#2 - Ein neuer Fall

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Yasha hatte schon immer den Hang dazu, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Wahrscheinlich lag dies daran, dass er nicht sonderlich viel davon hielt, sich an Regeln und Vorgaben zu halten. Er machte die Dinge lieber auf seine eigene Weise.

Ironischerweise war er jedoch einer derjenigen, die Sorge dafür trugen, dass sich andere an jene Regeln hielten. Nicht, dass er eine große Wahl an Berufswegen gehabt hätte. Schließlich gab es neben dem Kämpfen nicht vieles, in dem er eine Begabung besaß.
Dennoch fühlte er sich auch nach all den Jahren immer noch seltsam dabei, in der makellosen weiß-violetten Uniform der Vojak Sondereinheit unterwegs zu sein.
Immerhin war er den blau-weißen Fummel der Stadtwacht recht schnell losgeworden. Die Straßen auf und abzupatrouillieren und den Leuten zu sagen, was sie zu tun und zulassen hatten, war wirklich das aller Letzte gewesen.
Sein Job in der Sondereinheit war eher sein Fall; Actiongeladen und meistens auch abwechslungsreich. Nur nicht an Tagen wie heute.

Heute standen einfache Kontrollbesuche bei den Kali auf seinem Dienstplan; Die wahrscheinlich langweiligste Aufgabe der Sondereinheit. Es waren routinemäßige Besuche, welche meist immer gleich abliefen; Man suchte die einem zugeteilten Kali auf, schaute, dass sie ihre Fähigkeiten nicht benutzten, hielt ein kurzes Pläuschchen mit ihnen und verschwand dann wieder.
In seinen vier Jahren bei der Sondereinheit war dabei noch nie etwas Spannendes passiert. Wenn die Kali ihre Kräfte benutzten, wurde dies meistens einfach von einem anderen Zivilisten gemeldet.
Erst dann wurde sein Job wirklich spannend. Dann, wenn es hieß, auf die Jagd zu gehen.

Yasha ging die Liste mit den Namen der Kali, welche er heute kontrollieren musste, von oben bis unten durch. Brewer, Graham, Hawthrone, Kalahimbrie, McConnell, Moraitis, Murray.
„Drei von ihnen können wir wahrscheinlich auf einen Schlag abklappern.", sagte Yasha und erhob sich von seinem Stuhl.
Sein Partner, welcher sich gar nicht erst hingesetzt hatte, schaute ihn überrascht an. „Die drei Wölfe wieder?", fragte er und Yasha nickte bloß.

Dei und er waren schon seit einigen Jahren Partner. Er war kaum kleiner als Yasha, aber dafür von deutlich schmalerer Statur. Dennoch wusste Yasha, dass man ihm im Kampf bloß nicht unterschätzen sollte. Yasha blieb zwar der stärkste Kämpfer seiner Einheit, aber dennoch wurde es im Training zwischen ihm und Dei immer enger, und die von ihm erfundenen Gadgets machten es noch härter.

„Ich verstehe wirklich nicht, wieso die immer noch auf freiem Fuß rumlaufen.", klagte Dei, während sie sich auf den Weg aus der Kaserne heraus machten, „Es ist doch bekannt, dass die Verbrecher sind. Wieso nimmt die Stadtwacht sie nicht fest?" „Es fehlen die Beweise.", antwortete Yasha, „Aber ist doch nicht unser Ding, solange sie ihre Kräfte nicht benutzen."

„Verbrecher bleiben Verbrecher.", sagte Dei, „Außerdem glaubst du doch nicht wirklich, dass sie ihre Kräfte nicht für ihre Verbrechen benutzen, oder?" Yasha zuckte mit den Schultern: „Solange es keine Beweise gibt, verurteile ich niemanden."
Dei rollte mit den Augen, doch Yasha ignorierte es einfach.

„Jäger Ito, Jäger Grey.", Die Stimme von General Vos Schnitt wie Metall durch die Luft.
Dei und Yasha tauschten ernste Blicke aus, bevor sie sich umdrehten, denn von General Vos persönlich angesprochen zu werden, war meist nichts Gutes.
„Zu Befehl.", gaben sie schließlich im Chor zurück und salutierten.
Seine Haare waren von Silber durchzogen und sein vernarbtes Gesicht war wie immer zu einer schlecht gelaunten Miene verzogen.

Neben ihm war ein junges Mädchen mit platinblondem Haar. Sie stand aufrecht da, streckte ihre Nase in die Luft und hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, als hätte sie gerade ein Gewinnspiel gewonnen.
„R13" stand auf ihrer schwarz-weißen Uniform; Eine Rekrutin.

„Das ist Ralina Meredhi.", erklärte General Vos, „Sie ist Jahrgangsbeste und hat den Wunsch, nach ihrer Ausbildung der Sondereinheit beizutreten. Daher wird sie euch den folgenden Monat über begleiten."
Yasha und Dei sahen sich an und dann wieder zurück zu dem Mädchen. Yasha konnte in Deis Gesichtsausdruck ablesen, dass er ebenso wenig Lust hatte, wie er, Babysitter zu spielen, doch sie wussten beide genau, dass man mit General Vos nicht diskutierte.
„Na dann; Auf geht's!", sagte Dei. Mit freudestrahlenden Augen sah sie die beiden an, schulterte ihr Gewehr und folgte ihnen nach draußen.

Es war ein schöner Tag. Die erste Frühlingssonne war hervorgekommen und es wehte eine angenehm warme Briese durch die Straßen. In den oberen Bezirken liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, denn in einer Woche würde das alljährliche Gründungsfest stattfinden. Überall wurden bereits Dekorationen aufgehangen, Stände aufgebaut und Lichter angeschlossen.
Es war ein seltsamer Grund zu feiern, fand Yasha, denn immerhin war der Grund für die Gründung Prismas gewesen, dass die Menschen aus dem Rest der Welt verdrängt worden waren.
Doch dies schien die Bewohner der Stadt wenig zu interessieren, denn wie jedes Jahr würde das Fest wieder ein riesiges Spektakel werden.

Yasha war dankbar dafür, dass er für den morgigen Tag freigestellt worden war, denn den Stress wollte er sich wirklich nicht antun. Wie bei jedem großen Fest würden sich die Menschenmassen hinauf nach Goldleaf schieben und dies machte es den Wachen schier unmöglich, den Überblick zu bewahren.
Es war der Tag, an welchem die meisten Verbrechen in Prisma passierten. Ein gefundenes Fressen für jeden Taschendieb und Betrüger.

„Also Neuling,", sagte Dei, während Yasha einige Arbeiter dabei beobachtete, wie sie Holzbretter für einen der Stände zusammennagelten, „Wir werden in Celka anfangen und uns dann die Bezirke entlang nach oben arbeiten." „Habe verstanden. Was werden meine Aufgaben sein?", gab sie zurück und sah Dei erwartungsvoll an.
„Zugucken und uns nicht nerven.", mischte sich Yasha ein und schob sich an den beiden vorbei. Dei zuckte nur mit den Schultern. „Er meint's nicht so.", sagte er und folgte Yasha. „Ich meine es sehr wohl so.", erwiderte dieser.

Es war ein recht langer Weg von Whitebridge hinunter nach Celka. Zu laufen hätte sie den halben Vormittag gekostet, daher liefen sie zur nahgelegenen Station der Stadtbahn. Leider gab es auch für die Vojak keine andere Möglichkeit schneller von einem Ort zum anderen zu gelangen. Die Stadt war einfach zu eng und zu voll, um Fahrzeuge auf den Straßen zu benutzen. Lediglich in den oberen Bezirken sah man ab und an mal eine Kutsche über die gepflasterten Straßen fahren.

Die Stadtbahn war um diese Uhrzeit recht voll; Die meisten Leute machten sich nun auf den Weg zur Arbeit und so standen sie die Fahrt über.
Der Großteil der Menge drängte sich in Venzor zu den Türen hinaus; Hier standen etliche Bürogebäude und Geschäfte. Es war wohl das geschäftigste Viertel in ganz Prisma.

„Nächster Halt: Birin.", kündigte die Stimme in der Bahn an und abrupt fing der Zug an zu ruckeln.
Willkommen in den unteren Bezirken. Dachte Yasha. Wo selbst die Bahngleise im Arsch sind.
Einen Halt später stiegen sie aus. Die Haltestelle Celkas lag genau im Kern des Bezirkes und es war kein weiter Weg zu ihrem Ziel.

So früh am Tag war es noch recht leer auf der Hauptstraße Celkas; Die Spielhallen, Bars und Freudenhäuser erwachten erst in der Nacht zu ihrer vollen Schönheit. Immer wieder wichen ihnen Leute, die ihnen entgegenkamen, aus oder machten einen großen Bogen um sie.
Es war kein Geheimnis, dass es hier unten nur so von Verbrechern, welche wohl ungern von den Ordnungshütern bemerkt werden wollten, wimmelte. Außerdem war es offenkundig, dass die Leute vor der Sondereinheit etwas mehr Respekt hatten als vor der von Korruption und Faulheit geplagten Stadtwacht.

Yasha lief gelassen die Straße hinab, während Deis Blicke hier und dorthin wanderten, er ab und an in eines der Schaufenster schauen musste oder die ‚Architektur' der heruntergekommenen Gebäude betrachtete.
Yasha konnte spüren, wie Ralinas Blicke sich in seinen Hinterkopf bohrten. Sie lief direkt hinter ihm, ohne auch nur ein wenig Abstand zu halten.

Ihr Ziel - der Wolfsclub - lag in einer verschmutzten Seitengasse. Über der rot angestrichenen Holztüre hing ein Messingschild in der Form eines heulenden Wolfes.
An der Wand neben der Tür lehnte ein großer, stämmiger Mann mit glanzlosem braunem Haar.
Als Yasha, Dei und Ralina auf die Tür zutraten, stellte er sich ihnen in den Weg. „Vojak nicht willkommen.", sagte er in drohendem Ton und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist ja zum Glück gar nicht verdächtig.", flüsterte Dei etwas zu laut hinter dem Rücken von Yasha.
„Kommt wieder, wenn ihr keine Uniform mehr tragt.", sagte der Türsteher mit grimmigem Blick und Yasha zuckte mit den Schultern: „Kein Problem. Wir können sie gleich hier ausziehen... Angenommen, dir macht es nichts aus, dass wir dann nur noch Unterwäsche anhaben. Dei, hilfst du mir mal mit den Reißverschlüssen?" Dei musste sich offensichtlich ein Lachen verkneifen, doch Ralina verzog ein verwirrtes Gesicht und sah Yasha an, als wäre sie unsicher, ob dies Scherz oder Ernst gewesen war.

Der Türsteher machte keine Anstalten, sich zu bewegen und Yasha wusste, dass sie so nicht weiterkommen würden. Er räusperte sich und schritt dann noch ein paar Schritte näher auf den Türsteher zu.
„Hör zu;", sagte er und obwohl sein Lächeln nicht von seinem Gesicht wich, lag nun deutlich mehr Ernsthaftigkeit in seiner Stimme, „Wir wollen nur unseren Job machen. Also können wir das jetzt auf zwei Wege regeln: Erstens, du gehst uns aus dem Weg und kannst noch ein paar Stunden entspannen, bevor hier richtige Gäste antanzen, oder wir nehmen dich wegen Behinderung der Sondereinheit fest und du kannst ein schönes Strafgeld von 10.000 Kronen bezahlen."
„Eigentlich sind es nur 9.000 Kronen.", kam es nun von Ralina. Yasha drehte sich kurz zu ihr um und warf ihr einen genervten Blick zu, dann drehte er sich wieder zum Türsteher: „Also? Deine Entscheidung."
Der Türsteher schnaubte, doch er ging ihnen aus dem Weg und sie traten ins Innere.

Die Tische des Wolfsclub waren beinah leer, doch hinter der Theke stand eine junge Frau, welche Yasha bedauerlicherweise nur zu gut kannte.
Sie fixierte Yasha mit einem tödlichen Blick, als sie ihn erblickte. „Du verpisst dich lieber wieder, oder ich jag dir ne Kugel ins Knie!", fauchte sie ihm entgegen. „Bedrohst du etwa gerade einen Vojak der Sondereinheit, Quinn?", sagte Yasha und gluckste. „Nein, ich bedrohe ein besonders dreckiges Arschloch!" Wutgeladen knallte sie ihre Pistole auf den Tresen. Dei und Ralina zogen augenblicklich ihre Waffen, doch Yasha gab ihnen zu verstehen, ruhig zu bleiben.

„Ich weiß, du willst mich nicht sehen, aber ich bin auch gar nicht wegen dir hier." Sagte er und deutete auf seine Uniform. „Ach und was willst du dann? Dich besaufen und dir ein neues Spielzeug suchen?", ihr Blick durchbohrte ihn, wie die Krallen eines Jyns. „Vielleicht später.", scherzte er und konnte gerade eben noch einem Glas ausweichen, dass sie nach ihm warf. Mit einem lauten Klirren zerschellte es auf dem Boden hinter ihm.
Ralina zuckte zusammen und sah verunsichert zu Dei rüber.

„Wir suchen nach Miriel Kalahimbrie, Voice Moraitis und Sadie Murray.", sagte nun Dei und stellte sich vor Yasha. Es war wahrscheinlich auch das Beste, wenn er das Reden übernahm, denn Yasha hatte nicht das Gefühl, dass Quinn vorhatte, ihm überhaupt zuzuhören.

„Wieso?", zischte Quinn ihm entgegen. „Keine Sorge, es sind nur einfache Kontrollbesuche. Ihren Freunden wird nichts zustoßen.", sagte Dei und lächelte sie freundlich an.
„Freunde? Pff.", machte sie, doch fügte dann hinzu, „Sie sind in ihren Zimmern. Schlafen wahrscheinlich noch."
Immer noch wütend dreinblickend schob sie die Pistole zurück in den Holster an ihrer Hüfte und schob sich dann eine ihrer grünen Strähnen aus dem Gesicht.
„Könnten sie uns vielleicht zeigen, wo wir hinmüssen?", fragte Dei und lächelte sie freundlich an.
Sie musterte ihn im Gegenzug nur abfällig, doch dann sagte sie: „Gut, folgt mir."

Sie führte sie in den hinteren Teil des Clubs, wo einige krumme Treppen in die oberen Stockwerke führten. „Miriel wohnt derzeit in Gästezimmer 3 auf der ersten Etage und Voice findet ihr wahrscheinlich in der Kammer unter dem Dach. Dem Boss gehört das Stockwerk direkt darunter, aber ich warne euch; Sie wird nicht glücklich darüber sein, gestört zu werden."
Quinn drehte sich wieder um und ging zurück zur Bar, während die drei Vojak begannen, die Treppe hinaufzusteigen.

Kaum war sie verschwunden, drehte sich Dei grinsend zu Yasha um. „Was war denn das?", sagte er kichernd. Yasha kratzte sich am Hinterkopf: „Wir hatten mal was und... vielleicht hat sie mich mit jemand anderem erwischt."
„Das ist mal wieder typisch.", sagte er und boxte ihm leicht gegen den Oberarm, „Und du sagst immer, während der Kontrollbesuche passiert nichts Lustiges."

„Sind die Leute in den unteren Bezirken immer so unfreundlich?", fragte Ralina nun vorsichtig. „Quatsch.", sagte Dei, „Aber Verbrecher sind es." Er tätschelte ihr leicht auf den Kopf. „Du wirst schnell lernen müssen, wem du vertrauen kannst und wem nicht, wenn du zur Stadtwacht gehst.", erklärte er, „Und in Celka ist das so ein 50/50 – Ding."
„Ich werde nicht lange bei der Stadtwacht bleiben.", erklärte sie.
„Oh, wirklich zuversichtlich. Gefällt mir!", sagte Dei.
„Es ist zwar schön, dass wir die Stadtwacht haben, aber ich glaube, dass die Sondereinheit die wahren Helden Prismas sind." „Hast du das gehört, Yasha?", sagte Dei aufgeregt, „Wir sind Helden!"
Yasha grinste bloß, doch es war wirklich schön, das mal von jemandem zu hören. Immerhin gab es genug Leute, die der Meinung waren, die Sondereinheit wäre grausam und rücksichtslos, obwohl sie doch eigentlich alle nur ihren Job machten und versuchten die Stadt zu beschützen.

Sie hielten vor Gästezimmer 3 und Yasha klopfte an die dünne Holztüre. Niemand antwortete. Er klopfte erneut, diesmal etwas kräftiger, doch wieder antwortete keiner. Dei legte sein Ohr an die Tür, lauschte für einen Moment und schüttelte dann den Kopf. „Vielleicht schläft sie noch.", sagte Yasha und zuckte mit den Schultern, „Lass es uns einfach nochmal versuchen, wenn wir mit den anderen durch sind."
Dei nickte, doch an seinem Gesichtsausdruck konnte Yasha erkennen, dass er misstrauisch geworden war.

„Erst Moraitis oder erst Murray?", fragte Yasha, als sie auf der letzten Etage angekommen waren. Die Wahl lag zwischen einer klapprigen Leiter, welche zu einer Luke in den Deckendielen führte oder einer einzelnen roten Holztüre, auf welcher das Zeichen des Clubs eingebrannt war.
„Alphabetisch.", sagte Dei, „Also Moraitis."

„Welcher Klassifizierung gehört Moraitis an?", fragte Ralina, während Yasha die ersten Sprossen der Leiter hinaufkletterte. „Er ist ein Mentalist. Er kann Gefühle beeinflussen. Klingt zwar harmlos, aber du solltest einen Kali niemals unterschätzen.", antwortete Dei, „Sie sind alle dazu in der Lage, Schreckliches zu tun."
Yasha sagte nichts. Ein Großteil der Einwohner Prismas waren sich zwar in dieser Hinsicht einig, doch Yasha war nie in der Lage gewesen, dies für sich zu bestätigen.
Er hatte schon erlebt, wie Kali Schreckliches getan hatten und die Jyn waren definitiv eine gewaltige Gefahr, doch er glaubte nicht, dass die Kali grundsätzlich böse waren. Normale Leute begingen schließlich ebenfalls jeden Tag Verbrechen, bei den durchaus mächtigeren Kali viel dies lediglich nur mehr auf.

Yasha schwang sich die letzten Sprossen der Leiter hinauf und klopfte an der verschlossenen Luke. Als wieder keiner antwortete, klopfte er so fest, dass er fürchtete, die Luke durchzuschlagen. „Dies ist ein Kontrollbesuch der Sondereinheit. Wir suchen nach Voice Moraitis. Machen sie sofort auf oder wir verschaffen uns selbst Zutritt.", rief er und kurz darauf klappte die Luke auf.
Er blickte in das selbstgefällige Lächeln von jenem Kali, nachdem sie gesucht hatten. „Ist ja schon gut.", sagte er, „Ich bin doch nicht so schnell am frühen Morgen."

Yasha, Dei und Ralina kletterten der Reihe nach durch die Luke. Der Dachboden war kalt und ungemütlich. Konnte man das hier wirklich ein Zuhause nennen?
„Früh am Morgen ist gut.", sagte Dei, „Immerhin ist es schon fast Mittag." Voice kratzte sich am Hinterkopf: „Tatsächlich? Ich habe wohl heute Nacht beim Lesen etwas die Zeit aus den Augen verloren."

Yasha blickte sich im Zimmer ein wenig um, während Dei Voice die obligatorischen Fragen nach Wohlergehen und besonderen Ereignissen stellte. Ralina lauschte dem Gespräch, doch immer wieder sah sie zu Yasha herüber. Es war kaum zu übersehen, wie nervös sie war.
Neben dem Buch, von welchem Voice offenbar gesprochen hatte, standen zwei leere Trinkgläser. Auf einem der Balken war mit roter Farbe ein großes X aufgemalt und es steckten einige Dolche tief im feuchten Holz. Es hing eine Hängematte unter der Decke und dennoch sah es so aus, als hätte jemand auf dem improvisierten Sofa geschlafen.

„Ist noch jemand hier?", fragte Yasha und blickte zurück zu Voice. „Nein.", sagte dieser, „Ich wohne allein hier." „Letztes Mal hast du noch woanders gewohnt.", stellte Dei fest. „Jap. Jeder braucht doch ab und zu einen kleinen Wechsel, oder etwa nicht?", entgegnete er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Yasha hatte ein seltsames Gefühl, als würde er aus den Schatten heraus beobachtet. Er zog seine Taschenlampe aus seinem Gurt und leuchtete unter die Decke. Doch dort war nichts, außer weiterer morscher Balken auf welchen allerlei Krimskrams abgestellt worden war und einiger Spinnenweben.

„Gut.", sagte Yasha schließlich und sah Dei an, „Keine Hinweise auf illegale Aktivitäten." Dei stimmte ihm mit einem Nicken zu. „Sollte sich irgendwas verändern, weißt du ja, wie du uns erreichst.", sagte Dei und setzte ein Lächeln auf.
Yasha wusste, dass dies nur gespielte Freundlichkeit war. Generell war Dei zwar ein sozialer Typ, doch Yasha wusste von Deis wahren Gefühlen gegenüber der Kali.
Wenigstens konnte er trotzdem professionell bleiben.

Sie verabschiedeten sich von Voice und stiegen die Leiter hinab.
„Das war schon alles?", fragte Ralina, als sie unten angekommen waren. „Jap.", gab Yasha zurück. „Ist es jemals schonmal vorgekommen, dass ihr so einen Kali bei der Nutzung seiner Kräfte erwischt habt?", fragte sie und zog eine Augenbraue hoch. „Nope.", antwortete nun Dei. „Wieso müsst ihr das dann machen? Sollten unsere Streitkräfte sich nicht besser auf etwas Sinnvolleres konzentrieren?" Yasha zuckte bloß mit den Schultern: „Wir machen die Regeln nicht, Kleine. Wenn der General sagt, wir sollen es machen, dann machen wir es."
Einen Moment lang schien sie zu grübeln, dann sagte sie: „Vielleicht sollte man sie lieber beschatten."
Dei lachte auf: „Und wenn das ans Licht kommt, rasten sie vollkommen aus und hassen uns noch mehr, als sie es eh schon tun." „Außerdem sollten wir nicht davon ausgehen, dass jeder von ihnen böse ist.", fügte Yasha hinzu, doch Dei gab ein verächtliches Geräusch von sich.

„Wir sollten jetzt weiter.", sagte er schließlich und wollte gerade an die Holztür von Murray klopfen, da begannen plötzlich die Pager von Dei und ihm an zu piepsen.
Beide zogen sie ihre Geräte hervor und nach einem kurzen Moment warfen sie sich vielsagende Blicke zu.
„Was ist los?", fragte Ralina uns sah zwischen ihnen hin und her.
„Jetzt zeigen wir dir mal die spannende Seite unseres Jobs!", sagte Dei energisch, klopfte Yasha hart auf die Schulter und nahm die ersten Treppenstufen mit einem Satz. Yasha tat es ihm gleich.
Sie spurteten die Treppen hinunter, durch die Bar und die Tür hinaus in die Gasse.

„Aber ich dachte, wir sollten diese Kontrollbesuche heute machen.", sagte Ralina. Sie war bereits ein wenig aus der Puste. Yasha und Dei waren schließlich auch deutlich größer und vermutlich auch besser durchtrainiert als sie.
„Tja, der Plan hat sich geändert. Es gab einen Zwischenfall in Goldleaf und sie wollen scheinbar ihre beste Einheit dafür haben.", antwortete Yasha.

Sein Herz hämmerte in seiner Brust, während sie die Hauptstraße hinauf zur Station der Stadtbahn spurteten.
Es war etwas Schreckliches passiert und dennoch fühlte Yasha sich großartig. Denn nun konnte er endlich wieder beweisen, dass er nicht nutzlos war.

Die Bahnfahrt schien endlos lang zu sein, als würde sich der Zug noch langsamer über die Schienen schieben als sonst, doch Ralina schien über die Pause dankbar zu sein.
Als sie in Goldleaf angekommen waren, sprinteten sie augenblicklich wieder los.

Je näher sie ihrem Einsatzort kamen, desto offensichtlicher wurde das Ausmaß des Ganzen.
Die Vorbereitungen für das Fest hatten gestoppt, die Leute wirkten nervös, einige sogar verängstigt und an jeder Straßenecke standen Vojak der Stadtwacht herum, versuchten die Leute zu beruhigen oder sahen misstrauisch über die Köpfe der Menge hinweg.

Schon einige Straßen weiter lag der Geruch von Qualm in der Luft und dicke Rauchschwaden stiegen von einem Gebäude nicht weit von ihnen auf.
Alle umliegenden Straßen waren bereits abgesperrt worden, doch als die Stadtwacht sie erblickten, winkten sie sie an den Absperrungen vorbei.

Das rauchende Gebäude schien beinah vollkommen ausgebrannt zu sein, doch das Feuer war bereits gelöscht worden. Vor dem Gebäude standen bereits weitere Vojak, die sie scheinbar erwarteten.

„Ach, habt ihr es auch mal geschafft, zu uns zu stoßen?", schnauzte Eleanora Vos, eine ihrer Kolleginnen der Sondereinheit, ihnen entgegen. „Wir waren gerade in Celka. Wir sind schnell, aber die Stadtbahn ist es nicht.", gab Dei zurück.

Yasha hatte Eleanora bereits auf der Akademie kennengelernt und steckte seitdem mit ihr in einer Einheit fest. Sie sah immer noch aus wie damals: Lange, pinkgefärbte Haare, ein viel zu junges Gesicht für ihr Alter und Augen in denen, trotz ihrer stahlgrauen Farbe, ein heißeres Feuer zu brennen schien als in den Schmelzöfen der Fabriken in Vale.

„Und wer ist das?", fragte sie und blickte an den Jungs vorbei zu Ralina.
Diese trat augenblicklich hervor, streckte Eleanora ihre Hand entgegen und sagte: „Ralina Meredhi. Rekrutin. Es ist eine Ehre, sie kennenzulernen, Miss Vos."
Sie zog bloß eine Augenbraue hoch und antwortete dann: „Ich kann Schleimer nicht leiden... Was macht eine Rekrutin bei euch?" „Dein Vater hat sie uns zugeteilt.", antwortete Yasha.
„Pff.", machte sie, „Als ob sie von euch irgendetwas sinnvolles lernen könnte."

Nun wendete sich Eleanora direkt an Ralina: „Geh nach Hause. Das hier ist eine Nummer zu groß für dich." Verwirrt blickte Ralina zu Yasha, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
Er würde sich sicherlich nicht mit der Tochter des Generals anlegen für ein kleines Mädchen, dass er gerade erst kennengelernt hatte.

„Sie bleibt.", ertönte eine Stimme von der Seite und Offizier Ming stieß der Gruppe bei, „Ermittlerin Voss, mir ist bewusst, dass es ihnen nicht passt, aber sie haben hier nicht das Sagen." Eleanora verschränkte die Arme und ihr Gesichtsausdruck war eindeutig, doch selbst sie diskutierte nicht mit einem Offizier.

Offizier Juhee Ming war eigentlich viel zu jung, um das Amt eines Offiziers innezuhaben, doch durch ihre herausragenden Fähigkeiten im Kämpfen und Ermitteln war sie so schnell in den Rängen aufgestiegen wie niemand zuvor. Sie war eine hübsche Frau mit langen dunkelbraunen Haaren und seidiger Haut und Yasha hätte getötet, um zu sehen, was unter der schwarz-violetten Uniform lag.

„Ich erwarte von ihnen allen professionelles Verhalten und das sie ihr Bestes geben.", sagte sie und fokussierte ihren Blick dabei auf Yasha. Konnte sie etwa Gedanken lesen?

„Was ist denn überhaupt vorgefallen?", fragte Dei, „Wenn Jäger alarmiert werden, muss es ja Hinweise auf Kali-Aktivität geben."
Offizier Ming drehte sich zu dem in Asche liegenden Gebäude um. „Dies war ein Waisenhaus.", erklärte sie und Ralina schlug sich eine Hand vor dem Mund.
„Wir wissen nicht, wer es war oder wieso, doch Zeugen berichteten von einer gewaltigen Explosion.", berichtete sie weiter. „Es hätte auch eine Bombe gewesen sein können, doch es gibt keine Spuren von Chemikalien oder Metallsplitter der Bombenhülle. Daher können wir recht sicher davon ausgehen, dass ein Industrialist dahintersteckt.", übernahm nun Eleanora und rümpfte die Nase.

„Wie viele?", fragte Dei bloß und obwohl sein Gesichtsausdruck auf den ersten Blick leer erschien, erkannte Yasha die brennende Wut in seinen Augen.
„Elf bestätigte Tote, drei schwer Verletzte, welche bereits ins nahgelegene Krankenhaus transportiert wurden, nach den restlichen sieben wird noch in den Trümmern gesucht, doch die Überlebenschancen stehen schlecht.", antwortete Ming.

„Wer würde so etwas grausames tun?", fragte Ralina und anhand ihres Gesichtsausdrucks war Yasha sich beinah sicher, dass sie kurz davor war, sich zu übergeben.
„Nun...", entgegnete Offizier Ming, „Das werden wir wohl in den nächsten Tagen rausfinden."

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