3. Im Land des Mondes

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Vier lange, schweigsame Tage ritten sie schon, als sie die Grenze nach Mervaille überquerten. Der Hitze zu entgehen war bislang das einzig Gute an ihrer Reise nach Norden.

Vor den Stunden im Sattel graute es Seraphina jeden Morgen mehr: Tjelvar – auf seinem Vornamen hatte er noch in Speranx bestanden – redete nicht. Von der Dämmerung bis in die Dunkelheit ritten sie schweigend die Wege entlang.

Mit Anthelia hätte sie sich ausgetauscht; alle Dutzend Meter haltgemacht und die kümmerlichen Pflanzen am Wegesrand begutachtet. Ihre Freundin hätte sich täglich darüber beschwert, wie König Philippe nur sämtliche Wälder im Land abholzen lassen konnte und dass Bäume für ein funktionierendes Ökosystem essenziell waren.

»Seraphina.«

Sie zuckte zusammen. »Ja?« Wie oft Tjelvar sie täglich ansprach, konnte sie an einer Hand abzählen.

»Es wird Zeit.«

Nur darum ging es ihm? Sie unterdrückte ein bestätigendes Brummen.

Stattdessen dachte Sera an Haselnüsse, wie sie die Flur besprenkelten. Sie griff über die Schulter nach ihren sonnengoldenen Haaren und übermalte Kraft ihrer Gabe den Beweis für die Blutlinie Aureum. Für diese Mission war sie frei vom Fluch ihrer Familie und ihrer Gabe.

Tjelvar betrachtete sie von der Seite. »Auch die Augen.«

»Wieso? Blaue Augen sind nichts Ungewöhnliches.«

»Weil ich es sage.«

Gerade noch rechtzeitig presste sie die Luft heraus, mit der sie Tjelvar angeknurrt hätte.

Zartbitterschokolade wie die, aus der Anthelia und sie die Früchte wieder herausgespießt hatten.

»Hast du dir schon einen neuen Namen überlegt?«

Atmen. Ein. Aus. So leicht ließ sie sich nicht herumkommandieren!

Jetzt drehte er sich zum ersten Mal an diesem Tag zu ihr. »Noch nicht?«

Natürlich.

Sie wartete nur.

Strich stattdessen übers dunkelbraune Leder ihres Sattelhorns. Selbst intensiver Wachsbalsam vermochte die ersten hellen Flecken und den pergamentartigen Griff nicht zu kaschieren. »Jeanne.«

Tjelvar versteifte sich im Sattel. »Sprechen wir von derselben Johanna?«

»Plötzlich wirst du redselig?« Doch ihr Blick galt nur dem staubtrockenen Weg vor ihr. Mit seinem alarmierten Tonfall hatte er ihre Aufmerksamkeit nicht verdient.

»Hm ... Vergiss es einfach.«

~✧~

»Das reicht für heute. Wir fragen bei dem Weiler an, ob wir die Nacht einkehren dürfen.«

Seraphina seufzte und rieb ihre schweißnassen Hände an ihrem Kleid, um die staubtrockene Erde loszuwerden, die bei jeder Böe mitwehte. Endlich.

Auch am zehnten Tag ritten sie nur mit den nötigsten Pausen durch die dröge Landschaft: Felder, so weit selbst ihre Augen blickten – zerschnitten von schnurgeraden Bachläufen mit rechten Winkeln und steiler Uferböschung.

Genauso schnurgerade wie der Weg vor ihnen. Wiegende Ähren hinter ausgedörrten Erdwällen wie weinende Wesen, die um die Blütezeit ihres Landes vor so vielen Jahren trauerten. Hinter dem Weiler trieb ein Bursche protestierende Hühner zurück in den Stall.

Vögel, wie sie in den Winden reisten, gab es hier keine mehr. Bäume waren in Mervaille so rar wie Inseln im Perlenmeer: Hatten die systematische Vernichtung der Druiden genauso wenig überdauert. Förster, Ärzte, Pflanzenkundler – verbrannt.

Sie ritten zum baufälligen Konstrukt aus rot bestrichenem Holz und kalkgetünchtem Lehm, vor dem zwei Mädchen mit Strohpuppen spielten. Eine kleine, schwarz bemalte Puppe stand auf einem Strohhaufen an ein seltenes Stöckchen gebunden und die Ältere mühte sich gerade, das passende Feuer zu entzünden.

Die ledernen Zügel bohrten sich in Seras verkrampfte Hände. Druiden waren keine Monster wie Krähen oder die Schwarze Katze! Ihnen eine schwarze Farbe zuzuschreiben ...!

Als das Feuer brannte, bliesen die Kinder, dass die Beine der schwarzen Figur versengten und die übrigen Puppen singend um den Scheiterhaufen tanzten. Mit begeisterten Gesichtern begrüßten sie Tjelvar und Sera.

Bis die Flamme erlosch und nichts als ein Rauchfähnchen zurückblieb.

»Ihr solltet nicht mit Feuer spielen, ohne seine Gefahren zu kennen«, sagte Tjelvar abgehackt auf Mervaillsch und stieg ab. »Erst recht, wenn euch das Wasser zum Löschen fehlt.«

Die Kleine blickte mit zusammengepressten Lippen zur qualmenden Puppe. Die Größere auf zu ihren Besuchern. »Die Druiden haben unseren alten König getötet und unser Land im Stich gelassen. Der Mondpriester sagt, dass sie unsere Leben stehlen werden, wenn wir das nicht verhindern.«

Sera stockte, ehe ihre Stiefel den sandigen Boden berührten. Dieser Teil des Herzogtums der Bernsteinküste lag einst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Duthchal-Wald der Druiden – hatte gar vor dreißig Jahren noch gute Beziehungen zum Kleinen Volk gepflegt. Und jetzt von Kindern solche Worte zu hören ...

»Haben eure Eltern den Druidenwald von hier aus noch gesehen?« Tjelvar beugte sich zur schwarzen Puppe und befreite sie von ihrem Joch.

»Ja«, konstatierte die Ältere.

»Und haben eure Eltern oder Großeltern noch mit den Druiden geredet?« Er entfernte das verkohlte Stroh.

»Ähm ...« Jetzt sah sie zur Seite, tapste einen Schritt zurück und verbarg die Hände hinter dem Rücken.

»Ja! Omama erzählt manchmal von ihnen, aber –« Die Kleine schlug die Hände vor den Mund.

»Was wollt ihr hier eigentlich?« Die Ältere spähte um die Ecke der Scheune; wich weiter zurück.

Tjelvar reichte der Kleinen die gerettete Puppe und trat seinerseits wieder zum Pferd. »Eure Eltern um ein Nachtlager bitten.«

Die große Schwester zog die Brauen zusammen. Trotzdem rief sie ihren Vater. Die Kleine hingegen strahlte ihre Puppe an.

Sera kniete vor sie und legte die knisternden Strohpuppen zueinander – ließ die Mitte für den geschwärzten Druiden frei. »Das hier ist der Platz, an den die Druiden wirklich gehören«, sprach sie in fließendem Mervaillsch und lächelte.

»Ich weiß«, flüsterte das Mädchen, sah über ihre Schulter und setzte ihr Püppchen zu den anderen. »Omama sagt das auch immer, aber dann bekommen Mama und Papa Angst, dass die Priester sie holen.«

~✧~

Am Abend – der Herr der Welt trug die Sonne in seinen Klauen wieder gen Horizont und demonstrierte auch den Ungläubigen seine absolute Macht über Tag und Nacht – saßen Tjelvar und Sera mit der Bauernfamilie bei Zwiebelbrot und Karotteneintopf hinterm Haus unter den einzigen fünf Bäumen weit und breit. Sera hatte die Fragen bezüglich der Füchsin beantwortet und im Namen aller ein demütiges Gebet zu Ehren von Tjelvars Phönixbrosche emporgesandt. Nun gab sie Raum für die gegenwärtigen Ereignisse innerhalb wie außerhalb des Landes.

Der Krieg mit Morag neigte sich dem Ende zu: Die Hauptstadt wurde belagert und ein Teil der Königsfamilie bereits auf dem Schlachtfeld erschlagen. Die nordöstlichen Gebiete der Nation, in denen die begehrten Erzadern lagen, standen jedoch noch immer unter Elks Kontrolle.

Die vollständige Eroberung Morags war eine Frage von Zeit und Ressourcen. Nicht eine der Möglichkeiten.

Dies waren die letzten Informationen vom Kommunikator des internationalen Kommunikatorennetzwerks an der Universität von Xandria. Neues würden auch sie frühestens nahe der ehemaligen Grenze erfahren.

»Da, Mama! Heute ist er wieder silbern!«, rief die jüngere Schwester und sprang auf. Ihre hellbraune Hand zeigte in den Himmel, wo der Mond bei Nacht wie bei Tage reglos hielt seine Wacht und nun leuchtete sacht.

Ein gutes Zeichen. Sera sank gegen die Rücklehne der Bank und sah hinauf. Die Bauern würden sie trotz des Zwischenfalls mit der Druidenpuppe bis zum nächsten Morgen aufnehmen. Das Licht ihrer Mutter zählte hierzulande mehr als anderswo in Degun.

Die Mutter faltete die Hände. »Der Mondgott ist mit uns. Hoffentlich zeigt er König Philippe einen Weg, den Krieg schnell wieder zu beenden.«

Auf ein stummes Signal hin taten es alle der Mutter gleich: Beteten, der Mondgott möge ihnen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Lasst sie Tote dieses Mal verhindern können!

»So, und jetzt ins Bett mit euch. Morgen stehen wir wieder früh auf.« Die Mutter stand auf und ging zu ihren Töchtern.

»Ich will aber nicht! Jeanne hat noch gar nicht erzählt, wie die Füchsin zu Xandria gegangen ist!«

»Blödsinn«, sagte ihr Bruder. »Die Füchsin ist nicht zu Xandria gegangen. Xandria ist zur Füchsin gegangen.«

So lauteten zumindest die Legenden. Sera gluckste beim Anblick der beiden jüngeren Geschwister, wie sie sich nun gegenseitig die Zungen herausstreckten.

»Und ein Schlaflied hast du auch noch nicht gesungen.« Die Kleine verschränkte die Arme und blieb sitzen.

»Also gut«, seufzte die Mutter.

»Jeanne soll singen!«

Sie fuhr zusammen.

Das Mädchen strahlte sie an. »Du singst bestimmt viel besser als Mama.«

»Äh ...« Der Blick der Mutter wanderte von ihrer Jüngsten zu Sera.

»Deine Mutter kommt doch auch aus Mervaille, hast du gesagt. Dann hat sie dir früher bestimmt etwas vorgesungen«, sagte die Großmutter und lächelte einige Falten glatt.

Hatte sie. Nur leider erinnerte Sera sich nicht mehr daran. Ihre Stimme war ebenso verblasst wie ihr Gesicht. Die wortlose Melodie, die ihr als einziges geblieben war, hatte erst dank Quentin wieder zu singen begonnen.

Sie nickte und das Mädchen schmiegte sich an sie.

»Silberweiß, im Mondsgewand
einst berührt von Segenshand
Augen rot, so rot wie Blut
in ihnen glänzt Weisheit und Mut

Im hellen Schein der Silbernacht
das Wunder ward vollkomm'n gemacht
Im hellen Schein der Silbernacht
der Mond sein Sohn uns dargebracht

Die Kraft zu führ'n uns in der Not
sein Wissen uns Sicherheit bot
aufgebaut ein Königreich
dem Mondes Wunsche gar und gleich

Von Geistern dieses Land bewacht
auf dass das Dunkel ja nimmt Acht
Von Geistern dieses Land bewacht
durch ihr Erb', des Königs Macht

Drum sieh den Lichtern leise zu
sieh den Mond, wieg' dich zur Ruh
Der Mond beschützt und hütet uns
Der Mond beschützt und hütet uns

Der Mond beschützt und hütet uns«

Seraphina endete und ihre Stimme verhallte unterm Sternenzelt, wo der Erste Stern neben dem Silbermond zwinkerte. Wie hatte die Stimme ihrer Mutter zu diesem Lied geklungen, wenn sie Lucius und sie zur Ruhe gebettet hatte?

Die Kleine lehnte ihren Kopf an Seras Schulter. »Du singst wunderschön, Jeanne.«

Sie lächelte und strich dem Kind durchs sandsteinfarbene Haar. »Danke sehr, mein kleiner Mond.«

Über ihnen schien der zerschundene Silbermond in Ruhe und Geborgenheit. Ihre Mutter beschützte und hütete sie auch jetzt – bot verständnisvoll Geleit.

~✧~

»Ihr wollt schon gehen? Was ist mit der Füchsin von Xandria?« Die Pferde waren bereits gesattelt und Tjelvar und sie verabschiedeten sich von den Hausherren, da stürmten die Kinder durch die Tür.

»Tut mir leid, ihr drei, aber wir müssen weiter.« Sie schluckte gegen den Kloß im Hals an und drehte sich weg. Anders als im Land ihres Vaters empfing das ihrer Mutter sie mit so viel Wärme.

»Du hast es versprochen, Jeanne!«

»Wenn wir auf dem Rückweg wieder vorbeikommen, berichte ich euch von den Elfen«, sagte Tjelvar. »Manche von ihnen wachen in Tiergestalt über uns Menschen.«

»Du lügst doch. Elfen sind Kindermärchen!«, brummte die ältere Tochter hinter dem Vater hervor.

Tjelvar schüttelte den Kopf. »Wer soll sich denn so viele Geschichten über sie ausgedacht haben?«

Die Kleinste schürzte die Lippen. »Abgemacht. Dann bleibt ihr länger und erzählt uns alles über die Elfen!«

Mit hochgezogenen Brauen blickten die Eltern zu ihren Kindern. »Aber nur, wenn ihr bei der Ernte fleißig mithelft. Gute Reise, Füchse. Der Silbermond erleuchtet euren Weg.«

»Ich bete dafür, dass er auch den euren erleuchtet.« Sera faltete die Hände zum Abschied und erwiderte die freundschaftliche Umarmung der zwei Jüngsten, ehe sie auf ihren Pferden weiter gen Norden ritten.

~✧~

Dann sahen sie die ersten Soldaten: Wie zur Militärparade marschierten sie in Reih' und Glied durch die Hauptstraße von Aiglon und trugen die weiß-roten Banner ihres Vaterlandes, sowie die eines blutenden Baumes vom Herzogtum des Blutwaldes über sich. Die Menschen am Straßenrand warfen ihnen weiße und rote Rosen zu, manchmal auch andersfarbige Blumen und selten ganze Sträuße.

Die Soldaten stapften unbeeindruckt weiter und sangen die Hymne von Mervaille – dem Mondkönig und Heiligen Michel zu Ehren, der das Land in blutigen Kriegen geeint hatte.

Tjelvar und Sera standen am Eingang einer Seitenstraße und warteten mit ihren Pferden auf das Ende des Zugs. Der Infanterie folgte eine kleinere Einheit Kavallerie – Reiter steif wie Zinnfiguren – und schließlich die Logistiker, die zahlenmäßig größte Truppe.

Besagten ihre letzten Informationen nicht, dass Mervaille de facto gewonnen hätte? Wofür also weitere Brigaden vom Süden in den Norden verlegen?

Zwei Stunden später zogen die letzten Vorratswagen endlich vorbei und hinterließen eine Straße wie nach einer Massenhinrichtung im Schnee. Die Menge der Zivilisten löste sich auf und widmete sich wieder der täglichen Arbeit oder kehrte die Pflastersteinstraße.

»Vor heute Abend kommen wir nicht mehr über die Vie nach Morag. Vertreiben wir uns die Zeit bis dahin auf dem Markt.« Tjelvar führte sein Pferd ebenfalls über die geopferten Rosen und in die Innenstadt.

Vor dem Krieg war Aiglon der letzte militärische Außenposten Mervailles vor Morag gewesen. Jetzt diente der einst für den Handel ausgebaute Hafen als Tor nach Neu-Mervaille. Der Grüne Gürtel war nur noch eine Fährfahrt von ihnen entfernt.

Doch selbst jetzt noch fanden Güter rund ums Perlenmeer auf Treidelschiffen ihren Weg auf den Stadtmarkt: Tücher aus gefälschtem Thalast; Pfeffer, Kakao und Safran aus Pensula, Gold und Edelsteine vom Gott der Wüste oder Papier und Farben aus Lumista.

So verlockend die Farben auch nach einem Künstler riefen: Hier waren sie Ballast. Das murmelte sie sich selbst zu und trottete zum Zeitungsstand.

»Das Verschwinden des Ersten Prinzen! Lesen Sie hier, was wirklich geschah!« Ein Junge in weißem Hemd und rotbrauner Mütze wedelte mit einer Zeitung vor den Bürgern, die alle einen Blick auf die Titelseite erhaschen wollten.

»Ich nehme eine Ausgabe, Kleiner.« Sera hielt ihm das Kleingeld hin und der Junge drückte sie ihr in die Hand.

»Vielen Dank, Mademoiselle! Eine grauenvolle Vorstellung, sich einfach aufzulösen.«

Sie lächelte – hätte beinahe die Augen verdreht. Irgendwie musste er die Leute ja zum Kauf animieren.

Bei einer Weißen Taube – einer Apfeltasche in Mandel- und Zuckergusskleid – setzte Sera sich aufs sonnengewärmte Steingeländer am Rande des Marktplatzes hinunter zum Hafen und schlug das übergroße Stück Papier auf.

»Das Verschwinden des Ersten Prinzen Louis!

Mitten im Kriegsrat über das neue Vorgehen der königlichen Armee gegen die Guerilla-Krieger im Nordosten ergriff Prinz Louis das Wort und erläuterte seine Strategien zum Brechen des feindlichen Widerstandes. Als Generalherzog Wyatt de Côte d'Ambre den Prinzen auf einige Informationen hinwies, sagte Prinz Louis noch ›Sorgt Euch darum nicht. Meine Leute haben alles unter Kontrolle.‹

Was der Prinz damit meinte, konnte er allerdings nicht mehr ausführen, denn im nächsten Moment war er verschwunden. Es ist unklar, was genau in der Sitzung geschah, doch sämtliche Augenzeugen, darunter König Philippe und Zweiter Prinz Émile, berichten deckungsgleich von diesem unglaublichen Ereignis. Die Suche nach Prinz Louis läuft seitdem unter Hochdruck, aber bis jetzt gibt es keinen Anhaltspunkt über seinen Verbleib.«

Seraphina starrte die gedruckten Buchstaben an. Wie konnte jemand einfach so verschwinden? Wenigstens musste die Geschichte – so unglaubwürdig sie auch klang – wahr sein. Diese Zeitung war dem mervaillschen Königshaus treu ergeben und würde sich niemals einen derartigen Streich erlauben.

~✧~

»Was denkst du: Wie ist das möglich?« Sera musterte Tjelvar mit gerunzelter Stirn, als er die Zeitung wieder zusammenfaltete.

»Gar nicht. Wäre es keine seriöse Quelle, könnte es als schlechte Satire durchgehen.« Er lehnte sich an die Verschanzung des Fährschiffes und blickte mit schmalen Lippen zum Fluss, wo der erste Pfeiler einer zukünftigen Brücke wie ein drohender Zeigefinger aus dem Wasser ragte.

»Aber wenn es nicht möglich ist, wieso ...?« Wer immer dazu fähig war, könnte die Kriegsführung grundlegend verändern und jeden Frieden unterwandern!

»Theoretisch habe ich eine Vermutung, aber praktisch ist es nicht umsetzbar.«

Sie sah auf. »Welche?«

Der Professor für Geschichte, Politik und Wirtschaft zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Vielleicht war es auch die Strafe des Mondgottes.«

Sie stöhnte. »Glaubst du wirklich? Was ist dann mit dem Krieg gegen die Druiden?«

»Der Krieg im Süden hängt mit dem Krieg im Norden zusammen und Prinz Louis war noch weniger zaghaft als sein Vater. In jedem Fall weiß ich, wer jetzt verdächtigt wird.«

Der Zweite Prinz und der leise, doch andauernde Widerstand gegen den König.

»Ich wollte mich nicht mit einer Gruppe messen, die mutmaßlich Menschen aufzulösen vermag.« Sera legte ihr Kinn auf die Unterarme auf der Reling und starrte ins Wasser. Die blaugrauen Fische im Fluss hatten es gut: Führten sorgloses Leben im Strom – bis sie auf dem nächsten Silbertablett endeten.

»Wichtiger ist die Frage, was genau mit Prinz Louis passiert ist. Hat er aufgehört zu existieren oder wurde er an einen anderen Ort gebracht?«

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