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Wir packten schweigend. Unsere Blicke kreuzten sich nicht mehr und ich hatte das Gefühl, dass die Luft zwischen uns schwerer geworden war. Schliesslich war ein kleiner Seesack gefüllt mit ein paar Kleidern, einer kleinen Pfanne, einige Messer und irgendwelchen Gewürzen bereit und Nathan ordnete mich an, zu warten. Er verschwand und kam keine zwei Minuten später wieder zurück.

„Komm mit", sagte er und ich folgte ihm schweigend nach draussen.

Er griff nach dem Seesack und hob ihn hoch, bevor er durch die Tür nach draussen trat. Kaum war ich draussen, erblickte ich zwei Pferde. Ich musste mir gestehen, dass sie mir etwas Angst machten, und ich nicht ganz so sicher war, ob ich wirklich auf einem davon reiten wollte. Doch, wenn ich das sagen würde, würde ich Nathan an Rand der Verzweilfung bringen, weshalb ich einfach schwieg und stellte mich etwas abseits.

Das einte Pferd war nicht besonders gross, doch ein Ponny war es auch nicht. Es hatte schwarze Flecken und eine weisse Mähne. Es trat unruhig von der Stelle hin und her und schnaubte, während der Schimmel ruhig vor Natahn stand und ihn mit grossen Augen musterte.

Nathan band den Seesack an den Schimmel und warf mir einen auffordernden Blick zu.

„Du kannst näher kommen", sagte er und kam einen Schritt auf mich zu.

Zögernd trat ich einen Schritt zurück und er schien die flackerndc Angst in meinem Gesicht zu erkennen, denn er seufzte und rieb sich über die Schläfe.

„Hast du Angst?", fragte er.

Ich presste die Lippen auf einander. „Sie sind so gross", sagte ich schliesslich.

Nathan griff nach den Zügeln des kleineren Pferdcs und führte es in meine Richtung. Erschrocken zuckte ich zurück. Was sollte das jetzt werden?

„Ganz ruhig", sagte er. „Dieses hier ist nicht besonders gross. Du kannst ihn nehmen."

Ich schüttelte hastig den Kopf. Ganz bestimmt würde ich nicht auf diesen Pferd reiten. Schon nur beim Gedanken, auf seinen Rücken zu steigern, rebellierte mein Magen und mein Herz zog sich zusammen.

„Bitte, versuch es nur mal zu streicheln", redete Nathan mir gut zu.

Er sah mich bittend an und ich wusste, dass ich gegen diesen Blick nicht ankam. Also trat ich vorsichtig einen Schritt vor und das Pferd schnaubte. Mein Herz raste und mein Atem ging stockend, als ich langsam und zittrig eine Hand an den Bauch des Pferdes legte.

„Siehst du, es geht doch", sagte Nathan und ich konnte die Erleichterung heraushören.

Er war froh, dass ich mich wenigstens dazu bereit erklärt hatte. Zögernd nickte ich und Nathan legte seine Hand auf die meine. Beinahe hätte ich sie wieder zurückgezogen, doch ich traute mich nicht, eine ruckartige Bewegung zu machen, in der Angst, die Pferde aufzuschrecken.

Nathan war näher zu mir getreten und ich konnte seinen Atem an meiner Wange ausmachen.

„Gut so", sagte er leise. „Soll ich dich hochheben?"

„Nein", erwiderte ich erschrocken.

Er stöhnte auf und warf den Kopf in den Nacken. „Maureen, bitte. Ich habe wirklich keine Zeit dir Reitstunden zu geben. Können wir das nicht einfach überspringen und du setzt dich auf das Pferd. Ich kann dich ja führen."

„Was, wenn ich herunterfalle?" Ich hatte meine Stimme wieder gefunden.

Er nahm seine Hand von meiner und erleichtert liess ich meine sinken. Ich drehte mich zu ihm um und konnte in seinem Blick erkennen, dass er deutlich mit sich rang.

„Herunterfallen", wiederholte er. „Meine Güte, du wirst nicht herunterfallen, wenn du dich gut genug festhältst."

„Wo soll ich mich denn festhalten?"

Wenn ich mich zu fest in die Mähne des Pferdes krallen würde, würde ich ihm doch sicher weh tun und vielleicht drehte es dann durch.

„An der Mähne", sagte Nathan und eine gewisse Fassungslosigeit schwankte in seiner Stimme mit. „Bitte, jetzt tu nicht so schwer und setz dich einfach mal auf das Pferd."

Schon nur mein Gedanken daran, rutschte mir das Herz in die Hose.

Ein seichter Wind wehte und das Gras bewegte sich wie ein Meer. Eine Hummel wirbelte herum, weil sie kaum mehr steuern konnte, wohin sie flog, und über unseren Köpfen kreiste ein Adler.

„Muss ich reiten? Können wir nicht einfach laufen?", versuchte ich ihn umzustimmen.

„Ich habe diese Pferde doch nicht dafür gemietet, dass wir laufen", sagte Nathan genervt. „Jetzt mach kein Theater. Wir reiten."

„Ich will aber nicht reiten", murmelte ich.

Er liess die Schultern hängen und atmete tief durch, um nicht einen Wutanfall zu bekommen. Er war schon genervt von dem vorherigen Besuch und jetzt weigerte ich mich auch noch zu reiten. Es schien ihm alles ein wenig zu viel zu werden.

„Schau mal, ich versuche dir, zu helfen", sagte er schliesslich ruhig. „Das muss ich nicht tun, aber trotzdem mache ich es. Also, können wir uns darauf einigen, dass wir reiten? Ansonsten kannst du gerne alleine nach Halen laufen."

„Aber wenn ich herunterfalle." Verzweiflung schwankte in meiner Stimme mit.

Nathan fuhr sich durch das Haar. „Verdammt noch mal, du wirst nicht herunterfallen. Und wenn schon, dann kannst du dich nicht ernsthaft verletzen, ausser du fällst dummerweise auf irgendeinen Stein oder eine Wurzel. Das Pferd ist nicht so hoch, dass du dir bei einem Sturz ins Gras ein Bein oder das Genick brichst."

„Und wenn ich auf eine Wurzel falle?"

Ich wollte auf gar keinen Fall auf das Pferd steigen. Und das hatte Nathan mittlerweile auch begriffen. „Dann kannst du mich bis in alle Ewigkeiten verfluchen."

Ich verzog das Gesicht. „Ich will dich aber nicht in alle Ewigkeiten verfluchen."

„So, jetzt reicht es mir." Bevor ich protestieren konnte, packte er mich und setzte mich auf das Pferd.

Voller Angst klammerte ich mich an seine Hand und wäre beinahe wieder vom Pferd gefallen. Er wankte kurz, bevor er mich wieder gerade hochdrückte und versuchte, sich aus meinem Klammergriff zu lösen.

„Lass mich los."

„Nathan, ich will nicht", sagte ich weinerlich.

Er seufzte und hörte auf, mit der Hand herumzuzappeln. Er kam näher und sah mich eindringlich an. „Ich werde auf dich aufpassen, in Ordnung? Ich werde dafür sorgen, dass du nicht vom Pferd fällst und wenn, dann werde ich dich auffangen."

Es klang nicht besonders glaubwürdig.

„Wie willst du so schnell hier sein, wenn du selbst reitest?", fragte ich.

Nathan zuckte mit den Schultern. „Dann lass ich mir was einfallen. Dazu kommt, dass ich dein Pferd führ, das heisst, es kann nicht sein, dass du deswegen herunterfällst. Halt dich einfach gut fest."

„Ich verfluche dich doch, wenn ich herunterfalle", murmelte ich und löste langsam meine Hand.

Ein sanftes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Dann wandte er sich ab und schloss die Haustür. Danach schwang er sich elegant auf sein Pferd und griff nach den Zügeln von Meinem. Er trieb sein Pferd mit einem Schnalzen an und es fing langsam anzugehen.

Ich krallte mich an der Mähne fest und versteifte mich, als ich auf dem Rücken hin und her rutschte. Wenn das die ganze Zeit so weiter ging, würde ich ganz bestimmt vom Rücken rutschen und, auch wenn ich nicht so hoch sass, mir das Genick brechen.

Vorsichtig drehte ich mein Kopf, um einen letzten Blick auf das kleine Häuschen mit seinem schrägen Garten zu werfen. Ich konnte den Sessel am Baum im Wind schaukeln sehen und die Bohnen, die sich hin und her wogen. Dann verschwand es hinter einer kleinen Erhöhung.

Wir ritten im Schatten des Waldrands in Richtung Dorf. Ich sah ein Eichhörnchen den Baum hochklettern und es raschelte in den Sträuchern. Nathan sah sich immer wieder vorsichtig um, als suche er was.

Dann spürte ich es auch. Ich konnte einen brennenden Blick in meinem Rücken spüren und augenblicklich presste ich mich mit dem ganzen Körper fester gegen den Hals des Pferdes. Irgendetwas beobachtete uns.

Nathan lenkte das Pferd vom Waldrand weg. Viel zu früh, um ins Dorf zu gelangen. Wir ritten über die Wiese und das Gras war so hoch, dass es meine Füsse berührte. Ich wandte den Kopf, um den Beobachter zu sehen, doch war niemand. Der Blick schien in der Ferne zu vergehen. Vielleicht war er aus dem Wald gekommen.

„Geht es?", fragte Nathan nach einer Weile.

Ich gab ein unverständliches Murmeln von mir, was ihn zum Schmunzeln brachte.

„Wir sollten etwas schneller reiten", meinte er und sah zum Himmel.

Die Sonne stand mittlerweile tief und ein Schatten legte sich wie ein dunkler Schleier über die Landschaft. Wir erreichten einen Bach, der die Wiese wie ein Weg durchschnitt. Von weitem schien er im Gras unterzugehen und war erst zu sehen, als man näher kam. Das Wasser reflektierte das rote Sonnenlicht und glitzerte. Das Bachbeet war geschmückt mit weichen Kieselsteinen, die irgendwann mit dem Gras verschmolzen. Der Bach war nicht sonderlich tief und die Pferde überquerten ihn mit Leichtigkeit. Ich sah, einen Frosch ins Wasser springen.

„Wieso?", fragte ich.

„Es ist besser, wenn wir so schnell wie möglich diesen Ort hinter uns lassen", sagte Nathan bloss.

„Sind sie da?" Meine Stimme zitterte leicht, als ich an meine erste Begegnung mit einer Kreatur dachte. Die Lust, noch eine zu treffen, hielt sich in Grenzen.

„Ich weiss es nicht", erwiderte er wahrheitsgemäss. „Aber es wird nicht mehr lange dauern, wenn mein Gefühl mich nicht trügt."

„Wie lange?"

Ich wusste, dass ich ihm schnell auf die Nerven gehen konnte, wenn ich zu viel Fragen stellte, doch ich glaubte, er hatte sich langsam daran gewöhnt.

Sein Blick huschte hoch zu den rotgefärbten Wolken am Horizont, die von den letzten Strahlen der Sonne getränkt waren. Es war märchenhaft. Das Gras färbte sich golden und schienen in Flammen zu stehen, während der Himmel helle rosa farbige Streifen hinterliess und mattblau war, das genauso gut ein sanftes Violett hätte sein können.

„Ich kann dir diese Frage nicht beantworten", sagte er schliesslich.

„Werden sie uns einholen?"

„Es werden nicht mehrere sein, Maureen", versuchte er mich zu beruhigen. „Es sind nie mehrere. Sie sind Alleingänger und mögen die anderen nicht besonders. Ausser in Halen triffst du nie mehr als fünf an einem Ort. In grossen Städte sind es vielleicht höchstens fünfzehn."

Langsam war ich mir nicht ganz so sicher, ob ich wirklich nach Halen wollte. „Wie viele gibt es in Halen?"

„Keine Ahnung", sagte Nathan. „Man kann die Anzahl nur schätzen. Um die hundert vielleicht. Wahrscheinlich sind es mehr, aber es kommen und gehen immer wieder welche. Die Zahl schwankt."

Hundert oder mehr. Es übertraf meine schlimmsten Erwartungen. Das schien Nathan zu bemerken, als er mir einen Blick zu warf.

„Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen", meinte er und lächelte mir zu. „Dort töten sie nicht, wie hier. Sie handeln viel lieber. Frag mich nicht wieso, aber es scheint ihnen Spass zu machen, die leichtsinnigen Menschen zu quälen."

„Wie können diese Dinger  verhandeln?", fragte ich entsetzt. Soweit ich mich an die Kreatur im Garten erinnerte, waren sie nicht wirklich in der Lage zu sprechen.

Nathan zuckte mit den Schultern. „Du vergisst, dass sie auf die anderen Menschen wie gewöhnliche Mitmenschen wirken. Das heisst, für sie sprechen sie ihre Sprache. Nur klappt der Schein bei uns nicht, weswegen wir ihre wahre Sprache hören, falls man das überhaupt Sprache nennen kann."

Das fragte ich mich auch. Das Knurren und Fauchen hatte auf mich nicht besonders gesprächig gewirkt.

Die Sonne verschwand und am Himmel blieben bloss noch die rötlichen Wolken zurück.

„Ich kann nicht verstehen, wie man diese Kreaturen für Menschen halten kann", sagte ich.

Nathan lachte.

„Du vergisst, dass manche sie auch für Blumen halten."

„Den Tieren sehen sie am ähnlichsten", meinte ich.

„In deinen Augen", sagte er und sah wieder nach vorn. „In meinen sehen sie wahrscheinlich anders aus. Sie haben keine wahrhaftige Gestalt. Niemand weiss, wie sie wirklich aussehen, nicht einmal sie selbst. Wir sehen einfach, was für eine Gefahr sie  und dass sie keine Menschen sind."

Erstaunt hob ich eine Braue. Diese Dinger sahen also gar nicht so aus, wie wir sie gesehen hatten. Ich fragte mich, was er wohl gesehen hatte. Vielleicht war sie grösser gewesen oder kleiner. Vielleicht hatte sie vier Beine anstatt fünf gehabt oder zehn. Vielleicht hatte sie kleine funkelnde Augen gehabt.

„Sie können ihre Gestalt beliebig wechseln?", fragte ich.

„Können sie. Wenn wir diese Kreatur wieder treffen, was sehr unwahrscheinlich ist, aber wenn, dann wird sie anders aussehen. Nach jeder Wiedergeburt wird sie neu geformt. Daher ist es schwer, zu wissen, ob man sie schon einmal besiegt hat oder nicht."

„Aber wenn sie nicht tot ist, dann hast du sie doch nicht besiegt", sagte ich vorsichtig.

Nathan zuckte mit den Schultern und trieb sein Pferd an. Ich zuckte zusammen, als meines sein Tempo erhöhte, und verstärkte meinen Griff.

„Mag sein, aber wirklich töten kann man sie nicht."

„Was tut man dann?", fragte ich.

Ich war vorsichtig, denn ich wollte ihn nicht wieder verärgern, doch es schien wirklich so, als hätte er sich daran gewöhnt, denn er seufzte nicht einmal.

„Man verbannt sie", antwortete Nathan schlicht und fuhr fort, bevor ich zu meiner nächsten Frage ansetzen konnte. Anscheinend war die Wut über den Besuch langsam verflogen. „Sie werden zurückgeschickt, woher sie gekommen sind, doch dort landen sie in einer Art Gefängnis, wo sie erst wieder herauskommen, wenn man sie mit dem Blut desjenigen, der sie verbannt hat, wieder beschwört. So kommt es selten vor, dass man den verbannten Kreaturen je wieder über den Weg läuft."

„Ein Gefängnis", wiederholte ich zweifelnd.

„Nicht direkt, aber so was in der Art."

„Was bist du?" Die Frage kam mir über die Lippen, bevor ich sie aufhalten konnte.

Nathan antwortete nicht direkt. Er schwieg einen Moment und ich hätte mich dafür verfluchen können, dass ich gefragt hatte. Schliesslich seufzte er.

„Irgendwann sag ich es dir, versprochen", sagte er.

Innerlich war ich nicht im Geringsten zufrieden damit, doch ich fand mich damit ab, um ihn nicht zu verärgern. Wahrscheinlich hatte ich es schon getan, aber mehr war nicht nötig.

„Ist dir eigentlich irgendetwas Neues eingefallen", wechselte Nathan das Thema.

Ich schüttelte den Kopf, um zu realisieren, dass er mich gar nicht ansah. „Nein."

„Ich denke kaum, dass du dich jemals an irgendetwas erinnern wirst", sagte er zögerlich, weil er glaubte, mich damit zu verletzen.

Ich sagte nichts. Es war einer der Momente, wo ich es ihm beinahe gesagt hätte. Alles in mir wollte ihm die Wahrheit sagen, doch ich schwieg. Solang ich nichts über meine Erschaffung wusste, würde ich es ihm nicht sagen. Schliesslich würde ich noch ziemlich gerne etwas leben.

„Aber ich kann mich auch irren", fügte Nathan hastig hinzu, weil er mein Schweigen falsch deutete. „Wir werden es irgendwann sehen."

„Irgendwann", murmelte ich.

„Sag mir, wenn du schlafen willst", sagte er. „Dann kannst du bei mir mitreiten, damit du nicht vom Pferd herunterfällst."

Unsicher nickte ich. Der Gedanke, ihm so nahe zu sein, löste etwas in mir aus, das mich verunsicherte. Sollte ich so denken? Irgendetwas in mir sagte, dass ich diese Gefühle, die sich langsam versuchten noch vorne zu drängen, nicht zulassen sollte. Ich sollte mich besser auf meinen Erschaffer konzentrieren.

„Weißt du eigentlich, wie alt du bist?", fragte Nathan irgendwann.

„Nein", sagte ich.

„Du weißt wirklich nichts über dich", meinte er seufzend und hatte Recht.

Ich hatte keinen blassen Schimmer über meine Persönlichkeit. Ich kannte meine Hülle, doch mein Inneres überraschte mich jedes Mal aufs Neue.

„Dafür kann ich nichts."

„Das habe ich auch nie behauptet", sagte er und drehte sich zu mir um.

Sorgfältig lenkte er die Zügel so, dass mein Pferd neben das Seine trabte. So brauchte er nicht immer den Kopf zu wenden, wenn er etwas sagen wollte.

Er musterte mich und liess keine Stelle meines Gesichts aus. Schliesslich musste ich meinen Blick senken, weil ich seinen Augen nicht Stand halten konnte, ohne ein seltsames Ziehen zu verspüren, das mich immer mehr beunruhigte.

„Ich würde sagen, du bist ungefähr siebzehn", meinte er schliesslich. „Wobei, du könntest auch achtzehn sein."

„Kann sein", nuschelte ich.

Er lachte. „Sieh mich doch an."

Zögernd hob ich den Kopf. In seinen Augen funkelte eine Mischung aus Belustigung und etwas, was ich nicht wirklich einordnen konnte.

Wir ritten immer noch durch das hohe Gras der unendlichen Wiese und die Wolken am Himmel wurden düsterer. Die Nacht brach geräuschlos herein und überraschte mich. Es war doch erst gerade, Tag gewesen.

„Warum ist dein Vater bei dir aufgetaucht?", fragte ich leise.

Mittlerweile hatte ich bemerkt, dass ich das Talent besass, immer wieder die falschen Fragen zu stellen. Mit ganz viel Pech auch noch im falschen Zeitpunkt und für den hatte ich ein spezielles Gespür.

Nathan verging sein Lachen augenblicklich. „Keine Ahnung."

„Warum lebst du nicht bei ihm?" Leider fehlte mir auch das Gespür für die Grenzen.

„Weil es einfach so ist", erwiderte Nathan eisig und starrte stur geradeaus.

Wenigsten konnte ich die Zeichen deuten und wusste, dass ich nun die Grenze überschritten hatte. „Tut mir leid."

„Wir sollten einfach nicht mehr über meinen Vater sprechen", sagte Nathan etwas wärmer und seufzte. „Wir haben nicht das beste Verhältnis."

Das war sogar mir aufgefallen, obwohl ich nicht im Geringsten wusste, wie sich Vater und Sohn verhielten. Doch durch Ina und ihn  konnte ich erraten, wie das Verhältnis wohl hätte sein sollen. Ich fragte mich, was wohl vorgefallen war, dass es zwischen ihnen so verlaufen war.

„Über was willst du sprechen?", fragte ich, weil ich wusste, dass ich diesen gesprächigen Moment ausnutzen musste.

Nathan zuckte mit den Schultern. „Über was möchtest du denn sprechen?"

„Alles, ausser über diese Kreaturen", sagte ich wie aus der Pistole geschossen.

„Das wäre mir auch lieber. Hast du schon mal Schokolade gegessen?", fragte er mit einem leichten Schmunzeln.

Er hatte sich stark verändert. Das fiel mir in diesem Augenblick auf. Er war gesprächiger und offener geworden. Seine Worte waren nicht mehr so grob und hart wie am Anfang und in seiner Stimme schwankte eine erstaunliche Wärme mit.

„Nein. Was ist das?" Die Neugier in meiner Stimme war greifbar.

Er warf mir einen träumerischen Blick zu. „Es ist das Beste, was es auf dieser Erde gibt. In Halen verkaufen sie Tonnen davon. Dort werde ich dir eine Tafel kaufen."

„Ist es zum Essen?", fragte ich.

„Ja, es ist eine Süssigkeit. Man kann aus ihr Kuchen und Torten machen. Manche schmelzen und mischen sie mit Milch, um es zu trinken. Man kann sie aber auch kühlen und zu Tafeln pressen."

Ich versuchte mir auszumalen, wie Schokolade wohl aussehen würde. Wie schmeckte eine Süssigkeit, aus der man so vieles machen konnte?

Ich hatte langsam vergessen, dass ich auf einem Pferd sass und umklammerte die Mähne längst nicht mehr so stark. Nathan schien es wohl auch darauf angelegt haben, mich vom Ritt abzulenken, und bekam es erstaunlich gut hin. Ich liess mich ohne grosse Probleme von meiner Angst ablenken und widmete meine Aufmerksamkeit dem Gespräch.

„Wirst du mir das wirklich kaufen?", fragte ich und mein Gesicht hellte sich auf.

Nathan lächelte mich mit einem warmen Lächeln an. „Natürlich. Du musst es gerne haben, sonst bin ich enttäuscht von dir."

„Wonach schmeckt es?"

Meine Neugierde war kindlich. Ich wollte alles und über jedes kleine Ding Bescheid wissen. Doch es schien Nathan nicht im Geringsten zu stören. Stattdessen schien es ihn sogar zu erfreuen, dass ich fragte und mich dafür interessierte.

Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von purem Glück und ich liess mich von seiner Stimmung anstecken.

„Nach Schokolade", sagte er lachend. „Sie hat einen ganz eigenen Geschmack. Ich kann ihn dir nicht beschreiben, weil er einfach unbeschreiblich ist. Du musst ihn selbst probieren."

„Das werde ich ganz bestimmt und ich glaube dir, dass sie köstlich schmeckt."

„Jeder, der etwas anderes behauptet, ist ein Lügner", meine Nathan und grinste. „Oder hat keinen Geschmackssinn mehr."

Die Wiese wog sich im Wind wie ein schwarzes Meer und schien nirgendwo zu enden. Ich konnte nach hinten, zur Seite oder nach vorne schauen. Sie zog sich immer weiter. Hier und da durchschnitt ein seichter Bach das Gras.

„Danke", brachte ich heraus.

Er sah mich erstaunt an. „Für was bedankst du dich?", fragte er verwirrt.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihm lösen. „Für alles."

Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen und seine Gesichtszüge wurden weich.

„Dafür brauchst du dich nicht zu bedanken. Ich tue das gerne und freiwillig." Er zwinkerte mir zu.

Ich wurde rot und musste verlegen lächeln. Nathan fing mein Lächeln auf und sagte etwas, was mich erstaunte und in Gedanken noch eine ganze Weile beschäftigen würde: „Wenn du so lächelst, ist das ein Dank genug."

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