9. Gestern Feinde, bald schon Freunde?

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An diesem Morgen rollte ein offener Wagen auf die Stadtmauern zu. Schwer bewaffnete Soldaten ritten rings um das Fuhrwerk und Kommandant Nolann empfing den Vordersten mit einem Teil der Stadtwache. Glänzende Brustplatten und weiß-rote Waffenröcke klapperten in nahtloser Formation näher.

Sera war von der Burg geeilt und drängte sich durch die skeptische Masse zu Marika, die sich gerade von den mervaillschen Feldern zu ihr – vor Stojan und das reparierte Tor – durchkämpfte. Ein letzter Eisenbeschlag lag noch vor dem Riesen, der schon Sera vor zwei Wochen am Tor auf die freundlichste Art in Sale willkommen geheißen hatte. So, wie er mit den Zähnen mahlte, als er den Wagen und die Soldaten fixierte, sollte er gar nicht auf freiem Fuße sein.

Marika schien unbeeindruckt von dem Muskelpaket – schob sich gar vor ihn, um besser sehen zu können. »Sind sie es?«

»Ja. Hoffentlich sind sie in einer Verfassung, in der sie uns helfen können.« Sera musste nicht raten oder sich in die erste Reihe quetschen, um die kindlichen Gestalten auf der Ladefläche des Wagens kauern zu sehen. Dennoch ballte sie die Hände zu Fäusten bei der Kulisse, die sich ihr bot.

In Decken gewickelt wandten sie sich der Stadt zu: Ausgemergelt und blass – viel zu blass für Druiden. Hatten die Soldaten ihnen Blut abgenommen? Gehörte Nolann etwa zu denen, die den Lebensmarkt mit violetten Ampullen belieferten und sich dafür bezahlen ließen?

»Wo werden sie bleiben? Die Armee hat ihre Häuser bis auf die Grundmauern abgerissen.« Marika ignorierte das vibrierende Brummen hinter ihr. Warf Stojan nur einen genervten Blick zu.

Wohingegen Sera schnell von ihm wegwich. »Erst einmal bringen wir sie wie vereinbart zum Festplatz, damit wir mit dem Roden beginnen können. Danach wird der Stadtgraf auf seiner Burg für sie sorgen. Dort können wir sie schützen und überwachen.«

»Auf der Burg? Das ist das Schlimmste, was ihr ihnen antun könnt! Der verrückte Stadtgraf wird sie als Geiseln nutzen und hinrichten lassen, sobald wir geerntet haben!«

»Wird er nicht.« Sie blickte Marika in die tiefen Augen, bis die Moragi sich abwandte. Bastien wusste, was er tat.

Unter leisem Gemurmel ratterte der Wagen an der Kaserne vorbei – nun mit Kommandant Nolann in Führung und begleitet von einem deutlich jüngeren Soldaten mit der leicht gebräunten Haut eines Südmervaillers. Dann zog der Tross durchs Tor und die Hauptstraße entlang, wo Marika, Sera und viele weitere misstrauische Moragi ihm folgten.

Hinter ihnen ertönte die tiefe Stimme und Marika drehte sich zu Stojan zurück.

»Sag mal, Füchsin. Das sind fünf Druiden. Sind das alle?«

»Scheibt so ...« Ihre Hände wurden schwitzig. Verglichen mit den Dutzenden, die hier einst gelebt haben mussten, waren fünf überlebende Druiden eine wahrhaft traurige Menge.

In der rauen Sprache wandte Marika sich wieder an Stojan, der Sera daraufhin anfunkelte und ihr etwas entgegenknurrte.

»Stojan hofft für dich, dass die Mervailler wenigstens die letzten Fünf leben lassen.«

Sie spähte zum Riesen mit dem breiten Kiefer unter dem ungepflegten, braunen Vollbart und dem vor der Brust spannenden Leinenhemd. Schluckte. »Das hoffe ich auch.«

Den schmalen Weg zum Festplatz lösten sich die Pferde von den Flanken des Wagens, trotteten mit etwas Abstand hinterher und behinderten besonders Eilige, bis die Schutzformation auf dem Platz wiederhergestellt war.

Hier schwang der Südmervailler die Rückklappe herunter und blickte Nolann unsicher an. Der Kommandant nickte ihm zu und der junge Soldat in zweiter Rangordnung sprang auf die Transportfläche.

Die anderen Soldaten rührten sich jedoch nicht. Wie Marmorstatuen standen sie ums Fuhrwerk, dass Nolann sie zur Seite schieben musste, um die Rückseite zu erreichen. Er bot den bleichen Druiden seine verstümmelte Hand zur Stütze an und half ihnen auf den Boden, wo sie den Feldern entgegentaumelten.

»Bewegung, ihr Mondmeider!«, brüllte Nolann seine Leute mit einer Druidin im Arm an.

Sera zuckte bei seinem Ton zusammen. Der Kommandant klang immer streng, aber nie beleidigend. Die Soldaten behandelte er sonst doch immer wie Freunde und nicht wie Untergebene.

Der dritte Druide lehnte Nolanns Hilfe mit eingefallenem Lächeln ab und sprang selbst von der Ladefläche. Wie eine Bleikugel schlug er auf alle Viere und stemmte sich hoch. Er dankte dem jungen wie dem alten Soldaten auf Mervaillsch und schwankte zwischen den Fußsoldaten zu den Moragi. Der Druide hob seine viel zu schmale Hand, sagte ein paar optimistisch klingende Worte und sah jedem einzeln ins Gesicht.

In seinen Augen schmolz warmer Karamell: Voll Verständnis und Lebensweisheit. Voll Trauer und Reue.

Auf Seraphina ruhte sein Blick eine Sekunde länger. Der Druide sah von ihrer Fuchsbrosche zu ihrem Gesicht, lächelte mit zitternden Mundwinkeln und glasigen Augen. Und doch hatte seine Präsenz etwas Beruhigendes.

Indes waren die Moragi wie Marika: Sprühten Eis in Richtung der Druiden. In Richtung des einen, dessen Schmunzeln in sein leeres Gesicht schnitt.

Bis er sich umdrehte und mit kleinen, schweren Schritten über die Holzplanken des Grabens unter den Ähren verschwand.

»Verräter. Zumindest hilft er, dieses hässliche Grün loszuwerden.« Marika stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte von oben auf den Rücken des Druiden herab.

Die Ruhe in Sera erstarb. Wurde verdrängt von ihren Fingern um die kühle Fuchsbrosche. »Das ist der Druide, der die Kapitulation der Stadt veranlasst hat?«

Marika brummte bestätigend.

Die letzte der kindsgroßen Gestalten schlich zwischen die unreifen Halme, dass Köpfe über den grünen Ähren schwebten.

Die ultimative, unwillige Kriegswaffe holte zum Gegenschlag aus: Zur todbringenden Gabe.

Sera hatte Quentin nie auf einem Feld arbeiten sehen. Der Druide nutzte seine Gabe vorzugsweise bei seinen Patienten – für Seraphina manchmal, um die Rosensträucher und den Kirschbaum ihrer Mutter schon im Frühling erblühen zu lassen.

Oder als letzte rechtsprechende Instanz, wann immer das Licht der Sonne gerade schlief.

Sie hätte sich irren können, doch eine bittere, warme Brise wehte über die Felder und strich Sera eine Gänsehaut über die Arme. Das Wispern Ähren im Wind wandelte sich und ihre Köpfe sanken.

Die Druiden traten wieder aus den Feldern, während die Ähren weiter zusammenfielen. Ihre Haut die Farbe von Eichenholz.

Krähengeweihten Bauernopfern gleich erstarrten die Mervailler.

Die Weizenhalme schrumpelten wie nasses Papier.

Sera kroch das Prickeln das Rückgrat empor bis in den Nacken.

Der Weizen brach wie abgemähtes Gras zu Boden. Verlor sekündlich an Volumen.

Mit nachtschwarzen Augen fokussierte Marika das sterbende Getreide.

Die Halme entlang verblasste das letzte Grün – wurde braun, wurde dunkel wie die schwarzen Körner.

Der Druide mit dem verlogenen Lächeln und den traurigen Augen stand mit dem Rücken zu ihnen und blickte zum flachen Weizen.

Wie totes und verdorrtes Gras lag es da – als Opfer der Gabe über das Leben.

Die Natur der Druiden: Die Sonne mochte rechtsprechen, doch das Kleine Volk war der Henker.

Sie allein entschieden, wer lebte und wer starb.

~✧~

Das Feuer in der Senke des Festplatzes brannte haushoch am Abend der sternenklaren Silbermondnacht.

Seraphina ging zum Feuer und warf ein weiteres Bündel schlaffes Getreide auf den riesigen Haufen. Hitze und Rauch brannten in ihrer Lunge – das grelle Licht hatte sie bereits gedämpft. Klangvoll knisterten die kleinen Halme und glommen auf. Funken stoben wie orange Leuchtkäfer zu ihren mittsommernächtlichen Balztänzen auf. Eine atemberaubende Kulisse für ein Gemälde.

Wenn das Mähen und Pflügen abgeschlossen – das folgende Fest beendet war, sollte sie ihrem Skizzenblock wieder mehr Zeit widmen. Dann konnte sie auch endlich nach dem besten Winkel für die Kohlezeichnung der Burg suchen, die über Sale thronte wie der Sonnentempel über Cor Sole.

Wenn sie hier fertig waren.

Sie seufzte und blickte auf ihre zitternden Arme und Hände. Marika hatte es zwar geschafft, zwei Dutzend Moragi für sich zu gewinnen, aber abgesehen von Stojan fehlte es allen an Kraft und Ausdauer, lange zu sensen.

Über ihren Köpfen schien das sanfte Licht ihrer Mutter. So stolz Marika und die anderen Moragi auch waren: Das hier schafften sie nicht allein. Sollte sie Nolann einfach bitten, ihnen Unterstützung zu schicken? Er hatte mehr fähige Männer als seine eigenen Felder gerade benötigten. Er könnte helfen.

Und sie missachtete ihr Versprechen Marika gegenüber.

Sie schüttelte den Kopf. Nein, das war keine Lösung. Das Gesuch musste von den Moragi kommen, wenn sie das bisschen Vertrauen nicht verlieren wollte, dass sie sich erarbeitet hatte.

»Hey, Füchsin«, rief eine heisere Stimme.

Sera drehte sich um und die Ruhe kehrte zurück.

Der Druide, dem keiner ins Gesicht blickte, doch der als Einziger der fünf geblieben war. Nun saß er im Gras am Rande des Platzes und löffelte grauen Brei aus einer Schale. »Kann ich dir helfen? Brauchst du etwas?«

Ringe fraßen sich unter seine Augen, aber er schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein. Mir geht es gut.«

Lüge.

»Bedeutsamer ist, dass Marika den Weizen nicht allein sensen kann, ehe sie verhungert. Wollen die mervaillschen Soldaten nicht helfen oder hat sie ausgeschlagen?« Trotz des trockenen Tons klang Melodie aus Speranx mit den aufgeweichten Konsonanten am Ende jedes Wortes heraus.

Sie rieb sich den kalten Schweiß und die Weizenhalme von ihren Händen. »Marika hat abgelehnt.«

»Sag mir, Füchsin: Wo sind Lewian und Janek?« Seine Haltung erinnerte an einen geduldigen Lehrmeister – nicht an einen naturnahen Nomaden. Sein schmales Gesicht an einen weitgereisten Mann – nicht an ein ewiges Kind. Rührte daher das Gefühl, ihm vertrauen zu können?

»Nenn mich Jeanne.« Seraphina fiel neben dem Druiden auf den Boden und streckte die bleiernen Beine mit einem Ächzen von sich. »Ich bin keinem Lewian begegnet, aber Janek ist jetzt in Marikas Fürsorge.«

Er zog die dünnen Augenbrauen zusammen. »Lewian ist Marikas Sohn. Was ist mit ihm passiert?«

Sie stockte.

Alistair wusste es nicht.

Wie auch, wenn er gefangen war? »Marikas Sohn ist bei den Krähen. Sie haben ihn vom Strick erlöst.« Lewian. Die Last eines toten Kindes wog so schwer auf ihren Schultern, dass sie nachgab, ihre Knie anwinkelte und klein machte. Aber wenigstens kannte sie jetzt seinen Namen.

»Verstehe.« Er stellte die Schale vor sich ins Gras und verschränkte die Finger ineinander, dass seine Nägel erblassten. »Das erklärt ihr Verhalten. Danke.«

Eine Weile saßen sie schweigend beisammen und der Druide starrte ins Feuer. Scherte sich nicht um das zerzauste, mahagonibraune Haar in seinem kurzen Halbzopf.

»Rede bitte mit dem Kommandanten, damit wir Unterstützung erhalten, Jeanne. Ich versuche unterdessen, die anderen durch Ctirad zu überzeugen. Für diese Aufgabe müssen wir zusammenarbeiten, wenn wir leben wollen.«

Sie krallte die Fingernägel in den rauen Stoff ihres Kleids. Als ob sie das nicht schon versucht hätte. »Marika wird das nicht akzeptieren.«

»Marika schützt das Leben.« Seine Karamellaugen suchten die Moragi, die mit der Sense über die Felder stolperte.

»Ich frage Nolann auf dem Rückweg.« Ob ein verhasster Druide am Ende besser zu den Moragi durchdrang, würde sich zeigen.

»Danke.« Er lächelte müde. »Mein Name ist übrigens Alistair.«

~✧~

Sera hatte Hunger.

Ein Gefühl, das sich wie Gift durch ihren Körper fraß und sie an die Rebellion vor erinnerte.

Doch so sehr sie sich nach dem Gegenmittel sehnte, stand essen auch nicht zur Debatte.

Männer und Frauen – selbst einige Kinder – mähten und sammelten den Weizen tapfer weiter.

Heute Abend würden sie die ersten beiden Felder gemäht haben. Fehlten noch drei weitere, das anschließende Pflügen, die Reifung, Ernte und Verarbeitung.

Das Hungergift zischte ihr wieder durch die Adern und sie schüttelte sich. Wie damals, als sie sich von Hunger zermürbt im Unterholz versteckt hielt, während Johanna ihre letzte Schlacht focht – und ihr Vater vor Sera vom Pferd gestiegen war.

Sie biss die Zähne zusammen und nahm den nächsten Haufen stechender Halme auf. Mit ihrem derzeitigen Tempo brauchten sie noch zwei Wochen, ehe sie essbare Lebensmittel hatten. Ganz zu schweigen, dass die Kraft sie jeden Tag mehr verließ.

Auch Janek sammelte einige Ähren, dass er einen Weizenstrauß in der Hand hielt. Er begutachtete sein Ergebnis kritisch, bevor er noch eine Handvoll Weizen aufhob.

Sera wartete, bis der Junge aufstand und ihr nachtrottete. Dass Marika ihn überhaupt aus dem Haus ließ. Laut ihr war es zwar Janek, der mithelfen wollte, aber ihr oblag die Verantwortung für ihn. In diesem Fall eindeutig Bettruhe, solange er noch torkelte.

So, wie sich hier bald alle fühlten.

Ihre eigenen Beine schwächelten nach der langen Arbeit des gestrigen wie heutigen Tages ohne Pausen und Mahlzeit. Ihre Konzentration versagte dann und wann.

Auf das Frühstück zu verzichten, war eine dumme Idee.

Zumindest eines hatte genug Nahrung. Das Feuer.

Gierig verschlang es, was Sera ihm darbot und demonstrierte sogleich seine Überlegenheit: Dass es Sera genauso einfach würde verschlucken können – so es denn wollte.

Janek warf seinen Strauß mit einer kraftlosen Bewegung auf den brennenden Haufen und sah den Flammen bei ihrem Mahl zu.

Besser war das. Jemand wie er sollte nicht über die Felder laufen und das bisschen Energie, das er zurückerlangt hatte, gleich wieder verbrauchen.

»Jeanne?« Mit knochigem Finger zeigte der Elfjährige auf die Straße vom Wald nach Sale. Wenigstens war die kranke Blässe einem zarten Rosa gewichen und die kahlen Stellen am Hinterkopf wieder behaart.

»Hm?« Benommen starrte sie in die Ferne. Was immer sie erblickte, ihr Kopf verarbeitete die Bilder nicht mehr. Und als sie ihre Gabe nutzte, verkrampfte ihr Magen zu einem dicken Knoten.

Sera zischte auf, aber sie sah:

Zwei Pferde zogen einen Wagen auf das Haupttor Sales zu. Drei Personen begleiteten das Fuhrwerk. Eine von ihnen mit zusammengebundenen, blutroten Haaren. Auf der Ladefläche hielt ein heruntergekommener, junger Mann mit strohblonden Haaren die Zügel der Pferde. Neben ihm hockte ein dunkelhäutiges Kind mit ärmelloser, grüner Bluse und Borstenzöpfen am Hinterkopf.

Lucius, Tjelvar und Saoirse! Hoffentlich nicht nur mit Saatgut, sondern auch mit unverzüglich essbaren Dingen.

Ihr Magen knurrte ebenso betend.

»Danke«, sagte Seraphina auf Moragi und tätschelte Janeks Schulter.

Seine olivbraunen Augen wurden groß und er lächelte. Sodann schlich er wieder über die Holzplanke zum Feld.

Sie stakste ihm nach. Bald bekamen sie Unterstützung von Nolann und seinem Bataillon – wenn ihr Bruder vielversprechendes Saatgut mitbrachte.

Sera schulterte ein weiteres Büschel Weizen und folgte Janek den Weg zurück.

Ob Alistair Ctirad überreden konnte? Die Moragi schienen den Druiden innig zu hassen.

Alistair – wie der letzte Besitzer ihres Handbuches. Er hatte die Zusammenarbeit sofort gepredigt, also war es wahrscheinlich seines. Ein Druide, der in mehr als Heilkunde und Pflanzen bewandert war. Ein seltenes Gut.

Hitze stach in ihren Brustkorb. Rauch brannte in ihren Augen und ihrer Kehle. Hunger zitterte in ihren Fingern. Dabei hatte sie von allen Anwesenden am längsten gut gegessen.

In einiger Entfernung schnaufte ein Pferd, klapperte Holz und stapften Stiefel durch den lauen Abend. Kommandant Nolann brachte ein Dutzend Männer und Gerät mit sich, begleitet von ihren drei Hoffnungsträgern.

Hoffnung. Sie lächelte.

Mervaillsche Soldaten – gar einen Kommandanten – friedlich neben einer Druidin zu sehen, konnte nur Hoffnung verheißen.

»Guten Abend, Füchsin Jeanne. Der Silbermond schätzt Eure Mühen, wie ich sehe«, begrüßte Nolann sie mit einer Verbeugung. »Meine Unterstützung wie abgemacht.«

»Féileacán!« Saoirse winkte ihr entgegen und Lucius hinter ihr nickte distanziert.

Seraphina faltete die Hände und schloss die Augen. Ihre Welt drehte sich. »Dieser Silbermond gilt auch Euch, Kommandant. Vielen Dank für Eure Hilfe.«

Nolann zwinkerte ihr zu, dass seine Narben spannten und trieb das Pferd mit dem Gerätewagen wieder an.

»Dann hilfst sogar du mit, was?« Lucius sprang aus dem Wagen und landete sicher wie ein Akrobat vor ihr.

»Soll ich zusehen, wie diese Leute auch meinetwegen so hart arbeiten?«

»Machst du das zu Hause auch?« Er grinste.

Sie sah ihn gleichgültig an. Für alles Weitere fehlte ihr die Kraft.

Lucius zuckte zurück und starrte zu Saoirse auf der Seitenwand des Wagens und mit wippenden Füßen.

»Hab 'n Geschenk für dich. Dachte, du würdest dich freuen.« Ihr Bruder stemmte sich neben die Druidin und angelte einen Beutel hervor. Aus der Übung – doch korrekt – verbeugte er sich vor seiner Schwester und reichte ihn ihr. »Für meine Teuerste.«

Essen?

Ihr lief der Speichel im Mund zusammen und Seraphina kratzte ihre letzte Energie zusammen, der Etikette gemäß Haltung und das Bündel anzunehmen. »Mein Dank sei Euch gewiss.« Ihr Schmunzeln war beileibe mehr als Funzeln.

Der Beutel war schwerer als er aussah. Hoffentlich etwas Essbares!

Ein Apfel, eine Birne und eine Holzschachtel begrüßten sie. Eine Mahlzeit! Doch Sera zog an den Bändern, um den Beutel wieder zu schließen.

Sie sah zu Lucius und Saoirse. 

Verständnislos blickten sie zurück.

»Mein Frühstück ist angekommen!« Sera warf sich ihrem Bruder um den Hals.

Lucius lachte, Saoirse kicherte. »Wir dachten uns schon, dass ihr hungrig seid. Darum haben wir Nolann auch gebeten, eure Rationen gleich mitzubringen.« Die Druidin deutete hinter sich auf die Ladefläche und sprang ebenfalls herunter.

»Aber das da« – Lucius klopfte gegen die Schachtel – »haben wir noch vom Kloster. Saoirse hat drauf bestanden, dir original druidische Küche zu zeigen.«

Saoirse stellte sich auf die Zehenspitzen und summte mit diesem kindlichen Lächeln im runden Gesicht.

Sera würde ohnehin alles essen, so hungrig wie sie war! Rauer Zwirn umwickelte die rechteckige Kiste und bildete einen Knoten, wie er ihr nie zuvor begegnet war. Musste sie dieses Ende –?

»Nein, nein! Doch nicht so!« Saoirse riss ihr die Kiste aus der Hand. »Ich zeig's dir: Du musst an dem Band ziehen und dann das andere Ende aus der Schlaufe nehmen und dann musst du an beiden Bändern ziehen.«

»Du betreibst so viel Aufwand für einen Knoten?« Der löste sich wie von selbst, nachdem sie das ausschlaggebende Ende befreit hatte. Wie konnte man ein so robustes Geflecht mit nur einer Handbewegung so auflockern? »Den musst du mir beizeiten beibringen, Saoirse.«

Im Innern lagen grüne Felderbsen, hellgelbe Pinselgraskörner, Viertel von offenbar größeren, weißen Kugeln und rote Beeren.

»Was ist das?« Ihr Magen sank zu ihren Innereien. War das wirklich essbar?

»Regionale Spezialitäten, wie's sie hier bald öfter geben wird. Hast du schon mal Esskastanien und Kirschbeeren gegessen? Ergänzen sich geschmacklich hervorragend«, plauderte Saoirse und beschrieb die einzelnen Schritte ihres Rezeptes.

Bunt kochen konnte die Druidin zumindest. Mit zittrigen Fingern nahm Sera den Löffel aus dem Beutel. Eigentlich war ihr ja egal, ob dieser Regenbogen auch schmeckte ...

Vier große Augen blickten sie erwartungsvoll an. »Und?«

»Schmeckt nach Sand.« Marikas Pinselgras hingegen war auf der Zunge zergangen.

»So, wie's sein muss! Pinselgras hat ein ganz besonderes Aroma, wenn's nicht mehr roh, aber auch noch nicht ganz gar ist.«

»Durchgekocht wäre mir lieber als sandig«, sagte Sera zwischen ihrem Löffeln. »Abgesehen davon schmeckt es aber köstlich. Nussig, süß und etwas saftig.«

»Wenn ich's gekocht hätte, wär's weich gewesen«, lachte Lucius und dirigierte Sera an den Wegesrand.

Saoirse stieß ihn in die Seite. »Wenn du gekocht hättest, hätte sich das Pinselgras aufgelöst und die Kastanien wär'n Matsch!«

»Warum setzen wir uns nicht zu den anderen? Tjelvar ist bestimmt neugierig, wie die Dinge aktuell laufen.« Und im Sitzen aß sie lieber als im Stehen.

»Äh ... Eine Sache vorweg.« Lucius' Heiterkeit verflog und er flüsterte weiter. »Solltest wissen, dass Lucien jetzt mein Name ist. Weißt ja: Lucius ist gestorben und so. Wär' schön, wenn du mich auch so nennst.«

Sie senkte den Löffel und betrachtete ihr Spiegelbild. Lucius war gestorben. Wie Johanna. Lucien hatte überlebt. Jeanne war ihr geblieben.

Seraphina nickte. Ihr Bruder gehörte nicht länger nach Lumista. Er hatte seiner Herkunft entsagen können. »Nun denn: Wollen wir uns zu den anderen setzen, Lucien?«

Er stellte sich aufrecht hin und reichte ihr seine Hand, verschränkte die andere hinter dem Rücken. »So Ihr wünscht, Füchsin.«

»Das tue ich wohl, mein Herr.« Lucius – Lucien hatte sich trotzdem nicht verändert. Er war ihr Bruder, der immer ihren Prinzen gespielt hatte.

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Und weil Saoirse ihre Landessprache so liebt (ich übrigens auch), hat sie gleich den nächsten Spitznamen in petto.

Féileacán wird – nach den Regeln, die wir letztes Mal schon gelernt haben – in etwa »Felecan« ausgesprochen. Die Betonung hier liegt auf der ersten und letzten Silbe.

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