Linda

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Eigentlich hatte ich nie vorgehabt, über diese ganzen Erfahrungen zu erzählen, aber es gab diese zwei Dinge, von denen ich wusste, dass sie raus mussten. Dass ich sie euch mitteilen muss. Die erste Sache geschah am Tag der Urteilsverkündung.

Der Prozess dauerte Monate. An manchen Tagen dachte ich, dass es eine Ewigkeit dauerte und an anderen konnte ich kaum glauben, wie schnell die Zeit an uns vorbei zog.

Und heute am 18. März 2011 war endlich der letzte Tag. Heute würde ein Urteil gefällt werden und entschieden werden, welche Strafe Hempton und allen anderen zuteilwerden würde. Da ich niemanden mit den langweiligen Details des Verhandlungsverlaufs nerven will, fasse ich euch kurz die wichtigsten Details zusammen.

Nachdem die Ermittlungen abgeschlossen waren, meldeten sich insgesamt 108 Opfer, welche bereit waren, von ihren früheren Erlebnissen zu erzählen. Teilweise waren die Schicksale wirklich traurig. Sechs Menschen hatten sich nach den Erlebnissen dort sogar das Leben genommen und zwei weitere hatten einen Selbstmordversuch hinter sich. 14 Frauen hatten außerdem unabhängig von einander ausgesagt von Hempton sexuell missbraucht zu sein.

Und als wäre das noch nicht genug, wurden ihm insgesamt 62 bestätigte Fälle von schwerer Körperverletzung nachgewiesen. Doch nicht nur Hempton bekam sein Fett weg, auch anderen Leitern wurden zumindest Körperverletzung und Vernachlässigung der Aufsichtspflicht an ihren Schützlingen vorgeworfen. Dazu kam noch ein gutes Dutzend von Verstößen von gesetzlichen Vorschriften zum Leiten eines solchen Camps.

Allerdings wurde auch Ed befragt. Seine und unsere Strafe wurde allerdings recht schnell festgestellt. Natürlich wurde seine Strafe extrem gemindert, da er erstens nur ein knappes Jahr dort gearbeitet hatte, zweitens nichts den Behörden gemeldet und drittens weggesehen hatte. Da er uns die Flucht ermöglicht hatte und ausreichend mit der Polizei kooperiert hatte, bekam er eine Bewährungsstrafe von 16 Monaten. Ganz offensichtlich hatte die Richterin verstanden, dass er einer der Guten war.

Nicht mal wir blieben verschont. Da die meisten von uns technisch gesehen unsere Strafe im Camp nicht komplett abgesessen hatte, wurde über die Jungs, Daisy, Roxy und mich ebenfalls geurteilt. Da die Richterin erkannte, dass die Jungs ihren Fehler wirklich bereuten, kamen sie alle mit etwa 30 Sozialstunden davon. Roxanne erhielt 45 Sozialstunden, Daisy und ich jeweils 35, obwohl ich eigentlich der Meinung, dass wir nach allem, was wir erdulden mussten und erbracht haben, schon genug gestraft waren. Natürlich sagte ich das nicht laut.

Hempton verweigerte während des gesamten Prozesses die Aussage und weigerte sich auch bei den Opfern zu entschuldigen. Sein Anwalt, war wohl der schmierigste Typ, den man nur haben konnte und versuchte doch tatsächlich es so darzustellen, als wären die Opfer selbst Schuld am Missbrauch. Unnötig zu erwähnen, dass das nicht funktionierte.

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Momentan saßen wir zu elft in einem Café vor dem Gerichtsgebäude und warteten auf das Urteil. Avery's Eltern waren ebenfalls dabei. Daisys Mutter noch im Hotel, aber würde in Kürze dazustoßen. Die Eltern der Jungs waren auch immer wieder dagewesen. Roxanne's Vater hatte ich ebenfalls kurz kennen gelernt, aber er war nur einige Tage da gewesen, da er sich um seine Firma kümmern musste. Außerdem hatte Roxy darauf bestanden, dass sie das schon alleine schaffte. Trotzdem schienen sich die beiden angenähert zu haben.

Daisy hingegen schien ihren Vater endgültig verloren zu haben, als sie uns von seiner neuen Familie in Irland erzählte.

„Und er hat nicht mal für nötig befunden, es dir mitzuteilen?", fragte Avery gerade ungläubig.

„Scheinbar nicht. Ich meine, er hat bisher auch noch kein einziges Mal angerufen um nach zu fragen. Also gehe ich davon aus, dass es ihn nicht interessiert, was mit mir passiert ist", erklärte Daisy uns.

„Wow, also ich glaube nur kälter war meine eigene Mutter. Die redet immer noch kein Wort mit mir", konnte ich nur dazu sagen.

„Sie glaubt dir nach wie vor nicht?"

„Nein, seit meiner Schwangerschaft, hat sie mich quasi für tot erklärt. Also als ihre Tochter."

„Immerhin hast du deine Schwester und jetzt auch noch einen Sohn."

Ich lächelte.

Mein Sohn. Jonah oder Jojo, wie ich ihn zu Ehren von Daisys totgeborenen Schwester genannt hatte, war am 2. November zur Welt gekommen. Fast eine ganze Woche nach seinem Geburtstermin. Die Geburt hatte 13 Stunden gedauert, aber es hatte sich gelohnt, als man mir dieses kleine, schreiende Bündel auf die Brust gelegt hatte. Mittlerweile war er fünf Monate alt und wurde sowohl von meiner Schwester als auch von mit betreut. Averys Eltern und Daisys Mutter hatten mir netterweise noch sehr viele Tipps vor der Geburt gegeben, für die ich wirklich sehr dankbar war.

Es hatte mir wirklich sehr geholfen und mein Selbstvertrauen als Mutter gestärkt. Und langsam glaubte ich den Dreh rauszuhaben. Momentan war mein Sohn bei meiner Schwester in England. Und ich vermisste ihn, obwohl ich auch dankbar war, endlich mal durchschlafen zu können.

„Ich würde gerne etwas sagen", Averys Mutter stand auf und klopfte gegen die Tasse.

Alle blickten sie erwartungsvoll an.

„Ich bin wirklich unglaublich stolz auf euch alle und was ihr hier bewirkt habt. Ihr habt Schmerzen durchgestanden, die kein Mensch erdulden musste und so viel auf euch genommen um jemanden seiner gerechten Strafe zu überführen und ich weiß auch, dass ihr alle bestimmt noch eine Weile damit zu kämpfen haben werdet. Aber da heute das Urteil verkündet wird, haben wir eine Überraschung für euch vorbereitet. Sobald die Urteilsverkündung durch ist, fahrt ihr alle mit uns nach Amsterdam und werdet dort fünf Tage bei uns verbringen und eine exklusive Bootstour durch die Kanäle von Amsterdam gibt es auch."

Diese Überraschung gefiel wirklich allen. Sogar Roxanne. Die hatte ihre Wasserphobie nun vollständig abgelegt und war sogar einem Schwimmkurs beigetreten.

„Und wo werden wir schlafen?"

„Also ein paar von euch werden wir im Hotel unterbringen, aber ich glaube drei können auch bei uns schlafen", erklärte Averys Mutter.

„Hast du das gewusst?", fragte Harry Avery mit einem überraschten Lächeln.

„Mom hat nur gesagt, sie hätte eine Überraschung."

Wir bedankten uns alle überschwänglich bei Averys Eltern für die Einladung und eine halbe Stunde später erhielten wir den Anruf, dass nun das Urteil verkündet wurde.

Wir bezahlten unsere Rechnung und fanden uns sehr schnell danach im großen Saal wieder, wo die bisherige Verhandlung stattgefunden hatte.

Der Raum war unglaublich voll, als wir uns einfanden. Überall waren ehemalige Opfer und deren Angehörigen, was mir jedes Mal ein seltsames Gefühl verschaffte.

So viele Leute, die das gleiche Schicksal erlitten hatten. Wir suchten uns einen Platz nebeneinander und als der Gerichtsdiener eintrat, griff Daisy nervös nach meiner Hand.

„Das Gericht ist zu einer Entscheidung gekommen, bitte stehen Sie für die Urteilsverkündung auf!"

Wir erhoben uns und sahen, wie Richterin und Schöffen den Gerichtssaal betraten. Nachdem sie ihre Plätze am Tisch eingenommen hatten, forderte die Richterin uns auf noch einmal Platz zu nehmen, da sie vor der Urteilsverkündung gerne noch ein paar eigene Worte sagen wollte.

„Ich mache diesen Job jetzt schon 19 Jahre und habe in dieser Zeit schon einiges erlebt. Und an manchen Tagen bin ich aus diesem Raum gegangen und habe mich gefragt, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Aber heute ist kein solcher Tag. Aber was ich mit Gewissheit sagen kann, dass ich nur sehr selten eine solche Geschichte mit so viel Schmerz, so viel Grausamkeit und so viel Mut gehört habe. In diesem Raum befinden sich so viele Menschen, die mal einen Fehler im Leben gemacht haben und die Pflicht dieses Camps war, diesen Menschen zu helfen und ihnen zu zeigen, was der bessere Weg ist. Aber ich muss mit Beschämung feststellen, dass die Einrichtung, von der wir heute reden, diese Pflicht missachtet und ihre Macht missbraucht hat. Noch größer ist meine Beschämung und mein Entsetzen darüber, dass diese Taten jahrelang nicht bemerkt wurden und unser Rechtssystem versagt hat. Die Vergangenheit können wir leider nicht mehr umschreiben, aber hoffentlich kann der heutige Tag das Leben von all den Opfern zumindest etwas Trost spenden", die Richterin klang seltsam bewegt.

„Deshalb komme ich jetzt ohne weiteres zum Urteil. Bitte erheben Sie sich!"

Wir standen erneut auf und nun drückte ich ebenfalls nervös Daisys Hand.

„Im Namen des Volkes verkünde ich folgendes Urteil: Der Hauptangeklagte Anthony Hempton wird in mehreren Fällen, von schwerer Körperverletzung und sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen, sowie Freiheitsberaubung, schweren Betrugs und Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zu 28 Jahren Haft ohne Chance auf Bewährung verurteilt. Die Mitarbeiter Munch, Sanders, Pirolli und Algers sind  ebenfalls schuldig wegen schwerer Körperverletzung an Schutzbefohlenen und Vernachlässigung der Aufsichtspflicht. Sie werden zu jeweils 9 Jahren Haft ohne Chance auf Bewährung veurteilt. Außerdem verfüge ich dass das Houens Odde Camp wird hiermit offiziell aufgelöst wird und nicht länger als Erziehungscamp für Kinder und Jugendliche gelten. Alle Arbeitspositionen werden mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Die Verhandlung ist beendet."

Das Urteil war gefallen. Wir hatten gewonnen. Es hatte sich wirklich gelohnt. Und es war einer der stolzesten Momente meines Lebens.

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Das zweite Erlebnis war vier Tage später, als wir mit dem Boot von Averys Vater durch die Kanäle von Amsterdam fuhren. Der Urlaub dort, war bisher der schönste, den ich je in meinem Leben hatte. Und irgendwie war es auch seltsam heilend. Während wir diese letzten Tage durch Amsterdam gezogen waren, hatten wir nicht ein Wort über die Verhandlung oder unsere Zeit im Camp verloren. Man hätte meinen können, dass wir eine ganz normale Gruppe von Jugendlichen wären, die gerade im Urlaub waren.

Doch als wir diesen Bootstrip machten und aus der Stadt hinaus aufs Markermeer hinausfuhren, gab es da diesen einen Moment, wo wir alle in kleinen Grüppchen an Deck saßen und der Sonne entgegensteuerten. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu und die Sonne ging bereits unter und schien im Wasser zu ertrinken.

Ich war die Einzige, welche momentan allein dasaß. Liam und Daisy an der linken Seite der Reling und ließen die Beine über den Schiffsrand baumeln, wobei Liam einen Arm um Daisy gelegt und sie den Kopf an seine Schulter gelegt hatte. Niall und Roxanne standen gemeinsam am Bug und Niall versuchte Roxanne gerade davon zu überzeugen, Kate Winslet und Leonardo DiCaprio von Titanic nachzustellen. Louis und Zayn lagen auf dem Deck und ließen sich die letzten Strahlen der Sonne ins Gesicht scheinen. Und Avery stand mit Harry hinter dem Steuer und versuchte ihm offensichtlich gerade das steuern beizubringen. Averys Eltern stand ein Stück weiter hinten und beobachteten ihr Tochter lächelnd. Und ich saß an der rechten Seite der Reling und beobachtete die Vögel über uns. Eigentlich waren wir unbeschwert und frei wie sie.

Der Wind frischte auf und ich zog meine Jeansjacke etwas enger. Mit Gewissheit kann ich es nicht mehr sagen, aber genau in diesem Moment war es als hätte der Wind mit seiner Kälte auch alle Erinnerungen wieder zurückgebracht. Den Schmerz, die Angst, die Hilflosigkeit. Alles Gelächter und Gespräche verstummten und eine unangenehme Stille machte sich breit. Und in diesem Moment wusste ich, dass alle anderen es auch fühlten. Diese Gewissheit, dass es trotz des Urteils und unserem Sieg noch nicht vorbei war. Dass noch eine Menge vor uns lag. Doch dieser Moment verflog schnell wieder, als wäre nichts gewesen und die Fröhlichkeit kehrte zurück. Roxanne ließ sich nun doch von Niall überreden die berühmte Titanic Pose zu machen, obwohl sie die Rolle von Jack und er die Rolle von Rose übernahm. Harry schlang seine Arme von hinten um Avery und Liam küsste Daisy, während Zayn versuchte Louis Weintrauben in den Mund zu werfen. Und ich lächelte dem Horizont entgegen.

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Wenn man mich fragen würde, ob wir jemals wieder unbeschwert sein würden, dem würde ich sagen: „Keine Ahnung."

Aber ob wir damit fertig werden würde, lag ganz an uns. Und obwohl der Weg dahin lang und schwer war, auch das würde es wert sein. Und momentan würde ich sagen, stehen die Chancen nicht schlecht. Denn wir waren nicht alleine damit und egal wie weit wir voneinander entfernt waren, wir würden immer durch dieses Ereignis verbunden sein. Und vielleicht konnten wir sogar etwas positives daraus schaffen.

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Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, wer das vorletzte Kapitel übernimmt, deshalb hab ich beschlossen, dass ich Linda als kleinen Überraschungsgast einbringe. Und weil ich so aufgeregt bin (wie vor jedem Ende der Geschichte), veröffentliche ich das letzte Kapitel auch noch. ;)

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