzer einen kleinen Seitenblick zugeworfen hatte, fuhr Keith fort.

"Wahrscheinlich wird es eine ziemlich spontane Entscheidung, vieles kann sich schließlich noch durch die Auftritte ändern, ich meine, Coran hat gesagt, dass auch wichtige Leute dabei sein werden, also, vielleicht will mich ja jemand als seinen privaten Geigenspieler haben, was weiß ich", er lachte kurz auf, doch selbst in Lance' Ohren klang es eher etwas traurig und bitter, als fröhlich.
"Aber, weißt du", meinte Keith, die Stimme nun etwas leiser und ruhiger, "Egal, wann ich abfliege, oder, wohin ich gehe, vorher werde ich mich von dir verabschieden."

Die Art wie er es sagte, hatte etwas leicht Resigniertes an sich, als würde er einem unwillkommenen aber unvermeidbaren Schicksal entgegenblicken.

"Also, sofern du willst, natürlich", schob er hinterher und Lance sah ihn ungläubig an.

"Natürlich will ich!", rief er entrüstet und diesmal erschien wieder ein glückliches Lächeln auf Keiths Gesicht und als er sich abwandte, um in den nun nur schwach beleuchteten Park vor ihnen zu sehen, glaubte Lance, einen Hauch von Rosa auf seinen Wangenknochen ausmachen zu können.

"Weißt du, ich habe gehört, dass es nach dem letzten Auftritt am Abend eine sogenannte Afterparty geben soll", erzählte Keith nach einer kleinen Weile.
"Ezor hat anscheinend Coran telefonieren gehört und nachdem sie Axca mit Erdnussbutter-Himbeermarmelade-Sandwiches bestochen hat, hat die es auch bestätigt.
Anscheinend haben sie einen der Probesäle unter dem Opera House dafür reserviert und irgendein Cateringservice wird für das Essen sorgen."

Coran schien wirklich mehr zu tun, als es von außen manchmal aussah, dachte Lance, und so eine Afterparty war sicherlich eine gute Idee.

"Das klingt echt cool!", freute er sich, "Dann kann man als Gruppe das feiern, was man erreicht hat und den Abend schön ausklingen lassen. Ich muss schon sagen, Coran, und auch Axca, wissen, was sie tun."

"Ja, definitiv", nickte Keith und erzählte Lance, dass die junge Komponistin auch manchmal die Proben dirigierte und so gut wie bei jeder dabei war, um auch so ab und zu Tipps zu geben.

"Was man für ein Hirn haben muss", seufzte Lance, "um zu wissen, wie es insgesamt klingen soll, wer was spielt und wie das alles zusammenpassen soll ... sie hat echt meinen Respekt."

"Ja, meinen auch", stimmte Keith zu und sie setzten ihren Weg fort, über eine kleine Brücke hinweg, die einen schmalen Kanal überspannte. Gerade als Lance in das dunkle Wasser hinuntersah, begannen erste kleine Regentropfen die Oberfläche zu durchbrechen und Unruhe in die Stille um sie her zu bringen.

"Weißt du, ich hoffe irgendwie, dass Coran und Axca oder irgendwer sonst mit irgendeiner Idee kommt, was wir danach machen", murmelte Keith, "Die Chemie zwischen uns allen, vor allem im Orchester, stimmt echt gut und das alles einfach wegzuschmeißen, wenn das hier vorbei ist-", er seufzte, "Es erscheint mir nicht richtig."

"Mir auch nicht", Lance atmete tief ein und aus. Er verstand vollkommen, was Keith meinte. "Mir auch nicht."

Bald darauf erreichten sie das Ende des Parks und tatsächlich war einige Meter entfernt von ihnen eine Busstation, bei der sie sich unterstellen konnten, sodass Lance' Hemd nicht am Ende komplett durchsichtig vor Nässe wurde.

Sie bewiesen gutes Timing, da ein Wagen der Nachtlinie auch kurze Zeit darauf kam und sie somit nicht über zwanzig Minuten warten mussten.
Auch, wenn Lance kein Problem damit gehabt hätte, drei Mal so lange zu warten, solange das hieß, dass Keith neben ihm sitzen würde.

Keith, der ihn als Sonne bezeichnet hatte.

Noch immer spürte der Tänzer ein leichtes Kribbeln in sich aufsteigen, wenn er auch nur daran dachte.

Doch nach nicht allzu langer Zeit musste Keith die Linie wechseln, sodass sie sich voneinander verabschiedeten, ihre Probe für den übernächsten Tag festlegend, damit beide wieder in top Form sein würden.

Den Kopf an die Fensterscheibe gelegt, beobachtete Lance, wie der Bus wieder anfuhr und winkte Keith ein letztes Mal, als er an ihm vorbeirollte.
Der Schwarzhaarige hob die Hand, ein kleines Lächeln im Mundwinkel versteckt, und dann war er auch schon aus Lance' Sicht verschwunden.

Leise seufzte der Tänzer und bereitete sich auf das vor, was ihn zu Hause erwarten könnte. Wahrscheinlich waren seine Eltern noch wach und warteten auf ihn- sie gingen selten vor seiner Heimkehr ins Bett.
Zudem konnte es sein, dass er auf Veronica oder Marco stoßen würde, wobei letzterer in den vergangenen Tagen immer wieder seine Theorie ausgepackt hatte, dass Lance und Keith ihre Probe geschwänzt und stattdessen rumgemacht hatten. Lance' Erklärung von dem, was tatsächlich passiert war, glaubte der Fünfzehnjährige nicht, da das für ihn nicht den Zustand von Keiths Frisur zu dem Zeitpunkt erklärte.
Der Tänzer hatte verschwiegen, dass er fast durchgängig damit beschäftigt gewesen war, Keith durch die Haare zu streichen und sich an den zugleich weichen und widerspenstigen Strähnen zu erfreuen.

Resigniert seinen Atem ausstoßend schloss Lance die Augen und baute in sich die Energie auf, seiner Familie gegenüber zu treten.

Vielleicht wurde es tatsächlich wirklich langsam ander Zeit, auszuziehen...


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