10. Morag, Mervaille und die Druiden

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Als das letzte Rot der Morgendämmerung verblasste und der Herr der Welt die Sonne hob, drückte Sera die Eichentür zum inzwischen mit lunarischen Wandteppichen ausgeschmückten Speisesaal auf. Drei Mahlzeiten am Tag brauchte sie nicht, aber ein weiteres Mal wollte sie nicht ohne Frühstück arbeiten.

»Die Eigenschaften Eures Blutes interessieren mich. Kann man damit alles heilen?«

Die Frage ließ Sera schlucken. »Möge der Silbermond scheinen«, begrüßte sie ihn und Alistair am gedeckten und mit ausgestopften Tauben dekorierten Tisch.

»Guten Morgen, Jeanne. Heute gibt es ein Mahl, bevor wir gehen?« Alistair schmunzelte. Er wirkte kräftiger als noch vor ein paar Tagen, doch die für Druiden typische Bräune fehlte.

»Möge er auch Euren Weg weisen, Füchsin.« Bastien nickte ihr zu. »Wo ist Euer Begleiter?«

»Tjelvar kommt später. Er hat verschlafen – so lange, wie er gestern noch gearbeitet hat.« Und sie hätte auch noch im Bett bleiben können. Schmerz feuerte ihr Rückgrat hinauf, als sie sich Alistair gegenüber zu Bastiens rechter Seite setzte. Sie hätte gestern weniger arbeiten sollen. »Was Eure Frage betrifft, sollte man bei Krankheit einen Druiden aufsuchen. Trinkt Ihr stattdessen nur sein Blut, passiert im besten Falle gar nichts, im Schlimmsten sterbt Ihr.«

Der Adler fixierte sie. »Sprecht Ihr aus Erfahrung?«

Verdammter ...! Äußerlich unbeeindruckt griff sie nach dem Brot und einem Apfel. »Ja. Als Kind litt ich an der Schwindsucht. Einen Druiden aufzusuchen, war die einzige Möglichkeit für mich, zu überleben.«

»Ihr sagtet, Euer Vater wäre Kaufmann? Er muss ein reicher Mann sein, für eine solche Krankheit einen Druiden zu kaufen.«

»Druiden nehmen nichts für ihre Arbeit.« Alistair nahm den Käse nach ihr, schnitt noch eine Scheibe ab und belegte die dritte Scheibe.

Die Stulle schmeckte nach Koriander und zerging wie Milchbrot auf der Zunge. Sera tat ihr Bestes, die mervaillsche Backkunst wenigstens für einen Augenblick zu genießen.

Warum saß der Sohn des berüchtigten Druidenschlächters überhaupt mit einem Druiden am Tisch und plauderte über seine Gabe? Das konnte Bastien den Adelstitel kosten, wenn jemand königstreues das erfuhr.

»Ach, nein? Dann lebt ihr tatsächlich auf Kosten öffentlicher Steuergelder – unabhängig davon, wie hochwertig eure Leistungen sind?«

Alistair senkte sein Brot. In seinen sonst weichen Augen glomm ein Funke auf – ehe er erlosch und einem Grinsen wich. »Ich wusste gar nicht, dass ihr eine solche Kenntnis über das Druidenwesen besitzt, Stadtgraf. In der Gemeinde möchte ich wirklich dringend nach dem Rechten sehen, was meine Brüder und Schwestern so ableisten.«

Bastien zuckte nicht einmal mit der Braue.

Da hatte sie auf ein Pfefferkorn gebissen.

Der Stadtgraf seufzte, lehnte sich vor und griff nach seinem Messer. Die silberne Klinge spiegelte das rot-weiße und hölzerne Interieur wider, als Bastien das Besteck in seinen Fingern drehte und schließlich die Spitze auf Alistair richtete. »Was ich mich immer gefragt habe, Druide: Wie fühlt es sich an, jemandes Leben auszusaugen?«

»Wie fühlt es sich an, sein Volk auszuhungern?« Eine wohl desinteressiert gemeinte Grimasse zerschnitt das hohle Gesicht des Druiden.

»Gut, dass es nicht mein Volk ist.«

Verdarb ihr der Pfeffer gerade den Magen oder waren es doch die Drohungen überm Esstisch? Sie hätte in ihrem Gemeinschaftsraum auf Tjelvar warten sollen.

»Ah, verstehe. Das Volk, für das Ihr eigentlich verantwortlich seid, habt Ihr gewiss vorbildlich behandelt. Nicht wahr, Schlächter?« Alistair biss ins Käsebrot und inspizierte die beiden Tauben vor einem aus Schenkeln präparierten Miniaturhirsch.

»Wenn sich eure Leute unkooperativ zeigen, ist es meine Pflicht, euch an eure Position zu erinnern. Dafür muss ich niemanden abschlachten – ich kann geduldig hier sitzen.«

Die Drohungen, eindeutig. Sera wickelte die zweite Stulle in ein Tuch und legte es mit dem Apfel in ihre Tasche, um der dicken Atmosphäre zu entfliehen.

Auf den Steinstufen im oberen Burghof widmete sie sich dem Rest ihres Frühstücks. Waren sie kälter als sonst, weil die Sonne erst aufstieg oder weil der Sommer endete?

In Speranx bedeutete der Beginn des Herbstes erträgliche Temperaturen, wie sie andernorts in den Sommern dominierten. In Morag begann vermutlich eine verregnete Zeit wie in Lumista. Ob sie nach dreieinhalb Jahren endlich wieder Schnee im Winter sehen könnte?

»Alistair und Bastien umlauern sich immer noch. Die beiden haben einander tatsächlich gefunden.« Tjelvar setzte sich neben sie und wickelte seine Brote aus. »Gute Arbeit in den letzten Tagen, Füchsin.«

Ihr fiel die Kinnlade herab und der angebissene Apfel zu Boden. Stattdessen gaffte sie ihn an als wäre er der Phönix höchstselbst. »Danke?«

Woraufhin seine Brauen zueinander zuckten. »Alistair hat schon zu Studentenzeiten in Xandria die Regeln ausgereizt. Scheint, als hätte er diese Eigenschaft bis heute nicht abgelegt.«

Sera schüttelte den Kopf und fasste sich wieder. »Alistair hat in Xandria studiert?« Das Lehrbuch über die Friedenswahrer! Xandria war schließlich von den Überlebenden aus Yulth gegründet.

»Ja. Er war ein Schüler von mir.«

»Wie? Aber du unterrichtest Politik, Wirtschaft und Geschichte, nicht Medizin oder Pflanzenkunde.« Abgesehen davon: Hatte Nolann nicht erwähnt, Alistair wäre schon länger als zwei Menschenleben hier?

In der Burg erklangen federnde Schritte in ihre Richtung.

Sera blickte durch den leeren Burghof, ehe sie ihren Professor mit gerunzelter Stirn betrachtete. Was verbarg er? »Verzeih die Frage, aber wie alt bist du?«

Menschen konnten eine höhere Lebensspanne erreichen – doch nur, wenn sie Druidenblut tranken oder von ihnen gesegnet wurden. Allerdings wären Langlebige nicht so blass wie Tjelvar.

Eine der Doppeltüren öffnete sich.

»Füchsin, Prof, ich bin jetzt soweit. Entschuldigt, dass ihr warten musstet.« Alistair hopste die Stufen zwischen ihnen hinab.

Tjelvar stand auf. »Alt.«

~✧~

»Sag, Alistair« – Sera nahm das Lehrbuch über die Friedenswahrer aus der Tasche, sobald sie das Nebentor zu den Feldern hinter sich ließen – »gehört dieses Buch dir?«

Der Druide beugte sich zu ihr. »Jep. Du darfst es aber gerne borgen, wenn du magst.« Je länger er den Ledereinband betrachtete, desto mehr sanken seine Schultern und verebbte sein Lächeln. »Eine Druidin aus dem Hain hatte es letzten Herbst ausgeliehen.«

Und den Tag der Rückgabe nicht mehr erlebt.

»Kanntest du sie?«, fragte Tjelvar.

»Wir sollten uns die Köpfe über aktuelle Probleme zerbrechen.« Der Druide setzte sein angespanntes Lächeln wieder auf. »Behalte es also ruhig. Du wirst es brauchen, Füchsin. Ich fürchte ja, dass unsere Probleme jetzt erst richtig beginnen.«

Falschspieler.

Tjelvar dachte Ähnliches, wie er den Druiden betrachtete.

Andererseits hatte er recht: Marika verließ den Acker und wankte zum Festplatz, als sie die drei sah. Ihre ausgehungerte Miene verhieß nichts Gutes – funkelte sie doch vor allem den kleinen Druiden an. Für sie musste der gestrige Nachmittag eine Missachtung von Seras Versprechen gewesen sein.

Nur warum erkannte die Moragi nicht, dass sie die Situation falsch einschätzte? Sie könnte es einsehen und – selbst unter Kompromissen – mit Nolann und seinem Bataillon zusammenarbeiten. Aber so hatte Seraphina in der Vermittlung versagt.

»Versteckst du dich jetzt schon hinter Fremden, statt dich uns zu stellen, Alistair?« Marika hob das Kinn und stemmte die Fäuste in die Hüften, als würde sie dem Druiden am liebsten die Augen auskratzen.

»Ich bin immer noch ein Gefangener der Mervailler, Marika. Ohne ihr Beisein darf ich mich nicht frei bewegen.« Alistairs Miene verlor jede Heiterkeit und er versteifte sich.

»Gib einfach zu, dass du Schiss hast, uns allein zu begegnen! Kamien einmal zu verraten, hat dir nicht gereicht, hm?«

»Sale«, unterbrach Tjelvar.

»Kamien! Euer Drecksloch kann mich mal«, knurrte Marika.

Ihr Professor verschränkte die Arme. »Ich verstehe deinen Stolz als Moragi, glaub mir. Aber jetzt werdet ihr mit Provokationen nur noch mehr zerstören, anstatt das, was euch geblieben ist, zu retten.«

Marika zischte etwas auf Moragi, spuckte aus und stapfte wieder auf die Felder.

Doch Sera war bei ihrem Ton zusammengefahren. »Was hat sie gesagt?«

»›Lieber sterbe ich, als mit denen zusammenzuleben‹«, wisperte der Druide.

»Viel fehlt dazu nicht mehr, wie sie aussieht.« Tjelvar schüttelte den Kopf, und stapfte zu den Mervaillern auf dem Feld neben dem Fluss, um ihnen beim Pflügen zu helfen.

Das stimmte. Sera krallte die Finger in ihr Kleid. Verzichtete Marika auf ihre Rationen oder warum waren sogar Janek und Alistair mittlerweile in besserer Verfassung?

»Um mit Marika zu reden, bin ich die falsche Person.« Alistair hob die kontrastierend dunklen Brauen in ihre Richtung. »Rede du mit ihr. Sie braucht es.« Lächelnd schlurfte er zu den Kindern, die mit Ästen in der glimmenden Senke herumstocherten.

Wie festgenagelt stand sie nun allein da. Wie sollte sie denn jemanden überzeugen, der durch die Mervailler alles verloren hatte?

Sie seufzte und fuhr sich über die hochgebundenen Haare. Irgendwer musste es ja versuchen. Also stiefelte sie durch die Furchen mit ihren erdigen Ausdünstungen zum Pflug, den Marika steuerte. Janek führte das Pferd mit sicheren Schritten, sagte aber kein Wort.

Bislang hatte er kaum mit Marika geredet – mied gar ihre Blicke. Lewian sollte doch ein guter Freund gewesen sein, warum war das Verhältnis der beiden dann so schlecht? Gerade wegen Lewians Tod?

Ihr sackte das Herz in die Magengegend. Welches Recht hatte sie, Marika mit der mervaillschen Kooperation vor den Kopf zu stoßen?

»Darf ich dich ablösen?« Sera stellte sich neben die Moragi und versuchte zu lächeln.

Sie schaute nicht einmal von ihrem Pflug auf. »Nicht nötig.«

Sollte sie überhaupt jetzt – während der Arbeit – mit ihr reden oder wäre die nächste Pause nicht eine bessere Gelegenheit? »Ich möchte mich für Tjelvars Wortwahl und Alistairs Alleingang entschuldigen. Es war nicht richtig, Kommandant Nolann ohne dein Einverständnis einzubinden.«

»Stimmt. Dann schaff ihn weg.« Da waren sie also wieder: Ganz am Anfang.

Sera knurrte; rang um Selbstbeherrschung.

»Du hast gesagt, dass du Bastien und Nolann nicht schaden willst, um die anderen in Sa– Kamien zu schützen. Du hast gesagt, dass wir dringend mehr Lebensmittel brauchen und du hast vorgeschlagen, die Druiden dafür einzubinden. Jetzt sind wir hier: Bastien teilt die Vorräte mit uns, Nolann hat die verbliebenen Druiden nach Kamien gebracht und alle arbeiten für ein gemeinsames Ziel. Ist es nicht das, was du wolltest?«

Marika rief Janek etwas zu und er stoppte das Pferd. Ihre schwarzen Augen waren müde. »Was wird uns bleiben, wenn wir uns ergeben? Sobald das Fest vorbei ist, wird Nolann die Druiden verbrennen. Sobald Bastiens Lager sich wieder füllen, wird er alles für sich behalten. Wenn wir nachgeben, sind wir Teil eines Landes, in dem Druiden verbrannt werden, Medizin verboten ist und kein einziger Baum mehr steht. In so einem Land will ich nicht leben!«

Sera schluckte. Die Sieger schrieben die Geschichte, die Besiegten verschwanden aus ihr.

Marika sah zu den Wolken überm Wald. »Es heißt, der Erste Prinz von Mervaille ist verschwunden. Ein kleiner Sieg für uns. Wenn wir durchhalten, bis König Philippe von den Krähen besucht wird, können wir auf ein geschwächtes Mervaille hoffen.«

Ihre Hoffnung war ein Wunschgedanke. Sera nestelte an ihren Ärmeln und atmete durch. »Prinz Émile mag nicht so fanatisch wie Vater und Bruder sein, aber deswegen wird er sich Morag nicht nehmen lassen.«

»Das weiß ich.« Die Moragi ließ den Kopf hängen. »Aber vielleicht sieht er die Vorteile der Druiden. Mervaille braucht Wälder und Ärzte, um die Bevölkerung zu versorgen. Wer schlau ist, verbrennt das Kleine Volk nicht, sondern nutzt es. Diese Hoffnung ist alles, was wir noch haben.«

Sera kaute auf ihrer Unterlippe.

Prinz Émile war pragmatischer veranlagt, ja. Aber seine zukünftige Thronbesteigung musste noch lange keinen Segen für die Druiden sein. Nur, weil er sie vermutlich am Leben ließ, erlöste sie das nicht von Feindseligkeiten.

Marika torkelte vom Pflug weg und bat Sera mit einer Geste, nun doch für sie zu übernehmen. »Wenn du Nolann und Bastien schon zur Zusammenarbeit gebracht hast, tu mir bitte einen Gefallen: Versprich mir, dass sie unsere Druiden, unsere Ärzte und unsere Wälder leben lassen. Die Mervailler haben schon so viel vernichtet, lass es bitte nicht noch mehr werden.«

Ihre Dementierung erstickte Sera im Hals. Das konnte sie unmöglich versprechen!

»Die Druiden werden leben und Mervaille zu gegebener Zeit verlassen, doch an Mervailles Politik kann ich nicht rütteln. Wir können sie aber gemeinsam eure Kultur lehren und ihnen den Sinn hinter euren Traditionen zeigen. Vielleicht können wir die Vorteile eurer Lebensweise in die mervaillsche integrieren und sie so konservieren.« Sie lächelte die Moragi an. Gemeinsam konnten sie das schaffen!

Mit schmalen Lippen und zusammengezogenen Brauen verfolgten Marikas Augen die bereits gezogenen Furchen. »Wir werden sehen.«

Seras Arme fielen an ihren Seiten herab.

Aber die Moragi nickte nur zum Pflug vor ihr und ging.

So stand sie wieder einmal allein da. Nur fixiert von Janeks großen, olivfarbenen Augen, der sich hinter dem Pferd versteckt hatte. Sie rieb sich übers Gesicht und nahm den Pflug in die Hände.

Es brachte doch nichts ...

Stunden später – der Abend nahte bereits und Janek und sie saßen ums Feuer auf dem Platz – waren Seras Arme taub: Der Schmerz in den Muskeln hatte jedes Gespür in ihnen vertrieben. Die Schale faden Haferbreis zitterte in ihren Händen wie die Saiten ihrer alten Violine, als sie sie auf den Tasten von Lucius' Klavier zerschmettert hatte.

Wenn sich alle zum Feierabend auf den Bänken ums Feuer versammelten, würde sie sich auf den Untergrund legen und warten, dass ihre Finger den Sand wieder fühlten.

Sie stutzte, als Ctirad auf Alistair zuging. Was wollte er von ihm? Beide hatten sich vom Feuer entfernt und flüsterten miteinander, während Ctirad immer wieder um sich sah – in Marikas und auch in Seras Richtung.

Würde es ihr überhaupt helfen, ihr Gehör zum Festplatz zu versetzen, wenn sie doch wahrscheinlich Moragi sprachen? Ein Versuch schadete nicht. Schließlich war Marikas Cousin von allen Einheimischen am verdächtigsten.

Moragi.

Sie seufzte.

Ctirad klang verzweifelt und Alistair stellte ihm ruhig, aber ernst Fragen. Nach ein paar ermutigenden Sätzen ging Ctirad zur Stadt.

Was immer unausgesprochen über Sale lag, der Druide wusste davon.

Sie musste sich sputen, die hiesige Sprache zu lernen, wenn sie erfahren wollte, wer welche Fäden zog.

~✧~

Ihre Arme waren Blei – wären Gold, wäre sie der Gott der Wüste.

Morgen würde sie keinen Pflug führen. Morgen würde sie auch nicht bei der Untermischung von Asche, Dünger oder Saatgut helfen. Morgen würde sie gar nichts tun.

Selbst Schachspielen mit Bastien schien aussichtsreicher. Oder tatsächlich im Bett liegenzubleiben und den Vögeln über dem Fluss zu lauschen.

Solange sie nur nicht arbeiten musste.

Wie den Abend zuvor saß Janek neben ihr – nicht neben Marika – und verschlang seine Ration Pinselgrasbrei. Sera war froh, ihre Schale endlich geleert zu haben, ihre Arme zu entlasten und keine weiteren feinmotorischen Bewegungen mehr auszuführen.

Als auch Janek aufgegessen hatte, zeigte er ins knisternde, warme Feuer und sagte etwas. Sie hatten ein Spiel entwickelt, bei dem er einen Gegenstand auf Moragi benannte und sie ihm nachsprechen musste.

Bis zum Fest gab es für jeden, der noch bei Kräften war, genügend zu tun. Danach würde sie Marika oder Lucien fragen, ihr die Sprache ordentlich beizubringen.

Feuer.

Erde. Oder Boden?

Himmel? Sterne? Nacht?

Bäume oder Wald?

Holz.

Wasser.

Das zweite Mal zeigte Janek auf die zuvor benannten Objekte und blieb stumm. Jetzt lag es an Sera, seine Worte zu wiederholen. An seinen harten Konsonanten und dem gerollten R – fast wie ein knurrender Hund – scheiterte sie allerdings jedes Mal.

Aber der Junge lachte. Er gab sich größte Mühe, glücklich zu sein und Sera versuchte alles, die Unbeschwertheit wie eine Blase um sie zu erhalten.

Auch, wenn sie direkt neben ihnen schon geplatzt war.

Fernab jeder Seele saß Marika schweigend auf einer Bank und starrte in die Flammen.

Alistair hatte sich im Schneidersitz neben Tjelvar niedergelassen und philosophierte mit dem unerklärlich alten Professor.

Saoirse hielt eine Handvoll Asche in die Höhe und erklärte Nolann gestenreich, warum sie sie untergraben mussten und wie sie den Boden mit Nährstoffen versorgte. Dabei war der Kommandant ihr einziger williger Zuhörer: Die restlichen Soldaten versammelten sich um ein eigenes, kleineres Feuer und ignorierten die Druidin.

Ctirad war nicht zurückgekehrt und Lucien plauderte mit Stojan und seinen Freunden, beobachtete sie aber alle paar Minuten aus den Augenwinkeln.

Ihr Lernpartner nahm ihre Hand und zeigte mit der freien auf die Soldaten.

Mervailler? Soldaten? Feinde?

Als was auch immer er sie bezeichnete: Er stand auf und zog sie mit zum Kommandanten.

»Guten Abend, Füchsin.« Nolann salutierte. »Wisst Ihr, ob der Boden in irgendeiner Region mit Asche gedüngt wird?«

Vielleicht – wäre sie Anthelia und hätte die Energie zum Denken. »Verwenden die meisten Bauern nicht Dung oder Kompost dafür?«

Saoirse nickte. »Das ist auch einfacher. Mit Asche düngen lohnt sich meistens nicht, weil bei der Verbrennung die Masse des Weizens vorher eine andere ist als hinterher und der Rest ...« Ihre dunklen Hände schossen hoch, dass eine Aschewolke auf Nolanns Waffenrock wehte.

Sera presste ihre freie Hand auf den Mund, um nicht loszuprusten. Janek hingegen schritt hinter sie und atmete flach und schnell wie ein Blasebalg.

»Argh!« Sie zog den Kopf ein und klopfte den Kommandanten mit beinahe herausfallenden Augen rein. »Jedenfalls ... ist es besser als gar nichts damit zu machen?«

»Nah. In Mervaille haben wir ohnehin nichts zum Verbrennen. Gibt es was, womit ich Euch helfen kann?« Mit Saoirses Hilfe wurde das Grauweiß wieder weiß und Nolann hob eine Braue in Janeks Richtung, der sich hinter Sera versteckte.

»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Janek möchte etwas von Euch.« Seraphina sah hinter ihren Rücken zum Jungen an ihrer Hand.

Der kleine Moragi blickte von ihr zum Kommandanten und zu Saoirse; trat schließlich zur Seite. Trauer – vielleicht gar Selbstvorwürfe – und Wut umfingen seine Züge. Dann verblieb nur noch Entschlossenheit. »Danke.«

Nolann verschränkte die Arme und drehte den Kopf zu Sera. »Danke? Fürs Helfen?«

Sie kam nicht zum Antworten. Dieses eine Wort hatte ihr die Kehle zugeschnürt und Tränen in die Augen getrieben.

Wofür bedankte sich jemand wie Janek bei Nolann?

Der Junge zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Er zeigte auf den Kommandanten, dann auf sich selbst und schüttelte seine eigenen beiden Hände. Eine Träne rann seine Wange hinab und er schluckte. »Danke«, zitterte seine Stimme.

Der Kommandant starrte den Kleinen nieder. »Druidin, sag dem Moragi, dass wir unsere Pflicht getan haben. Bedanken kann er sich, wenn das hier wirklich gut endet. Und ob wir Freunde werden, ist nicht meine Entscheidung.«

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