14 - Der Abschied rückt näher

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Ich bin froh, dass es mir am nächsten Morgen wieder bessergeht und sowohl der Schwindel als auch die Übelkeit verpufft sind. Alles, was zurückbleibt, ist ein kleines Trauma.

Wie gut, dass ich nicht Santa bin und es okay ist, Angst vor dem fliegenden Schlitten zu haben.

Aber jetzt ein anderes Thema, bevor mir gleich doch wieder schlecht wird. „Gefallen euch die Schals?", frage ich die Rentiere gespannt, nachdem ich ihnen mein Mitbringsel vom Weihnachtsmarkt gezeigt habe.

„Ganz schön kitschig", befindet Rudolph skeptisch.

„Echt cool!", sagen Otto und Bernd im Chor.

„Also ich mag den Schneemann", schließt sich Alfred an und wackelt spielerisch mit seinem Schnurbart. „Der ist fast so cool wie dein Olaf."

„Solange der Stoff nicht kratzt, ist er okay", komplettiert Cornelius die Feedback-Runde.

Einen Volltreffer habe ich also nicht gelandet, aber es hätte die Jungs auch deutlich schlimmer treffen können. Wenn sie erstmal von dem quietschgelben Schal mit den Flamingos erfahren, werden sie mir für den Schneemann-Schal die Füße küssen. Davon bin ich fest überzeugt.

„Hilfst du uns, den neuen Schal umzubinden?", fragt mich Alfred schüchtern. Es ist süß, wie seine Kulleraugen im sanften Lichteinfall der Sonne glänzen.

„Natürlich!"

Die Rentiere stellen sich brav hintereinander auf. Dann nehme ich ihnen der Reihe nach den grün-rot-karierten Schal ab und ersetze ihn durch den Schneemann-Schal.

„Wow", grinse ich zufrieden, „ihr seht super aus!"

„Wirklich?", möchten Otto und Bernd gleichzeitig wissen.

Oh man. Hoffentlich wird es jetzt keine Angewohnheit, dass sie immer dasselbe sagen. Auf Dauer könnte das nämlich echt nervig werden.

„Klar!", beteuere ich.

Sofort nehmen die beiden Turteltauben ihre Hufe in die Hand und sprinten in den Flur, wo sie wahrscheinlich vor dem Spiegel posieren werden. Dass das in einer wilden Knutscherei enden wird, muss ich nicht extra erwähnen, oder?

Kaum sind Otto und Bernd verschwunden, betritt Sam die Küche. Seine Teddyaugen landen erst auf mir und wandern dann zu Alfred weiter. „Hey Kumpel. Du siehst ja richtig schick aus!", grinst er und zeigt dem Rentier seinen erhobenen Daumen.

Ob da gerade die Ironie aus ihm spricht? Definitiv.

Zum Glück weiß Alfred ganz genau, was er erwidern muss. „Wenigstens einer von uns sollte ja gut aussehen." Er zwinkert Sam frech und provokant zu. „Und kein Problem, Santa. Ich übernehme diesen Job sehr gerne für dich."

Vielleicht ist es gemein, doch ich muss lachen. Ganz schön schlagfertig, unser Mister Schnauzbart!

Innerlich wappne ich mich für einen Schlagabtausch zwischen Alfred und Sam, allerdings kommt es nicht so weit, denn statt etwas zu entgegnen, verdreht Sam bloß amüsiert seine Augen und richtet danach seine ganze Aufmerksamkeit auf mich.

Oh oh. Bekomme ich jetzt auch noch mein Fett weg?

Dass meine Sorge unbegründet ist, realisiere ich erst, als mich Sam fragt: „Wollen wir eine Runde spazieren gehen?"

Um ehrlich zu sein bin ich überrascht. „Musst du denn nicht noch an deinem Monster-Schlitten herumschrauben?", weiche ich mit einer Gegenfrage aus.

Sam schmunzelt, wahrscheinlich weil sein Schlitten und ich seit letzter Nacht auf Kriegsfuß miteinander stehen. „Ich bin so gut wie fertig. Außerdem würde ich mich über eine kurze Pause freuen."

„Okay", stimme ich zu. „Gib mir fünf Minuten, dann können wir los." Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, laufe ich aus der Küche und stoße im Flur beinahe mit Otto und Bernd zusammen, die knutschend vor dem Spiegel stehen. Ich schüttele grinsend den Kopf und eile schließlich in mein Schlafzimmer weiter.

Vermutlich klingt es komisch, aber mittlerweile ist es wieder vollkommen normal für mich, eine Jeans und keine Jogginghose zu tragen. Ich wechsele mein Oberteil und flechte meine schwarzen Haare zu einem Zopf, ehe ich zurück in den Flur husche, in meine braunen Lederstiefel schlüpfe und mir meinen Wintermantel überwerfe.

„Fertig!", brülle ich stolz durch das ganze Haus.

Als hätte Sam nur auf dieses Stichwort gewartet, öffnet er die Küchentür und schenkt mir ein liebevolles Lächeln. Seine Augen wandern über meinen Körper und füllen sich mit einem sanften Leuchten. „Du siehst hübsch aus, Shay."

Oh, wie süß! Ich spüre, wie sich Hitze in meinen Wangen ausbreitet und sich meine Mundwinkel verräterisch in die Höhe ziehen. Außerdem hämmert mein Herz gerade so schnell, als wäre es einen Marathon gelaufen.

„Da-Danke."

Es ist etwas ganz Besonderes, Komplimente von Sam zu bekommen, denn sie nisten sich wie ein Bienenschwarm auf meiner Seele ein und verleihen ihr Flügel.

Ganz der Gentleman bietet mir Sam seinen Arm an, sodass ich mich bei ihm einhake. „Lasst das Haus stehen, Jungs!", ruft er lachend, bevor er die Haustür öffnet und wir gemeinsam in das verschneite Winterwunderland hinaustreten.

Obwohl es eiskalt ist und die Sonne hinter dicken, grauen Wolken versteckt liegt, pulsiert eine angenehme Wärme in meinem Körper. Der Grund dafür steht direkt neben mir und lächelt mich vorfreudig an.

„Gehen wir ein paar Meter?" Sam neigt seinen Kopf zur Seite.

„Das ist doch der Sinn vom Spazieren gehen, oder?", erwidere ich schmunzelnd.

Ich kuschele mich enger an Sams Oberkörper und lotse ihn dann in Richtung Wald. Es ist niedlich, wie er sich alles ganz genau anguckt und die Schönheit der Natur in sich aufsaugt.

Im Wald ist es still und menschenleer. Also fast wie gestern Nacht im Himmel, nur weniger gefährlich und schwindelerregend. Eine dünne Schneeschicht küsst den Boden und auch die kahlen Bäume werden von weißem Puder zugedeckt.

Schade, dass die Sonne nicht da ist, denn dann würde hier alles magisch glitzern.

Ein paar Minuten genießen Sam und ich einfach nur die Anwesenheit des jeweils anderen. Wir hängen unseren eigenen Gedanken nach und bestaunen das Naturspektakel, das sich uns bietet.

Irgendwann seufzt Sam schließlich leise und fragt mich mit verunsicherter Stimme: „Erzählst du mir jetzt, warum du vor unserem Auftauchen so unglücklich warst, Shay? Nimm es mir nicht übel, aber du wirktest sehr antriebslos und müde."

Ein riesiger Kloß, der sich nicht herunterschlucken lassen möchte, bildet sich in meinem Hals. Eigentlich habe ich mich darauf eingestellt, dass wir einfach nur einen schönen Schneespaziergang durch den Wald machen würden, weshalb mich seine Frage etwas aus dem Konzept bringt.

Ich spreche nicht gerne über meine Vergangenheit. Leider fühlt es sich aber so an, als wäre ich Sam eine Rechenschaft schuldig.

Ein zittriges Schnaufen entflieht meinen Lippen. Dann beginne ich zögerlich zu sagen: „Nach meinem Schulabschluss wusste ich lange nicht, was ich beruflich machen möchte. Meine Eltern haben mich allerdings dazu gedrängt, nicht nur faul zuhause abzuhängen, sodass ich notgedrungen eine Ausbildung zur Erzieherin angefangen habe."

Mein Herzschlag beschleunigt sich. Auch wenn ich Sam vertraue, ist es komisch, ihm solch einen intimen Einblick in mein Leben zu gewähren.

„Der Job hat mir keinen Spaß gemacht. Die Kinder waren nervig, die Arbeitszeiten blöd und die Kollegen unfreundlich", fahre ich fort. „Trotzdem habe ich mich jeden Tag in die Kita geschleppt, um irgendwie meine Ausbildung zu bestehen und zumindest ein bisschen Geld zu verdienen."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Sam nickt.

„Kurz nachdem ich mein erstes Lehrjahr abgeschlossen habe, ist mir etwas ziemlich Dummes passiert." Ich muss eine Pause machen, weil sich ein bitterer Beigeschmack in meinem Mund ausbreitet. Hoffentlich sieht mich Sam gleich nicht mit komplett anderen Augen. „Es war ein Montagmorgen. Ich war total übermüdet und hatte wahrscheinlich noch Restalkohol vom Vorabend im Blut. Außerdem hatte ich vor Arbeitsbeginn noch eine Auseinandersetzung mit meiner Mutter, weil sie Zigaretten in meinem Zimmer gefunden hat."

Am liebsten würde ich an dieser Stelle stoppen. Nur leider schaut mich Sam so aufmerksam von der Seite an, dass es keine Option ist, meine Erzählung zu beenden.

„Ich sollte ein Kind wickeln. Im Wickelraum neben den Toiletten." Meine Stimme klingt kratzig und rau. Überhaupt nicht nach mir selbst. „Da ich schon den ganzen Morgen nicht richtig bei der Sache war, habe ich die Feuchttücher im Badezimmer vergessen. Also bin ich zurückgegangen, um sie zu holen. Als ich ein paar Minuten später wieder in den Wickelraum gekommen bin, lag das Kind schreiend auf dem Boden. Es ist vom Wickeltisch gefallen und hatte eine riesige Platzwunde am Hinterkopf."

Ich erinnere mich an dieses Horror-Szenario, als wäre es erst gestern passiert. Auch heute noch habe ich deshalb ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle. Es war unverantwortlich und dumm von mir, das Kind unbeaufsichtigt auf dem Wickeltisch liegenzulassen.

„Zum Glück ging es dem Kleinen nach ein paar Wochen wieder gut", schiebe ich schnell hinterher, um sowohl Sam als auch mich selbst zu beruhigen. „Ich wurde trotzdem gefeuert. Die Kitaleitung war sowieso nicht zufrieden mit mir, weil ich meine Arbeit meistens schluderig ausgeführt habe und oft zu spät kam oder mit Krankmeldungen aufgetrumpft bin. Der Vorfall im Wickelraum war dann der eine Tropfen zu viel, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat."

Wieder nickt Sam nur. So mechanisch und emotionslos wie ein Roboter.

„Meine Eltern waren stinksauer auf mich und haben mir damit gedroht, mich von zuhause rauszuwerfen, wenn ich mir nicht schnell einen neuen Job oder eine neue Ausbildungsstelle suche. Du musst wissen, dass unser Verhältnis eh sehr angespannt war, weil ich nie ihren Erwartungen gerecht werden konnte", erzähle ich weiter. „Ich habe mich wirklich bemüht, etwas Neues zu finden, aber ich habe immer nur Absagen bekommen. Irgendwann war ich dann so frustriert, dass ich die Suche aufgegeben und mich mit meiner Situation abgefunden habe."

„Okay", sagt Sam. „Das erklärt zumindest schon mal, warum du arbeitslos bist und das Verhältnis zu deinen Eltern angeknackst ist. Aber was ist mit deinen Freunden? Oder anderen sozialen Kontakten?"

Ich seufze frustriert. „Ich war nie sonderlich beliebt oder so", gestehe ich. „Ich hatte eine beste Freundin. Sie heißt Annie. Wir kannten uns seit der ersten Klasse." Auch wenn die Erinnerungen weh tun, zaubern sie mir ein trauriges Lächeln auf die Lippen. „Annie hatte einen Freund. Tom. Die beiden waren bis über beide Ohren ineinander verliebt. Obwohl sie erst 20 Jahre alt waren, wollten sie unbedingt heiraten."

Ich kann nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen schießen. Annie hat mir extrem viel bedeutet. Dass sie heute keinen Platz mehr in meinem Leben hat, ist einzig und allein meine Schuld.

„Die Hochzeit war wirklich schön. Fast die ganze Stadt war eingeladen", murmele ich leise. „Je später es wurde, umso mehr Alkohol habe ich getrunken. Irgendwann war ich so beschwipst, dass ich nicht mehr Herr meiner eigenen Sinne war. Frag mich bitte nicht, warum ich das gemacht habe, aber ich bin auf die Bühne gegangen und habe vor versammelter Mannschaft erzählt, dass Annie Tom am Anfang ihrer Beziehung zweimal fremdgegangen ist. Außerdem habe ich weitergetratscht, wie ätzend, langweilig und verklemmt Annie ihre zukünftigen Schwiegereltern findet. Ich muss wohl ziemlich miese Worte gewählt haben ..."

Ich wage es nicht, Sam anzuschauen. Dafür schäme ich mich zu sehr.

Rückblickend tut es mir furchtbar leid, was an jenem Abend passiert ist. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das Vertrauen meiner besten Freundin so schamlos missbrauchen konnte. Sie war mir gegenüber immer loyal und ehrlich und ausgerechnet an ihrem besonderen Tag bin ich ihr mit einem giftigen Messer in den Rücken gefallen.

Tief in meinem Inneren war ich wahrscheinlich eifersüchtig, weil ihr Leben so perfekt war und meins nicht. Eine Rechtfertigung ist das aber nicht!

„Ich wollte mich natürlich bei Annie entschuldigen und es wiedergutmachen, doch sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Verständlicherweise." Ich schlucke schwer. „Meine miese Verräteraktion hat sich in der ganzen Stadt rumgesprochen. Wo ich auch hingegangen bin, überall wurde ich vorwurfsvoll angeschaut oder herablassend behandelt. Also habe ich damit angefangen, mich von allen anderen Menschen zu isolieren."

Sam bleibt stehen und hält mich vorsichtig am Handgelenk fest. Ein mitleidiger Ausdruck verschleiert seine Augen, als er mir eine Träne von der Wange wischt. Ich kann sehen, dass er etwas sagen möchte, doch ich komme ihm zuvor.

„Das war der Zeitpunkt, ab dem alles bergab gelaufen ist. Mir war alles egal und ich habe einfach nur noch in den Tag reingelebt. Meine Granny war die einzige Person, die ich noch an mich rangelassen habe."

Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht laut zu schluchzen. Es ist erbärmlich, jetzt wie ein kleines Kind zu flennen, immerhin habe ich mir selbst zuzuschreiben, was damals passiert ist.

„Ich wurde aufmüpfig, frech und faul. Irgendwann hatten meine Eltern dann die Schnauze voll und haben mich rausgeschmissen; nach mehrfacher Androhung. Damals habe ich sie dafür gehasst, aber mittlerweile kann ich verstehen, dass sie keine andere Option mehr gesehen haben. Durch den Rauswurf haben sie gehofft, mir die Augen zu öffnen. Nur leider hat das nicht funktioniert."

Ich war wirklich eine schlechte Tochter. Ich weiß noch, wie oft ich meine Eltern beschimpft und beleidigt habe, obwohl sie immer nur das Beste für mich wollten. Mein Vater hat mir zwischenzeitlich sogar eine neue Ausbildungsstelle verschafft, doch ich habe mich dort extra so schlecht benommen, dass sie mich schon nach zwei Monaten wieder rausgeworfen haben.

Undankbar: Dieses Wort beschreibt mein damaliges Verhalten am besten.

„Als meine Granny erfahren hat, dass mich meine Eltern rausgeschmissen haben, hat sie mir eine Sozialwohnung besorgt. Sie hat alles versucht, um mich von der schiefen Bahn abzubringen. Wir haben gemeinsam nach Jobangeboten gesucht, sind einmal wöchentlich zu einem Spieltreff gegangen, um soziale Kontakte zu knüpfen, und sie wollte mir einen Platz bei einem Psychotherapeuten beschaffen, damit ich meine Vergangenheit aufarbeiten kann. Auch wenn es fast ein Jahr gedauert hat, hat sie es geschafft, mich aus meinem Schneckenhaus zu locken."

Vereinzelte Tränen lösen sich aus meinen Augen und kullern über meine Wangen.

„Ich war auf einem guten Weg, wirklich, aber ihr plötzlicher Tod hat mich total aus der Fassung gebracht. Als ich davon erfahren habe, hätte ich mir am liebsten selbst das Leben genommen." Es tut weh, über Grannys Tod zu sprechen. „Seitdem habe ich es nicht mehr geschafft, aus meinem Loch herauszukommen."

Damit ist alles gesagt, was ich sagen wollte.

„Sieh mich an, Shay. Bitte!", wispert Sam leise in die bedrückende Stille hinein. Ganz langsam hebe ich den Kopf und versinke in seinen dunklen Teddyaugen. Da ich seine Emotionen nicht richtig deuten kann, breitet sich ein ungutes Kribbeln in meiner Magengrube aus. Bestimmt verabscheut er mich jetzt und möchte nichts mehr mit mir zu tun haben.

Wahrscheinlich bin ich sowieso am besten allein dran.

„Du hast Fehler in deiner Vergangenheit gemacht und das ist auch nicht schönzureden", sagt Sam ernst. Sein Blick ist so eindringlich, dass sich eine eisige Gänsehaut über meine Wirbelsäule zieht. „Du hast die Konsequenzen deiner Handlungen zu spüren bekommen, aber leider nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen."

„Wie ... Wie meinst du das?", hake ich verwirrt nach.

„Du hast nicht gekämpft", erklärt Sam. „Du hast einfach aufgegeben. Dich selbst und dein Leben. Hast wild um dich geschlagen, statt Hilfe anzunehmen. Kein Wunder also, dass du irgendwann wieder in ein Loch gefallen bist, aus dem du nicht mehr herauskommst. Wenn du dein Leben verändern möchtest, musst du damit anfangen, dich selbst zu verändern."

Ich weiß, dass Sam Recht hat, doch es tut verdammt weh, die Wahrheit zu hören. Schon immer war es für mich einfacher, wegzulaufen oder wegzuschauen, statt mich den ungeschönten Tatsachen zu stellen.

Ja, ich habe nach neuen Jobs gesucht, doch ich hätte nach fünf Absagen nicht aufgeben dürfen.

Ja, ich habe mich bei Annie entschuldigt, doch nachdem sie mir die Haustür vor der Nase zugeknallt hat, hätte ich es weiterhin versuchen müssen.

Und ja, ich habe gemeinsam mit Granny angefangen, mein Leben zu verändern, doch ich hätte nach ihrem Tod nicht rückfällig werden dürfen.

Immer wenn es schwierig wurde, habe ich den Rückzug angetreten und nicht das Schlachtfeld gewählt. Dass das der Fehler war, wird mir erst jetzt bewusst.

„Du bist kein schlechter Mensch, Shay." Sams Stimme wird weicher und liebevoller. „Und es ist nie zu spät, seine Fehler wiedergutzumachen. Wenn du mich lässt, würde ich dir gerne dabei helfen, in ein neues Leben zu starten."

Was? Das meint er doch nicht ernst, oder? Nachdem ich ihm von meiner Vergangenheit erzählt habe, möchte er immer noch etwas mit mir zu tun haben? Unmöglich!

„Jetzt schau mich nicht so entsetzt an", lacht Sam und stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. „Wir alle haben unser Päckchen zu tragen, okay? Deine Geschichte ändert nichts daran, dass ich dich toll finde!"

„Nicht?", hake ich irritiert nach.

„Nein!" Sam streichelt mir zärtlich über die Wange und nähert sich langsam meinem Gesicht. „Du brauchst vielleicht noch den ein oder anderen Arschtritt, aber ich bin mir sicher, dass du dein Leben wieder in den Griff bekommen wirst. Vor allem jetzt, wo du sechs starke Männer an deiner Seite hast."

Kurz schaut er mir noch in die Augen, ehe er den Abstand zwischen unseren Lippen überbrückt.

Anders als gestern auf dem Weihnachtsmarkt fühlt sich unser Kuss verzweifelt an. Ich kralle mich hilflos an Sams Mantel fest und suche nach Halt und Sicherheit. Tränen tanzen zwischen unseren Mündern und ich schmecke pure Angst.

Sam ist viel zu gut für mich. Er hat ein Herz aus Gold und bereichert mein Leben. Und genau aus diesem Grund frage ich ihn: „Kannst du bitte derjenige sein, der mir ab und zu einen Arschtritt verpasst?"

Sam lacht. Dann salutiert er einmal und sagt: „Nichts lieber als das, Shay!"

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