Kapitel 11

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Weit entferntes, grässliches Gelächter war das Erste, was meine Ohren erreichte, als ich mich auf trockenen Ästen stehen sah. Es roch nach einer süßlichen Mischung aus feuchtem Wald und Verwesung. Übelkeit stieg in mir auf, als mir bewusst wurde, was hier vor sich ging.

Von einer auf die andere Sekunde umgab mich loderndes Feuer. Der Rauch vernebelte mir die Sicht und zwang mich dazu, meine Augen zu schließen. Das schiefe Gelächter von Menschen kam immer näher, bis schließlich dieses mehrstimmige Lachen in eine einzige laute und männliche Stimme überging. Alles an dieser Stimme verängstigte mich. Gänsehaut fuhr durch meinen Körper, als ich wiederholt das Tenor der Stimme vernahm.

Ich zwang mich dazu, meine Augen zu öffnen, und blickte direkt in eisblaue, kalte Augen, in denen ich bereits meinen sicheren Tod erkennen konnte.

Luftschnappend erlöste ich mich aus meinem Albtraum und spürte, wie sich tatsächlich Gänsehaut in meinem Körper ausbreitete. Ich fasste mir an die Brust und spürte, wie schnell mein Herz schlug. Als ich mich in dem noch dunklen Raum umblickte, brauchte ich eine Weile, um mich zu orientieren. Die luftigen Vorhänge des Himmelbettes tanzten im Wind, der durch die Balkontür wehte, und ließen eine weitere Welle der Gänsehaut über meinen Körper fahren. Prompt dachte ich an die kalten Augen in meinem Traum, die es genossen haben, mich leiden zu sehen. Meine Träume wurden von Mal zu Mal beunruhigender.

Eines jedoch änderte sich nicht. Mal wieder lag ich viel zu früh am Morgen wach im Bett und verfluchte mein Leben. Ich entsperrte das Display auf meinem Smartphone und stöhnte, als die Uhrzeit gerade einmal halb sechs Uhr morgens anzeigte.

Ich legte mich wieder hin und schloss die Augen, um dem Schlaf eine zweite Chance zu geben. Als ich einige Minuten später immer noch nicht einschlafen konnte und mein Kopf bereits nicht mehr still halten konnte, beschloss ich schließlich, aufzustehen.

Da es draußen immer noch dunkel war beschloss ich, die Gunst der Stunde zu nutzen, um etwas zu tun, das ich schon immer machen wollte: einen Sonnenaufgang am Meer zu genießen.

Von dem Entschluss elektrisiert ging ich auf den Kleiderschrank zu und entnahm sowohl einen Kapuzenpullover als auch eine leichte Jogginghose. Beides zog ich schnell über und ging schließlich aus dem Haus, auf direktem Weg zu den Klippen vor dem Haus.

In der Dunkelheit hatte dieser Ort etwas Magisches an sich. Das Rauschen des Meeres schien lauter als am Tag zu sein, der Wind brachte die Blätter der Bäume zum Rascheln und es schien, als könnten die Klippen in jedem Moment zu felsigen Gestalten erwachen. Mein Blick wanderte zum Horizont, wo ich die Linie zwischen Meer und Himmel erahnen konnte und war zufrieden mit dem Ort, den ich mir ausgesucht hatte. Ich konnte es kaum abwarten, das Spektakel mit eigenen Augen zu sehen, bedauerte es aber, keinen Kaffee hier zu haben, um den nötigen Schwung in den Tag zu bekommen.

Als hinter mir plötzlich Schritte ertönten, drehte ich mich erschrocken um. Wer sollte auch schon um solch eine frühe Uhrzeit wach sein und genau an dieselbe Stelle kommen wollen, als irgendein kranker Spanner? Beim Umdrehen verlor ich plötzlich das Gleichgewicht und sah mich bereits die Klippen herunterfallen. Ich schloss die Augen und betete, dass ich auf dem Weg hinab eines plötzlichen Herztodes sterben würde. Doch alles, was ich spürte, war ein Arm, der mich an der Hüfte zu sich zog und an seinen harten Körper presste. Keuchend öffnete ich die Augen und blickte in tiefgrüne Augen. Fest an seinen Körper gepresst spürte ich, wie mein verräterisches Herz anfing, zu rasen. Zum Einen war ich immer noch geschockt darüber, dem Tode mal wieder so Nahe gewesen zu sein, und zum Anderen brachte mich seine Nähe gänzlich durcheinander. Ich wusste, dass es falsch war. Das Bild seiner wunderschönen Freundin schlich sich in meine Gedanken. Trotzdem konnte ich nichts gegen das Gefühl ausrichten, mich in seinen starken Armen klein und geborgen zu fühlen. Diese Gedanken bereiteten mir wirklich Angst. Dass ich mich klein fühlte war bei seiner stattlichen Größe überhaupt nicht verwunderlich, aber woher war dieses Wort Geborgenheit gekommen? Stattlich war nicht nur seine Größe, sondern auch sein Aussehen. Lange, beneidenswert dichte Wimpern umrahmten seine grünen Augen, seine rosigen vollen Lippen waren leicht geöffnet und schenkten seinem kantigen Gesicht eine gewisse Sanftheit. Wie konnte man nur bereits zu solch einer frühen Uhrzeit aussehen wie ein Unterwäschemodel?

Plötzlich schämte ich mich für mein Aussehen. Meine Haare mussten aussehen wie ein strohiges, ungekämmtes Nest. Ich hatte mir noch nicht einmal die Zähne geputzt!

Ich löste mich langsam aus seinem Arm und bemerkte erst, als er einen Schritt zurücktrat, die zwei Thermobecher in seinen Händen.

"Kannst du Gedanken lesen?"

Ein wundervolles und ehrliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen und ich hatte das plötzliche Bedürfnis, die Konturen dieser zu erkunden.

Man, Cassie, jetzt reiß dich aber mal zusammen!

Gut, dass er diesen kurzen, falschen Gedanken ganz von alleine im Keim erstickte, als er ein wenig zu selbstbewusst sagte:

"Ich weiß, was Frauen wollen."

Ich konnte ein Augenrollen wirklich nicht mehr unterdrücken und war froh, dass meine sarkastische Ader wieder vor Ort war. Mit einem Nicken bedankte ich mich bei ihm, als er mir einen der Thermobecher reichte. Ich drehte mich wieder gen Horizont und lächelte, als bereits ein leichter Schimmer Orange erschien. Der Moment war perfekt - jedenfalls fast, denn Gabe hatte plötzlich das Bedürfnis, diesen schönen und stillen Moment mit seiner noch schöneren Stimme zu zerstören.

"Was machst du so früh hier draußen?"

"Ich wollte in Ruhe, alleine, einen Sonnenaufgang am Meer sehen."

Das Wörtchen alleine betonte ich zusätzlich, damit er den Wink verstand.

"Okay, verstanden, dann gehe ich wieder!"

Als sich wirklich Schritte von mir entfernten, drehte ich mich um und erlag schließlich meinem schlechten Gewissen.

"Quatsch, bleib ruhig. Schließlich gehören die Klippen hier nicht mir."

Stumm stellte Gabe sich wieder neben mich. Ein jeder für sich blickte dem Sonnenaufgang entgegen. Wie es stetig in allen möglichen Farbfacetten von Rot bis Gelb den Horizont erhellte.

Genau wie das Feuer in meinem Traum.

Ich schüttelte diesen Gedanken schnell ab und bereute direkt den nächsten. Natürlich entging mir nicht, wie romantisch die Szenerie vor mir war und dass ich diesen intimen Moment mit einem vergebenen Mann verbrachte. Plötzlich verspürte ich das Bedürfnis, zu reden, nur um dem schwangeren Schweigen zwischen uns zu entfliehen.

"Ich hatte Albträume. Deshalb bin ich so früh wach. Was ist deine Ausrede?"

Seine Antwort kam prompt.

"Ich bin ausgeschlafen."

Neugierig musterte ich ihn und versuchte herauszufinden, ob das tatsächlich sein Ernst war. Als ich keinen Hinweis darauf fand, dass er mich in irgendeiner Weise auf den Arm nahm, blickte ich wieder gen Horizont und nippte am Kaffee im Thermobecher. Ich weiß nicht recht, womit ich gerechnet hatte, aber jedenfalls nicht damit, dass in diesem unscheinbaren Becher der beste Kaffee enthalten war, den ich je in meinem Leben gekostet hatte. Der Kaffee schmeckte sehr aromatisch und doch war er nicht zu stark. Fast schon erinnerte er mich von der Konsistenz an Tee, und doch schmeckte es gänzlich anders. Schmeckte ich da etwa eine Note Zimt heraus?

"Was ist das bitte für ein Kaffee? Der ist ja himmlisch!", schwärmte ich und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Gabe zwinkerte mir schelmisch zu und erwiderte daraufhin: "Das ist ein Geheimnis."

"Du steckst also voller Geheimnisse, was?"

Die Frage war mir so unbewusst entwichen, dass ich erst danach realisierte, dass ich wieder zu flirten begonnen hatte. In diesem Moment wünschte ich mir mehr denn je, ein Loch würde unter meinen Füßen aufgehen und mich verschlingen. Schließlich brauchte ich nicht erneut zu betonen, dass er vergeben war. Außerdem wollte ich doch auch gar nichts von Gabe. Die Vorlagen, die er mir bot, passten einfach zu gut.

Ich musterte sein in orange getauchtes Gesicht und entriss mich dem fast schon engelartigen Anblick. Als ich den Sonnenaufgang am Meer sah war ich mir fast sicher, dass ich noch nie solch einen schönen Morgen erlebt hatte wie diesen. Auf jeden Fall befand sich dieser Morgen unter den Top 3 der besten Morgen, wenn man mal den Grund des Aufwachens nicht beachtete.

"Wunderschön", flüsterte ich.

Als Gabe etwas sagte, war ich ziemlich überrascht darüber, da ich nichts von ihm erwartet hatte.

"Ich vergesse manchmal, die Schönheit von so simplen Dingen zu sehen."

Schweigend nahm ich einen letzten Schluck von dem himmlischen Kaffee und reichte Gabe fast schon traurig den Thermobecher.

"Danke", sagte ich leise.

Ich räusperte mich, da meine Stimme anscheinend immer noch nicht wirklich wach war. Und teilweise auch, weil die Luft zwischen uns wieder zu Knistern begann.

Gabe überraschte mich wieder, als er fragte: "Was hast du heute noch vor?"

Ich überlegte nur kurz, da ich mir gestern bereits eine kleine Einkaufsliste gemacht hatte.

"Ich müsste dringend etwas einkaufen, wenn ich nicht verhungern will."

Gabe lachte kurz auf und ich war froh, dass sich die Atmosphäre zwischen uns wieder etwas entspannt hatte.

"Weißt du was? Ich begleite dich."

In seinen Worten schwang pure Überzeugung mit.

"Das ist wirklich nicht nötig, Gabe", murmelte ich und hoffte, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstand.

Natürlich tat er das nicht.

"Ich bestehe darauf!"

Sein gerade noch belustigtes Gesicht wechselte zu einem eher besorgten, was unweigerlich die Frage in mir aufkommen ließ, was bloß mit ihm los war.

Ich wollte gerade widersprechen, als er fast schon gelangweilt seine Hand hob.

"Spar dir das. Ich werde mitkommen, ob du willst oder nicht."

Geschockt blickte ich ihn an. Noch nie hatte mir jemand mit solch einer befehlenden Stimme mitgeteilt, dass Widerstand zwecklos war. Und ich war sicherlich nicht bereit, ihm das so durchgehen zu lassen.

"Ich brauche keinen Beschützer", spie ich ihm entgegen und funkelte ihn wütend an. Dieser Blick hatte schon so einige Personen schnell wieder umkehren lassen und er würde sicherlich keine Ausnahme machen.

Leider irrte ich mich auch dieses Mal, als er meinen ernsten Blick erwiderte und somit ein Blickduell der Extraklasse einleitete. Plötzlich wurde mir bewusst, wie nahe wir uns eigentlich waren und mein Gehirn konnte mal wieder einfach nicht den Mund halten und mir all seine Bedenken bezüglich dieses Verhaltens mitteilen.

Also gab ich schließlich nach, da mir die Richtung, in die sich diese Begegnung entwickelte, überhaupt nicht gefiel.

"Na schön, ich schreibe dir, wenn ich soweit bin."

Ich machte einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen.

"Gut, ich hole dich ab."

Bevor das Ausmaß seiner Worte bei mir ankam und ich dagegen Protest einlegen konnte, hatte er sich bereits wortlos umgedreht und mich alleine an den Klippen stehen gelassen. Verwirrt blickte ich ihm hinterher, als er eilig auf seine Villa zuschritt. Ich konnte mir jedenfalls nicht verkneifen, eine Frage an mich selbst zu stellen.

"Was war das denn eben gerade gewesen?"

Nach einer ausgiebigen Dusche und reichlich Überlegungen, was ich sagen sollte, nahm ich mein Smartphone in die Hand und wählte schließlich die Nummer meiner Großeltern. Schließlich hatte ich ihnen bereits gestern versprochen, von dem Treffen mit den ominösen Nachbarn zu berichten. Ein Klingeln genügte und die Stimme meiner Oma ertönte am Apparat:

"Winter?"

"Hier auch", gab ich lächelnd zurück.

"Oh, Schätzchen, schön, dass du endlich anrufst."

Es raschelte kurz in der Leitung. Vermutlich stellte sie das Telefon auf laut, damit mein Opa zuhören konnte.

"Erzähl, wie war es?"

Die Neugier war unweigerlich aus ihrer Stimme heraus zu hören.

"Es war... interessant", murmelte ich, als ich an das Treffen gestern dachte. Unweigerlich kam mir das Bild von ganz speziellen, grünen Augen in den Sinn, das ich sofort aus meinem Kopf verbannte.

"Hast du etwas herausfinden können?", fragte meine Oma interessiert. Ich ließ das Treffen gestern noch einmal Revue passieren, nur um ernüchternd festzustellen, dass ich eigentlich gar nicht so viel schlauer war als vorher. Von meinem Treffen mit Gabe, Anna und Miguel in Deutschland wussten meine Großeltern nichts, weshalb ich den Teil komplett ausließ.

"Leider habe ich noch nicht viel erfahren können."

Ich fasste kurz zusammen, was ich gestern alles in Erfahrung hatte bringen können. Es war meine Oma, die schließlich mit besorgter Stimme antwortete:

"Vielleicht solltest du dir nicht allzu große Hoffnungen machen. So wie sich das für mich anhört können sie dir gar nicht so viel über deine Eltern erzählen, wie du zuvor gehofft hast."

Ich merkte, wie ein kleiner Teil meiner selbst dieser Aussage zustimmte, doch ich war noch lange nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Wenn es auch nur eine kleine Hoffnung gab, mehr über meine Eltern zu erfahren, so wollte ich sie nutzen.

"Vielleicht hast du recht, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls wird mich einer der Nachbarn gleich beim Einkaufen begleiten."

Während ich den letzten Satz sagte, spürte ich, wie Wärme in meine Wangen stieg. Ich war froh, dass meine Großeltern mich über das Telefon nicht sehen konnten. Sonst hätten sie nur eins und eins zusammenzählen müssen, um zu wissen, dass da irgendetwas im Busch war.

"Okay, Schätzchen. Dann wollen wir dich nicht länger aufhalten. Pass schön auf dich auf, ja?"

Ich verdrehte die Augen. Sie machten sich eindeutig zu viele Sorgen.

"Aber natürlich, Oma. Ich verspreche es. Dann melde ich mich spätestens morgen früh wieder bei euch, okay?"

Nachdem ich aufgelegt hatte, wollte ich gerade ins Bad gehen, um mich fertig zu machen, als mein Smartphone vibrierte. Das Bild einer grinsenden Suz bedeutete mir, dass ich noch einen ganz wichtigen Anruf vor mir hatte.

"Bestattungsinstitut Lohmann, wie kann ich Ihnen helfen?" fragte ich und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

"Ha ha, sehr witzig, Madame."

Es kam nicht oft vor, dass Suz schlechte Laune hatte, doch wenn es soweit war, bekam es wirklich jeder zu spüren.

"Was ist los?", fragte ich wieder ernst. Ich konnte mir bereits den Grund denken, weshalb ich ergänzte: "Hat deine Mutter angerufen?"

"Frag nicht. Erzähl mir lieber, wie du es dir ohne mich in Sizilien gut gehen lässt."

Die meisten Menschen wollten sich, wenn sie wütend waren, darüber auslassen, doch Suz gehörte eindeutig nicht dazu. Deshalb freute es mich bereits, Suz die Nachricht zu überbringen.

"Du glaubst gar nicht, wen ich gestern getroffen habe?"

"Cassie, komm schon. Mach es nicht so spannend. Ich bin nicht in der Stimmung, zu raten."

"Erinnerst du dich noch an einen gewissen Italiener, den ich an meinem Geburtstag in der Bar getroffen habe?"

"Du meinst den Italiener, von dem du nicht einmal die Nummer hast? Was soll schon mit dem sein?"

Suz schien heute eine wirklich lange Leitung zu haben. Das Gespräch mit ihrer Mutter muss wohl wirklich schlimm gewesen sein. Ich beschloss, sie heute Abend noch einmal genauer darüber auszufragen.

"Er ist mein Nachbar."

Am anderen Ende hörte ich ein lautes Knallen, woraufhin ein Rascheln folgte.

"Hast du gerade dein Telefon fallen gelassen?", fragte ich amüsiert.

"Oh man, Cassie, du hättest mich wenigstens vorwarnen können. Ich meine, mit solch einer Nachricht habe ich heute wirklich als aller Letztes gerechnet."

Ein ehrliches Lachen entfuhr meiner Kehle. Ich vermisste Suz jetzt schon.

"So, und jetzt erzählst du mir bitte bis ins kleinste Detail, wie du das herausgefunden hast."

Im Gegensatz zum Telefonat mit meinen Großeltern fokussierte ich mich bei Suz auf den Teil mit Gabe. Von meinem unverbesserlichen Auftritt vor seiner Haustür, der leider rapide abgenommen hatte, als seine Freundin auftauchte, bis hin zum Treffen heute Morgen an den Klippen. Kein einziges Detail ließ ich aus und Suz unterbrach mich auch kein einziges Mal. Hin und wieder war ein Lachen oder ein missmutiger Laut zu hören, doch ihre Reaktion sparte sie sich bis zum Schluss auf.

"Ach, Cassie, danke dir dafür, dass du mir den Tag versüßt hast. Ich freue mich schon darauf, bald die Trauzeugin auf eurer Hochzeit zu sein. Ich denke, eine Meerjungfrau würde dir besonders gut stehen, wobei das Weiß des Kleides nicht zu hell sein darf."

"Hallo?", unterbrach ich sie schockiert. "Erde an Suz! Was redest du denn da bloß?"

"Meine Liebe, du musst noch so vieles über Männer lernen", seufzte sie. Ihre Stimmlage erinnerte mich verdächtig daran, wie meine Großeltern damals mit mir geredet hatten, als ich noch ein Kind gewesen war.

"Wirklich? Und was genau soll ich deiner Meinung nach noch lernen?", fragte ich genervt, wobei auch ehrliche Neugier dahinter war.

"Also erstens: Er nennt dich Kätzchen... und das auch noch auf Italienisch. Wärst du ihm vollkommen gleichgültig, hättest du nicht sofort einen Spitznamen von ihm bekommen."

Ich verdrehte die Augen und dachte: "Als wäre ich die Einzige, die er so nennt." Diesen Gedanken jedoch behielt ich für mich.

"Zweitens: Nur weil er eine Freundin hat, die zugegebenermaßen wirklich perfekt klingt, heißt es noch lange nicht, dass er sich nicht unsterblich in dich verlieben kann."

Diesen Gedanken nahm ich Suz noch nicht einmal übel. Sie müsste Elise erst einmal sehen, um zu wissen, dass ich gar keine Chance gegen sie hatte.

"Und drittens: Er will freiwillig Zeit mit dir verbringen!"

Empört gab ich zurück: "Als ob es so schlimm wäre, Zeit mit mir zu verbringen."

"Du weißt ganz genau, was ich meine!", gab Suz triumphierend zurück.

"Soll ich dir mal sagen, was ich von seinem Verhalten halte? Ich denke, er ist besitzergreifend, kriegt immer das, was er will und es stört ihn, dass ich an seinem männlichen Ego gekratzt habe. Und wie kannst du als meine beste Freundin wollen, dass ich mit einem Typen zusammenkomme, der überhaupt keinen Respekt davor hat, wenn er mit jemandem zusammen ist?"

Suz überlegte eine Weile, bis sie antwortete.

"Cassie, du weißt doch gar nicht, was bei denen hinter verschlossener Tür läuft."

Ich unterbrach sie: "Ja, eben darum sollte ich ihm keine zweideutigen Anzeichen geben, damit es überhaupt nicht dazu kommt."

"Von dem, was du mir erzählt hast, kann ich nur ableiten, dass er Interesse an dir hat. In welchem Sinne dieses Interesse nun ist, kann ich dir natürlich nicht sagen, dafür müsste ich ihn kennen. Aber denk an meine Worte: Irgendwann wirst du dich wieder verlieben und die Chance, dass er es ist, an den du dein Herz verlierst, ist sehr groß."

Ich schluckte. Meine Kehle war trocken und ich musste schleunigst etwas trinken. Suz' Prophezeiung hatte mich tatsächlich nachdenklich gestimmt. Natürlich war mir selbst klar, dass ich viel zu oft an ihn dachte und die unmittelbare Nähe zu ihm würde die Sache auch nicht einfacher machen. Deshalb stellte ich die einzige Frage, die im Moment für mich zählte:

"Und wie finde ich heraus, woher sein Interesse mir gegenüber kommt?"

Etwas versöhnlicher antwortete Suz schließlich: "Natürlich musst du mehr Zeit mit ihm verbringen, um das herauszufinden. Für den Anfang reicht es, wenn du zum Einkaufen etwas Aufreizendes anziehst. Wenn er dann seine Augen kaum von dir lassen kann, ist er nur an deinem Körper interessiert. Wenn er dir jedoch trotzdem noch in die Augen sehen kann und sich so verhält wie ein Freund, ist er an mehr als einem Urlaubsflirt interessiert oder eben gar nicht."

"Wow... das hat mir jetzt echt weitergeholfen", fügte ich sarkastisch ein. Darauf hätte ich auch selbst kommen können.

"Zieh einfach das Kleid an, das ich für dich designt habe, und dann reden wir später darüber, wie dein Urteil darüber ausfällt."

"Okay."

Obwohl ich ihr zustimmte, hatte ich ganz sicher nicht vor, ihrer Bitte nachzukommen. Als hätte sie das geahnt, fügte sie hinzu:

"Schwör es mir hoch und heilig, oder ich werde nie wieder ein Wort mit dir wechseln!"

"Nicht so melodramatisch, ja?"

"Schwör es!"

"Na schön!", waren die letzten zwei Worte, die ich ins Telefon keifte, bis ich schließlich das Telefonat beendete. Ich ging zurück zu meinen Nachrichten, tippte auf die oberste Konversation und schrieb:

In einer halben Stunde ist Abfahrt.

Nachdem ich das Nest auf meinem Kopf zu sanften Wellen gezähmt und mir leichtes Make-Up gegönnt hatte, stand ich nun vor dem Schrank und kämpfte.

Obwohl Suz und mich über 1500 Kilometer Luftlinie trennten und sie niemals im Leben herausfinden würde, ob ich wirklich das Versprechen ihr gegenüber erfüllt hatte, konnte ich nicht das Gefühl verkneifen, trotz allem ihren bohrenden Blick zu bemerken, wenn ich es nicht tat. Also trat ich einen Schritt näher und entnahm das Kleid aus luftigem von dunkelrot bis schwarz übergehenden Stoff, das Suz für mich designt hatte und konnte nicht umhin zu bemerken, wie kurz es war. Einige Sekunden focht ich einen inneren Kampf aus, bis schließlich eine ziemlich schrille Stimme meiner besten Freundin in meinem Kopf die Überhand gewann.

Dazu passend zog ich hohe, schwarze Sandaletten an, die ich gemeinsam mit den goldenen, flachen Sandaletten gekauft hatte.

Etwas ängstlich stellte ich mich vor den Spiegel und ich schalt mich einen Narren, überhaupt auf Suz gehört zu haben. Die Beine wirkten in diesem Kleid unheimlich lang. Schließlich sollte Gabe wirklich nicht denken, dass es seinetwegen war. Oder eben doch?

Das rote Teufelchen in meinem Kopf sagte schelmisch: "Woher soll er denn wissen, wie du sonst herumläufst?"

Ich konnte nicht anders, als dem Teufelchen in meinem Kopf recht zu geben. Mehr oder weniger selbstbewusst nahm ich die Sonnenbrille von der Kommode, setzte sie auf und trat schließlich aus der Tür.

Ciao ihr Hübschen 

Dieses rote Teufelchen kann einem manchmal wirklich gehörig auf die Nerven gehen... Aber denkt ihr, dass es sich für Cassie lohnen wird, darauf gehört zu haben?

Ich freue mich jedenfalls auf eure Reaktionen und Vermutungen.

Eure federwunsch ❤️

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