II. Reditus

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Wie ihr vermutlich gesehen habt, seht oder sehen werdet, hab ich hier an der Optik ein wenig gearbeitet, was hoffentlich meine Absicht erfüllt. Obwohl ich hier gerne noch mit etwas mehr Bildern arbeiten möchte, warum auch immer mich das hier so reizt. Aber man will ja nichts überladen.
Oder was haltet ihr davon? Bzw. wie gefallen euch optische Untermalungen und "Illustrationen" hier auf Wattpad am Besten?
Für die Trennungszeichen (wie nennt man sowas denn eigentlich?) innerhalb der Kapitel empfehle ich den weißen Hintergrund. Sonst sieht das, zugegebenermaßen, etwas bescheuert aus ^^"

Viel Spaß beim Lesen!

II. Reditus
Rückkehr

» Dum spiro spero «
- Marcus Tullius Cicero

Solange ich atme, hoffe ich.

Erst der brennende Schmerz, mit dem seine Handfläche gegen ihre Wange traf und ihren Kopf zur Seite schleuderte, rief sie aus ihrer Lethargie in die Gegenwart zurück, in Calpurnius' Haus.
Der Blick des Mannes schien Flammen zu sprühen, während er sich erbarmungslos in sie bohrte. Wie schon zuvor an diesem Tag spürte sie die Hitze beinahe auf ihrer Haut. Von den Wächtern in die Knie gezwungen musste sie zu dem kleingewachsenen Mann aufblicken, was ihn nun in seiner stolzen aufrechten Haltung fast übermenschlich erscheinen ließ. Die grau melierten Stellen in seinem Haar wanden sich wie ein Kranz von seinen Schläfen rund um seinen Kopf, was mit seinem hochmütigen Blick ein wenig an einen Herrscher erinnerte. Ein Herrscher, der über seine Untertanen richtete. In diesem Falle über sie.

„Gefällt es dir hier nicht?‟, begann er, die Schlange, schließlich. „Findest du, kleine Sklavin, dass das hier ein unzureichendes Haus ist?‟ Die zarten Ansätze von Falten hatten sich zu tiefen Furchen vertieft, die sein Gesicht durchzogen und noch grausamer erscheinen ließen.
Runa schwieg. Was sollte sie darauf schon erwidern?
„Antworte, serva!‟
„Nein‟, hauchte sie leise, nicht sicher, was sich hinter dieser Frage verbarg.
Ihm entkam ein schallendes Lachen, grell, misstönend, beunruhigend. „Nein?‟, spottete er mit glühendem Blick. „Wie erfreulich! Du kannst dich glücklich schätzen, von einem Mann wie mir gekauft worden zu sein, in solchen Mauern leben, mir dienen zu dürfen. Ist das nicht eine unglaubliche Ehre für den Bastard einer Wilden und irgendeines Griechen?‟
Bedrohlich schritt er auf sie zu, ergriff in einer einzigen schnellen Bewegung ihr langes Haar und zog sie daran grob zu sich.

Zischend atmete sie durch zusammengebissene Zähne ein, als der Schmerz durch ihren Körper zuckte. Wie sehr sie diesen Mann doch verachtete! Sie empfand einiges, wenn sie daran dachte, dass sie nun sein rechtmäßiger Besitz war, aber glücklich und stolz darauf war sie mit Sicherheit nicht.
„Am liebsten würde ich Claudius in die Arena werfen und von Löwen zerstückeln lassen, dafür, dass er mir dich aufgeschwatzt hat. Meinetwegen hätte sogar dieser aufgeblasene Atius dich haben können. Dann wäre ihm seine Arroganz wohl vergangen‟, zischte er wie die Cobra, die sie in ihm sah. „Wie kannst du es wagen, dich deinem Herren zu widersetzen? Nicht ein Funken Respekt befindet sich in deinem wertlosen Körper‟, spuckte Calpurnius ihr hasserfüllt entgegen, so dicht an ihrem Gesicht, dass sie wieder seinen heißen Atem spüren konnte.
Alles in ihr schrie nach Distanz zu dieser Bestie, danach sich seinem eisernen Griff, seinem angsteinflößenden Blick und seiner düsteren Präsenz zu entwinden. Doch er zwang sie, genau in dieser Position zu verharren. Runa wusste nicht, was nun folgen würde, doch so wie er sie anblickte, hätte es sie nicht überrascht, wenn er sie auf der Stelle getötet hätte. Stattdessen aber lockerte sich sein Griff und seine Züge entspannten sich.

„Nur mit einem hat dieser Halunke absolut recht. Die Götter haben dich mit einer gewissen Schönheit gesegnet. Verschwendete Schönheit zwar, und doch...‟ Seine Hände glitten durch ihr dichtes langes Haar. „Für dieses hübsche Blond würden reiche Frauen und deren Männer ein kleines Vermögen bezahlen. Nur damit sie daraus Perücken fertigen könnten, die sie voller Stolz tragen würden.‟
Sein Zeigefinger zeichnete hauchzart die schmale Form ihres Kinns nach. Angewidert erzitterte sie unter der Berührung. „Diese feinen Züge ließen noch so einige Römerinnen vor Neid erblassen. Diese...‟
Mitten im Satz brach er ab und betrachtete wie gebannt ihre geschundenen Hände, helle Haut durchzogen von schmutzigen blutigen Spuren.
„Ja, tatsächlich...eine wirklich grausame Verschwendung...‟, flüsterte er schließlich, während er ihre nach wie vor schmerzenden Finger umfasste und langsam an seine Lippen führte, die sachte ihre Handflächen berührten. Wäre sie keine Sklavin und er nicht dieser grausame Mann, ihr Herr, hätte man die Geste für liebevoll halten können. Es war seltsam, befremdlich und löste stille Panik in ihr aus.

Erschrocken wich Runa vor dieser merkwürdigen Berührung zurück.
In Sekundenschnelle war die alte Härte in Calpurnius Gesicht zurückgekehrt, ehe er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete.
„Du musst bei deinem alten Herren verhätschelt worden sein. Sieh dich nur an, dieses lange Haar, wohlgenährt, die Finger so zart wie die einer jungen Patrizierin. Wie lange würde dir das alles wohl erhalten bleiben, wenn ich dich vom Morgengrauen bis zum späten Abend für die schwersten Arbeiten aufs Feld schicke? Momentan ist deine Schönheit dein einziger Trumpf. Eigentlich hättest du es für deine Frechheit, diese pure Respektlosigkeit verdient, dass ich dich mit dem Tod bestrafe. Doch das wäre zu schade, eine noch größere Verschwendung. Von Schönheit und von dem Geld, mit dem ich für sie bezahlt habe. Also werde ich Gnade vor Recht walten lassen. Dafür solltest du dich bedanken.‟

Wenn der einzige andere Weg ein Leben unter diesem Mann war, wählte sie freiwillig den Tod. Allerdings stand ihr nicht einmal dies noch zu. Stur blickte Runa auf den edlen Boden, auf dem sie nun knien musste und versuchte in Gedanken weit von diesem Ort zu fliehen, so wie sie es in den Nächten voller Unsicherheit getan hatte, als sie noch darauf warten musste, dass jemand sie Claudius abkaufte. Sie hatte die Augen geschlossen und in ihrer Fantasie wundervolle Welten errichtet, die nur ihr selbst gehörten, in denen sie niemand finden konnte, in denen sie völlig frei war. Damals hatte diese tröstliche Vorstellung sie in einen sanften Schlaf geleitet, nun aber blieb ihr diese unsichtbare Welt verborgen. Da war nur der steinerne Boden...

„Das war ein Befehl. Bedanke dich!‟
„Danke, ere‟, antwortete sie monoton, ohne es so zu meinen.
Ein kühles, zufriedenes Lächeln erschien auf seinen geschwungenen, schmalen Lippen. „Ich werde dich schon noch zu der herausragenden, demütigen serva machen, die mir Claudius versprochen hat, glaube mir. Morgen Abend erwarte ich viele einflussreiche Gäste. Bis dahin möchte ich, dass jeder kleine Winkel dieses Hauses strahlt als wäre es ein Palast der Götter selbst. Du wirst eigenhändig dafür Sorge tragen. Ganz so glimpflich kann ich dich allerdings nicht davonkommen lassen. Salvius!‟

Runa sah ihn nicht, doch hörte sie die schweren Schritte, die sich ihr von hinten näherten. Für einen kurzen Augenblick setzte ihr Herzschlag aus. Was hat er vor?
„Zehn Peitschenhiebe für sie‟, befahl Calpurnius kühl, „aber wage es nicht auch nur die kleinste Spur davon zu hinterlassen. Ihr Haut soll unangetastet bleiben. Finde ich auch nur die Andeutung eines Striemens an ihrem Rücken...‟ Die Drohung blieb unvollendet, doch das genügte. Niemand zweifelte an Calpurnius Grausamkeit.
Widerstandslos ließ sich Runa von dem hühnenhaften Mann hinausbegleiten, eiskalte Blicke in ihrem Rücken, die jede Bewegung aufmerksam verfolgten. Auch ihre Strafe ließ sie stillschweigend über sich ergehen, doch in Gedanken wiederholte sie bei jedem Peitschenknall einen einzigen Satz.
Irgendwann komme ich hier raus...

Wenn man eines über Calpurnius sagen konnte, dann, dass man das Kalkül hinter seinen Strafen niemals unterschätzen durfte. Denn eines konnte man sich gewiss sein: Er tat nichts ohne eine bestimmte Motivation. So auch dieses Mal, wie Runa feststellen musste. In mühsamer Arbeit wusch sie den steinernen Boden, auf dem sie nun wie zuvor knien musste und spürte bei jeder Bewegung ein Brennen durch ihre verletzten Hände zucken. Natürlich gab es für diese Arbeit absolut keinen praktischen Grund, denn sie hätte beim besten Willen keinen Schmutz finden können. Das regelmäßige, kunstvolle Muster strahlte ihr geradezu entgegen wie alles an diesem prunkvollen, wenn nicht heillos überladenen Haus.
Vermutlich aber lauerte Calpurnius oder einer seiner Männer bereits irgendwo und beobachtete aufmerksam, ob sie ihre sinnlose Aufgabe irgendwann frustriert abbrechen würde, dessen war sie sich sicher. Das war also keine Lösung.

Selbst wenn er nicht anwesend war, so beobachtete er doch aus steinernen, toten Augen sämtliche Winkel seines Anwesens - so auch diesen Raum. Es war beinahe unheimlich. Sein kunstvoll gehauenes Abbild blickte starr auf sie hinab und überwachte jede einzelne ihrer Bewegungen. Die Fähigkeit des dahintersteckenden Künstlers, der diese Büste angefertigt hatte, sorgte dafür, dass sie tatsächlich fast hätte meinen können, es wäre die Schlange selbst. Jeder noch so kleine seiner Gesichtszüge war perfekt eingefangen worden, von dem schmalen Kinn über die dünnen geschwungenen Lippen und seine spitze, prominentere Nase bis hin zu seinen Flammen sprühenden Augen und den Falten, die sich durch seine Haut gruben, und mehr als das - selbst dieser leblose Stein besaß dieselbe grausame Ausstrahlung.
Egal wie dumm es gewesen wäre, vielleicht hätte sie doch versuchen sollen, den Centurio zu finden. Selbst wenn er sie ohne mit der Wimper zu zucken hierhin zurück gebracht hätte, wäre es zumindest ein Schlag ins Gesicht für die Schlange gewesen. Immerhin war es kaum zu übersehen, dass er Atius auf den Tod nicht ausstehen konnte. Sie fragte sich, wieso.

Für jene Entscheidung war es nun aber zu spät. Sie war hier gefangen und wer wusste schon wie lange das so bleiben würde?
Seufzend gab sie der Hoffnungslosigkeit nach, die schon die ganze Zeit lauernd um sie schlich. Ja, sie wollte daran glauben, nicht ewig hier bleiben zu müssen, dass sie irgendwie ihren Weg hinaus finden und ein besseres Leben haben würde. Doch wie wahrscheinlich war das?
Calpurnius würde sie bis zu seinem Tode bei sich behalten und sei es nur, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Eine weitere Flucht war keine Option, schon die erste war ein dummer Fehler gewesen, der ihr nur Schwierigkeiten hatte einbringen können.
Du glaubst doch selbst nicht, dass es aus diesen Mauern ein entkommen gibt, sprach sie in Gedanken zu sich selbst. Nein, es war keine tatsächliche Hoffnung, nur eine schöne Fantasie.
Wie ein kleines verlorenes Kind sehnte sie sich in die Arme ihrer Mutter. Sie hätte vielleicht einen guten Rat gewusst und wenn nicht, so hätte sie ihr zumindest Wärme und Sicherheit gegeben, das Gefühl nicht alleine zu sein. Hier aber hatte sie bloß das stolz auf sie hinabblickende Abbild dieses Scheusals, das ihr Herr war.
Schnell drängte sie diese Gedanken zurück. Nein. Sie war erst wenige Stunden hier und schon wollte sie aufgeben? Wer seine Hoffnung verliert, der verliert alles, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Mutter. Sie hatte vollkommen recht. Calpurnius konnte ihr ihre Freiheit nehmen, doch ihre Hoffnung würde sie ihm nicht auch noch freiwillig zu Füßen legen, damit er sie erbarmungslos zerschlagen konnte. Diesen Sieg würde sie ihm nicht gewähren.
Du musst stark bleiben.

Von neuer Energie beflügelt, schrubbten ihre Hände schneller über den Boden, ohne dass sie die Schmerzen noch richtig wahrnahm. Leise begann Runa ein Lied zu singen als wolle sie sagen „Hör nur her, Calpurnius, ich werde niemals ganz dir gehören‟, während sie den toten Blick der Büste trotzig und unnachgiebig erwiderte.

Lustlos schob sich Decimus Calpurnius Parvus eine Weintraube in den Mund, die für ihn wie die paar zuvor absolut keinen Geschmack besaß. Nach eher widerwilligem Kauen, schob er schließlich die Schale von sich. Eine seltsame Rastlosigkeit hatte sich in ihm festgesetzt und verdarb ihm nun schon jede Minute dieses Tages. Das beste Essen und sein edler Wein widerten ihn an; der Anblick seines nun seit kurzem noch prunkvolleren Hauses gefiel ihm nicht und erschien ihm banal; die Musik, die er für sich spielen ließ, langweilte ihn erst und strapazierte schließlich lediglich seine Nerven. Nichts und niemand konnte ihn heute zufrieden stellen und er wusste nicht, woran es lag.
Unruhig wie ein Raubtier in seinem Käfig lief er in dem weitläufigen Raum auf und ab. Woher kam dieses nagende Gefühl? Lag es an der unglücklichen Begegnung mit Atius, den er auf den Tod nicht ausstehen konnte, oder vielmehr an der Vorstellung, dass er auch an besagtem Abend anwesend sein würde?

In seinem tiefsten Inneren wusste er aber die tatsächliche Ursache, auch wenn er es sich nie eingestanden hätte. Der einzige Grund für seine miserable Laune war das Mädchen, das sich erst kürzlich innerhalb dieser Mauern aufhielt. Dieses Mädchen mit seinem glänzenden blonden Haar, diesen feinen Gesichtszügen und Augen, die ihn so dunkel wie die Nacht angeblickt hatten. Jedes Mal, wenn er die Augen nur für einen Herzschlag schloss, bei jedem Wimpernschlag, sah er sie so wie bereits Stunden zurückliegend vor sich. Jedes Mal, wenn auch nur ein Hauch von Stille einzutreten drohte, hörte er die Melodie, die sie während ihrer Arbeit sang und es trieb ihn in den Wahnsinn. Denn irgendetwas war anders.
Schon viele Sklavinnen hatten ihren Weg in seinen Besitz gefunden, einige hübsch, andere weniger, einzelne sogar wunderschön. Sie hätte eine von jenen werden sollen, die er bloß für einen einzigen Zweck erwarb. Aber diesmal waren die Gefühle, die dieses Mädchen in ihm weckte, anders. Unbekannt. Fremd. Es war kein Verlangen gewesen, sondern für einen Moment, diesen einen Augenblick als er sie vor sich mit zerschundenen Händen knien sah, hatte er etwas gänzlich anderes empfunden...

Es war eine Regung gewesen, die diese zarten blutigen Finger auslösten, die er so in sich nicht kannte und sie drängte sich ihm wieder und wieder auf, wie eine Schlange, die sich mit ihren Zähnen fest in seinem Fleisch verbissen hatte und ihren toxischen Saft immer weiter in sein Blut fließen ließ.
Milde. Diese kleinen, verwundeten Hände, die großen dunklen Augen, dieses unschuldige Gesicht - all das hatte ihn für den Bruchteil einer Sekunde erweichen und ihre Finger an seine Lippen führen lassen.
Es war pures Gift!
Mitleid - mit einer Sklavin! Sie war ein Nichts. Nicht mehr als sein Besitz, wie alles, was sich in diesem Gebäude befand. Nicht einmal, dass er sie verschonte, hatte sie wirklich verdient, doch Mitleid war zu viel.
Wie hatte er nur einen Funken Nachsicht, Sanftmut zeigen können, auch nur für eine Sekunde? Gegenüber diesem widerspenstigen, respektlosen Biest, das es gewagt hatte, ihn schamlos zu demütigen. Sie hatte ihn getreten wie einen räudigen Hund! Ihren Herren!

Wütend beförderte er die Schale voll Trauben mit einer gezielten, energischen Bewegung zu Boden, wo sie klirrend auf den Stein auftraf. Bevor noch weitere Gegenstände seinen Zorn zu spüren bekamen, atmete er tief durch und ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken.
Mitleid... Was für ein Unsinn! Das war nicht möglich. Er war ganz einfach ein zu gütiger Herr, viel gnädiger als sie es verdiente. Mitgefühl mit einer Sklavin wäre doch auch etwas Lächerliches, vollkommen Abwegiges gewesen. Schließlich waren das doch kaum richtige Menschen, mehr Tiere als das. Wieso sollte man mit ihnen fühlen, wenn sie selbst doch nicht einmal tatsächliche Gefühle besaßen, kein tieferes Wesen?

Mit einem Lächeln lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Entweder sie würde lernen, diesen Großmut, seine Barmherzigkeit zu würdigen oder ihre Widerspenstigkeit würde sie zerstören.
Leise schritt er durch sein Haus, ehe er den Zugang zu jenem Raum erreichte, in dem sie nach wie vor unentwegt ihrer Pflicht nachging - und sang. Man hörte es in jedem Winkel des Gebäudes und es störte ihn. Niemand hatte ihr erlaubt zu singen. Man sollte sie zum Schweigen bringen. Doch eher jemandem den Befehl geben oder sich gar selbst darum kümmern konnte, hielt er inne. Sein Blick heftete sich an das Mädchen und verfolgte wachsam jede ihrer Bewegungen.

Sofort war sein früherer Unmut verflogen. Voller Vorfreude dachte er an den folgenden Abend, an dem er sie seinen einflussreichen Freunden vorführen würde. Ihnen und natürlich Atius. Calpurnius würde ihn sein arrogantes Spiel am Sklavenmarkt heimzahlen, in dem er ihn bereuen lassen würde, dieses Mädchen nicht gekauft zu haben.
Ja, er würde sich dieses unerzogenen Dings annehmen und sie mit Freuden zu einer perfekten Sklavin formen. Und wenn dieses Vorhaben scheiterte, so würde er ihr zumindest einen für ihn amüsanten, kurzweiligen Tod verschaffen.

Dunkle Wälder.
Beißende Kälte.
Langsam schritt er durch die Schatten, die unendliche Finsternis, ohne zu wissen, wohin. Er war hier verloren und würde wohl nie wieder seinen Weg hinaus finden, dessen war er sich sicher. Der Himmel hing grau und schwer über ihm und schickte sanft herabschwebende Schneeflocken auf die Erde. Mit einem rauen Krächzen landete ein schwarzer Rabe direkt vor ihm. Seine Augen schimmerten blutrot. Noch einmal öffnete er seinen Schnabel und stieß seinen gellend lauten Schrei aus, der von allen Seiten widerhallte und in den Ohren des Mannes dröhnte, wo er immer wieder und wieder klang, vermischt mit ganz anderen, zornigen und gequälten Schreien in der Ferne.

Woher kam das? Seine Blicke zuckten in alle Richtungen, fanden allerdings nur Wald. Unendlichen, tiefen, düsteren Wald. Er öffnete seinen Mund, um zu rufen, nach seinen Männern, nach seinem Freund, doch kein Wort kam über seine Lippen, bloß ein erstickter Laut. Wo befand er sich? Wo waren die anderen? Als er laufen wollte, selbst, wenn er nicht wusste, wohin überhaupt, gehorchten ihm seine Beine nicht. Irgendetwas schien ihn festzuhalten, mit einer Kraft, gegen die er sich mit allen Mühen nicht wehren konnte.
Irgendwo weit in der Ferne schrie jemand seinen Namen.
Eine unsichtbare Macht riss ihn zu Boden, schleuderten sein Schwert aus seinen Händen. Mühsam tasteten seine Finger durch Nadeln, Laub und Erde. Sein Gladius... Doch statt dem vertrauten Griff oder der kühlen Klinge fühlte er etwas warmes, nasses. Überrascht zog er die Hand zurück. Tiefes Rot klebte daran, bahnte sich wie herabfließende Tränen seinen Weg über seine Finger.

Sogleich stieg ihm der metallische, leicht süßliche Gestank in die Nase und nun konnte er es sogar in der Dunkelheit erkennen. Blut. Er lag in Mitten einer unendlichen Lache aus Blut und blickte direkt in ein paar leerer, toter Augen. Die Farbe war aus ihnen gewichen und ein trüber Schleier hatte sich darüber gelegt, durch den sie ins Nichts starrten. Über das schneeweiße Gesicht zogen sich dunkelrote Schlieren. Obwohl der Körper des Mannes entstellt war, erkannte er ihn sofort. Sein Freund.
Wieder ertönte einer dieser quälenden schrecklichen Schreie, die ihm durch Mark und Bein gingen. Diesmal aber war es sein eigener.

Marcus Atius Scapula fuhr mit pochendem Herzen aus dem Schlaf hoch. Sofort zuckten seine Hände zu seiner rechten und tasteten nach dem Gladius, fassten allerdings ins Nichts. Wo...?
Nur langsam erfasste sein Verstand das Bild, das sich ihm bot. Statt dem üblichen Lager fand er schöne, verzierte Wände vor, ein gemütliches Bett und warme, zarte Sonnenstrahlen, die sein verschwitztes Gesicht kitzelten. Er war zu Hause. In Rom. Weit entfernt von allen Schlachtfeldern und düsteren Wäldern. Und doch waren sie ihm in seinen Träumen bis hierher gefolgt, zusammen mit dem lästigen Schmerz, der sich dann und wann noch bemerkbar machte.
Eigentlich war das alles aber doch Unsinn. Er lebte, ebenso wie sein Freund - die anderen waren es, die gestorben waren. 

Seufzend richtete er sich in seinem Bett ein wenig auf und genoss die Stille. Hier war sie nicht drückend, sondern tatsächlich beruhigend, ohne eine Gefahr, die sich dahinter verbarg.
Es lag noch nicht lange zurück, dass er sich wieder in der Heimat aufhielt, und er hatte sich ganz offensichtlich noch nicht so recht daran gewöhnen können, nachdem ihm sein früherer Alltag, die stetige Bereitschaft für lauernde Gefahr, Schlacht und den Tod, in Fleisch und Blut übergegangen waren.

Wie seltsam es gewesen war nach so langer Zeit wieder Rom zu durchqueren. Die stattlichen, prunkvollen Gebäude zu sehen und jene, die sich dicht an dicht drängten und lange Schatten auf die Straßen warfen, die anständig gekleideten Männer und Frauen zu beobachten, die sich hektisch durch die Stadt und vor allem um die unterschiedlichsten Geschäfte drängten, die intensive Hitze der Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren und diese Vielfalt an Düften zu riechen. Vor allem aber die breite Geräuschkulisse traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Obwohl er in dieser Stadt aufgewachsen war, brauchte er einige Momente, um sich an alle diese Eindrücke wieder zu gewöhnen. Tausende Erinnerungen an frühere Zeiten überfluteten ihn als wäre es bereits Ewigkeiten her. Ein leises Lachen stieg in ihm auf. Rom! Mein Rom!
Das war das erste gewesen, was er getan hatte, noch ehe er sein Haus aufsuchte. Er hatte die Straßen und Gassen durchquert, um zu sehen, wie viel sich verändert hatte. Erst dann war er hierher gekommen.

Schon als er in der Ferne die hellen Umrisse seiner Villa erkannt hatte, die sich sanft gegen den strahlend blauen Himmel abhoben und schließlich mit dem zarten Azur und den wenigen Wolkenfetzen am Himmel verschmolz, hatte er gespürt, wie er sein Pferd zu einem immer höheren Tempo antrieb bis es mit seinen starken langen Beinen den Weg entlang durch saftige Wiesen und kleine Wäldchen galoppierte. Angekommen schwang er sich von dem schönen Tier, noch ehe es ganz zum Stehen gekommen war, und eilte ohne weitere Umschweife zu seiner üppigen, weitläufigen Gartenanlage, die das Herzstück und Schönste an dem gesamten Anwesen war. Doch Marcus hatte weder für die duftenden aufblühenden Pflanzen, noch für die Säulen, kunstvollen Statuen und den Teich Augen. Diese glitten stetig forschend umher, auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem...

Als er schließlich um eine Säule blickte, fand er sie. Völlig in Gedanken versunken musterte sie ein paar wenige Blumen, die sie wohl soeben gepflückt hatte, drehte und wendete sie in ihren zarten hellen Fingern hin und her, und sog ihren Duft ein. Nichts schien sich geändert zu haben, seit Marcus sie zum letzten Mal gesehen hatte - noch immer war sie dasselbe verträumte Mädchen, das nichts mehr liebte als die weitläufigen Gärten und jede freie Stunde darin verbrachte. Aber er täuschte sich, etwas war anders. Ihre Gesichtszüge hatten ihre kindliche Weichheit verloren und waren zarter und feiner geworden, während ihr Körper nicht mehr der kleine, etwas tollpatschige eines Mädchens war, sondern der einer jungen Frau. Selbst das rabenschwarze Haar trug sie nun in einer kunstvollen Frisur geflochten, hochgesteckt und mit entsprechenden Nadeln und Bändern befestigt. Der Anblick versetzte ihm einen kleinen Stich im Herzen. Sie war so erwachsen geworden...

„Annaea‟, rief er leise nach ihr.
Erschrocken ließ sie die Blumen fallen und wandte sich in seine Richtung. Es dauerte wohl ein paar Momente, bis ihr klar wurde, wer da eigentlich vor ihr stand, denn im ersten Moment starrte sie ihn beinahe verängstigt wie einen völlig Fremden an.
Dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Lippen aus und sie fiel ihm lachend um den Hals, immer noch so stürmisch wie als kleines Mädchen. Und wie damals ließ er es zu und erwiderte die Umarmung seiner Nichte.
„Ich dachte schon, du würdest nie wieder zurückkommen‟, meinte sie fast ein wenig vorwurfsvoll und sah ihn aus den nur zu vertrauten braunen Augen an, die im Sonnenlicht grün schimmerten, ehe sie etwas schockiert zurück wich.

Ihr Blick hatte sich an seine Lippen geheftet oder vielmehr die Narbe, die direkt über sie bis hin zu seinem Kinn verlief. Er selbst hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er sie besaß, und noch weniger daran, dass Annaea ihn seit dieser Verletzung nie gesehen hatte. Marcus Atius war immer eine gepflegte und stattliche Erscheinung gewesen, nicht unattraktiv wie einige empfunden hätten. Doch die hässliche Narbe durchschnitt scharf seine sonst wohlproportionierten Züge und zeichnete einen fast grausamen, harten in sein Gesicht, womit er wohl sein gutes Aussehens eingebüßt hatte.

„Wie ist das passiert...?‟, hauchte sie schockiert, unfähig einen richtigen Ton über die Lippen zu bringen.
„Diese Geschichte passt nun wirklich nicht zu einem Wiedersehen. Lass mich dir doch lieber von etwas anderem erzählen.‟
In ihren Augen blitzte stiller Widerspruch auf, doch sie wagte nicht, ihn zu äußern. Stattdessen zog sie ihn zu der marmornen Rundbank. „Erzähl mir von Germanien!‟, forderte sie ihn neugierig auf.
„Es ist ganz anders als Rom. Viel, viel kälter und düsterer.‟
„Das ganze Jahr?‟
„Ja, das ganze Jahr. Und die Germanen sind uns zwar in wenigem ähnlich, aber im meisten fremd.‟
„Stimmt es, dass sie lange Hosen tragen?‟, fragte sie und in ihrem Gesicht konnte man nur zu gut lesen, wie sehr sie diese Vorstellung irritierte und doch zu faszinieren schien. Von allem, was man über die Germanen wissen konnte, wollte sie ausgerechnet davon hören. Marcus musste sich ein Lachen verkneifen. Sie war eben doch noch ein wenig Kind und noch keine ernste, erwachsene Frau. Immerhin war sie doch erst fünfzehn.

So bildhaft wie möglich beschrieb er die endlosen, kühlen Wälder, den dichten Nebel, der jene und die Sümpfe so oft umgab, und die Menschen, die diese Landschaften bewohnt und gegen sie gekämpft hatten, während Annaea ihm aufmerksam lauschte. Von ihren Erfolgen, den gewonnenen Schlachten und Toten auf der Seite ihrer Gegner berichtete er nicht ohne einen gewissen Stolz auf die Legion und Rom zu empfinden, das früher oder später, so war er sich sicher, ganz Germanien eingenommen und befriedet haben würde.
„Kannst du dir vorstellen, wie groß das Reich irgendwann einmal sein wird? Alle diese barbarischen Völker und noch viele mehr werden Rom unterstehen. Einige schließen jetzt bereits Bündnisse und die, die sich weigern, werden nicht mehr lange existieren.‟ Trotz mancher kleiner Rückschläge war er sich dessen sicher. Kein Reich war so kultiviert, besaß so viel Macht, Wissen und Tugenden wie das Imperium Romanum und auf die eine oder andere Art würde das noch die ganze Welt zu spüren bekommen, ob als Freunde, die ebenso zu Römern werden würden, oder Feinde, deren Widerstand niedergeschlagen werden musste.
Schließlich zog Marcus etwas unter seinem Mantel hervor. Eine kleine Kette gekrönt von einem wie flüssig glänzenden Bernstein baumelte zwischen seinen Fingern.
„Ein kleines Geschenk, das einzige, was ich aus Germanien mitgenommen habe.‟
„Für mich?‟, fragte sie überrascht.
„Natürlich, für wen sonst?‟ , erwiderte er Lachend.
Breit lächelnd legte sich das Mädchen das Schmuckstück um, ehe es sich überschwänglich bei ihm bedankte.

„Was für ein wundervolles Wiedersehen‟, ertönte eine Stimme zu seiner Rechten und Marcus hob den Blick. Nur wenige Schritte entfernt stand die junge Frau und beobachtete die beiden aus haselnussbraunen, zu Schlitzen verengten Augen. Ihrer würdevollen, geraden Haltung hätte man nichts von dem, was in ihr vorging, entnehmen können, doch ihr Blick war kühl und um die Lippen hatte sich ein harter, strenger Zug gebildet, der ihr Missfallen nur zu deutlich machte. Im Gegensatz zu seiner Nichte, schien sie ihm wie eine völlig Fremde.
Livia.
Sie stand bloß da und sah ihn an. Nicht einmal das kleinste Lächeln glaubte er in ihrem Gesicht zu finden.

Selbst jetzt verschaffte ihm das Wiedersehen mit seiner Frau noch ein merkwürdiges Gefühl. Ihre Umarmung und der darauffolgende Kuss waren fast kalt gewesen und obwohl sie sich schon lange nicht mehr so nahe gewesen waren, fühlte er sich ihr ferner als jemals zuvor.
Schnell schob er den Gedanken beiseite. Es war eben nie eine Heirat aus Liebe gewesen, so wie es einige nicht waren. Vermutlich waren besonnener Respekt und Loyalität ohnehin vernünftiger als wilde Verliebtheit, in der noch die klügsten Männer unglaublich dumme Dinge taten. 

Als er sich bei seinem morgendlich üblichen Bad - ein Luxus, den er nun endlich wieder in vollen Zügen genießen - von seinem beunruhigenden Traum erholte, schweiften seine Gedanken kurz zu dem morgigen Abend und der Einladung von Caplurnius. Am liebsten wäre er einfach nicht hingegangen. Diesen aufgeblasenen Idioten, der in seiner Dekadenz wirklich keine Grenzen kannte und neben den ständigen ausschweifenden Feierlichkeiten auch noch seine Häuser mit so vielen Kunstwerken bestückte, dass man sich kaum noch rühren konnte, war ihm immer zuwider gewesen.
Die jüngste Begegnung hatte ihn nur wieder daran erinnert. Ihm mit seinem kleinen Spiel eins auszuwischen war es aber wert gewesen. Marcus hatte nie vorgehabt, die Sklavin zu kaufen, aber Calpurnius viel mehr als notwendig für sie bezahlen zu lassen und ihn dabei zur Weißglut zu treiben, hatte sich einfach zu gut angeboten.

Vor seinem geistigen Auge erschien das hübsche blonde Mädchen. Eine Schande, dass sie sich jetzt im Besitz eines solchen Mannes befand. Eigentlich konnte man sie bedauern.
Für einen kurzen Moment ließ Marcus sich nach hinten tief ins Wasser sinken.
So wenig er Calpurnius auch leiden konnte, er würde ihm sicher nicht den Gefallen tun und nicht bei ihm erscheinen, so wie er sich vermutlich erhoffte.

Nachts in ihrer Kammer gelang es Runa nicht einzuschlafen, stattdessen blickte sie aus dem kleinen Fenster hinaus auf die Dächer, die im Mondlicht schimmerten. Wie es wohl jetzt in den fernen Wäldern gewesen wäre, von denen ihre Familie stammte? Dort musste es ganz anders sein als im hektischen Rom. 
Ist es dort schön? In den Erzählungen ihrer Mutter hatte es so geklungen. Vielleicht würde sie es irgendwann sehen dürfen und vielleicht gab es dort in diesem Volk, das ihr leider fremd war, auch ein Mädchen, das gerade jetzt nicht schlafen konnte und genauso den Mond ansah und nachdachte...

Niemand hier konnte wissen, ob es so war, doch gar nicht so weit entfernt von ihr fand eine andere Person keinen Schlaf und betrachtete ebenso nachdenklich den Himmel.

_____________

In diesem Kapitel mal zur richtigen Einführung ein paar der wichtigeren Charaktere. Würde mich wieder sehr über Feedback freuen, vor allem weil mich interessieren würde, wie sie auf euch wirken :) 

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro