| 13 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Ich wusste nicht, wie lange ich schon auf dem großen Aussichtsplatz stand. Die Zeit schien stillzustehen und gedankenverloren sah ich hinunter auf die Stadt und den dunklen Pazifik dahinter. Der Wind fegte über den Ozean und kleine Wellen liefen am Strand aus.

Natürlich war ich über seine Abfuhr enttäuscht, aber ich konnte ihn auch verstehen. Wir kannten uns nicht und er befürchtete, dass ich eine Gefahr für die Gang sein könnte.

Ich stieß die kalte Nachtluft aus. Hier oben war es echt kalt und das, obwohl es schon August war. Die Hände steckte ich in meine Taschen und unentschlossen überlegte ich, wie es jetzt weitergehen sollte. Ganz aufgegeben hatte ich noch nicht. Er meinte, dass ich weiter Rennen fahren konnte, und vielleicht hätten wir ja noch einmal die Gelegenheit, miteinander zu sprechen. So oder so, ich wollte nichts erzwingen.

Meine Lippen waren schon ganz trocken, weswegen ich mit der Zunge kurz drüberfuhr, und schnellen Schrittes lief ich zu meiner Yamaha zurück. Es war stockdunkel. Kein Mond, keine Lichter hier oben, nichts. Nur ein paar einzelne Sterne.

Als der Wind stärker wurde, setzte ich meinen Helm wieder auf, klappte das Visier runter, um meine Augen vor dem Wind zu schützen und fuhr los. Der Weg war nicht kompliziert und schnell war ich wieder in der Innenstadt. Nur irgendwie schien ich mich verfahren zu haben, denn mir kam nichts bekannt vor. Beim Rennen achtete ich ja auch nicht auf Straßennamen. Anhand von Schildern und Gebäuden versuchte ich mich zu orientieren. Doch es war zwecklos.

Gefrustet hielt ich in der Nähe des Stadtrands schließlich annahm meinen Helm für einen Moment ab und sammelte mich kurz.

Doch eine komische Musik und laute Stimmen, zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Irritiert spähte ich in die kleine Gasse. Jede Menge Qualm hing in der Luft und es stank bestialisch. Irgendwie zu menschenleer für einen Club. Und zu unauffällig. Ich kniff meine Augen leicht zusammen und erkannte letztlich ein zusammengekauertes Häufchen am Boden. Da lag jemand und war offenbar nicht mehr bei Bewusstsein. Ich wollte schon hingehen, da ging die Tür auf.

Einige Männer kamen aus dem Pub, oder was auch immer, und fuhren weg. Unter anderem auch drei Motorräder. Dann war alles still. Die Lichter und die Musik waren aus. Die Motorengeräusche entfernten sich und ich näherte mich vorsichtig dem Verletzten.

Er bewegte sich nicht und mein Magen zog sich zusammen. Leise kniete ich mich neben ihn, zu groß war die Angst, dass doch noch jemand hier war. Als ich ihn schließlich zur Seite drehte, stockte mir der Atem. Jackson. Wie kam der denn hier her?

„Jackson? Kannst du mich hören?", sprach ich nervös zu ihm und rüttelte an seiner Schulter.

Tatsächlich murrte er kurz, ließ aber die Augen geschlossen. Weswegen ich ihm leicht auf die Wange schlug und er mich endlich ansah. „Miles?"

„Man, hast du mir ne Angst gemacht", stieß ich erleichtert aus und betrachtete ihn genauer. Sein Gesicht sah echt übel aus. Ein kleines Blutrinnsal lief seine Wange runter und seine Klamotten waren mit Blut getränkt. „Keine Sorge, ich ruf nen Krankenwagen-"

Jackson unterbrach mich, „Nein, das muss... echt nicht sein."

„Doch, hast du dich mal angesehen? Du bist voller Blut!", schimpfte ich und meine Stimme klang leicht zittrig, was mir im Moment egal war.

Der Schwarzhaarige drehte sich ächzend weiter zur Seite und sah mir eindringlich in die Augen. „Das Blut ist nicht... von mir."

„Und von wem dann?", wollte ich wissen und drückte ihn mit der Hand wieder nach unten.

Aber er schüttelte nur abwesend mit dem Kopf. „Unwichtig." Seine graugrünen Augen sahen an mir vorbei und ich folgte seinem Blick. Einige Meter von uns entfernt lag ein komischer Haufen, der noch leicht glühte und von dem Rauch aufstieg. Das war dann wohl mal seine Ducati gewesen.

„Und was sollen wir sonst tun? Du brauchst Hilfe", fragte ich weiter nach. Ich war mit der Situation einfach überfordert und musste schon genug Konzentration aufbringen, um nicht an den Unfall zu denken.

Erschöpft sackte Jacksons Kopf wieder zurück auf den Asphalt. „Kein Krankenhaus", bestimmte er. „Das sind nur blaue Flecken und ne Kopfverletzung."

„Und vielleicht ein oder zwei gebrochene Rippen."

„Nein", widersprach er. „Die fühlen sich anders an."

Irritiert sah ich zu ihm runter und dachte nach. „Soll ich irgendwen anrufen? Ryan? Oder Nero?"

„Bloß nicht!", brachte er hustend hervor. „Wenn sie davon wüssten, dann hätte ich keine ruhige Minute mehr und am Ende... würden sie nur irgendwas Dummes machen."

„Okay, dann...", seufzend sah ich zu meiner Yamaha am Straßenrand. „Musst du halt mit zu mir", meinte ich mit ungutem Gefühl und stand auf. Jackson sah mich zwar nicht so begeistert an, gab aber kein Widerwort. Also lief ich schnell zurück, schnappte meinen Helm und fuhr meine R6 so nah an Jackson heran wie möglich. Doch als ich den Helm wieder abnahm und auf den Tank legte, stockte ich erneut. Ein Regentropfen landete auf meiner Nase und ihm folgten weitere. Scheiße.

Jackson lag noch immer regungslos auf dem Boden und die kleinen Wassertropfen, verschmierten das Blut in seinem Gesicht.

„Jackson? Komm, du musst aufstehen", sagte ich motivierter als ich mich fühlte und kniete mich wieder zu ihm. Gequält öffnete er die Augen und sah mich ausdruckslos und irgendwie hoffnungslos an. „Es fängt schon an zu regnen und die Straße wird nass."

Scheinbar schien er das auch nicht toll zu finden, denn er machte Anstalten, sich nach oben zu drücken. Nur schaffte er es nicht in eine aufrechte Position, weswegen ich ihm unter die Arme griff und mit nach oben zog. Bei der schnellen Bewegung keuchte er kurz unterdrückt auf. Ich legte seinen Arm um meine Schultern und hielt ihn fest. So zog ich ihn zum Motorrad.

Jackson war mir dabei keine große Hilfe, zwar versuchte er etwas von seinem Gewicht selber zu stemmen, doch seine Beine zitterten und knickten jedes Mal wieder ein.

Dort angekommen, stützte sich Jackson auf der blauen Yamaha ab und ich konnte mich wieder aufrichten. Der Schwarzhaarige sah vielleicht nicht so aus, aber er war ziemlich schwer, immerhin war er auch gut einen halben Kopf größer als ich.

Ich nahm den Helm von der Sitzbank und reichte ihn Jackson. Doch er sah mich nur verständnislos an. „Denkst du ernsthaft ich nehme den Helm, obwohl du verletzt bist?" Er wollte bereits widersprechen, doch ich setzte ihn ihm einfach auf und machte den Verschluss zu. Hoffentlich passte er. Als ich aus Versehen seine Verletzung streifte, zischte er auf. „Sorry", sagte ich nur.

Jetzt standen wir allerdings vor dem größten Problem. Wie sollte ich Jackson aufs Motorrad bekommen?

Als er mich durch das Visier ansah, wusste ich, dass wir dasselbe dachten. Ich hätte ihm ja raufhelfen können, wenn ich nicht als erster aufs Motorrad musste. Jackson wusste es bereits und drehte sich so, dass ich aufsteigen konnte. Als ich saß, tat er es mir gleich und mit etwas Hilfe meinerseits schaffte er es endlich aufs Motorrad. Natürlich war es nicht gerade bequem für ihn, schließlich war es eine Rennmaschine und der hintere Sitz war recht hoch.

Ich spürte die Nässe an meinem Rücken und fragte mich, woher das ganze Blut kam. Zudem bekam ich Zweifel, ob Jackson sich überhaupt festhalten konnte. Wie ein nasser Sack hing er hinter mir auf der Maschine und hatte offensichtlich Schmerzen.

„Jackson, du musst dich schon festhalten, auch wenn es weh tut."

Zwar antwortete er wieder nicht, aber dafür hielt er sich unwillkürlich an mir fest. Ich konnte einfach nur hoffen, dass es ausreichend war und er mir nicht während der Fahrt vom Motorrad kippte. Langsam gab ich Gas und verließ die Gasse. Mittlerweile regnete es stark und die Straßen wurden immer glatter. Auch meine Sicht wurde durch den Regen stark eingeschränkt. Blieb nur zu hoffen, dass wir noch gut Zuhause ankamen.

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