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Auf einem Stuhl sassen zwei Männer und eine Frau stützte sich auf der Tischplatte ab. Der Ältere hatte graues Haar und stechende braunen Augen, die tief in den Höhlen lagen. Er trug ein schlichtes Hemd und schwarze Hose mit Jagdstiefeln. Auf dem Tisch lag das gleiche Messer, das Nathan immer bei sich trug. Er hatte ein schmales Gesicht mit straffer Haut und dünnen Lippen, die er geschürzt hatte.

Der zweite Mann war ein paar Jahre älter als Nathan und hatte blondes Haar, das er beinahe ganz abrasiert hatte. Seine blauen Augen musterten mich von oben nach unten und seine Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Lächeln. Mir fiel sofort seine breite Nase auf. Er hatte ein seltsam markantes Gesicht, das sich erstaunlich in die Breite zog. Seine buschigen Augenbrauen verdeckten beinahe seine Augen und seine schlanken Finger spielten am Griff seines Messers herum. Er war gleich gekleidet, wie der Ältere.

Die Frau trug seltsamer Weise ebenfalls Hosen und ein Hemd, als wäre sie ein Mann. Sie hatte braune Haare, die sich über ihre Schultern wellten, und grosse grüne Augen. Ihre Lippen waren gerötet und sie wirkte wie eine Porzellanpuppe. Ihr Gesicht war schmal und ihre Wangen rötlich. Sie würdigte mich keines Blickes, dafür liess sie Nathan nicht aus den Augen.

Nathan war schrecklich wütend. Seine Stirn war gewellt von allen Falten und seine Hände ballte er zu Fäusten. Er machte mir ein wenig Angst, auch ich wusste, dass seine Wut sich nicht auf mich bezog.

„Was soll das, verdammt noch mal?", knurrte er.

Der Ältere hob ruhig die Hand und liess sein Blick über mein Gesicht wandern.

„Das würde ich auch gerne von dir wissen. Weshalb verschweigst du uns, dass du einen Gast hast? Ich habe gehört, du willst nach Halen." Seine Stimme war ein leises Raunen.

Nathan lief wütend auf und ab, während ich eingeschüchtert in der Ecke stand und hoffte, mit dem Schatten des Hauses zu verschmelzen. Die drei Besucher waren mir nicht ganz geheuer. Sie hatten sich Zutritt ins Haus verschaffen, ohne auf uns zu warten, und anscheinend hatten sie ihren Besuch auch nicht angekündigt, denn Nathan schien sich höllisch darüber aufzuregen, sie vorzufinden.

„Ich dachte, ich wäre jetzt aus dem Alter draussen, in dem man mich ständig kontrolliert", knurrte er.

Ungerührt über seine Wut zog der Ältere eine Augenbraue hoch. „Bist du auch. Aber bei solchen Angelegenheit dürfen wir auch mit sprechen."

„Würde ich das wollen, würde ich bei euch leben", fauchte Nathan gereizt. „Genau aus diesem Grund tue ich das nicht. Doch das hält euch wohl nicht davon ab, euch in meine Angelegenheit einzumischen."

Die Frau meldete sich zu Worten. Ihre Stimme war fein und eindringlich. Nathan schnellte zu ihr herum, als sie anfing zu sprechen.

„Das ist eine Angelegenheit, die uns alle betrifft, denn wir sind immer noch eine Gemeinschaft, auch wenn du das nicht wahrhaben willst", sagte sie und starrte Nathan an.

Er fing an zu lachen. „Ach, Amita, hör auf, mir irgendwelchen Scheiss über Gemeinschaft einzureden. Das hier hat nichts mit unserer Gemeinschaft zu tun. Ich reite nicht wegen irgendwelchen Aufgaben nach Halen."

Amita zog beleidigt den Kopf ein und starrte ihn mit kühlem Blick an. Der Blonde löste kurz seine Augen von mir, um Nathan zu fixieren und dann in meine Richtung zu nicken.

„Und wer ist das?", fragte er.

Nathan sah nicht in meine Richtung, sondern presste die Lippen zusammen. Der Ältere musterte mich nun ebenfalls und richtete sich auf. Er war gross. Ich drückte mich enger gegen die Mauer des Hauses und spürte deren Kälte an meinem Rücken. Seine Augen schienen mich förmlich zu durchbohren.

„Nun, Nathaniel, wer ist das? Du hast nicht gemeldet, dass du jemand bei dir aufgenommen hast."

Er regte den Kopf und warf mir schliesslich doch einen kurzen Blick zu, bevor er tief Luft holte und log.

„Das ist Maureen", sagte er und fuhr fort: „Sie ist... nun ja, wie soll ich das am Besten formulieren, ...meine Verlobte."

Ich starrte ihn fassungslos an, während alles in meinem Kopf versuchte, zu verstehen, was er gerade herausgelassen hatte. Verlobte. Hatte ich den Moment verpasst, an dem er mit dem Kopf irgendwo aufgeschlagen war? Was war das jetzt für einen Blödsinn.

Mein Gesicht war wieder rot angelaufen und ich nahm mir fest vor, das in den Griff zu bekommen. Es konnte doch nicht sein, dass ich ständig rot wurde, nur weil Natahn wieder irgendetwas Oberdämliches machte. Und das hier zählte eindeutig dazu.

Ich wusste zwar nicht, wer diese Menschen waren, doch es erschien mir nicht besonders klug, sie anzulügen.

Der Ältere blickte ihn erstaunt an und sah dann wieder zu mir. Mit hochgezogenen Brauen musterte er mich.

„Deine Verlobte, also", wiederholte er. „Warum hast du das nicht gemeldet?"

„Weil es meine private Angelegenheit ist", erwiderte Nathan trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das muss ich nicht melden."

„Das erklärt aber nicht, wieso du nach Halen willst", unterbrach Amita die Unterhaltung mit kaltem Unterton. „Eine Verlobung kann nicht der Grund sein."

Ich fürchtete mich ein wenig vor ihr. Ihre Augen starrten mich wie Eis an und ich fröstelte. Jetzt war der perfekte Zeitpunkt, um einfach mit der Wand zu verschwinden.

„Meine Verlobte hat noch nicht viel von der Welt gesehen", knurrte Nathan genervt. „Sie will eine kleine Tour machen, also habe ich eingewilligt."

„Nach Halen?", fragte Amita belustigt. „Deine Verlobte sieht nicht danach aus, als würde sie wirklich in diese verdammte Stadt wollen. Sieh sie dir doch mal an. Zitternd steht sie im Schatten."

Ich zuckte zusammen, als sie so direkt über mich sprach. Ein Schatten huschte über Nathans Gesicht und er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sie ist auch nicht besonders gesprächig. Ich habe ihr gesagt, ich will, dass sie auch die schlechten Seiten kennenlernt. Da ist Halen doch der perfekte Ort dafür."

Amita trat einen Schritt um den Tisch und ihre Augen verdunkelten sich. „Nathaniel, ich kann Lügen erkennen und auch wenn du sehr begabt darin bist, durchschaue ich dich."

„Ich gehe nach Halen wegen Maureen", erwiderte er schlicht. „Wir besuchen ihre Eltern. Reicht das jetzt?"

Der Ältere hatte seinen Blick noch immer nicht von mir gelöst, doch jetzt schnellte sein Kopf zu Nathan herum.

„Sie kommt aus Halen, sagst du?", fragte er besorgt.

Nathan atmete tief ein und schloss kurz die Augen, als müsste er sich beruhigen. Als er sie wieder öffnete, wirkte er jedoch noch immer gleich wütend.

„Nein, ihre Eltern sind nach Halen gezogen", sagte er. „Die Fragerei reicht langsam."

„Woher weißt du, dass sie rein ist?", fragte der Blonde und ich konnte seinen prüfenden Blick auf mir spüren. „Vor allem, wenn ihre Eltern nach Halen gezogen sind."

„Ich habe sie genug lange beobachtet", entgegnete Nathan kalt.

„Du bist dir also ganz sicher?", fragte der Ältere.

Nathan verkrampfte sich. „Ja", presste er hervor.

Ich mochte es grundsätzlich nicht, dass man über mich sprach, als wäre ich nicht im gleichen Raum, doch dieses Mal war ich froh, dass man mich bisher noch nicht direkt angesprochen hatte, sondern einfach ignoriert hatte. Wahrscheinlich hätte ich bloss gestottert und vielleicht keinen ganzen Satz herausgebracht.

Dazu kam, dass ich nicht im Geringsten verstand, wer diese Personen waren und weshalb sie sich berechtigt sahen, in Nathans Leben mitzusprechen. Wenn ich Glück hatte und Nathans Wut verraucht war, würde er mir es erklären. Vielleicht bekam ich dann auch eine Erklärung, was das mit dem Verlobt-sein hatte sein sollen.

„Ich glaube dir nicht ganz, Nathaniel", gestand ihm der Ältere und nahm das Messer vom Tisch. „Wir sollten sie testen."

Mir wurde kalt. Was hiess, man musste mich testen? Wollten sie mir etwa etwas antun? Mein ängstlicher Blick huschte zu Nathan, der den Mann kalt anstarrte.

„Nein, William", sagte er und griff nach seinem eigenen Messer. „Ich habe sie schon getestet. Sie ist noch schwach davon.
Wenn du sie einem weiteren Test unterziehst, wird sie es nicht überleben."

William musterte mich eindringlich, bevor er das Messer wieder zurücklegte und sich setzte. „Wenn du das sagst. Kannst du es mir beweisen?"

Grundgütiger, das konnte ja noch etwas werden, dachte ich mir und auf einmal fing ich mir an, Sorgen um Nathan zu machen. Es schien, als würde er sich immer tiefer in den Lügenberg reiten und wenn er einmal untergegangen war, würde er nicht mehr hochkommen. Was würde dann passieren? Würden sie mich töten oder ihn?

Doch Nathan schien sich nicht im Geringsten besorgt, als er mit den Schultern zuckte und sagte: „Ich habe keine Beweise."

„Also wird es besser sein, wenn wir das noch mal überprüfen", meinte William mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen. „Wir werden schnell merken, wenn sie zu schwach ist. Es wird nicht zu spät sein, um die Prüfung abzubrechen."

Der Blonde stand auf und machte ein paar hastige Schritte auf mich zu. Nathan stellte sich ihm in den Weg, bevor er meinen arm hätte packen können. Wütend funkelte er ihn an.

„Ich werde das machen", knurrte er. „Du fasst sie nicht an, Valentin."

Valentin zuckte grinsend mit den Schultern und trat zurück. Nathan drehte sich zu mir um und lächelte mich entschuldigend an. Ich starrte ihn bloss mit grossen Augen an.

Was wird das hier? Ich war überfordert und langsam merkte ich, dass das Leben nichts war, dass man erlernen konnte. Auch wenn man mich versucht hatte, darauf vorzubereiten, war ich überfordert mit dem Leben. Es forderte mich heraus, obwohl ich noch nicht einmal eine Woche lebte.

Er legte vorsichtig die Hand auf meinen Arm und zog mich zu sich hin. Ich bemerkte erst, dass ich zitterte, als er mich besorgt musterte.

„Nathan", wisperte ich, „wer ist das?"

Er strich mir eine Locke hinter das Ohr. „Das kann ich dir noch nicht sagen", erwiderte er ebenso leise. „Aber versprich mir, dass du das einfach überlebst. Ich habe herzlich wenig Lust, Ina zu erklären, warum du gestorben bist, bevor du überhaupt das Pferd bestiegen hast."

Das klang nicht gerade beruhigend. Ich sah ihn ängstlich an und war kurz davor, ihm einfach mein Arm wegzureissen.

„Was?", hauchte ich.

„Sieh mich an", sagte Nathan und ich konnte die Blicke der unerwünschten Besucher auf uns spüren. Zögerlich hob ich den Kopf und hatte das Gefühl in seinen Augen zu ertrinken. „Du darfst den Blick nicht von dem meinen lösen."

Ich hörte, dass seine Stimme verlegen klang und leicht zitterte. Doch er fasste sich gleich wieder und zog sein Messer hervor.

„Du fasst die Klinge an", erklärte er mir. „Aber nicht mit deiner ganzen Hand. Ansonsten stirbst du ganz bestimmt. Berühr sie nur mit deiner Fingerspitze und mach dich auf Schmerzen gefasst."

Ich erinnerte mich an seine Worte, als ich gefragt hatte, ob ich das Messer bei mir behalten durfte. Es hatte nicht besonders harmlos geklungen und jetzt klang es mehr als bedrohlich. Meine Hand zitterte.

„Nathan", brachte ich heraus, doch er unterbrach mich.

„Am besten du konzentrierst dich einfach auf mich. Lös niemals den Blickkontakt. Nie."

Er  streckte mir die Klinge entgegen und ich stellte fest, dass seine Hände ebenfalls leicht zitterten. Sanft beugte er sich zu mir und ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Wange spüren. Seine Lippen streiften meine Haut und ich schauderte.

„Schrei, wenn du sie berührt hast, auch wenn es dich nicht schmerzt", raunte er mir ins Ohr und zog seinen Kopf zurück.

Ich atmete tief ein und streckte die Hand aus. Nathan hob meinen Kopf mit seinen Fingern und unsere Blicke verschmolzen in einander. Mein ganzer Körper fing an zu kribbeln und ich schluckte.

Dann streifte meine Fingerspitze die Klinge. Sie fühlte sich unter meiner Haut kalt und glatt an. Ich bebte vor Angst. Mein Atem ging stockend und mein Mund wurde trocken. Nathan sah mir noch immer tief in die Augen, was das Ganze nicht einfacher machte. Am liebsten hätte ich den Blick abgewandt, doch es war fesselnd.

Ich spürte, wie das Metall immer wärmer wurde und schliesslich wie Feuer brannte. Die Hitze war schrecklich, doch sie verbrannte mir nicht die Haut. Es passierte nichts von dem, was Nathan vorausgesagt hatte. Doch ich erinnerte mich an seine Worte.

Bevor ich wirklich etwas sagen konnte, drückte Nathan zu und die Klinge stach mich. Mein Schrei war gellend und schrill. Mein Finger brannte und ich spürte den Schmerz bis zu meinem Herz. Ich hatte das Gefühl in tausend Stücke zu zerfallen und zu verbrennen.

Reflexartig zog ich meine Hand weg und presste sie gegen meine Brust. Tränen rannen mir über die Wangen und ich krümmte mich vor Schmerz. Vor meinen Augen flackerte alles und ich ging auf die Knie, weil ich das Gefühl hatte, nicht mehr stehen zu können. In meinen Ohren rauschte das Blut und mein Herz hörte auf zu schlagen.

Für einen kurzen Moment dachte ich, ich sei tot. Meine Muskeln zogen sich zusammen und mein Körper bäumte sich auf, als sei er besessen.

Nathan hatte das Messer sinken gelassen und kniete neben mir. Er legte schützend einen Arm um mich und presste mich gegen seine Brust, während er beruhigend über meinen Kopf strich, als könnte er so den Schmerz mildern.

Doch der Schmerz verebbte erst nach einigen Minuten und hinterliess eine schreckliche Leere, die sich rasant in mir ausbreitete. Ich richtete mich zitternd auf und meine Augen huschten durch den Raum.

William und Valentin sahen mich ungerührt an, nur Amita hatte den Blick abgewandt, als würde sie meinen Schmerz nicht sehen wollen. Ich drängte mich zitternd zurück in den Schatten, wie ein verwundetes Tier, das seine Wunden lecken musste.

Nathan warf mir einen kurzen besorgten Blick zu, bevor er sich zu den Anderen umwandte.

„Zufrieden?", fragte er voller Wut. „Habe ich nicht gesagt, dass sie rein ist."

William hob beschwichtigend die Hand. „Zufrieden, ja. Du musst uns verstehen. Sie werden immer experimentfreudiger und da kann man niemandem mehr trauen."

„Ich sagte doch, ich habe sie schon getestet", erwiderte Nathan.

„Ja, aber du konntest uns keine Beweise zeigen, weswegen wir es prüfen mussten."

„Es war nicht notwendig!"

William zuckte mit den Schultern. „Wir können nicht immer alles glauben."

„Ihr vertraut mir nicht", brachte Nathan genervt heraus.

Valentin verdrehte die Augen und Amita wollte etwas sagen, doch William fiel ihr ins Wort, bevor sie überhaupt gesprochen hatte.

„Du hast uns verlassen", sagte er schlicht und stand auf. „Wir gehen."

Valentin und Amita folgten ihm aus dem Haus, jedoch nicht ohne mir noch einen kalten Blick zu schenken, der mich dazu brachte, mich noch fester gegen die Wand zu drücken und meine Hand zu halten.

Nathan stand regungslos im Raum, bis sie gegangen waren. Er verabschiedete sich nicht und bewegte sich erst, als sich ihre Schritte vom Haus entfernten und schliesslich verklangen. Schweratmend und mit geballten Fäusten stand er da und starrte in die Leere.

Ich getraute mich wieder zu atmen. Meine Hand pochte bloss noch und ich trat zögernd aus dem Schatten. Nathan drehte sich zu mir um und seine Wut lag noch immer in seinen Augen, doch Besorgnis hatte sich auf seinem Gesicht breit gemacht. Er kam auf mich zu und griff nach meiner Hand, doch ich zog sie ihm weg. Erstaunt sah er mich an.

„Du hast mich gestochen", sagte ich und meine Stimme bebte.

Er zog Luft ein. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht ernsthaft verletzen, aber du hast nicht geschrieen."

„Es hat auch nicht geschmerzt", murmelte ich, als müsste ich mich verteidigen.

„Ich sagte doch, du solltest einfach schreien."

Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern und ein sanfter Ausdruck legte sich in seine Augen. Er streckte die Hand aus und sah mich auffordernd an.

„Lass es mich ansehen."

Ich streckte ihm nach kurzem Überlegen die Hand entgegen. Seine warmen Finger griffen nach ihr und tasteten die Fingerspitze ab. Man sah den Schnitt nicht einmal, doch der Schmerz war betäubend gewesen. Mein Atem stockte, als er sanft darüber strich.

„Es ist nicht wirklich schlimm", murmelte er und atmete erleichtert aus. „Es tut mir wirklich leid."

„Du hast gesagt, es würde mir die Haut wegbrennen", sagte ich schliesslich, weil mir nichts Besseres einfiel.

Nathan liess meine Hand los und trat einen Schritt zurück. Er ging zur Tür, warf einen prüfenden Blick hinaus und schloss sie. Mit dem kleinen Schlüssel schloss er ab und kam wieder zu mir zurück.

Erstaunt beobachtete ich ihn dabei. Was war los? Warum schloss er uns ein?

„Du solltest dich besser setzen", meinte er und ging zum offenen Herd.

Ich ging zum Tisch und setzte mich auf den Stuhl, auf dem William gesessen war. Nathans Bewegungen waren unruhig und hektisch. Es passte nicht zu ihm. Ansonsten war er immer mit kühler Beherrschung Sachen angegangen. Doch dieser Besuch schien ihn aufgewühlt zu haben.

Er entfachte ein Feuer mit dem wenigen Holz, das übrig war, und griff nach einem gefüllten Eimer, den er heute Morgen dorthin gestellt hatte. Er füllte den Kessel über dem Feuer und suchte nach den unterschiedlichsten Kräutern. Anscheinend machte er Tee.

Ich lehnte mich zurück und starrte auf die Tischplatte. Langsam wurde mir alles zu seltsam. Ich hatte mir das Leben anders vorgestellt. Natürlich war es in meinen Gedanken abenteuerreich gewesen, doch nicht in diesem Mass. Meine Abenteuer hatten sich auf irgendwelche Raufereien und Albernheiten bezogen. Sie waren nicht besonders aufregen gewesen in den Augen eines gewöhnlichen Menschen. Sie gehörten zu den alltäglichen Dinge im Leben, doch für mich waren sie aussergewöhnlich gewesen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich mich auf einen ruhigen Alltag gefreut. Ich hatte gedacht, ich würde die Farben erkunden, die Vögel beobachten und vielleicht Blumenkränze basteln. Stattdessen war ich ungewollt in einem Abschnitt gelandet, in dem ich nie hatte sein wollen. Wenigstens hatte ich Nathan.

Mein Blick huschte zu ihm hinüber. Ich hatte einen Moment gebraucht, um zu realisieren, dass ich wirklich von ganzem Herzen froh war, dass ich ihn hatte.

Er schien meinen Blick zu bemerken, denn er drehte sich zu mir um und lächelte mir schief zu, um mich aufzumuntern. Doch der Zorn war nicht aus seinen Augen verschwunden. Schliesslich kam er zu mir an den Tisch. Er setzte sich mir gegenüber.

„Du bist irgendetwas Spezielles, Maureen", sagte er. „Eigentlich hätte die Klinge dich verbrennen sollen, doch du bist noch erstaunlich unversehen. Dieser Stich hätte viel schlimmer ausgehen können, doch bei dir hinterlässt er bloss ein kleines Stichchen. Es ist seltsam und wenn irgendjemand davon mitbekommt, könntest du ziemlich viel Ärger bekommen. Also, versprich mir, dass du es niemandem erzählen wirst. Auch nicht Ina. Sie würde sich unnötig sorgen."

In meinen Kopf drehte sich alles um die einzige Frage, die mir gerade einfiel. Warum war ich so speziell? Ja, ich kannte meine Herkunft, doch sie konnte mich kaum so speziell machen. Denn jetzt war ich doch ein Mensch.

„Verstanden", murmelte ich.

Nathan atmete erleichtert mich aus. „Wir brechen heute Nacht auf."

„Nathan, wer war das?", fragte ich zögerlich.

Er schluckte und wandte den Blick ab.

„Das war mein Vater", sagte er schliesslich.

Sein Vater? Ich versuchte zu verstehen, doch es fügte sich nicht. Ich starrte ihn an. William musste sein Vater sein, schoss es mir durch den Kopf. Valentin war zu jung. Dieser Mann war also sein Vater? Doch von Väterlichkeit hatte ich nichts gespürt. Die Luft zwischen den Beiden hatte vor Zorn und Macht geknistert, so sehr, dass ich nicht einmal im Traum darauf gekommen wäre, dass die Beiden miteinander verwandt waren.

„Ja, Maureen, das war mein Vater", sagte Nathan verbittert, als er meinen Ausdruck bemerkte. „Du hast ihn als einen der wenigstens Menschen kennengelernt. Fühl dich geehrt."

„Du hast gesagt, ich sei deine Verlobte."

Warum ich ausgerechnet jetzt darauf zu sprechen kam, wusste ich selbst nicht, doch es brach einfach aus mir heraus. Ich wurde selbst beim Sprechen rot und sah, wie eine verräterische Röte Nathans Wangen hoch kroch.

„Ja", sagte er leicht verlegen und lehnte sich zurück.

„Warum?"

Er antwortete mir nicht gleich, sondern dachte erst darüber nach. „Weil das die einfachste Variante war, zu erklären, wieso du bei mir wohnst."

„Aber wieso Verlobte?" Es wollte nicht in meinen Kopf. Er hätte alles sagen können. Ich wäre die Tochter von einer Freundin von Ina, die in das Dorf gekommen war und er bei sich hatte aufnehmen müssen für kurze Zeit, bis die Kinder von Ina aus dem Haus waren. Aber nein, er wählte die Verlobte.

Nathan wandte den Blick ab. „Es war das Erste, was mir eingefallen ist. Tut mir leid."

Ich sagte nichts mehr, weil ich langsam vor lauter Verlegenheit nur noch gestottert hätte. Also biss ich mir auf die Lippe. Ein Gedanken beschlich mich. Wie würde es wohl sein, wenn ich wirklich seine Verlobte war?

Schon bloss bei diesem Gedanken wurde ich noch röter und hasste mich, weil mein Herz auf einmal schneller schlug.

Nathan richtete sich auf und schob den Stuhl zurück. „Wir sollten besser anfangen, zu packen."

„Was soll ich packen?" Meine Stimme zitterte wirklich. Am liebsten wäre ich im Boden verschwunden.

Nathan bemerkte es entweder nicht oder ignorierte es einfach. Egal was es war, ich war froh darüber.

„Du kannst mir helfen", sagte er und sah mich wieder an.

Er sah jedoch gleich wieder weg und ich senkte meinen Blick auf den Tisch.

„Kann ich machen."

„Gut, dann sollten wir besser beginnen."

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