24. Weise Worte aus der Heimat

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

»Wie läuft eure Mission? Die Kommunikatoren aus Cadeau und Elk berichten von blutigen Auseinandersetzungen, fehlender Kontrolle über die eroberten Gebiete und brennenden Druiden.«

Das Glas gab nicht nach – so sehr sie es auch anstarrte. »In unserem Einflussbereich hat der Widerstand kapituliert und unsere Druiden brennen auch nicht. Wir haben eine friedliche Lösung für Druiden und Mervailler gefunden, die nicht zu den Krähen führt.«

Er seufzte. »Gut. Dann lerne weiter aus deiner Mission für deine eigene Zukunft.« Nicht die geringste Spur von Reue oder Einsicht! Waren ihm ihre Worte so egal?

»Ich habe einen Mondpriester getroffen, der Philippes Propaganda ignoriert. Ich habe einen Druiden kennengelernt, der die yulthsche Blütezeit bewahrt. Ich habe einen Menschen wiedergefunden, dessen Leiche ich habe brennen sehen.« Der Rosengarten und das Meer hinter den Fenstern offenbarten sich nicht. »Warum hast du Lucius fortgeschickt, ohne mir ein Wort zu sagen?«

Stille.

Diese Runde ging an sie.

»Er lebt also noch? Es überrascht mich, dass es ihn nach Morag verschlagen hat.« Nichts! Absolut gar nichts! Hatte er seine Seele an die Schwarze Katze verkauft?

»Marschall Cleitus hat ihn zum Verhungern im Wald ausgesetzt und du scherst dich einen Dreck um deine Familie?« Ihre verspannten Muskeln zogen sich gegen die Kälte zusammen. Ihre abgebrochenen Nägel stachen wie Nadeln durch den Stoff in ihre Knie. »Hat Mutter dir nicht ausgereicht?«

»Das reicht, Seraphina!« Jetzt hatte sie ihre Reaktion. Jetzt grollte seine Stimme durch ihren Kopf, dass ihr Körper erzitterte.

Der Rosengarten mit seinem Pavillon und dem Kirschbaum ihrer Mutter blieb verborgen. Sie sah ihn nicht mehr.

»Ich gehe nicht zurück nach Hause.« Selbst wenn sie einen Weg hier heraus fand – alles war besser als ein Schicksal in Stein gemeißelt.

»Das glaube ich dir. Aber niemand wird dich davon abhalten, dir deinen eigenen Himmel zu malen. Die Ratsherren sind die einzigen Staatsoberhäupter, die von überall aus mitregieren können.«

Sie lachte. Erst, wenn sie jeden Stern in Lumista persönlich getroffen hatte. Im Augenblick sah sie ja nicht einmal die echten Sterne zur Gänze.

»Wo bist du gerade?« War das Sorge in seiner Stimme? Nein, bestimmt nicht.

In einer Zelle aus Stein, zum Wachbleiben verdonnert, hungernd und durstend und sich trotzdem noch eine Predigt anhörend. Was dachte er denn? Wann war denn jemals einer ihrer Versuche, selbst zu entscheiden, gut ausgegangen?

»Bist du allein oder sind weitere Insassen bei dir?«

»Ein delegitimierter Teufel, die Füchsin von Xandria und die Ausgeburt der Nacht sind bei mir!« Warum sich bemühen? Bei ihrem Glück brachte sie alle anwesenden Mervailler und die Gefangenen um, wenn sie auszubrechen versuchte.

Hinter dem Glas hofierte Lucius für Fina und gemeinsam tanzten sie unterm Pavillon. Eine blaue Sternenrose schimmerte in ihrem geflochtenen Haar; hinterließ goldene Pollen, während sich das Mädchen vor dem Glitzern des Meeres drehte. Die Welt damals war perfekt. Ihre Hand streckte wie die ihrer Illusion vor, aber beide griffen ins Leere.

Fina und Lucius, wie sie beide sorglos lachten, verschwanden. Es gab sie nicht mehr. Ihr Märchenprinz war genauso gestorben wie seine Märchenprinzessin. An seiner Stelle stand heimatlose Stärke, an ihrer überbehütete Schwäche.

»Warum muss jeder zukünftige Ratsherr eine Vorerbezeit außerhalb von Cor Sole abschließen?«, fragte ihr Vater ruhig – ja schon sanft.

Um der Regierung den Krieg zu erklären. »Um unser Land und die Leute kennenzulernen und Qualitäten außerhalb der Hauptstadtmauern zu erlernen.«

Stattdessen pflasterten roséfarbene Steine den weiten Platz vor Sera. Die Sonnenwache in ihren goldenen Plattenrüstungen mit eingravierter Sonne auf der Brust säumten jede Zugangsstraße und patrouillierten zwischen den Bürgern Cor Soles.

»Gut auswendig gelernt. Von welcher Qualität reden wir zuallererst?«

Wurde das jetzt ein Frage-Antwort-Spiel? Die Lehrbücher definierten die Qualitäten nie näher, weil sie selbsterklärend waren: Weisheit, Empathie, Volksnähe, Kultur und Führungsstärke.

»Weit verfehlt. Wir reden von der Qualität, die du nur lernen kannst, wenn du scheiterst: Voraussicht. Dass dein Handeln dich in eine Zelle führt, hättest du ahnen können. Warum hast du für einen solchen Fall keine Vorkehrungen getroffen?«

Der Krähenmeister mit seinem Beil erklomm die Stufen aufs Podest und blickte sie an. Er verbeugte sich. Kniete nieder zum Gebet an den Tod. Wartete dann auf seinem Hocker.

»Warum ist der Mond zerbrochen?«

»Erinnerst du dich noch an Johanna?«

Wie sie vom offenen Wagen durch die Menge zum Krähenblock geführt wurde?

»Sie hat die Sonnenwache herausgefordert, weil du ihr die Schwächen im Militär verraten hast. Hättest du die Konsequenzen deines Handelns – deiner Worte – bedacht, hätten wir Johannas Truppen kampflos aufreiben können.«

»Jetzt ist ihr Tod meine Schuld? Lass mich raten: Die Sonne geht unter, weil ich auswärts studiere!«

Wie ihre ausdruckslosen Augen sie angestarrt hatten ...

»Hättest du ihr zugehört, hättest du wissen können, dass Johanna einen Putsch plante. Hättest du gesehen, wovon du dich lieber abgewendet hast, wären dir ihre Spuren der Zerstörung aufgefallen. Und wenn du sie mit all dem konfrontiert hättest, hättest du ihren Hass auf den Sonnentempel gespürt. Stattdessen hast du anderen die Konsequenzen aufgebürdet!«

Hatte sie nicht! Sie hatte zugehört und hingesehen – hatte mit Johanna geredet. Sie wusste, dass sie Lumistas letzte Adelslinie abschaffen und das Privileg des Ratsherrn beenden wollte!

Wie der Krähenmeister ihren Kopf aufhob ...

»Seraphina Emilia Louise Aureum!«

Sie zuckte zusammen und presste die Zähne aufeinander, während Tränen ihre Wangen hinunterliefen.

Wie die Fenster wieder blind waren ...

»Es gibt einen Grund, warum der Ratsherr seit dreihundert Jahren mit an der Spitze unseres Landes steht. Sol Aureum hat das Rätesystem erschaffen und seine Nachfahren zum Stützpfeiler unserer Gesellschaft ernannt.« Er war die Verkörperung von Lumistas Staatssystem; donnerte wie der ungebrochene Anführer seinen ewig treuen Anhängern zu. »Mit mir wird unsere Blutlinie nicht enden und auch mit dir nicht, solange ich noch herrsche. Hast du das verstanden?«

»Ja.«

»Gut. Dann such dir einen Weg aus deinem Gefängnis – und wenn du dem anderen Seher dafür seinen Platz in der Welt zeigen musst! Die Sonne strahlt heller als jeder Stern. Sie sieht alles, hört alles und richtet über alles. Beweise es ihnen allen und plane mit den Konsequenzen deines Handelns. Deine Sonne geht auf!«

Sie starrte nur aufs Glas. Ihre Sonne war sogar noch blinder.

Wie ihr Vater wohl inzwischen aussah? Waren seine Augen noch immer so kalt wie seine Stimme? Seraphina hielt den Blick gesenkt, bis die Täuschung verzerrte und verblasste.

Sie war zurück in ihrer Steinzelle.

~✧~

Schlaf. Warum konnte sie ihre Gabe nicht auch im Schlaf nutzen?

Durst. Mittlerweile brauchte sie nicht einmal mehr schlucken.

Es reichte. Sie gab auf.

Ihre gefrorenen Fingerknöchel klopften gegen die Tür. »Ich nenne eurem Aufseher die Namen, die ich weiß.«

Stille.

Gemurmel.

Schaben.

Klimpern.

Licht.

»Hände her.«

Irrte sie sich, oder mussten sie das Seil dieses Mal enger schnüren?

Das andere Ende des Gangs.

Ihre stolpernden Beine.

Das Brechen von Stein.

Abendlicht.

Holzmauern auf beiden Seiten.

Ein Wachhaus. Ein Stall. Gepflegte Baracken.

Ein Steingebäude. Treppen.

Wieder dieser leere Raum mit dem Stuhl und dem Tisch.

Wieder dieser Mann, der nur äußerlich ein Mensch war. »Willkommen zurück, du, der nicht Maksym heißt.« Er lächelte, legte einen Notizblock auf den Tisch und schwenkte einen Becher in seinen Händen.

So süß, dass ihr Mund noch weiter austrocknete.

»Ich mache dir einen Vorschlag.« Arnault hob den Tonkrug neben sich. Er gluckste verheißungsvoll. »Ich teile mit dir, was ich habe und du teilst mit mir, was du hast. Wie klingt das?«

Falsch. »Iskra«, krächzte sie. Wasser hätte schon ausgereicht.

Arnault hob die Brauen und trank.

Sera räusperte sich, aber ihre Stimme brach trotzdem. »Sie wollte damals unser Gegenmittel verbrennen. Stojan hat ihr und vier anderen die rechte Hand zertrümmert und sie weggejagt. Aber Iskra kam wieder. Sie will Rache. Sie sagte, sie lässt meine Schwester frei, wenn ich für sie spioniere. Hat sie als Geisel genommen, damit ein Mervailler für sie arbeitet.«

Er packte den Becher mit beiden Händen und strich über den Ton. Seine Lippen formten einen schmalen Strich. »Wie heißt du und woher kommst du? Und dieses Mal will ich die Wahrheit hören.«

»Wasser. Wir hatten eine Abmachung.«

»Na, na.« Arnault nahm einen weiteren Schluck. Ein Tropfen rann seinen Bart hinunter. »Wenn ich zufrieden bin, bekommst du was.«

Ihr Mundwinkel zuckte. Arschloch. »Louis. Nördliche Bernsteinküste. Mein Vater war Holzhandwerker, bis das Holz ausgegangen ist. Ich erschließe mir hier einen neuen Markt. Maksym ist mein Pseudonym.«

Er musterte sie, als müsste sie sich ›zukünftiger Holzhändler‹ auf die Stirn schreiben, damit er ihr glaubte. Dann erhielt er wenigstens eine Geschichte, die er nicht erwartet hatte. »Mir ist nicht bekannt, dass ein Landsmann sich Sales Holz gesichert hätte.«

»Noch nicht, aber die Nachfrage ist groß. Wer zuerst kommt, schleift zuerst. Ich werde ein Holzmonopol ohnegleichen aufbauen, du siehst schon. Jetzt das Wasser.«

Überzeugung sah anders aus. Dennoch goss er den gesüßten Tee in den zweiten Becher und reichte ihn ihr. »Nun, zumindest eine originelle Geschichte. Wir werden sehen, wie viel Wahres dran ist.«

Sie trank. Wie es brannte! Als ob der Tee ihre papiertrockene Kehle aufriss. Trotzdem leerte sie den Becher in einem Zug. Sera hielt ihm das Gefäß hin. Ob er ihr so einfach nachgoss?

Arnault nahm ihn entgegen und stellte ihn neben sich. »Diese Iskra: Wo finden wir sie, wie viele Verbündete hat sie und wie gut sind sie ausgerüstet?«

Viele Fragen. Viele Gelegenheiten, weiterzutrinken. »Wo sie ist, weiß ich nicht. Sie haben meine Schwester mitgenommen, als ich außer Haus war und mir eine Botschaft mit ihrer Haarsträhne hinterlassen. In der Stadt sagen sie, dass mehrere Dutzend nach dem Giftanschlag mit Iskra gegangen sind.« Hätte das Reden nicht angenehmer werden sollen, nachdem sie getrunken hatte? »Ihre Ausrüstung kenne ich nicht. Vermutlich vor allem gestohlene Mervaillsche – und angeblich auch Gabenschlaf.«

Das Gesicht ihres Gegenübers versteinerte. In feinen Lettern schrieb Arnault ein paar Notizen nieder, während Sera seine Gedanken fast hörte: Er hatte ein riesiges Problem. Ein Angriff aufs Arbeitslager war nie unwahrscheinlich und die steile Felskante war der Schwachpunkt des Lagers.

Aber er gab ihr weitere Becher. Mit jedem langen Zug verebbte das Brennen mehr. Wie sie wohl wirkte, dass sie ohne jede Skepsis trank, was er ihr anbot? Sicher nicht standesgemäß.

»Unterm Mond stand sie da, reckte die Arme empor zur Sonn' der Nacht und teilte den Schmerz seiner Zersplitt'rung ...«

Sie verzog fragend das Gesicht.

Ach, ein Vers aus dem Lunarium! »... denn der seine ward zu ihrem, so sie auf Nächtens Hügel ein Kind ohn' Vater gebar. Die Haut blass gleich Schnee, das Haar schimmernd vor Mondes Weisheit und die Augen klagend vom Eltern' Leid. Bald schon wandelte das Kind auf Erden, bracht' den Sterblichen des Vaters Segen und wachte über die Welt, währ'nd der Mondgott schlief. Sein Nam' ward Michel, Heil'ger von Blutes Recht, König der endlos Felder von Klugheits Recht.«

Arnault nickte. Jeder Mervailler kannte zumindest diese Verse mehr oder minder wortgetreu auswendig. »Dann zum letzten Punkt: Deiner Person.«

Seraphina schwieg. Sie hatte noch ein Rätsel zu lösen, für das sie zurück in die Steinzelle musste. Allein zu fliehen, barg ein zu großes Risiko, zu scheitern.

~✧~

»Was sind Moirai?«, fragte sie Hakim. Wenn er Informationen hatte, die ihr helfen konnten, musste Sera sie sich zumindest anhören.

»Jeanne. Sie sind die Hüter allen Wissens. Sie sehen, hören und wissen alles, was Wesen mit einem Bewusstsein auch wahrnehmen oder denken, und kanalisieren es in der Halle der Weber. Gelegentlich haben sie ihre Macht auch mit einzelnen Auserwählten geteilt – in deinem Fall sehen und hören. Hast du dich jetzt doch dazu entschieden, von hier zu verschwinden?«

Seras Magen verkrampfte immer noch bei dem Gedanken, mit diesem Teufel zu fliehen. »Zumindest habe ich nicht vor, hier länger herumzusitzen. Warum hast du dich von den Mervaillern gefangen nehmen lassen, wenn der Fluss direkt neben der Stadt fließt?«

»Weil nicht der Fluss das Problem ist, sondern ihr.« Der Wasserteufel legte den Kopf schief und Strähnen seiner dunkelbraunen Haare fielen zur Seite. Faustdicke, ebenso dunkle Stümpfe geriffelter Hörner traten hervor. »Ein Versprechen garantiert deinesgleichen, dass kein Elf euch verletzen oder töten kann – solange er nicht selbst sterben will. Darum brauchen wir einander.«

»Das heißt, wir können diesen Ort ohne Opfer jedweder Art verlassen?« Ihre Stirn lag in Falten. Ein so mächtiger Teufel mit so weitreichenden Einschränkungen?

»Von meiner Seite aus, ja.«

»Gut.« Hakim konnte nicht zu einer Degun umspannenden Gefahr werden. Seraphina faltete die Hände vor dem Gesicht und atmete tief durch. »Dann sag mir, wie ich mehr Energie kanalisieren kann. Die Sonne ist zu weit entfernt, um sie zu nutzen und das Licht, das uns erreicht, macht mich weiß der Mondgott nicht mächtiger.«

»Du denkst viel zu kompliziert: Gaben sind Geschenke, die wir frühestens mit der Geburt erhalten und spätestens mit dem Tod abgeben. Wir können sie aber auch später erhalten oder früher wieder verlieren. Du wirst letzteres tun und mit deiner neugewonnenen Macht die Wachen erblinden, ertauben und verstummen lassen. So kann ich uns rausholen.«

Sera sackte auf die Knie. »Ich soll was tun?«

~✧~

Das Zielobjekt anvisieren, den Fokus setzen und sich auf die Zielenergie konzentrieren. Sie aus ihrem Opfer heraussaugen und in den eigenen Energiekreislauf einleiten. Die Theorie klang simpel.

Die Praxis ließ Seraphina erschaudern. 

Was sie hier tat, gefährdete die wenige noch verbliebene Reputation aller Seher, sollte diese Möglichkeit publik werden!

Sie hielt ihre Gabe aktiv, um ihre Haare und Augen zu verbergen, Hakim zu sehen und nach den Zirkulationspunkten seiner Licht- und Klangenergien zu suchen. Kinetikenergie, wie er sie kontrollierte, befand sich laut ihm vor allem im Blut und verlieh ihm das charakteristische Rot. Aber für Sera gab es bei seinem Herzen nichts zu greifen.

Selbst ihre Vermutung, auf Höhe seines Gesichtes zu suchen, belegte sie erst Stunden später. Sie sollte etwas suchen, dass sie nicht sah – nicht hörte, nicht fühlte, nicht roch, nicht schmeckte.

Vielleicht konnte man es ihren sechsten Sinn nennen. Den Sinn, mit dem sie andere Seher in der Nähe wahrnahm.

Und jetzt musste sie mit ihrer Gabe nach der Energie suchen, die sie immer aus Lichtquellen entwendete – an einem Ort, an dem es alles außer Licht gab. Dass Hakim meinte, es würde einfacher, sobald sie über mehr Energie verfügte, half ihr nicht im Mindesten.

Sie suchte einen Schlüssel, den sie nur finden konnte, wenn sie ihn bereits besaß und den sie umso schneller fand, je mehr davon sie in der Hand hielt.

Als Sera den exakten Zirkulationspunkt der Lichtenergie einige Zentimeter hinter dem Nasenrücken endlich ortete, sah sie Geräusche und hörte Bilder. Ihr Schädel platzte noch vor Anstrengung und Müdigkeit.

Seraphina würde eine Hetzjagd auf jeden Seher lostreten ...

Als Nächstes musste sie Hakims Energien aus ihm herausziehen und selbst aufzunehmen. Kein Wunder, dass niemand Wasser mit Händen schöpfte. Die Energie war zwar da – Sera spürte sie nun – aber sie entzog sich ihrem Griff wie etwas, das man nicht fassen konnte.

Erst als sie ihre eigene Energie wie einen Magneten benutzte, hielt sie Hakims Augenlicht fest. Mit ihrer Energie spann sie einen Faden zu ihm und schöpfte Wasser mit Wasser – so verrückt das auch klang.

Zum ersten Blut am Himmel wurde Hakim blind.

Im ersten Blut am Himmel öffnete Seraphina ihre Augen und sah die Welt.

Der einst glatte Boden war ein Schlachtfeld an Kratern und Kratzern. Die Steinwand übersät mit Bläschen. Die Holztür in die Freiheit franste an unzähligen Stellen.

Die Sicht eines Sehers, der noch tiefer gefallen war als der Seherspion in der Hungerrebellion ...

Nein, niemals stahl sie den Soldaten ihr Augenlicht und kämpfte sich damit frei!

Etwas Wasser und vielleicht drei Stunden Schlaf später suchte Seraphina den zweiten Zirkulationspunkt. Ihre Lichtenergie war nutzlos, um Hakims Klangenergie zu finden: Sie fing wieder vorn an. Wer immer diese Energien vor dem Beginn der Zeit besessen hatte, mochte genauso wenig, was sie damit tat.

Schließlich fand sie sein Gehör und seine Stimme knapp über der Mundhöhle und saugte ihm sorgsam jedes bisschen Energie aus. Welchen Teufel sie auch auf den Steinbruch losließ, sollte ihre Flucht misslingen: Sie musste wenigstens ihn kontrollieren können.

Den restlichen Tag suchte sie: Nach einer Lösung ohne weitere Opfer für sie.

Gegen Abend kannte sie jeden Winkel des Arbeitslagers – in dem die meisten, auch Feliks, tatsächlich bei Gesundheit waren und arbeiteten –, die Routen der Soldaten sowie deren Schichtwechsel außerhalb der improvisierten Gefängnisse und wusste, auf welchem Wege sie den Steinbruch verlassen würden.

Und wie sie die Dienstpläne der Soldaten selbst von hier aus manipulieren würde.

Arnault konnte sie mal, wenn diese Nacht ein Dunkelmond regierte! Der Dunkelmond, der ihm offenbarte, einen folgenschweren Fehler begangen zu haben.

Und er kam.

Seraphina war bereit.

Heute Nacht ging ihre Sonne auf.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro