VI. Ira fervens

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Nach gefühlten Ewigkeiten geht es weiter (tut mir leid, dafür gibt es ein längeres Kapitel) - und nun endlich mit meinen unprofessionellen höchstwahrscheinlich Augenkrebs erregenden Bannern. Ich hoffe, sie sind nicht ganz zu hässlich geraten :'D Ich bin ja wirklich gespannt, ob Wattpad diesmal so nett ist und kein Chaos in die Formatierung bringt...

VI. Ira fervens
Glühender Zorn

» Compesce mentem!«
- Horaz

Bändige deinen Zorn!


Mit einem vernehmbaren Laut zerschellte eine kostbare Vase an dem kunstvollen Bildnis einer Nymphe, das die Wand schmückte. Messerscharfe Scherben spritzten in alle Richtungen und übersäten den Mosaikboden mit Chaos. Ein beißender Schmerz durchzuckte Calpurnius' Wange, wo ihn eine davon traf und eine blutige Linie durch seine Haut zeichnete. Er fühlte ihn kaum. Alles in ihm schrie nach Gewalt und Vergeltung, die sich gegen den Mann, der es gewagt hatte, ihn vor seinen eigenen Gästen so bloßzustellen, richteten, und tauchten seine gesamte Welt in ein dunkles Rot. Mehr als jemals zuvor wollte er Atius bluten sehen, nachdem er sich bei seinem letzten Versuch so schmerzhaft ins eigene Fleisch geschnitten hatte.

Kaum hatte der letzte der beinahe ausnahmslos betrunkenen Gäste das Haus verlassen, war sein Zorn über alles und jeden darin wie ein donnerndes Gewitter hereingebrochen und so fand er sich in Kürze in einem Meer aus Zerstörung wieder, mit verschwitzter und unordentlicher Kleidung, schwerem Atem, rasendem Herzen und Blut im Gesicht und an den Händen. Diesmal aber brachte es ihm keinerlei Befriedigung seiner Wut freien Lauf zu lassen, vielmehr steigerte es sie noch weiter bis sie sich tiefer und tiefer, bitter in sein Herz fraß. Vielleicht weil das, wonach er so brennend verlangte, eben dasselbe war, das er zutiefst verachtete - Verwüstung, die die geradezu vollkommene Ästhetik seines Hauses auf barbarische Weise zerstörte.

Erneut war es diesem mickrigen arroganten Centurio gelungen, ihn zu demütigen und schon wieder war es in aller Öffentlichkeit geschehen. Wie damals... Als wäre es nicht bereits dreist genug gewesen, dass er ihn diesen unverschämt hohen Preis für die Germanin hatte zahlen lassen, wollte er ihm das ungezogene Ding nun auch mit einem gefälligen Lächeln entreißen. Meine Sklavin, klangen Atius' Worte in seinem Kopf nach als stünde er erneut vor ihm und würde sie tatsächlich mit seiner dunklen, warmen Stimme aussprechen. Seine Sklavin? Dass er nicht lachte! Sie gehörte ihm. Sie war sein Besitz!
„Wenn ich sie morgen mitnehme, sollte sie allerdings noch aussehen wie jetzt‟, hatte Atius kurz vor seinem Abschied gesagt und damit wieder einmal ins Schwarze getroffen, denn in Calpurnius' Geist hatte tatsächlich vage der Plan Gestalt angenommen, ihm seinen Preis in einem solchen Zustand zu übergeben, dass er ganz bestimmt keine große Freude mehr daran gehabt hatte. Nachdem er ihm dies versichern musste, war dieses Vorhaben jedoch frühzeitig zu Staub und Asche zerfallen. Nicht, dass Calpurnius ein derart ehrenhafter Mensch gewesen wäre, dass ihm Betrug fernlag. Nein, bestimmt nicht. Doch ein vor Zeugen abgelegtes Versprechen so dreist zu brechen, hätte alleine von seinem verletzten Stolz und Schwäche gezeugt und er wollte auf keinen Fall riskieren, dass auch nur ein Funken davon aus den Tiefen seiner Seele an die Oberfläche trat, für alle Augen sichtbar - erst recht nicht wegen einer Sklavin.

Aber auf sich beruhen lassen, konnte er diese Sache nicht. Der Centurio hatte ihm vor versammelter Menge angeboten, seinen eigenen Besitz zurückgewinnen zu können und hatte ihn damit völlig lächerlich gemacht. Alles in ihm sträubte sich dagegen, ihm die Sklavin zu überlassen, doch sich auf dieses Spiel ganz einfach einzulassen, missfiel ihm im gleichen Maße. Aber welche Wahl blieb ihm, wenn er wünschte, das Mädchen zu behalten? Und das wollte er so sehr, dass es ihn selbst beinahe überraschte.
Alleine die Vorstellung sie den Händen dieses Mannes zu übergeben, wie sich ihre Lippen in Atius' Gegenwart zu dem leisen demütigen „ere‟ formen würden, das das letzte Mal noch ihm selbst gegolten hatte, ließ frischen Zorn in ihm aufquellen. Diesmal allerdings fand er nichts, woran er ihn hätte auslassen können, und so ballte er bloß seine schmalen Hände zu Fäusten, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Nein, sie ihm ohne weiteres zu übergeben, kam nicht in Frage. Was auch immer dieser Hund mit ihr vorhatte, so sollte doch er, Calpurnius, der einzige bleiben, dem das Recht dazu vorbehalten war, es ihr zu befehlen. Nicht anders sollte es sein, bis er selbst ihrer überdrüssig wurde oder bis hin zu ihrem Tod.

Ein stechender Schmerz, der seinen Brustkorb durchzuckte, und drückender Schwindel zwangen ihn inmitten dem Chaos, das er um sich geschaffen hatte, auf die Knie. Blut troff warm über seine verletzte Wange, zeichnete dunkle rote Linien auf seine blasse von Furchen des Zorns durchzogene Haut und befleckte den edlen Stoff seiner Kleidung. Schwer atmend rückte er seine unordentliche Toga zurecht und versuchte mühsam und letzten Endes völlig vergeblich, sich wieder aufzurichten, ehe er nach seinem Sklaven rief.
„Salvius! Salvius!‟, brüllte er, dass man hätte meinen können, unter seiner Stimme würden selbst die Mauern des Hauses erzitterten. Wo steckte denn dieser Idiot, wenn man ihn brauchte? „Salvius, bring mir sofort die Germanin!‟
Auf seinen Lippen zeichnete sich kurz ein dreckiges Lächeln ab. Seine Germanin.

Allerdings war es nicht der Sklave, der leise den Raum betrat, sondern Olympias. Sie war eine der wenigen, die von seinem Wutausbruch verschont geblieben waren und nicht den unbändigen Hass des Calpurnius auf Marcus Atius Scapula mit Schlägen, Tritten und ausgespienen Demütigungen am eigenen Leibe hatten spüren müssen.
„Wo ist dieser Tölpel von einem Sklaven?‟, fragte er barsch, wobei sich die tiefe Abscheu in seiner Stimme alleine gegen Salvius richtete, der die Flamme seines Zorns mit seiner bloßen Abwesenheit wieder neu entfachte.
„Gebieter‟, hauchte Olympias bestürzt, der griechische Akzent in ihrem Latein durch den Schreck noch merklicher, „du bist verletzt.‟ Ohne seinen Worten Beachtung zu schenken, eilte sie zu ihm, sank neben Calpurnius auf die Knie und umfasste seine Hände, an denen Blut klebte, von dem sie, im Gegensatz zu dem in seinem Gesicht, nicht wusste, ob es seines oder das eines der unglücklichen Sklaven war.

Verächtlich wehrte er ihre Berührung ab. „Das ist nichts. Hast du nicht gehört? Bring mir Salvius. Dieser gallische Bastard sollte schon längst hier sein!‟
„Aber, dominus, dir ist nicht wohl. Dein Herz-‟, begann die Sklavin voller Besorgnis und legte eine ihrer kühlen, weichen Hände an seine verschwitzte Stirn. Erschöpft und nun kreidebleich auf dem Boden kniend gab der Senator ein jämmerliches Bild ab, das eines kranken Mannes, und dass sich diese Tatsache in Olympias' brillantblauen Augen so unverkennbar widerspiegelte, stieß ihn ab. Wie Gift fraß sich das widerliche Gefühl der Schwäche in sein Herz, wand sich wie eine heimtückische Schlange darum. Er war nicht zerbrechlich, der Hilfe eines anderen - eines Sklaven - bedürftig! Und doch verhöhnten ihn eben damit die Sorge in ihren Augen und ihre behutsamen Berührungen, während die serva seine ausdrücklichen Befehle dreist missachtete. Waren denn nun alle seine Sklaven zu störrischen Eseln geworden?

„Du vergisst, wo dein Platz ist‟, zischte er, wütend und enttäuscht, dass ausgerechnet sie eine solche Respektlosigkeit wagte.
Eine seiner Hände schloss sich fest um Olympias' schmales Handgelenk, die andere packte grob ihre Kehle, die nun völlig schutzlos seiner Gewalt ausgeliefert war, und nahm ihr damit den Atem. Ihr zierlicher Hals, die weiche, warme Haut und der lebendige Puls, der rhythmisch darunter pochte, waren so zart... selbst unter seinen knochigen Fingern unfassbar verletzlich. Wie einfach er brechen, mit welcher Leichtigkeit der spürbare Herzschlag hätte verstummen können. Wenn er den Druck darum nur ein wenig verstärkt hätte, wäre er in ein paar flüchtigen Augenblicken unter seinen Händen erschlafft, ihr heißes Blut zu Eis gefroren und das Leben für immer aus ihrem geschmeidigen Körper gewichen.

Unerschrocken blickten ihn ihre glänzenden Augen an, in denen immer schon eine dunkle Flamme gelodert hatte, die Calpurnius reizte. Weder Angst, noch Widerstand konnte er darin finden. Nur ein Zucken seiner Finger und das Feuer wäre erloschen. Ihr Leben und ihr Tod konnten ihm gehören, wann immer er danach verlangte.
Nun unordentlicher umrahmte ihr glänzendes dunkelbraunes Haar ihr Gesicht, fiel in wohlgeformten, weichen Locken fast bis zu ihren Hüften hinab. Angestrengt hob und senkte sich ihr Brustkorb unter dem dünnen, türkisen Kleid, vergebens um Atem ringend. Die Blicke des Senators folgten entrückt der vertrauten, kräftigen Linie ihres Kiefers, hinauf zu den vollen Lippen, der langen geraden Nase und den wohlgeformten Wangenknochen. Seine Olympias. Wie außergewöhnlich sie doch war, wie schön...

Sein eiserner Griff lockerte sich und die Sklavin sog gierig die Luft in ihre Lungen, die er ihr zuvor erbarmungslos verwehrt hatte. Ihre Hand, die er nicht länger zurückhielt, fand zurück zu ihm. Vorsichtig betastete sie den Schnitt, der sein Gesicht durchzog.
„Wie konnte das passieren?‟ Mit dem feinen Stoff ihrer Kleider wischte sie ihm das Blut von seiner Wange, was ihm, als sie die Verletzung selbst berührte, ein scharfes Zischen entlockte.
„Dieser verfluchte Centurio!‟, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Erst umgarnt er Caesar wie eine Dirne, bestimmt um ihn früher oder später gegen mich aufzuhetzen zu können, und dann wagt er es mich in meinem eigenen Haus, vor meinen Gästen zu demütigen. Mich. Ihm entkam ein abfälliges Schnauben. „Hast du ihn nicht gehört? Gnädig gewährt er mir seine Sklavin zurückzugewinnen. Seine Sklavin, ha! Alleine dafür würde ich ihn gerne jämmerlich am Kreuz verrecken sehen. Bevor ich ihm die Germanin widerstandslos vor die Füße werfe, würde ich ihm eher sein ehrloses Herz aus der Brust reißen und seine letzten, kläglichen Schläge in meinen Händen ersticken. Das ist reine Schikane! Aber dieser Sohn einer-‟

Sanft unterbrach ihn Olympias: „Was kümmert dich diese lupa? Lass ihn sie doch haben und kauf dir eine neue Sklavin. Zeig ihm, dass du dich von ihm nicht erniedrigen lässt.‟
„Das kann ich nicht! Sie gehört mir, verstehst du denn nicht?‟ Ihm blieb keine andere Wahl als sich auf die Bedingungen des Centurios einzulassen und den bitteren Beigeschmack erhobenen Hauptes zu ertragen, wenn er seine Pläne durchkreuzen und ihm seine Unverschämtheit zurückzahlen wollte. Die lähmende Erschöpfung, die ihn nach dem vernichtenden Sturm seines Hasses überfiel, und der bittere Gedanke an die heutige Niederlage, der er sich am nächsten Tag mit der Einwilligung in Atius' Angebot erneut würde stellen müssen, ließen jeden letzten Zorn verrauchen. Was blieb war alleine der nagende Schmerz der Demütigung.

Hilfesuchend hob er den Blick zu Olympias' Augen, in denen auf vertraute und so unverkennbare Weise Wärme und Kälte, das Blau des in der Sonne glitzernden Meeres und das schwere Grau von Sturmwolken und Regen aufeinander trafen.
„Er hat... er hat...‟, flüsterte er mit brüchiger Stimme, ohne den Satz jemals zu beenden. Stattdessen ließ er sich matt in Olympias' weiche Arme sinken, vergrub sein Gesicht in ihrer Brust und sog den zarten Duft ein, der von ihr ausging. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an sie. Seine wunderschöne, geliebte Göttin.
Schützend empfing sie seinen bebenden Körper und strich zärtlich durch sein zerzaustes Haar. Dicht an seinem Ohr hörte er ihr Herz schlagen, kräftig, in diesem tröstlichen Rhythmus, unter ihrer weichen warmen Haut, die er an seinem Gesicht und unter seinen zitternden Fingern fühlte. Mit samtiger Stimme flüsterte sie ihm liebliche, beruhigende Worte in ihrer Sprache zu, die seinen unerträglichen Schmerz linderten und ihn Stück für Stück weiter in einen heilsamen Zustand der Besinnungslosigkeit geleiteten.

Als ihr Herr von ihr liebevoll umsorgt bereits in einen tiefen Schlaf gefallen war, konnte Olympias immer noch keine Ruhe finden. Sie spürte die Veränderung, die wie eine gefährliche Bestie in den Schatten lauerte, und verantwortlich dafür war bloß sie, diese Germanin. In diesem Haus voller trotz schlagendem Herzen leblosen Gegenständen, bildeten lediglich zwei Sklaven für ihren dominus ungewöhnliche Ausnahmen. Hadassah und Olympias. Allerdings unterschied sich die Art, mit der die beiden behandelte, grundlegend voneinander. Die Judäerin hatte es Calpurnius sofort angetan und ihn verzückt wie es ein kleines Kätzchen tat, das man sich als geliebtes Haustier hielt. Olympias dagegen war die Königin, die stille, unsichtbare Herrin des Hauses, eine Position, die sie sich hart hatte erkämpfen müssen. Für ihre Anliegen war sein Ohr immer offen, nur sie betraute er mit den wichtigsten Aufgaben und alleine ihr schenkte er vollstes Vertrauen.
Hadassah hatte in ihren Augen nie eine Bedrohung dargestellt, nein, für Calpurnius bedeutete sie etwas völlig anderes als Olympias. Doch die Germanin? Irgendeinen Bann schien sie auf ihn auszuüben, der über seine üblichen Leidenschaften für hübsche junge Wesen hinausging. War der einzige Grund für seine Gnade ihr gegenüber tatsächlich nur gewesen, dass es ihm missfiel ihre Schönheit zu vergeuden? Wollte er sie bloß nicht verlieren, weil es seinem brennenden Anspruch auf Besitz widerstrebte? Oder geschah dies alles um ihretwillen? Der bloße Gedanke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich in der Brust.

Niemand hatte je ihre Position bedroht, hätte auch nur in irgendeiner Weise eine Gefahr für sie sein können und alleine, dass nun die Möglichkeit bestand, dass dieses Mädchen eine Bedeutung für ihren Herren besaß, die sie noch nicht verstand, machte sie zu Olympias' erbitterter Feindin. Zumal sie doch nichts weiter war als eine Plage. Ungezogen, widerspenstig und verantwortlich für die Sorgen, die ihren Gebieter nun plagten. Jeden anderen Sklaven hätte er für dieselben Vergehen unbarmherzig das Zeichen eines Flüchtigen, eines Ausreißers, in die Haut gebrannt - sichtbar und unauslöschlich. Nicht aber bei ihr. Wie eine Wilde hatte sie ihn angegriffen, war geflohen und doch war sie mehr als eine ungesittete Barbarin, denn ihr war es gelungen ihn seines Verstandes zu berauben. Hinter diesen unschuldigen dunklen Augen lauerte ein Gefahr, die sie sofort erkannt hatte. Ließ er sie zu nahe an sich heran, würde sie ihn in den Abgrund stürzen, dessen war sie sich sicher. Allerdings würde Olympias nicht tatenlos dabei zusehen und es geschehen lassen.

Fest ballte sie ihre Hände zu Fäusten, bis ihre Finger schmerzten. Sie war bereit, alles dafür zu tun ihren Gebieter und damit ebenso sich selbst zu schützen, was es auch kosten mochte. Entschlossenen Schrittes durchquerte sie das Haus, ehe sie schließlich die Räume erreicht hatte, die sie sich zum Ziel gemacht hatte. Mit einem eiskalten Blick sah sie auf das Mädchen hinab, das zusammengekauert auf ihrem Bett lag, den Blick zur Mauer gewandt. Im fahlen Licht silbrig glänzend ergoss sich ihr blondes Haar über ihren kleinen, zierlichen Körper. Langsam streckte sie ihre Finger danach aus, hielt nur Millimeter davon entfernt inne. Der Gedanke sie daran zu packen, und mit scharfer Klinge Strähne für Strähne zu durchtrennen bis nichts mehr von ihrer Schönheit übrig wäre, war verlockend. Für einen Augenblick formten sich Olympias' Lippen zu einem verächtlichen Lächeln.

Letztendlich besaß sie Einfluss auf ihren Herren und solange sich das nicht änderte, würde sie ihn weise zu nutzen wissen. War Calpurnius der Kopf dieses Hauses, so war nicht sie der Hals, der jenen in die eine oder andere Richtung zu wenden vermochte? Ihre Macht war ein Privileg, das sonst nie jemandem, keiner Frau und keinem Mann, hätte zuteilwerden können, denn sie war für die Welt und vor allem für den Senator ganz und gar unsichtbar, nicht existent, ja, eine Unmöglichkeit. Ehrgeizige Politiker mochten versuchen Calpurnius zu ihren Zwecken zu manipulieren, einfache Bürger, untreue Ehefrauen - doch eine Sklavin? Wie könnte sie? Schließlich war sie doch bloß Eigentum.
„Aufstehen, Germana!‟

„War das denn wirklich notwendig?‟, drang Livias Stimme zu ihm, durchbrach als einziges Geräusch neben ihren Schritten die Stille, die im Haus herrschte.
„Ja, das war es‟, antwortete Marcus nüchtern, der es langsam leid wurde, ihrem Vortrag zu lauschen, wie unüberlegt, respektlos gegenüber ihrem guten Freund und töricht sein Verhalten doch gewesen war. Seit sie in der Villa angekommen waren, lag sie ihm damit in den Ohren und folgte ihm schimpfend und aufgebracht durch die nur schwach von Lampen beleuchteten Räume zu ihrem Schlafzimmer. Die unzähligen Kelche Wein, die er getrunken hatte, machte sich nun mehr und mehr in einer dumpfen Trägheit bemerkbar, die Besitz von ihm ergriffen hatte.
„Du bist ein Dummkopf!‟
„Und du betrunken‟, konterte er emotionslos.
„Er ist Senator. Mit ihm an deiner Seite-‟, setzte sie ihre Rede gereizt fort, mit Worten, die er in dieser oder anderer Ausführung bereits zu oft von ihr gehört hatte.
Nun hielt er mitten im Schritt inne und wandte sich das erste Mal zu ihr um. Kühl funkelten seine Augen Livia an.

„Ich brauche keinen einfachen Senator Parvus an meiner Seite. Ich habe Caesar Augustus höchstpersönlich!‟, unterbrach er sie scharf. Eiskalt bohrte sich sein Blick in ihren und brach die darin aufflackernde Rebellion.
Zwar war die Gunst Augustus' nie sein Ziel gewesen, denn im Gegensatz zu Livia gab er sich damit zufrieden, Rom zu dienen, doch bedeutete das nicht, dass er so dumm war, eine solche Chance nicht zu ergreifen. Wenn er gewollt hätte, wenn es ihm bloß nach Status und Macht verlang hätte, wäre er vielleicht schon lange nicht mehr Centurio gewesen, doch er hatte sich Zeit seines Lebens geweigert, den Ruhm seines Vaters zu seinen Gunsten zu nutzen. Dieser hatte ihn dafür kopfschüttelnd, aber in gewisser Weise stolz einen Narr gescholten.
Livia verstummte, denn darauf gab es keine Erwiderung, die sie hätte finden können.

„Dennoch wäre es mir lieber gewesen, du hättest ihn nicht so in seinem eigenen Haus beleidigt‟, sprach sie, diesmal schon wesentlich leiser und beinahe kleinlaut, nach einer Weile weiter. Sie wusste, dass sie eigentlich nichts mehr in der Hand hatte, das es gegen ihn auszuspielen gab.
„Du vergisst, dass Erniedrigungen die Spezialität deines guten Freundes sind - vor allem, wenn sie sich gegen mich richten‟, erwiderte Marcus kühl, allerdings bei weitem nicht mehr so eisig wie noch eben zuvor. Sich auf solche Gefechte einzulassen, sah ihm schließlich gar nicht ähnlich. Doch Calpurnius, der jene mit Freuden anzettelte, hatte ihm an diesem Abend, wie so oft, kaum eine andere Wahl gelassen. Marcus hatte ihn bloß in seine Schranken gewiesen.
„Und wieso wolltest du ausgerechnet diese abscheuliche Germanin? Sollte sie wirklich so ungezogen sein, wie du sagst, will ich sie hier nicht.‟ In Livias Blick flammte erneut der Widerstand auf, jetzt, da sie wieder etwas gefunden hatte, was sie ihm zum Vorwurf machen konnte.

„Vergiss nicht, dass sie meine Sklavin ist, nicht deine und ich möchte sie hier.‟
Ihr entkam ein Schnauben. „Weshalb? Gut, du hast gewonnen, sie gehört dir und du hast deinen Stolz wieder einmal mit der Niederlage eines deiner Feinde füttern können. Aber sollte das morgen erneut der Fall sein, kannst du sie doch zu einem guten Preis verkaufen. Wozu brauchst du dieses ungehorsame Biest? Sie wird uns nur Probleme bereiten.‟
„Das lass nur meine Sorge sein‟, entgegnete er ruhig und wandte sich wieder von ihr ab. Sein Körper sehnte sich nach den weichen Kissen ihres Betts und der erholsamen Nacht, die sie versprachen.

„Marcus Atius Scapula, der Mann, der nichts sehnsüchtiger wünscht als Schwierigkeiten in seinem Leben und sich die Gefahr, wie es scheint, gerne zur Geliebten machen möchte!‟, spottete Livia hinter seinem Rücken, gefolgt von einem glockenhellen kühlen Lachen. „Du säst weiteren Unfrieden zwischen dir und einem der mächtigsten Männer Roms und das nur um dir irgendeine billige, noch halb wilde Sklavin ins Haus zu holen. Du musst verrückt geworden sein.‟
Zwar hielt Marcus für wenige Herzschläge inne und schloss mit aufsteigender Wut in seinem Inneren die Augen, schüttelte ihre Worte dann jedoch einfach ab. Ihm stand nicht der Sinn nach ihren Streitereien, nach denen sie manchmal geradezu zu verlangen schien. Wie eine Besessene schüttete sie immer weiter Öl ins Feuer, um den Zorn der anderen, die Hitze der Flammen an ihrem Körper spüren zu können. Sich daran zu verbrennen war kein Risiko, sondern ihr Begehren. Allerdings dachte Marcus nicht einmal daran, auf die Beleidigungen, die sie ihm nun an den Kopf warf, einzugehen und ihr somit den Gefallen zu tun, sich auf dieses Spiel einzulassen.

Damit befeuerte er ihr Verlangen jedoch alleine, indem er nun auch Frustration in ihr erweckte. Aufgebracht folgte sie ihm, packte ihn an seiner Kleidung und zwang ihn so unsanft, sich zu ihr umzuwenden. In ihren Augen lag ein wildes Glühen, als sie zu ihm hoch blickte und mit ihrer Hand ausholt. Blitzschnell und fest schloss sich seine um ihr Handgelenk und zwangen sie, kurz bevor der Schlag sein Gesicht hätte treffen können, innezuhalten. Dieser Abend hatte ihn bereits zu viel seiner Geduld geraubt als dass er auf diese Attacke noch besonnen hätte reagieren können. Zum wiederholten Male reizte sie ihn heute, was er in den meisten Fällen geflissentlich ignoriert hätte, wohlweislich, dass ein Streit mit ihr die Energie, die er kostete, nicht wert war. Nun hatte sie den Bogen endgültig überspannt. Grob zwang er sie an die Wand, an der sie hart auftraf, und nahm ihr jede Chance sich zu rühren.
„Muss ich dich noch einmal daran erinnern, wo deine Grenzen liegen? Ich habe dir gesagt, du sollst dich zurückhalten, sonst-‟, knurrte Marcus leise.
„Sonst, was?‟, zischte sie provokant und hob herausfordernd das Kinn.
Er wollte sie nicht verletzten, doch sie lebte für den Schmerz, für die schwelende, gefährliche Glut in ihrem Inneren, an der sie irgendwann verglühen würde.
„Willst du das denn wirklich herausfinden?‟, fragte er dunkel, Livias Gesicht so nahe, dass ihm der herb-süße Duft ihres Parfums betörend in die Nase stieg. Das Spiel mit seinem Zorn war ein gefährliches, auf das man sich besser nicht einließ, wenn man ihn nicht über sich hereinbrechen fühlen, ihn hautnah erfahren wollte.
Die unbändige Flamme in ihren Augen loderte auf wie das Licht jener, das sie als einziges erleuchtete.

„Ja, das will ich‟, flüsterte sie rau. Der kurze Augenblick seines Erstaunens genügte, dass sie den letzten Abstand zwischen ihnen überbrücken und ihre Lippen hungrig auf die seinen pressen konnte. Noch fester schlossen sich seine Finger um ihre schmalen unter ihnen so zerbrechlichen Handgelenke und drückte sie gegen die kalte harte Wand, mit einer Gewalt, die Livia ein leises Zischen entlockte, ehe er ihren Kuss erwiderte. Nein, es war mehr als das, ein erbarmungsloser Kampf, der zwischen ihnen entbrannte. Leidenschaftlich, wild und hemmungslos. Die Wärme ihres weichen Körpers, der sich an seinen drängte, sickerte durch den Stoff ihrer Kleidung. Das Gefühl ihrer weichen Lippen und der zarten Haut ihres Halses unter seinen, verbannten jeden klaren Gedanken aus seinem Kopf.

Der Ärger, den sie zuvor in ihm entfacht hatte, schlug nach und nach in ein anderes Gefühl um - diesem nahe und doch weit davon entfernt. Ein dunkles, quälendes Verlangen, das rasend durch seine Adern floss und mit pochender Hitze von seinem gesamten Körper Besitz ergriff. War das die ganze Zeit über ihr Ziel gewesen? Wenn dem so war, hatte sie diesen Kampf, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass es ausgefochten wurde, gewonnen...
Abrupt löste er seinen harten Griff, ehe er sie mühelos hochhob und ins Schlafzimmer trug, wo er sie wild auf ihr weitläufiges Bett drückte. Nur kurz zuckte ein vertrauter Schmerz durch seinen Körper, um den er sich jedoch nicht weiter kümmerte. Stattdessen beugte er sich zu ihr hinab, verschloss ihre Lippen mit seinen und ließ seine Hand geradezu quälend langsam die empfindsame, glatte Haut ihres Beines hinauf unter ihre Tunika gleiten.

Noch schien sie unter ihm weich und sanft, ihre Finger, die sich in seinem Haar verfingen und ihn näher zu sich zogen, zärtlich. Doch es war bloß die Ruhe vor dem Sturm, die kurzen Augenblicke, bis ihre Stimmung unstet wie das Meer unter Neptuns Macht, immer wieder umschlagen würde. Die Wellen, die die Klippen sanft umarmten, konnten durch seinen Trident in kürzester Zeit zu gewaltigen Fluten werden, die sich daran schäumend und tosend brachen, und ebenso unvorhersehbar, stürmisch und gefährlich wie die See war auch sie. Alleine Marcus konnte sie bändigen.
War sie eben noch sanft und liebevoll gewesen, schlug sie ihn im nächsten Augenblick, grub ihre Nägel in sein Fleisch und zischte ihm Worte ins Ohr, die ihre Lippen nie außerhalb dieser Räume hätten verlassen können. All dies diente nur einem einzigen Zweck: ihn zu erzürnen, zu roher Gewalt zu zwingen. Denn das war es, was sie wollte - seinen Zorn auf sich spüren, sich bei ihrem Spiel mit dem Feuer so oft verbrennen, bis es sie schließlich verschlang. Und wenn dies geschah, würde sie seinen Schmerz in vollen Zügen genießen.

Blinzelnd schlug Livia die Augen auf und glaubte sogleich jeden einzelnen Muskel, jeden Knochen in ihrem Körper deutlich durch den dumpfen Schmerz darin spüren zu können. Noch ein wenig benommen rekelte sie sich zwischen den weichen Kissen und seufzte genüsslich, bevor ihr träges Blut langsam zu erwachen begann. In das blasse Dämmerlicht des Morgens getaucht, erkannte sie neben sich die Umrisse eines kräftigen Körpers, der ihr vertraut war und doch seit seiner Rückkehr fremd.
Immer schon hatte sie seine athletische Form ein wenig an die Darstellungen des Mars erinnert, die pure kriegerische Stärke verkörperten. Dabei war Marcus nie im klassischen Sinne schlank gewesen. Nun aber schien er ihr an dieser ihm natürlichen Breite gewaltig eingebüßt zu haben und im Vergleich zu früher beinahe krankhaft dünn. Natürlich war das Unsinn, das wusste Livia selbst, nichts an ihm wirkte schwach und seine Statur war nachwievor viel robuster als die manch anderer. Doch dass die Verletzung an seinen Kräften gezehrt hatte und keinesfalls so spurlos an ihm vorüber gezogen war, wie er gerne behauptete, war kaum zu übersehen. Eine Verletzung, an die die lange, frische Narbe, die sich über seinen Oberkörper zog, stetig erinnerte.

Ihr Anblick hatte sie bereits in der letzten Nacht gefesselt, dieses Brandzeichen des Todes, dem er entronnen war, ein Symbol des Schmerzes und Sieges über eben jenen. Es lag darin etwas Erschreckendes, wie es als unzerstörbarer Schatten jener Nacht im Norden auf seiner Haut weiter existierte, aber auch etwas anderes, eine unglaubliche Stärke. Langsam hatte sie ihre bebenden Finger danach ausgestreckt, um das Wundmal unter ihnen spüren zu können. Sofort hatte sich Marcus' Hand darum geschlungen und jegliche Berührung verhindert.
Livia konnte seinen leisen, regelmäßigen Atem in der Stille hören, der verriet, dass er noch schlief. Die ersten Sonnenstrahlen, die in den Raum fielen, tanzten auf seiner Haut und ließen sie golden erstrahlen. Marcus. Ihr starker, schöner und leider viel zu starrköpfiger Marcus. Tief in ihre Gedanken versunken betrachtete sie ihn, ehe sie sich an seinen warmen Körper schmiegte und einen Kuss auf seine Schulter hauchte. Sofort kam Bewegung in ihn.

„Wie spät ist es?‟, murrte er schlaftrunken, seine Stimme halb von einem der Kissen erstickt, ehe er sich langsam ein wenig aufrichtete.
„Früh‟, antwortete sie, während ihre Fingerspitzen zärtlich seinen starken Arm hinab glitten. Harte Muskeln unter weicher Haut. „Morgengrauen, noch vor der ersten Stunde.‟
„Und deshalb musst du mich wecken?‟ Marcus entkam ein entnervtes Stöhnen, als er sich zurück in seine vorherige Position fallen ließ und sein Gesicht vor dem schwachen hereinfallenden Licht schützend zwischen den Kissen vergrub.
„So kenne ich dich gar nicht‟, bemerkte Livia amüsiert, „für gewöhnlich bist du doch schon vor den Sklaven hellwach.‟ Andererseits hatte er die letzten Nächte auch nie ruhig geschlafen, sondern sich friedlos im Bett hin und her gewälzt. Seit er zurückgekehrt war, war dies nun zum ersten Mal nicht geschehen, stattdessen war er in kürzester Zeit in einen tiefen Schlaf gesunken, aus dem erst sie ihn gerissen hatte. Vielleicht war jetzt neben seinem Körper auch sein Geist endlich zu Hause angekommen.

„Heute nicht, wie du siehst. Dürfte ich jetzt vielleicht weiterschlafen?"
„Was, wenn nicht?‟, fragte sie, sich über ihn beugend, mit einem Schmunzeln auf den Lippen, das in ihrer Stimme mitklang. Seine Übellaunigkeit erheiterte sie und sie konnte gar nicht anders als Marcus ein wenig zu necken.
„Glaub mir, das willst du lieber nicht herausfinden‟, gab er halbernst drohend zurück.
„Na, meinetwegen‟, gab Livia gespielt gütig nach. „Aber faulenze nicht mehr lange hier herum. Ich werde jetzt baden - und erwarte dich dort.‟
Mit diesen Worten hauchte sie ihm noch einen Kuss auf den Rücken und glitt elegant aus dem Bett.

Kurz darauf, wenn auch sichtlich wenig erfreut darüber, hatte sich auch Atius gezwungen aufzustehen. Selbst die Aussicht auf das Bad, eine entspannende Massage und die liebevolle Sorgfalt, mit der sich sein Freigelassener Krito darum kümmern würde, dass er auch heute im Circus Maximus tadellos aussehen würde, motivierten ihn nicht recht, die Decke zur Seite zu schlagen und sich endlich aufzurichten. Allerdings wirkte der gewohnte Ablauf am Morgen tatsächlich belebend und er spürte, wie die bleierne Müdigkeit Stück für Stück von ihm abfiel. Schlaftrunken und noch träge schlurfte er in die in zarten hellen Farben gehaltenen Baderäume, doch bereits als er sich in das geräumige Becken gleiten ließ, begann sein Geist zu erwachen.
Die Wärme des Wassers schien durch seine Haut direkt bis in seine Knochen zu dringen und nach und nach jede Faser seines Körpers wieder zum Leben zu erwecken. Jedoch verspürte er auch wieder dieses unangenehme Stechen dort, wo sich die Narbe über seinen Körper zog.

„Möchtest du mir jetzt vielleicht verraten, wieso du ausgerechnet diese Sklavin als Preis wolltest?‟, fragte Livia, die bereits auf ihn gewartet hatte.
Für einige Augenblicke betrachtete Marcus das von den zarten Wellen des Wassers zuckend verzerrte Mosaik am Boden - eine Vielzahl an Meerestieren und in ihrer Mitte eine wunderschöne Europa, die sich an die Hörner des weißen Stiers klammerte. Umrahmt wurde das kleine Kunstwerk von einem eleganten Muster, das der rechteckigen Form der Wanne folgte. Dann legte er den Kopf weit in den Nacken und tauchte somit auch sein Haar in das angenehme Nass.
„Kürzlich habe ich Calpurnius zufällig getroffen. Er wollte eine Sklavin kaufen‟, begann er zu erzählen.
„Die Germanin?‟, fragte Livia verwundert.
„Eben diese. Vermutlich war es kindisch, doch ich konnte nicht anders als auch für sie zu bieten‟, fuhr er fort und ließ seine Finger durch das nun nasse Haar gleiten.
„Und er hat sie dir weggeschnappt?‟ Livias braune Augen waren ein wenig größer geworden, während sie gebannt der Schilderung des Geschehens lauschte.

„Würdest du mich bitte zu Ende erzählen lassen?‟, erwiderte er nüchtern. Mit ihren ständigen Zwischenfragen, würde es bis morgen dauern, dass er endlich zum Punkt kommen konnte.
„Ja, ja. Entschuldige, rede weiter.‟
„Ich hatte nicht vor sie zu kaufen. Calpurnius' Geldbeutel sollte unter seinem neuen Kauf bloß ein wenig leichter werden als nötig und er sich grün und blau darüber ärgern, dass ich ihn überlistet habe.‟ Ja, im Nachhinein erschien ihm das wirklich sehr albern, doch seit seinem ersten Zusammenprall mit dem Senator hatte dieser immerhin nichts anderes getan als versucht, sich dafür zu rächen. Hin und wieder rechtfertigte dies doch den ein oder anderen Schlag zurück, oder nicht?
Augenrollend schmunzelte Livia. „Du bist unverbesserlich.‟ Schließlich überbrückte sie den Abstand zwischen ihnen, glitt elegant hinter ihn und bettete ihren Kopf in die Biegung seines Halses, wo er in eine seiner breiten Schultern überlief.
„Und als sich dir gestern die Chance geboten hat, dachtest du Warum den Schaden nicht noch ein bisschen vergrößern?. Diesmal sogar vor einem hübschen, kleinen Publikum, das dir begeistert applaudieren kann, während Calpurnius sich bis auf die Knochen blamiert. Richtig?‟, säuselte sie ihm zuckersüß ins Ohr.
„Aus deinem Mund hört sich das furchtbar niederträchtig an‟, stellte er fest. „Er wollte diese lächerliche Wette, um mich vor den anderen zu verspotten, und ich habe ihm eine gegeben.‟

Dass sie damit lediglich zum Teil richtig lag, verschwieg er allerdings. Denn das war nicht der einzige Grund, warum er von allen Besitztümern des Senators ausgerechnet sie gewählt hatte. Nein, als er gestern Abend ausgesprochen hatte, dass er sie wollte, war ihm bewusst geworden, dass das völlig der Wahrheit entsprach. Er wollte dieses Mädchen hier in seinem Haus, außer Reichweite des Senators, und deshalb würde er sie auch nicht Livias Vorschlag folgend weiterverkaufen. Wieso, verstand er selbst nicht ganz, doch irgendein Interesse hatte sie in ihm geweckt, das danach verlangte, gestillt zu werden.
Zudem missfiel es ihm auf eine seltsame Weise, dass sie sich in Calpurnius' Haus, dessen Besitz, seiner Macht befand. Wäre es alleine darum gegangen, ihm weh zu tun, hätte er zu einem viel mächtigeren Schlag ausholen können und ihm noch etwas viel wertvolleres entreißen, doch das hatte er nicht getan. Nicht nur, weil es ihm lediglich darum ging, diesem Mann eine Lektion zu erteilen, nicht ihn zu zerstören, sondern auch, weil er in dieser Wette eine Chance gesehen hatte, das Rätsel dieser Sklavin - ein ungezähmtes Raubtier und so scharfsinnig wie so manche Römerin zugleich - zu lösen. Sie einfach bei Calpurnius zu lassen, wäre ihm unmöglich gewesen.

„Ist es das denn nicht? Du bist nicht so friedvoll und neutral, wie du gerne behauptest. Auch du weißt ganz genau, wie man solche schmutzigen Spielchen spielt‟, flüsterte sie samtig gegen seine Haut, ehe sie wieder von ihm abließ. „Hoffentlich weißt du es auch gut genug, um mit Calpurnius' Rache umgehen zu können. Mir gefällt immer noch nicht, wie ihr zwei euch bekämpft. Es wäre an der Zeit, diesen alten Streit beizulegen. Du magst ihn zwar nicht brauchen, aber ist ein mächtiger Verbündeter nicht in jedem Falle besser als ein mächtiger Feind?‟
Marcus war wohl bewusst, dass seine Frau nicht bloß aus reinem Kalkül sprach, nein, ihr lag tatsächlich daran, dass er mit dem Senator Frieden schloss, denn letztendlich empfand sie doch aufrichtige Sympathie ihm gegenüber.
„Das sagst ausgerechnet du‟, entgegnete er mit hochgezogener Augenbraue. Livia, die Frau, die schon viel zu viele persönliche Feldzüge geführt hatte, und sich mehr auf diese Art Krieg verstand als jeder andere Mensch innerhalb der Mauern Roms. Aber was wusste sie dagegen schon von Frieden?

Ihr langes Haar ergoss sich goldbraun glänzend über ihren schmalen Rücken fast bis hin zu ihren runden Hüften, als sie die Stufen hinauf aus dem Wasser stieg. Über eine ihrer blassen Schulter, auf der kleine Tropfen funkelten, warf sie ihm noch einen Blick zu.
„Ich wähle meine Feinde mit Bedacht.‟

In dieser Nacht hatte Runa erneut kaum Schlaf finden können. Glücklicherweise war sie bereits in der kleinen, düsteren Kammer gewesen, als Calpurnius' Wutausbruch wie ein tosendes Gewitter über das Haus hereingebrochen war - und einige mit seinen Blitzen traf. Zitternd hatte sie sich die Hände an die Ohren gepresst, während von draußen eine widerliche Geräuschkulisse zu ihr drang, die eine Ewigkeit lang nicht verstummen wollte. Klirren, donnerndes Gebrüll, immer wieder das Knallen einer Peitsche und dumpfe Schmerzensschreie. Manchmal waren ihr die schweren Schritte so nahe erschienen, dass sie befürchtet hatte, Calpurnius würde sogleich tobend zu ihr eilen, sie aus ihrem Bett zerren und - weiter hatte sie nicht gewusst und wollte sie auch nicht denken, denn jedes einzelne Szenario wäre grauenvoll gewesen. So hatte sie angespannt gewartet, bis der Sturm vorübergezogen und es seltsam still im Haus geworden war...

Allerdings hatte die Ruhe, zumindest für sie, nicht lange gewährt. Während sie zu spüren begonnen hatte, wie die Anspannung langsam aus ihrem Körper gewichen war und der Müdigkeit, die sie seit ihrer Ankunft hier plagte, die Überhand lassen wollte, hatte eine kühle Stimme sie aus dem leichten Schlaf gerissen, in den sie gerissen, in den sie erst gesunken war.
„Aufstehen, Germana‟, hatte Olympias' Stimme kalt die wohltuende Stille durchbrochen und Runa hochschrecken lassen.
Ihre blauen Augen hatten mit einer Kälte auf ihr geruht, die ihr beinahe spürbar erschienen war und selbst wenn sie daran dachte, wieder wie ein eisiger Windhauch über ihre Haut kroch. Überrascht und verwirrt hatte sie zu der jungen Frau hochgeblickt, ahnungslos, was sie nun mitten in der Nacht von ihr wollen konnte.
„Im Haus herrscht Unordnung - und der Herr wird nicht erfreut sein, wenn dies morgen früh immer noch der Fall ist. Kümmere dich darum.‟
Ein wenig fassungslos hatte Runa die Griechin angestarrt. „Alleine? Bis Sonnenaufgang sind es nur noch wenige Stunden und-"

„Dann solltest du besser keine Zeit verlieren, nicht wahr? Erfülle diese Aufgabe gründlich, wenn du seinen Zorn nicht kennenlernen möchtest, koinē. Denn glaube mir, der ist viel schmerzhafter als ein paar zarte Schläge auf deinen Rücken.‟ Bei ihren letzten Worten war ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern gewesen, so dicht an Runas Ohr, dass sie das Kitzeln ihres Atems an ihrer Haut hatte spüren können, während sie verträumt mit einer ihrer blonden Haarsträhnen gespielt hatte.
„Was würde er wohl tun, wenn er wüsste, dass du es warst, die nicht sicherstellen konnte, dass alles zu seiner Zufriedenheit ist?‟, hatte Runa zurückgeschossen, die Worte der anderen von früher an jenem Abend wiederholend, und sich abrupt Olympias' Nähe entzogen. Ihre Beleidigung, von der die Sklavin vielleicht gedacht hatte, sie könne sie nicht verstehen, zwang sie sich zu ignorieren.
„Du weißt offenbar nicht, wo dein Platz in diesem Haus ist. Sollte dem Herren morgen auch nur eine einzige Scherbe unter die Augen kommen, wird er wissen, wen er dafür bestrafen muss‟, hatte jene mit einem süßlichen Lächeln erwidert. Damit hatte sie Runa wissend, dass sie gegen diese Frau nicht gewinnen konnte, zurückgelassen.

Die Aufgabe hatte ihr das letzte bisschen Schlaf geraubt, das sie in dieser Nacht vielleicht noch hätte finden können. Statt sich endlich in ihrem Bett ausruhen zu können, hatte sie sich der Verwüstung, die in dem Haus herrschte, stellen müssen. In ihrer Hast - schließlich wusste sie, dass ihr nicht viel Zeit blieb - hatte sie sich mehrmals an den messerscharfen Scherben geschnitten, die nur einen Teil dessen ausmachten, das Calpurnius' Haus mehr nach einem Schlachtfeld aussehen ließ. Unbeschädigtes hatte sie in seine frühere Ordnung gebracht, Zerstörtes entfernt und schließlich den in Rot getauchten Boden gewaschen. An den meisten Stellen hatte dies bloß von den zertrümmerten Weinamphoren hergerührt, deren Inhalt damit quer durch den Raum verteilt worden war. Bei den dunklen Sprenkeln, die ein Mosaik am Boden befleckt hatte, war sie sich allerdings sicher gewesen, dass es sich dabei um Blut handeln musste...

Es war wieder einmal Hadassah, die sie holen und zu Calpurnius bringen sollte, und sie nur Augenblicke nachdem sie sich erschöpft auf das harte Bett fallen hatte lassen, aus dem Zustand völliger Erschöpfung riss. Warum, wusste sie nicht, doch sie ahnte, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. Daher folgte sie dem Mädchen auch mit einem schmerzhaften Knoten im Magen und Beinen, die ihr schwer und unbeweglich schienen, als wären sie aus Blei.
Jener erwartete sie in seinen Bädern. Den schmächtige Körper bis zum Hals unter Wasser, hatte er sich in der Wanne zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Sofort erkannte Runa den Schnitt, der sich über seine Wange zog und fragte sich, woher er stammte. Etwa eine der Spuren, die die letzte Nacht hinterlassen hatte? Olympias kniete hinter ihm und wusch gewissenhaft und sanft einen seiner schmächtigen Arme.
„Ich langweile mich‟, meinte er schließlich seufzend, offenbar ohne Runa oder Hadassah zu bemerken.
„Soll ich die Tänzerinnen aus Gades holen lassen?‟, fragte die Griechin ohne in ihrer geschickten Bewegung inne zu halten.
Eine tiefe Falte grub sich in seine Stirn und er verzog bloß lustlos die Mundwinkel, ehe sie sich wenige Momente später zu einem Grinsen hoben.
„Vielleicht ließe sich dem Abhilfe schaffen, wenn du mit mir baden würdest‟, schlug er mit einem vielsagenden Funkeln in den Augen vor.

Hadassah räusperte sich leise. „Herr, ich sollte dir die Germanin bringen‟, sprach sie mit leiser, zarter Stimme.
Calpurnius' Blicke bohrten sich sogleich in sie beide. Mit einem Ausdruck, den Runa nicht einzuordnen vermochte, musterte er sie von oben bis unten. Dagegen waren die Gefühle, die sich in Olympias' Augen widerspiegelten mehr als deutlich - unverhohlene Ablehnung und Kälte.
„Oh ja, richtig.‟ Langsam stieg der Senator aus dem Wasser und ließ sich sogleich ein Tuch reichen, das er sich um die Hüften schlang. Zwei Badesklaven begannen vorsichtig seinen Körper zu trocknen. Aber wohl nicht vorsichtig genug, denn völlig unerwartet traf einen davon sein Handrücken mit einem vernehmlichen Laut ins Gesicht. Der klobige Ring des Senators hinterließ einen sichtbaren Schnitt in der dunklen Haut des hübschen Jungen, der seinem Aussehen nach unmöglich älter als Runa selbst sein konnte. Sie zuckte zusammen und schluckte den Zorn hinunter, den diese überflüssige Demütigung unwillkürlich in ihr aufkochen ließ.
„Zaracas! Kannst du nicht aufpassen, pecus?‟, zischte Calpurnius kühl. Schließlich bedeutete er den beiden mit einer abfälligen Geste, sich zurückzuziehen, und trat zu Runa.
„Ein wenig blass ist sie heute, findest du nicht, Olympias? Und diese Schatten unter den Augen... grässlich. Hadassah, kümmere dich darum. Ich möchte keine so kränklich anmutenden Gesichter in meinem Haus‟, sprach er, während sich eine seiner warmen Hände beinahe sanft um ihr Kinn schloss und sie zwang ihn anzusehen.

Seine Berührung und die Nähe seines Gesichts zu ihrem weckten in ihr die bereits vertraute Übelkeit und ließen einen eiskalten Schauer über ihren Rücken laufen. Unter seinem Griff fühlte sie sich schrecklich schwach, konnte sie sich doch ohnehin kaum noch auf den Beinen halten. Jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte und schien kaum noch auf ihre Befehle zu gehorchen, an ihren Fingern brannten die alten und die neuen Wunden und ihre Lider fühlten sich unfassbar schwer an.
„Gestern schien es so, als wüsste Atius von deinem Fehltritt, nachdem ich dich gekauft habe‟, sprach er weiter, „weißt du, wie er davon erfahren haben könnte?‟
„Nein, Herr‟, log Runa mit respektvoll auf den Boden gesenkten Blick. Hätte sie ihm nun die Wahrheit gesagt, hätte er sie vermutlich trotz seines Versprechens gegenüber dem Centurio, auf der Stelle getötet. Obschon ihre Zukunft nicht unbedingt versprach rosig zu werden, im Falle Calpurnius' Sieg vermutlich sogar grauenhaft, hing sie noch an dem Leben, das ihr geblieben war - zu sehr, um es jetzt und so enden zu lassen.

„So viel Schönheit und ungezähmtes Temperament... Es wäre eine traurige Verschwendung. Ein hübsches Ding wie du bei diesem bäurischen Centurio‟, fuhr er dann bedauernd fort und sah sie mit einem Ausdruck in den Augen an, der tatsächliche Wehmütigkeit hätte sein können. Langsam beugte er sich näher zu ihr, berührte damit fast mit seinen Lippen ihre Haut.
„Aber ich werde mir die Freude nicht nehmen lassen, dir deine schreckliche Wildheit Stück für Stück auszutreiben und aus dir eine gefügige, demütige Sklavin zu formen‟, hauchte er mit dem hungrigen Verlangen einer Bestie gegen ihren Hals, beinahe so als wäre er bereit gewesen ihn im nächsten Augenblick zu küssen - oder seine Zähne wie ein Raubtier hineinzuschlagen. Mit der bösen Verschlagenheit einer giftigen Schlange...
„Bereite sie für den Circus vor, serva‟, befahl er dann an Hadassah gewandt.
Die legte sanft einen Arm um Runa und führte sie hinaus.

„Du willst sie mitnehmen?‟, sprach hinter ihr Olympias ein wenig ungläubig die Frage aus, die auch ihr sofort durch den Kopf geschossen war. Hatte sie ihn richtig verstanden? Er wollte, dass sie ihn zu seinem Wettkampf mit Atius begleitete?
„Natürlich, wieso nicht?‟
„Bei Athena, bist du verrückt?‟, entfuhr es ihr, ehe sie wieder fasste und ehrfürchtig weitersprach. „Vergib mir, Gebieter, es war nicht meine Absicht respektlos zu sein. Aber ich habe Bedenken - was, wenn sie wieder versucht wegzulaufen?‟
„Dazu wird es nicht kommen.‟
„Doch wozu dieses Risiko?‟, glaubte Runa die Griechin fragen zu hören.
„Bestimmt hat selbst ein Mann wie Atius an ihr bereits einen gewissen Gefallen gefunden. Wenn ich heute gewinne, kann ich dem ehrenwerten Centurio Scapula damit ganz deutlich vor Augen führen, wie sein Preis, seine Sklavin wieder in meinen Besitz übergeht‟, antwortete Calpurnius leichthin.

„Aber Gebieter, was wenn... was wenn du nicht gewinnst?‟, hörte Runa die besorgte Stimme der Sklavin, die sich mehr und mehr in den Wänden des Hauses verflüchtigte und bloß noch leise wie ein Windhauch zu ihr drang.
„Ich versichere dir, meine Hübsche, Atius wird sie nicht bekommen.‟

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