Kapitel 10 - ✔️

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Rosalie

Könnte ich den gestrigen Tag ändern, dann würde ich es sofort tun.
Wieso musste dieser »Unfall« denn ausgerechnet mir passieren ? Wieso bin ich immer die Dumme, die in brenzlige Situationen gerät ?

Erst der Laster, dann die Erinnerung an meinen Vater und zuletzt auch noch dieser Typ, bei dem man die Einbildung seiner Selbst sofort gesehen hat.
Er klang überheblich, aber irgendwie findet mein Kopf die Verschwendung von Gedanken so gut, dass sein Gesicht mir überdeutlich vor Augen schwebt.

Das er geschmunzelt hat, weil ich getaumelt bin, war wirklich gemein und seine intensive Musterung, als wäre ich das siebte Weltwunder, kam mir nicht ganz normal vor. Der Typ war wirklich merkwürdig, aber seine braunen Augen haben es mir angetan.

Ich bin ihm natürlich dankbar dafür, dass er mir das Leben gerettet hat und so gerne ich es auch vergessen würde, diese Tatsache wird mich immer in seiner Schuld stehen lassen. Ich stehe tatsächlich in der Schuld und nie endenden Dankbarkeit, eines Mannes.

Als der Laster auf mich zu raste, habe ich versucht abzuschließen und schon mein Testament geschrieben.
Ich hatte nicht mit einer Rettung gerechnet, die Passanten sahen nicht wie menschliche Superhelden aus, und umso mehr brennen sich mir, jetzt im Nachhinein, seine Hände in meine Haut, die nach mir greifen und mich von der Straße ziehen.

Ich habe mich vielleicht nicht ganz so angemessen bedankt, wie man es vielleicht erwartet hätte, aber ich war überfordert und jetzt ist es sowieso egal, denn in einer so großen Metropole wie New York ist es unwahrscheinlich, dass man sich so schnell wieder sieht.
Ich sollte mir also keinen Kopf mehr machen.

Der Fremde ist im wesentlichen auch nur das minimale Problem.
Mehr Sorgen macht mir meine Kopfwunde, denn sie hört nicht auf zu schmerzen und meinen Kopf zu töten. Wie soll ich damit zur Arbeit gehen ?
Teils kann ich die Schmerzen ja ignorieren, aber sobald es lauter wird oder jemand meiner Wunde zu nahe kommt, selbst wenn ich es selbst bin, schmerzt es unaufhörlich.
Es ist, als würden meine Gedanken und meine Stimme hin und her fliegen und Fangen spielen, ich kann sie manchmal gar nicht zuordnen.
Meine Stimme sagt »Tee kochen« und in meinem Kopf geht es zum Bahnhof .
Was ist nur los mit mir ?
Es ist schlimmer als Migräne, ständig wird mir schwarz vor Augen und der Schwindel überkommt mich aber ich kann nicht einfach zum Arzt gehen und mir helfen lassen.
Ein Arzt würde mich bitten, dass ich mich ausziehe und dann würde er meine Verletzungen sehen und ich müsste einiges erklären. Das kann ich nicht.

Außerdem muss ich arbeiten und mir eine bedingte Lösung für meine Wunde einfallen lassen.
Um einen Verband werde ich nicht herum kommen, denn es blutet immer noch. Ich weiß selbst, dass eine solche Kopfwunde gefährlich ist und meine rötlich verfärbten Haare beweisen mir, wie viel Blut ich verliere, aber ich sterbe lieber, als jemandem von meiner Vergangenheit zu erzählen.

Zu Arbeit komme ich heute nur mit der Bahn. Auf der Straße würde ich vor unentwegten Lauten gleich zusammen brechen, wenn meine Beine es nicht schon vorher tun.

Eigentlich fahre ich nicht gerne Zug, es kostet Geld und die Wagons sind überfüllt, am Bahnhof und im Innern der Bahn sind mir zu viele Menschen, die mich verschrecken und nicht ganz geheuer sind. Man kann ihnen in einem verschlossenen Raum schlecht ausweichen, aber heute muss ich da durch.

Meine Fahrt dauert zu meinem Glück nur knapp zehn Minuten, dann kann ich aus dem widerlich riechenden Gefährt treten und mir auf der Bahnhofstoilette meinen Verband neu machen.
Auf der Fahrt ist er aufgegangen und ein Mann mit Bart und einer Brille hat mir ein Taschentuch gegeben und mir Hilfe angeboten.
Er schien mir gute Absichten zu haben, aber in Menschen täusche ich mich immer und sie spielen nur ein böses Spiel aus Lügen und Heuchelei.
Zudem hatte er ein widerliches Gesicht, gelbe Zähne und einen Mundgeruch der mich hat übel werden lassen. Alkohol.

Leute die trinken überfordern mich, sie sind einfach nicht mehr sie selbst und schwer einzuschätzen.
Mein Leben lang habe ich mich um meinen Tyrannen von Vater gekümmert und jetzt halte ich das nicht mehr aus, alles bricht zusammen, wenn ich mit etwas von ihm in Verbindung komme.
Ich denke an die Schläge und Beleidigungen und Schmerzen und wenn sich mein Herz krampfhaft zusammenzieht, merke ich, dass wieder ein Stück von mir gegangen ist. Ich breche von Tag zu Tag.

Ich blicke nicht in den Spiegel der dreckigen Toilette, durch den man sowieso nur wenig erkennen kann , weil er mit Kussmündern nur so übersät ist.
Ich schminke mich nicht. Make Up kann mir an gewissen Tagen das Leben retten und alles hässliche verdecken, aber meine Erinnerung bleicht es nicht und daher tut es beinahe noch mehr weh, mit bemaltem Gesicht das Haus zu verlassen.
Daher lasse ich mein Gesicht im Alltag so wie es ist und trage nur im Notfall Puder auf.

Das Glück scheint heute nicht auf meiner Seite. Überpünktlich betrete ich den Laden, um zu arbeiten, hoffe innerlich Lucy heute nicht sofort zu begegnen, und bekomme sofort einen Strich durch meine Rechnung.
Ich schlucke, denn ihr fällt mein verpackter Kopf natürlich sofort auf.

»Ach du meine Güte,Rose, was ist denn mit dir passiert ?«
Wie von einer Biene gestochen lässt meine Freundin einen Kleiderständer fallen und rennt auf mich zu.
»Ähm,nichts, das ist nichts ...«, stottere ich verzagt und werde bei dem Gedanken zu lügen mit der Wahrheit getroffen. Ich kann nicht lügen.
»Erzähl keinen Scheiß, was ist passiert ?«, fordert sie bestimmt und nachdem ich mir meine Worte zurechtgelegt habe, spreche ich sie aus.
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Ich hatte einen kleinen Unfall und hab mir den Kopf gestoßen, aber wie du siehst, hab ich alles unter Kontrolle.«
Ich deute auf den Verband und halte mich unauffällig an einem der Regale an der Wand fest. Schwindel überfällt mich, aber vor Lucy muss ich mein Wohlbefinden vorspielen.
»Ach du scheisse, warst du bei einem Arzt?«, fragt sie angespannt und sieht benommen in mein Gesicht.
»Ich brauche keinen Arzt, Lucy, mir geht es bestens. Die Wunde ist ganz klein und blutet nur noch ein bisschen, mach dir keine Sorgen«,  versuche ich sie zu entspannen und bewirke damit das Gegenteil.
»Blut ? Blut ! Wir müssen sofort zu einem Arzt, Rosie, was wenn es etwas ernsthaftes ist ?«, stößt sie aus und will mich schon zur Tür zurück ziehen, als ich mich mit einem Mal lautstark wehre.
»Nein, das ist meine Sache«, sage ich laut und fest und kühl, was bewirkt, dass sie sofort stehen bleibt.
Ich spreche nie so. Nur wenn ich etwas verabscheue und ein winziger Teil der starken Rosalie sich an die Oberfläche kämpft, was wohlgemerkt sehr selten ist.
Eine solche Stimme schreckt ab, sie durcheilst den Körper und schenkt nicht gerade Wohlfühlen, aber sie stoppt Dinge, die nicht sein sollen.
»Ich werde zu keinem Arzt gehen und bitte macht Dir jetzt nicht so viele Gedanken. Ich muss arbeiten und mir geht es wirklich gut«, erkläre ich zurück in einem normalen Ton und schenke ihr ein aufmunterndes Lächeln, damit sie ihr Unbehagen wieder ablegt. Ich mag es nicht, wenn sie nicht weiß wie sie mit mir reden soll und ich will ihr beweisen, wie ernst ich meine Worte meine, ohne das sie ernst gemeint sind.

Mir geht es alles andere als gut, aber das ich gerade Schwierigkeiten beim Stehen habe und es nur taumelnd ins Büro schaffen werde, muss sie ja nicht wissen.

Mrs. Wave kommt heute erst spät, weil sie noch einen Termin hatte, und wie sie so herein schneit kann ich davon ausgehen, dass ihr Termin »Friseur« hieß.

Stumm setzt sie sich an ihren Schreibtisch und in jeder weiteren Sekunde in der wir schweigen, wächst mein Unbehagen. Ich kann nicht einschätzen, wie gut oder schlecht sie auf mich zu sprechen ist und frage mich, ob sie wohl eine Entschuldigung erwartet.

Mit einigen Komplikationen stehe ich schließlich auf und halte mich zur Sicherheit an meinem Schreibtisch fest, während ich spreche.
»Mrs Wave, ich wollte mich bei Ihnen für meine Verspätung gestern entschuldigen und außerdem dafür, dass ich nicht mehr zur Arbeit erschienen bin oder mich anderweitig gemeldet habe, es tut mir leid.«
Ich erkläre lieber nicht was meine Gründe waren, denn das würde nach einer Ausrede klingen und die kann Mrs Wave nicht leiden.
»Schon gut. Ich finde es richtig, dass du dich selbständig entschuldigst, aber das wäre gar nicht nötig, denn die Kundin, bei der du gestern warst, ist begeistert gewesen und will das Kleid sogar in einer zweiten Auffassung, so wie es jetzt ist. Gut gemacht !«
Sie bemüht sich um ein schmales Lächeln und setzt danach wieder ihre gleichgültig, angespannte Maske auf.
Noch nie hat sie so etwas nettes gesagt.

Ich setze mich wieder. Mit sowas hatte ich nicht gerechnet, obwohl Mrs Spring zuletzt tatsächlich sehr glücklich war.
Ihre Begeisterung scheint mich heute jedenfalls vor Mrs Wave gerettet zu haben und das ist wenigstens etwas Erfreuliches an diesem grausigen Tag.
»Ich möchte allerdings trotzdem, dass du heute ein wenig mehr machst und daher, nach Mittag, im Verkauf mithilfst. Ich werde heute später wieder außer Haus sein und falls jemand wegen mir kommen sollte, weißt du ja welche Lieferungen angekommen sind und welche noch nicht.«, fügt sie bei und wendet ihren Blick dann ab. Schluckend nicke ich, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich das durchhalte.
»Gut, verstanden«, murmle ich und wende mich wieder an Bestellungen, die ich bis Mittags erledigt haben sollte.

Sie zu überprüfen stellt sich allerdings als großes Problem da, denn Zahlen und Wörter sind nicht gerade meine guten Freunde heute.
Ständig vertippe ich mich und klicke auf die falschen Stoffe, dass ich am Ende wütend auf die Tischplatte haue und froh sein kann, dass Madam schon weg ist.

Schließlich gebe ich es auf und hoffe, dass ich wenigstens die Hälfte geschafft habe und es mir heute Abend wieder besser geht, um den Rest zu erledigen.
Bis morgen muss ich es fertig haben, ansonsten kann ich mit einigem rechnen und so nett wie heute, wird Mrs Wave kein zweites Mal sein.

Im Verkaufsraum herrscht reges Treiben und die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun.
Ich bekomme Bauchschmerzen als ich all die Menschen sehe, die sich um die Ware streiten. Mein Körper fühlt sich gleich schwerer an, weil er die Anflüge von Stress wohl zu registrieren scheint. Das kann ja heiter werden.
Ich sehe mich um und gucke, wo ich helfen könnte. Lucy entdecke ich an einer Empore auf der eine Frau steht und sich von ihr messen lässt.
Andere Kunden, stehen wartend an den Umkleiden, unterm Arm die unterschiedlichsten Anziehsachen.

Ich stehe erst einmal unschlüssig am Tresen und halte nach hilflosen Kunden Ausschau, nach einer Weile ruft Lucie mich zu sich, weil an der Kasse jemand steht, der auf seinen Anzug wartet. Langsam wanke ich auf sie zu und richte mich an den Kunden, der wie einer von den privat Kunden aussieht.
»Den Namen bräuchte ich einmal«, sage ich und verstelle meine Stimme um möglichst freundlich zu klingen. Ich sehe den jungen Mann nicht lange an, sein verzogenes Gesicht würde mich zu sehr aus der Fassung bringen, um danach noch ein Wort aussprechen zu können.
»Jonathan Klinn«, antwortet er mit tiefer Stimme und ich nicke bestmöglich.
»Ja, ihre Bestellung dürfte gekommen sein, einen Moment bitte.« Ich drehe mich um und laufe zum Lager, in welches der Anzug gebracht worden sein müsste.
»Ich habe Zeit...«, meint er und ich kann seine amüsierte Stimme auch noch von weiter weg hören.
Als ich zurückkomme, tue ich als hätte ich keines seiner Worte gehört und ignoriere seinen intensiven Blick auf mir beflissentlich. Es fühlt sich widerlich an so angesehen zu werden und der Druck, der sich unangenehm in mir aufbaut, überwältigt mich böswillig.

»Hier, dies ist Ihr Anzug, sollte uns bei der Anfertigung ein Fehler unterlaufen sein, melden Sie sich bitte«, erkläre ich immer noch freundlich und reiche dem Mann seine Bestellung.
»Dann müssten Sie mir aber ihre Nummer geben«, meint er nachdenklich und ich blicke irritiert zu ihm auf. Sein schelmisches Grinsen, hilft mir nicht auf die Sprünge.

»Die Informationen für Kontaktadressen und Ansprechpartner befinden auf ihrer Rechnung und weiteren Dokumenten, die Ihnen ausgehändigt wurden«, erkläre ich und seine Lippen verrutschen, während ich ein Papier vor ihn schiebe und Lucy die Rechnung für die Kasse gebe.
»Wenn Sie mir dann noch eine Unterschrift geben könnten, als Bestätigungsannahme«, hacke ich nach und schwungvoll setzt Herr Klinn seine Unterschrift auf die vorgesehene Zeile des Dokuments.
»Dankeschön«, sage ich lächelnd.
»Bitteschön, Süße !«, raunt er mit einem Unterton der mich verwundert aufsehen lässt.
Was hat er gerade gesagt ?

Grinsend sieht er in mein verwirrtes Gesicht und zwinkert mir schließlich zu, bevor er den Laden verlässt.
Ich habe keine Ahnung, was er damit aufbringen wollte. Süße ?
»Ohhh...du Aufreißer, gleich einen von den reichen Schnöseln«, verschwörerisch kommt Lucy von der Seite auf mich zu und grinst über das ganze Gesicht.
»Quatsch, er ist ein Kunde !«, entgegne ich und kann nicht ganz verdauen, was für eine merkwürdige Begegnung das war.
Mein Kopf bietet sich einen Vergleich des Angestarrt werden, und der zweite intensive Blick, war nicht halb so angenehm wie der, des Typen gestern.
Im Oberflächlichen, fand ich jedoch beide unangenehm.

»Klar, ein Kunde...er scheint dich zu mögen, so wie er dich angesehen hat«, rätselt sie weiter und ich pruste leise los.
»Was sollte ich denn haben, was du nicht hast ?«, frage ich scherzhaft und muss nicht erwähnen, dass er mich nie mögen könnte.
»Gute Frage, das weiß ich natürlich nicht, aber er steht auf dich und das ist doch cool«, schwärmt sie und wackelt mit den Augenbrauen.
»Ich kenne den Kerl doch nicht mal und ganz geheuer ist er mir auch nicht gewesen.« So wie mir jeder Mann ein Ungeheuer ist.
»Nicht ?« Sie wirkt erschüttert.
»Nein, woher sollte ich denn ?«
»Er ist der Erbe eines erfolgreichen Unternehmens hier in der Nähe und muss einen Haufen Geld haben«, klärt sie verträumt auf.
»Na, das sind mir die liebsten...«, gebe ich zurück und mache mich weiter an die Arbeit.
Nur weil der Kerl vielleicht mehr Geld als ein Anderer hat, wäre eine Beziehung zu seinem Geld keine Basis in der ich leben könnte. Mich interessieren seine Finanzen nicht und für eine arme Ratte wie mich, würde er sich auch nie interessieren. Ich bin eins von den Gesichtern, die er wahrnimmt und als unwichtig absichert. So läuft das bei Geschäftsmännern, sie vergessen.

Mit Trubel geht der Tag weiter und gegen halb sieben sind auch die letzten Kunden aus dem Laden, dass wir anfangen aufzuräumen.
Heute sind Lucy, Paul und ich die Letzten und wenn man die Beiden beobachtet, merkt man sofort die Funken, die zwischen ihnen sprühen.
Wenn man richtig hinsieht, merkt man wie oft Paul nach Lucie Ausschau hält und schüchtern lächelt, wenn er sie entdeckt und man sieht auch, wie Lucys Gesicht eine verträumte Röte annimmt, sobald man zum Thema »Paul« wechselt.
Die Beiden würden gut zusammen passen.
Der Junge mit den wuschelblonden  Haaren und die heiße Brünette mit den braunen Augen. Süß.
»Rosie...?«, flüstert jemand hinter mir und ich drehe mich erschrocken um.
»Ja ?«, frage ich und muss lächeln als ich Pauls ratlosen Blick sehe.
»Meinst du, ich könnte sie heute nach Hause bringen ?« Mit geröteten Wangen deutet er auf Lucy und mein Lächeln wird breiter.
»Klar und sei nicht so schüchtern, sie mag dich ...«, flüstere ich und tue dann so als müsse ich noch etwas wichtiges erledigen.
»Rose, kommst du ?«, fragt Lucie  und ich drehe mich zu den Beiden um.
»Geht ihr mal alleine, ich muss noch kurz was ...was machen !«, murmle ich und werde plötzlich von schwarzen Punkten in meinen Augen abgelenkt. Schwindel.
»Ich kann auch warten...«, entgegnet sie und sieht mich besorgt an. Ich weiß, dass sie auf meinen Verband starrt und etwas zu bemerken scheint, aber ihren Spaziergang mit Paul werde ich ihr nicht versauen.
»Nein, kein Problem, geht ...«
»Öhm..ok«, skeptisch läuft sie durch die aufgehaltene Tür.
Erleichtert atme ich aus und sehe den beiden nach.

Paul geht hinter Lucy und während sie am Schaufenster vorbei läuft, dreht er sich noch einmal dankbar lächelnd zu mir um.
Kopfschüttelnd warte ich bis die beiden einen verschwunden sind und gehe dann langsam nach.

Draußen ist es dunkel, die Sonne taucht den Himmel für die letzten Minuten in einen zarten rosa Ton und leuchtet auf die Stadt nieder. Noch etwa fünf Minuten und einzig die Straßenlaternen werden dem Bürgersteig Licht spenden. Die Atmosphäre ist magisch, beinahe friedlich, aber in meinem Kopf tobt es und die Schwäche krümmt sich in meine Glieder, dass ich nichts genießen kann.
Mit einem pochenden Kopf und dem Verband, der nervig scheuert, schaffe ich es nur wenige Meter um den Laden abzuschließen, bis ich auf den Treppenstufen zum Eingang auf die Knie sinke.
Jetzt, wo ich kaum drei Minuten alleine bin, konfrontieren mich die Schmerzen, die ich über den Tag hin verdrängt habe. Es ist als wüssten sie, wann sie mich wieder beflissentlich belasten können.
Meine Gedanken liegen wie ein verknotetes Wollknäuel in meinem Kopf und ich breche beinahe in Tränen aus, weil alles auf mich einschlägt. Ich muss nach Hause laufen und dort muss ich weiter arbeiten, wie soll ich das hinbekommen ?
Ich bin zu erschöpft und schwach, um mich gleich wieder an den Laptop zu setzen, das Dröhnen meines Kopfes will nicht besser werden, und wenn ich nicht genau das tue und bis morgen alles erledige, sitze ich demnächst auf der Straße. Es ist Verzweiflung, pure Verzweiflung.

»Scheiße !«, flucht jemand entfernt und ich hebe meinen gesenkten Kopf ein wenig.
Die Straße liegt dunkel vor mir und die nächste Laterne ist zu weit entfernt um mehr als Konturen einer Gestalt zu sehen. Ein Schauer durchläuft mich und ich kneife meine Augen zusammen, um mich auf die Silhouette zu konzentrieren. Sie scheint mir plötzlich bekannt und als dunkelbraune Augen, wie leuchtende Sonnenstrahlen, auf meine treffen, weiß ich mit wem ich es zu tun habe und nicht mehr ganz, wie man atmet.

»Du ?!«, ruft mein Kopf einen fragenden Gedanken aus und ich muss mich sogleich über mein Mundwerk ärgern. Es braucht eine Weile und mein Gegenüber scheint mich noch nicht zuordnen zu können. Dann aber scheint er sicher und tritt ohne Zögern einen Schritt auf mich zu.
»Du«, haucht er und scheint plötzlich so atemlos, als wäre er einen Marathon gerannt.
Eine Weile sprachlos sehen wir uns an und brauchen wohl beide eine weitere Absicherung, um unser Gegenüber wahrzunehmen.
Er ist ein Fremder und doch bekannt.

»Tja, so sieht man sich wieder, würde ich sagen«, platzt es mir heraus und vor Scham wende ich meinen Blick von seinem Gesicht ab. In der Dunkelheit kann ich außer glatter Konturen und seiner kantigen Gesichtsform nicht mehr als seine strahlenden Augen sehen, die wie flüssige Schokolade auf mich gerichtet sind.

»Allerdings !«, gibt er darauf wieder und schmunzelt zögerlich. Ich weiß nicht was ich sagen soll.
»Meinen Rat scheinst du nicht wahrgenommen zu haben«, fügt er, mehr zu sich selbst, hinzu und muss damit wohl meinen Verband zu meinen. Er ist verrutscht und sieht wie ein amateurhafter Versuch, einen Verband zu binden, aus.

»Ich weiß nicht was du meinst, mir geht es blendend«, gebe ich von mir und stehe so schwungvoll auf, dass ich das Gleichgewicht verliere und in seine Arme falle.
Meine Finger krallen sich in die Ärmel seines Mantels und der dunkle Boden scheint mir wie ein tiefes Loch in das ich fallen werde, sobald seine warmen Hände mich loslassen.
»Ach nein ? So sieht es aber nicht aus«, lacht er über mir und ich ärgere mich über meine Ungeschicklichkeit.
Wenn ich ihm wirklich beweisen will, dass ich keinen Arzt brauche, muss ich überlegter Handeln.
Er hält sich doch sofort für etwas Besseres und fühlt sich überlegen, wenn ich mich so an ihm festhalte.
»Dann bist du blind«, antworte ich trotzig und lasse ihn vorsichtig los, während er weiter über mich lacht. Sein Lachen ist rau und kratzig, als wäre es eingerostet, aber es verklingt auf eine schöne Weise in meinen Ohren, dass ich einen Moment inne halte und zu ihm aufsehe.
Erst als ich mich selbst beim starren erwische wende ich mich ab und setze mich in Bewegung. Mit einem solchen Typen muss ich nun wirklich nicht meine Zeit verschwenden und auf einmal scheinen mir meine Gewissen, bezüglich eines vernünftigen Dankeschöns, überflüssig. Dieser Mann hat so viel Selbstbewusstsein und Arroganz, dass ihn meine Worte in ihrem Sinn nicht einmal treffen würden. Sie wären unnötig. 

»Hey, warte ...«, seine Stimme scheint gerissen und das er mir nach läuft kann ich überdeutlich hören. Einfach scheint man ihn nicht abwimmeln zu können.
»Nö«, brumme ich mit erhobener Stimme und drehe mich nicht zu ihm um.
»Bist du schon gleich böse  ?«, fragt er als er neben mir läuft und ohne ihn anzublicken, kann ich sein selbstgefälliges Grinsen sehen.
»Definiere mir böse. Wenn du meinst ich wäre »das Böse«,»die dunkle Seite der Macht« oder wie du dieses Nomen auch immer beschreiben würdest, liegst du falsch. Solltest du aber mit »böse« das Adjektiv meinen, welches im Sinne von »angepisst« oder »sauer« steht, hast du ins Schwarze getroffen«, sage ich und habe keine Ahnung, warum ich ihm hier etwas mit großen Tönen erkläre.
»Geht's noch genauer ?«, fragt er fassungslos amüsiert.
»Klar, in einer gänzlichen Verbindung, könnte ich natürlich auch etwas Böses tun oder machen. Außerdem ist böse, das Gegenteil von gut, aber das solltest du wissen«
Ich kann mir nicht erklären wieso ich diese Worte sage. Sie sprudeln wie ein Wasserfall aus mir und amüsieren mich zuletzt selbst.
»Okay, ich habe verstanden. Du hast deinen Stolz.«, stellt er fest und ich nicke. Er hat es erfasst.
»Richtig, Fremder«, bestätige ich und recke meine Nase ein wenig in die Luft. Erst jetzt wird mir klar, dass ich tatsächlich mit jemandem rede, bei dem ich nicht mal einen zugehörigen Namen habe. Noch dazu handelt es sich hier um einen Mann, einen fremden Mann.
»Fremder ?«, kommt es ungläubig verwirrt von der Seite und in der Dunkelheit hebt er eine Augenbraue. Kleine Falten ziehen sich bei dieser Bewegung auf seine Stirn.
»Wieso ? Sollte man dich kennen ?«, frage ich ebenso verwirrt und erwidere seinen Blick.
»Nun, ja vielleicht«, antwortet er und scheint zuletzt selbst unschlüssig, wie er seine Worte zu Ausdruck bringen soll. 
Er sieht aus, als wüsste er nicht was er mit meiner Frage anfangen soll und welchen Nutzen sie findet.

»Tja, da ich auch ohne dich zu kennen atmen kann, denke ich, dass dieses Unwissen nicht krank macht. Deinen Namen könntest du mir trotzdem verraten, wenn du mich schon verfolgst.«
Der miese Ton in meiner Stimme schlägt sich ab und geht in einen etwas freundlicheren über.
Ich will trotz seiner Überheblichkeit keine Vorurteile haben, auch wenn die bei seinem Geschlecht, im Überfluss vorhanden sind.

»Ich würde es nicht verfolgen nennen !«, teilt er mir mit und schüttelt seinen Kopf.
Er sieht belustigt und nachdenklich zugleich aus. Seine Lippen sind verzogen und zucken unregelmäßig.
»Ach ja, und wie dann ?«
Mir missfällt nicht, dass er meinem Vorschlag bewusst ausweicht.
»Vielleicht: »freundliches Nachhause bringen eines verletzten, kleinen Mädchens««, schlägt er vor und mein Mund klappt einen Spalt weit auf.
Soll das eine Beleidigung sein ? Will er mir sagen, dass mich meine Größe in irgendeiner Weise schwächt und unwichtiger stuft ?

»So sehen Riesen wie du die Welt also«, murmle ich nachdenklich und so, als wäre mir gerade ein Licht aufgegangen. In Wirklichkeit regt mich sein Kommentar ungeheuer auf.
»Riesiges Ego, fließende Arroganz und ein Mangel an Freundlichkeit. Damit kommst du noch weit !«, füge ich sarkastisch bei und sehe mich verwundert um, als er abrupt stehen bleibt. 
Sein Gesicht liegt in Falten und ich kann aus seinem Blick nichts definieren.
»Hast du das gerade echt gesagt ?« fragt er und stößt einen merkwürdigen Laut aus.
Ich runzle die Stirn und bleibe wenige Meter vor ihm stehen.

Es ist keine Angst die uns trennt und meinen Sicherheitsabstand auslöst. Es ist mehr der Mangel an Unsicherheit der mich die Sache störrisch sehen lässt. Das ich nicht vor Angst zittere ist so befremdlich, beinahe unwirklich. Wie kann das sein ?

»Ja, das habe ich gerade gesagt«, bestätige ich ihm und werde sauer, bei seinem gehobenen Kinn. Mit bösen Blicken, sehen wir uns an.
»Das haben dir doch hoffentlich schon öfters Leute gesagt !«, füge ich hinzu und seufze theatralisch genervt.

»Tatsächlich noch nie.«
Sein Blick wechselt im Bruchteil einer Sekunde und seine Worte klingen so nachdenklich, dass sich meine Augen wie von selbst verdrehen. Der Umschwung kommt so plötzlich, dass er sein Profil sofort wieder überheblich wirken lässt. In mir kocht es und das nicht vor Schmerzen, die sich für den Moment wieder verzogen haben. Nein, meine Nerven liegen einzig wegen ihm blank.
Etwas an ihm stört mich gewaltig und veranlass mich, ihn in seiner Visage einfach stehen zu lassen.
Soll er ruhig weiter grübeln und sich Gedanken deswegen machen.

»Und wieso nicht ? Machst du ihnen Angst ?«, rufe ich ihm über meine Schulter hinterher und zucke bewusst zusammen, als er keine Sekunde später wieder neben mir steht.
»Für gewöhnlich zeigen die Leute mir gegenüber mehr Anstand. Niemand würde es wagen, derartiges zu sagen«, meint er und sieht für einen kurzen Augenblick zu mir. Wenn er mir mit diesen Worten ins Gewissen zu reden versucht und mich unterbewusst auffordert mich zu entschuldigen, kann er gleich abziehen. Ich habe es nicht gesagt, um es dann zurückzunehmen. Im Gegenteil.

»Ach so, der Herr ist also Prinz, König ? Von welchem Land ? Besserwissertown in Fremdlingen ?«, bissig fallen mir diese Worte aus dem Mund und ich beiße mir in die Unterlippe um nicht fortzufahren.
»Nein, zum Adel gehöre ich nicht, noch nicht, aber was ist bitte Besserwissertown in Fremdlingen ?«, prustet er und ich sehe aus dem Augenwinkel sein Grinsen. Es sieht befremdet aus, als wäre sein Lächeln unmöglich, dabei kenne ich ihn nicht einmal.
Seine Gesichtszüge lassen ihn nur nicht, wie eine Person wirken, die oft und herzlich lacht. Das macht den Moment einzigartiger und lässt meine Wut blassen.
»Keine Ahnung..., ist mir gerade so durch den Kopf gegangen, aber wenn du Prinzessin werden willst, ist Amerika wahrscheinlich ein schlechter Start«, informiere ich ihn trüb und sehe wie sein Lächeln noch höher rutscht.

»Danke für die Info !«, murmelt er und schüttelt verschmitzt den Kopf.
Ich meine es ernst, hier gibt es keine Regenten, da muss er nach Britannien oder Schweden reisen.
»Was, noch nie mit Jemandem geredet der dich Prinzessin nennt ?«
Meine Stimme klingt ernst, aber ein sarkastisch, belustigter Unterton lässt die Stimmung nicht anschwellen. Wir amüsieren uns beide und dabei weiß ich nicht einmal wieso.

Vielleicht ist es sein Lachen, welches mir schier den Atem raubt, da es so plötzlich ertönt. Es hallt wie ein Echo in meinem Kopf und entknotet einen Teil meines Gedanken - Kabelgewirrs. Ich bin sprachlos.
»Nein, bisher noch nicht, du bist die Erste«, bringt er unter stotternden Atemzügen hervor und kann sein Glucksen nicht ändern.
»Okay, also entweder hast du noch nie vorher mit einem Menschen geredet, der dich mal informiert, oder du stammst aus einer Zeit in der es anstatt des Telefons Steine gab«, gebe ich meine Vermutung auf und stelle mir selbstgefällig einen jungen Mann vor, der in einer Höhle schläft und mit einem Speer durch das Land watet. Die Vorstellung bringt mich selbst zum lachen.
»Was ? Nein ! Wieso sollte ich mit Steinen telefonieren ?«, fragt er und wir grinsen uns beide an. Es scheint mir plötzlich unfassbar normal hier zu stehen und einen Blödsinn von mir zu geben, der uns beide zum Lachen bringt.
»Keine Ahnung, siehst so aus....«, pruste ich und führe meine Vorstellungen weiter aus.
»Pff... das ist lächerlich, ich sehe bestimmt nicht wie ein Höhlenmensch aus«, brummt er beleidigt und kreuzt die Arme vor der Brust.
»Ach nein ?«, hake ich nach.
»Ja«, antwortet er gewiss und reckt stolz seinen Kopf, obwohl sein Blick verrät, dass er verwirrt ist, nicht sicher, richtig geantwortet zu haben.
»Ja, Prinzessin, bleib mal auf deinem Thron sitzen...sonst bricht dein Absatz noch«, murmle ich kopfschüttelnd und lasse seinen Blick damit wieder zu mir wandern. Fragend sieht er mich von der Seite an, er scheint ergründen zu wollen warum ich das sage, aber eine Antwort findet er in meiner Gleichgültigkeit nicht. 
»Was ist dir bloß über die Leber gelaufen ?«, fragt er unwissend.
»Ähm, eine Laus, ach ne...eine überheblich dumme Prinzessin!«, antworte ich darauf und muss los kichern.
Er scheint meine Beleidigung zu übersehen und stimmt mit ein.
»Na gut, ich weiß zwar nicht was mit dir nicht stimmt oder was ich getan habe, aber wenn du mich von nun an Prinzessin nennst, wie darf ich dich dann ansprechen ?«
Eine berechtigte Frage, aber da er meiner ausgewichen ist, trotze ich meinem Namen.

»Keine Ahnung, sag du es mir«, fordere ich ihn auf und sehe erwartungsvoll in sein Gesicht.
»Wie heißt du ?«, fragt er direkter und bohrt seine Augen in meine, dass ich schlucken muss.
»Mein Name ist nicht wichtig. Also nenn mich wie du willst ....«, bringe ich mit einer tonlosen Stimme hervor und muss mit mir kämpfen, seinen Augen zu entfliehen. Sie ergründen mich zu tief, dass ich es nicht aushalte ihn länger zu beachten.
»Wieso willst du mir deinen Namen nicht sagen ?«, hakt er mit samtener Stimme nach und hat einen so ehrlichen Ton aufgesetzt der mich wundernd die Augen weiten lässt. Noch nie hatte ein Mann in meiner Nähe einen solchen Ton. Nie klang es so, so vertrauenswürdig.
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen. Wieso verrätst du mir nicht zuerst deinen Namen ?«, stelle ich die Gegenfrage.
»Nein, ich hab zuerst gefragt !«, schmollt er.
»Jetzt bitte nicht weinen Prinzessin, das halte ich nicht aus«, spiele ich dramatisch vor und muss lachen.
»Ich und weinen ?«
»Ach so, ganz vergessen. Prinzessinnen wie du haben ja alles und brauchen daher nicht zu weinen - wenn nicht sogar ihre Tränen Millionen wert sind.«, platzt es mir sarkastisch heraus und ich wundere mich erneut, woher ich diese Worte nehme.
Solche Albernheiten sehen mir nicht ähnlich.

»Alles habe ich noch nicht !«, führt er fort und ich bin verwundert, dass er darauf eingeht.
»Was fehlt, Mylady ?«
»Eine Krone und Ihr Name, Madam!«
Er wartet auf meine Reaktion und scheint verunsichert, als ich nicht antworte. Ich suche nach einer guten Antwort.
»Aber Prinzessinen tragen ein Diadem !«, verbessere ich ihn und sehe an seinem Gesicht, dass ich die perfekte Antwort gegeben habe.
»Da hat wohl jemand Cinderella geguckt.«
»Nein, ich war gerade bei der Auskunft um nach »ihr Name« zu fragen. Die meinten den Namen »ihr« gibt es nicht, was nun ?«

»Nun, dann musst du mir eben deinen Namen verraten !«, sagt er in einer umschlingenden Stimmlage.
»Ist das ein Wunsch oder ein Befehl ?«, zögere ich die Antwort hinaus.
»Beides ! Such es dir aus, Hauptsache am Ende kommt eine Antwort heraus.«
»Und wenn ich meinen Namen nicht sagen will ?«, hake ich weiter.
»Dann war es doch ein Befehl.«
»Okay, lass mich kurz nachdenken, ich muss es vergessen haben, dann musst du dir wohl selbst einen Namen ausdenken«

Er schüttelt gut gelaunt den Kopf und ich merke wie unbeschwert mir dieses Gespräch von den Lippen geht. Ich vergesse mit wem ich es überhaupt zu tun habe.
Die wesentlichen Fakten rücken in den tiefen Hintergrund.

»Ich kann sowas aber nicht«, gibt er ehrlich zu und scheint unbeholfen, was er tun soll. Als suche er nach einer konstruktiven Anleitung, die es hier nun mal nicht gibt. Was ich von ihm verlange, ist ein Hauch von Fantasie.
»Nicht kreativ genug ? Nein, und das bei so einem Amt«, dramatisiere ich die Lage und seufze als ich ihn so unschlüssig laufen sehe.
»Ach komm schon, wenn ich einen Namen für dich habe, musst du auch einen für mich finden.«
Es ist fast beleidigend, dass er keinen Spitznamen für mich findet.
Der Gedanke allerdings, dass etwas ihn in seinem Fluss aus Gedanken zurecht weist und Dämlichkeiten auslöscht, lässt mich sein Schweigen objektiv betrachten.
Nicht jedem fällt auf Anhieb etwas Gutes ein.
»Oder du verrätst mir wie du wirklich heißt«, versucht er es ein letztes Mal.
»Nein, so leicht mache ich es dir nicht, außerdem ist mein Name unwichtig.«

»Na gut« Er stöhnt frustriert und scheint fassungslos über das, was er als nächstes ausspricht. »Wie wäre es mit Blue ?«, fragt er unsicher und schielt in meine Richtung.
Er weiß nicht, dass er hierbei nichts falsch machen kann, schießt es mir durch den Kopf.

»Wieso Blue ?«, frage ich leise und räuspere mich. Meine Stimmbänder kratzen, als sich unsere Körper im Laufen berühren.
»Weil deine Augen unfassbar blau sind«, schießt es ihm über die Lippen. Ich lächle leicht, seine Unsicherheit erstickt die Luft, das macht es amüsant.
»Echt ? Ach so, ja. Hast du noch etwas anderes ?«
»Ähm...»Ocean« ?«
»Schon besser, wieder wegen meinen Augen ?«
»Ja, die sind mir gestern, als du am Boden lagst, überdeutlich aufgefallen«, gesteht er und meine Wangen fühlen sich wärmer an, als sonst.
»Reite bloß auf meiner Niederlage herum«, witzle ich.
»Ach komm schon, Kleine, du musst mir nicht schon wieder danken«, gibt er spießig zurück und grinst unverschämt.
»Da hast du doch einen Spitznamen. Nenn mich »Kleine««, schlage ich vor und weiß selbst, dass ich mich damit selbst verrannt habe.
»Ja, der passt zu dir«, pflichtet er mir nachdenklich bei.
»Ha -ha.« Ich bereue meine Idee.
»Jetzt bist du die Beleidigte !«
»Gar nicht«, meine ich trotzig.
»Dann ist ja gut«, sagt er entspannt.
»Aber warte, hast du dich gerade selbst als die Beleidigte bezeichnet ?«, lache ich los.
»Was, habe ich ? Nein !«, widerspricht er sich selbst und starrt nachdenklich auf seine großen Hände. Sie hängen hilflos an seinem Körper hinab und matten sein Auftreten.
»Ach, Prinzessin, du redest um den Brei herum, gib es doch zu..«
Mitfühlend klopfe ich ihm auf die Schulter, doch mein Handeln kann man wegen des Lachens nicht ernst nehmen.
Seine Augen richten sich mit gehobenen Brauen zu mir herab.
»Was ?! Taub bin ich nun nicht !«, rechtfertige ich meinen Einwand. Er nickt und lächelt spitzbübisch während er die nächsten Worte ausspricht.
»Klar, und auf den Kopf gefallen bist du auch nicht, oder ?«
Wir müssen beide lachen und es dauert eine ganze Weile bis wir uns beruhigen können.
Mein Körper füllt sich mit Leichtigkeit, als ich uns beide so höre und für einen Moment ist alles Gewichtige verschwunden.

»Nein, der korrekte Begriff lautet »gestürzt« !«, widerspreche ich dem ein wenig zu spät.
»Nein, »tollpatschig««,korrigiert er.
»Nein, »gestürzt«, denn wie kann ich schon tollpatschig sein, wenn du mich zu Boden reißt ?«
»Auch wieder wahr, dann eben »reißen««, schlägt er vor und ich nicke.
»Gut, außerdem ist mit meinem Kopf alles super, sonst könnte ich eine Diva, wohl kaum von einem Mann unterscheiden.«
»Das trifft mich jetzt, erst Prinzessin und jetzt Diva ?« Er fasst sich krampfhaft ans Herz.
»Jap«
»Was fällt dir ein, Kleines ?«, witzelt er und findet an meinem neuen Spitznamen Anschluss. 
»Mein Mund ist eben nicht klein !«, berichte ich und öffne besagten stolz.
»Ach so, das erklärt natürlich alles«, meint er sarkastisch.
»Ja, natürlich.«
»Du bist echt...«, stößt er hervor und scheint keine passiven Worte zum Ende zu finden. Er lässt den Satz nachdenklich in der Luft hängen und sieht einen Moment, aus dem ich ihn reiße, in die Ferne. New York ist versunken in der Nacht. Gruselig.
»Klein«, setzte ich den Punkt und unterbreche die klemmende Kälte die mich schaudern lässt. Ich will jetzt nicht mit meinen eigenen Gedanken alleine sein, er soll weiterreden, aber wir sind an meinem Ziel.
»Ja das auch.« Er nickt abwesend und bleibt schließlich stehen, als auch ich es tue.

»Na dann, Tschüß. Von hier gehe ich allein.«, erkläre ich und deute auf einen unbewussten Punkt hinter mir. Wir stehen in der Nähe des Central Parks und der Lauf bis hier her verging wie im Flug. Meine Schmerzen haben sich nicht eine Sekunde unseres Gesprächs bemerkbar gemacht, wofür ich sehr dankbar bin.
»Was ?«  Er scheint aus dem Konzept gebracht.
»Ich wohne gleich hier, Prinzessin !«, wiederhole ich und lege mein Gesicht in Falten.
Wo genau ich wohne, soll er nicht wissen.
»Ach so...«, meint er plötzlich wieder tonlos und sachlich.
Gar nicht mehr wie eben, gelassen und friedlich auf Witze.
»Ja, dein Schloss ist wahrscheinlich in die andere Richtung«, rate ich freundlich und lächle schüchtern zu ihm auf. Wenn wir voreinander stehen wirkt er noch zwei Köpfe größer. Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um seine Augen löchern zu können.
»Ähm. Ja, ja...«, bestätigt er verwirrt.
»Gut, auf Wiedersehen, Prinzessin.«, rufe ich über meine Schulter, als ich mich wieder in Bewegung setze.
»Tschüß, kleines, fremdes Mädchen«, ruft er laut fordernd über den Platz zurück und stoppt mich damit in der Bewegung.
»Bye, Bye«, lache ich und zeige ihm den Mittelfinger, ohne mich dabei umzudrehen.

»Das habe ich verdient !«, seufzt er und klatscht mit den Händen.
»Allerdings, Prinzessin !«, rufe ich zurück und bin schließlich um die Ecke verschwunden.

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