10 - Herzen aus Zuckerwatte

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Den ganzen Samstag und den halben Sonntag verbrachte Quincy damit, für ihre Klausuren zu lernen. Zwar ließ ihre Konzentrationsfähigkeit zu wünschen übrig, aber wenigstens blieben ein paar Fakten in ihrem Gedächtnis hängen.

Besser als nichts, richtig?

Gegen 16 Uhr am Sonntagnachmittag machte sie sich dann auf den Weg in die Stadt, wo sie sich mit Isla und Dale traf.

Da aktuell Kirmes-Zeit in New Heaven war, hatte Quincy die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt und die Edwards-Geschwister auf einen spannenden Tag im Fast-Freizeitpark eingeladen. Neben unzähligen Essensbuden gab es natürlich auch viele Achterbahnen und Karussells. Selbst eine Wasserbahn war vor dem riesigen Kirchturm auf dem Marktplatz aufgebaut worden.

„Hey, ihr zwei!", begrüßte Quincy die Geschwister mit einem breiten Grinsen, als sie vor ihnen zum Stehen kam.

„Hey", erwiderte Dale sofort. „Du siehst hübsch aus, Quincy."

„Oh, danke!"

Quincy konnte spüren, wie ein Feuer in ihren Wangen entfacht wurde. Normalerweise dachte sie nicht viel darüber nach, was sie sich anzog, doch heute hatte sie fast eine Stunde gemeinsam mit Ana und Miles vor ihrem Kleiderschrank gestanden. Am Ende waren es eine zerrissene Jeans, ein weinrotes Top und ihre geliebte Jeansjacke geworden. Außerdem hatte sich Quincy von Ana ihre straßenköterblonden Haare zu sanften Wellen locken lassen.

Quincy sah anders aus als sonst. Nicht nur wegen des Make-ups und ihrer Kleidung, sondern vor allem, weil permanent ein glückliches Strahlen in ihrem Gesicht vorzufinden war.

Quincy freute sich darauf, Zeit mit Dale und Isla zu verbringen. Vor allem mit Erstgenanntem.

Quincy wollte gerade Dales Kompliment erwidern, schließlich stand ihm seine Lederjacke sehr gut, da kam ihr Isla allerdings zuvor, indem sie ungeduldig an Quincys Hand zupfte und fragte: „Können wir jetzt endlich losgehen?"

Der Tatendrang, der in Islas grünen Augen funkelte, war nicht zu übersehen gewesen.

Quincy und Dale mussten grinsen, ehe sie sich jeweils rechts und links von Isla positionierten und sich dann in das Getümmel der Kirmes stürzten.

Bunte Blinklichter hüllten die Welt in eine magische Atmosphäre, laute Musik brachte den Boden zum Beben und überall vermischten sich köstliche Essensgerüche miteinander.

Die Menschen auf der Kirmes waren fröhlich und hatten Spaß. Die Stimmung war sehr ausgelassen.

Quincy genoss es, einmal nicht an die Uni oder das mysteriöse Taxi zu denken. Es fühlte sich gut an, eine ganz normale junge Frau ohne Probleme zu sein.

„Was möchtest du als Erstes machen, Isla?", erkundigte sich Quincy neugierig bei dem kleinen Mädchen.

Isla strahlte von dem einen Ohr bis zum anderen, als sie begeistert quiekte: „Da vorne kann man Dosenwerfen machen. Können wir das bitte, bitte, bitte ausprobieren?"

„Natürlich, Mausi", stimmte Dale ihrem Vorschlag sofort zu.

Gemeinsam kämpfte sich das Trio durch die Menschenmasse hindurch, bis sie wenig später vor dem Stand mit dem Dosenwerfen zum Stehen kamen. Eine alte Frau mit grauem Haar, die eine auffällig grüne Weste trug, begrüßte sie.

„Wie viele Bälle?"

Quincy verkniff sich einen Kommentar zum Thema Freundlichkeit. Stattdessen sagte sie höflich: „Neun Bälle, bitte."

Die Frau nickte, ehe sie neun Stofffetzen, die absolut keine Ähnlichkeit mit Bällen hatten, auf den Tresen donnerte.

„Dreizehn Pfund!" Dale zahlte. Sein verkniffener Gesichtsausdruck verriet Quincy, dass er ebenso genervt von der Unfreundlichkeit war, wie sie selbst.

„Dann wollen wir mal schauen, wer der Beste von uns ist", zwinkerte Dale Quincy und Isla zu, nachdem er sein Portemonnaie wieder in seiner Hosentasche verstaut hatte.

„Du meinst wohl: Die Beste!", korrigierte ihn Quincy eingeschnappt.

„Nein, tut mir leid. Der Beste war schon richtig." Dales Grinsen war frech und provokant, doch es gefiel Quincy. Sie lernte immer wieder eine neue Art an Dale kennen, die zuvor im Verborgenen geschlummert hatte.

Vielleicht klang es merkwürdig, aber mittlerweile sah Quincy Dale zu hundert Prozent als einen Mann an. Sie musste nicht mehr daran denken, dass er als Mädchen geboren wurde und stellte sich auch nicht mehr vor, wie er einst ausgesehen hatte.

„Dann mal los!"

Isla durfte als Erste werfen. Da sie noch sehr klein war, setzte Dale sie auf den Tresen, damit die Blechdosen, die eine Pyramide bildeten, nicht allzu weit von ihr entfernt waren.

Isla klemmte sich die Zunge zwischen die Zähne, während sie ihr Ziel anvisierte. Zu Quincys großer Überraschung holte sie viel Schwung und traf die Dosen sogar. Scheppernd fielen sie zu Boden.

„Wow! Ich wusste gar nicht, dass du so gut werfen kannst, Isla", lobte Quincy das kleine Mädchen. „Weiter so! Zeig Dale, dass er nicht der Beste ist!"

Isla kicherte leise, bevor sie den zweiten Ball warf. Wieder traf sie die Pyramide und wieder schepperte es.

Vor dem letzten Wurf stellte die alte Frau mit der hässlichen Weste die übriggebliebenen Dosen nochmal zusammen.

Isla holte aus, schmetterte den Ball in Richtung Pyramide, traf und am Ende blieben nur noch zwei Dosen übrig.

Quincy war beeindruckt. Sie selbst würde sich gleich total blamieren, denn Ball- und Zielsportarten waren noch nie ihre Stärke gewesen.

Nur zwei Minuten später bewahrheitete sich Quincys Befürchtung. Sage und schreibe eine einzige Dose hatte sie abgeräumt.

Aber das war immer noch besser als keine, richtig?

Während Isla vergnügt kicherte, tätschelte Dale bloß Quincys Schulter und raunte ihr mit einem provokanten Grinsen zu: „Lass mal den Meister ran. Sieh zu und lerne!"

Obwohl Quincy ihre Augen verdrehte, war sie gespannt, ob Dale seinem großen Mundwerk gerecht werden konnte.

Und natürlich konnte er das.

Alle Dosen fielen scheppernd zu Boden, sodass die grauhaarige Frau eine Glocke läutete und mit herzlich wenig Elan säuselte: „Herzlichen Glückwunsch! Du darfst dir einen Hauptpreis aussuchen."

Dale zögerte keine einzige Sekunde und wandte sich sofort an Isla. „Welches Stofftier möchtest du haben, Maus?", fragte er sie mit einem liebevollen Lächeln.

Bei dieser niedlichen Geste schwoll Quincys Herz an. Sie selbst war zwar ohne Geschwister aufgewachsen, aber insgeheim hatte sie sich immer einen Bruder wie Dale gewünscht.

„Den Panda mit den pinken Glitzeraugen!"

Die Frau nahm das besagte Stofftier aus dem Regal und drückte es Isla in die Hand. Ganz nach dem Motto: Nimm das blöde Ding und verschwinde endlich von hier!

Genau das taten Quincy, Dale und Isla dann auch. Sie ließen den Stand samt der unfreundlichen Frau hinter sich und mogelten sich wieder in die Menschenmasse.

Damit die kleine Isla in dem Getümmel nicht verloren ging, nahmen Quincy und Dale sie an die Hand.

Quincy erwischte sich mehr als nur einmal bei dem Gedanken, dass sie lieber Dales Hand halten wollte. Na ja, vielleicht würde sich ja auf einer Achterbahn die Gelegenheit dazu ergeben?!

Nachdem Quincy, Isla und Dale eine Weile dem Strom aus Menschen gefolgt waren, entschieden sie sich dazu, eine Runde mit dem bunt blinkenden Riesenrad zu fahren.

Da die Gondeln nicht von Glaswänden umgeben wurden, konnte Quincy den lauwarmen Sommerwind auf ihrer Haut spüren. Oben in der Luft, wo die Welt unter ihr verstummte und zu einem winzigen Farbklecks verschwamm, fühlte sie sich frei.

Quincy war beeindruckt, was für ein faszinierender Ausblick über New Heaven sich ihr bot. Sie konnte Felder und Blumenwiesen entdecken. Seen und Berge. Wälder und Häusersiedlungen. Selbst die Eishalle, in der sie als Kind viel Zeit mit ihrem Vater verbracht hatte, fand sie als kleinen Punkt in der Entfernung.

Leider war die Fahrt im Riesenrad viel zu schnell zu Ende. Enttäuscht kletterte Quincy aus der Gondel und vermisste sogleich das Gefühl der Schwerelosigkeit.

„Schaut mal!", quietschte Isla aufgeregt, womit sie Quincys Sehnsucht zu Staub verpuffen ließ. „Da vorne ist ein Spiegellabyrinth!"

„Oh je!", seufzte Quincy. Als sie das letzte Mal in einem solchen Labyrinth war, musste sie die Nacht in der Notaufnahme verbringen, da Miles mit voller Wucht gegen einen Spiegel gelaufen war und sich die Nase gebrochen hatte. „Wollen wir nicht lieber etwas anderes machen, Isla?"

Noch bevor Isla Quincy eine Antwort geben konnte, stichelte Dale: „Kneifst du etwa?" Seine braunen Augen sprühten Funken und entfachten ein Feuer unter Quincys Haut.

Wie gerne sie einfach den restlichen Abend mit Dale im Riesenrad sitzen und sich über Gott und die Welt unterhalten würde ...

„Natürlich kneife ich nicht, Dale!", behauptete Quincy empört. „Ich mache mir nur Sorgen darum, dass du noch mehr Gehirnzellen verlieren könntest, wenn du gegen einen Spiegel läufst."

Quincy genoss die kleinen Sticheleien zwischen Dale und ihr. Sie fühlte sich ein bisschen in die Grundschule zurückversetzt, wo es immer hieß Was sich neckt, das liebt sich.

„Keine Sorge, Quincy, ich werde wieder mindestens genauso gut wie im Dosenwerfen sein."

Damit hatte Quincy die Diskussion verloren.

Gemeinsam bahnten sie sich also einen Weg zu dem Spiegellabyrinth. Zu Quincys Bedauern bekamen sie sogar noch eine Art 3D-Brille aufgesetzt, die ihre Umgebung in grellen Farben explodieren ließ.

Quincy hatte wirklich Angst, dass dieses Mal sie diejenige sein würde, die mit einer gebrochenen Nase im Krankenhaus landete.

Zum Glück waren ihre Sorgen unbegründet, denn das Spiegellabyrinth war total harmlos. Fast schon öde. Kein einziges Mal stieß Quincy gegen einen Spiegel. Tatsächlich schaffte sie es sogar, den Ausgang im ersten Versuch zu finden.

Auch Isla und Dale waren am Ende enttäuscht.

„Das war ja babylangweilig", beschwerte sich Isla. „Können wir jetzt Wasserbahn fahren?"

Wie immer stimmten Quincy und Dale ihrem Vorschlag sofort zu.

Es dauerte über eine Viertelstunde, bis sie den Marktplatz, auf dem die Wasserbahn aufgebaut war, erreicht hatten. Dort mussten sie dann auch nochmal fast zwanzig Minuten warten, bis sie endlich an der Reihe waren.

„Ich sitze vorne!", quietschte Isla übermütig. Noch in derselben Sekunde hüpfte sie in das Boot, das wie ein Baumstamm aussah, und klemmte sich ihren Pandabären zwischen die Beine. Quincy nahm hinter Isla Platz und Dale bildete das Schlusslicht.

Sobald sich das Boot ruckelnd in Bewegung setzte, schoss Quincys Herzschlag in die Höhe. Einerseits vor Aufregung, andererseits weil sie Dales warmen Atem in ihrem Nacken spüren konnte.

Schon die ganze Zeit herrschte eine elektrische Spannung zwischen ihnen.

Was wohl passiert wäre, wenn Isla sie nicht auf die Kirmes begleitet hätte?

„Du kannst dich ruhig an mir anlehnen, Quincy", ertönte plötzlich Dales samtweiche Stimme an Quincys Ohr. Sein Atem krabbelte über ihren Hals und sorgte dafür, dass sich ihre winzigen Härchen aufstellten.

„Da-Danke."

Ohne großartig darüber nachzudenken, lockerte Quincy ihre angespannten Muskeln und ließ sich langsam gegen Dales Brust sinken. Wie von selbst legten sich seine Arme um ihren Bauch und verschränkten sich kurz oberhalb ihres Bauchnabels.

Es fühlte sich gut und richtig an, Dale so nahe zu sein.

Quincys Körper kribbelte angenehm und in ihrem Magen schlugen die ersten Schmetterlinge Salti.

„Hey! Ich möchte auch kuscheln!" Ohne jegliche Vorwarnung rutschte Isla so weit zurück, bis sie gegen Quincys Oberkörper prallte.

Daraufhin gab Quincy einen ächzenden Laut von sich, ehe sie Isla in ihre Arme zog.

Gruppenkuscheln war doch auch etwas Schönes, nicht wahr?

Quincy versuchte, das Gefühlschaos in ihrem Herzen auszublenden, und sich stattdessen auf die Fahrt in der Wasserbahn zu konzentrieren.

Ihr Boot wurde gerade einen Berg hinaufgezogen, der Quincy endlos lang erschien. Gefühlt dauerte es mindestens zehn Minuten, bis sie den Gipfel erreicht hatten und einen flüchtigen Blick auf den überfüllten Marktplatz, der sich unter ihnen erstreckte, werfen konnten.

Das Boot bog um eine Ecke. Wasser spritzte in das Innere und traf Quincy im Nacken. Ein leiser Schrei, der Isla und Dale zum Lachen brachte, entfloh ihren Lippen.

„Das ist nicht witzig!", schnaubte Quincy.

„Doch, ist es!", erwiderten die Edwards-Geschwister im Chor.

Kaum waren ihre Worte verklungen, sauste das Boot in Blitzgeschwindigkeit einen steilen Abhang hinab. Quincys Magen kribbelte wie eine Brausetablette, wohingegen ihr gesamter Körper unter Strom stand.

Während Isla jauchzend die Arme in die Luft streckte, klammerte sich Quincy stärker an Dales Händen fest.

Quincy schrie so laut, sie konnte. Die Geldschulden ihrer Eltern, die Prüfungsphase an der Uni, das magische Taxi ... Der Schrei trug all ihre Sorgen und Probleme hinfort. Jedenfalls für einen kurzen Moment.

Als das Boot das Ende des Abhangs erreicht hatte und abbremste, krachte eine gigantische Wasserfontäne über den Köpfen von Quincy, Isla und Dale zusammen. Im ersten Moment kreischten sie, weil das Wasser furchtbar kalt war und nach Gülle stank, doch dann mussten sie lachen.

„Oh man, ich bin pitschnass", grinste Quincy, während sie sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn strich. Die schönen Locken, die ihr Ana gemacht hatte, waren endgültig vernichtet worden.

„Ich auch!", jaulte Isla. „Und Pandi auch!"

Insgeheim rechnete Quincy damit, dass sich Dale nun ihrem nicht ganz ernst gemeinten Gemeckere anschließen würde, aber stattdessen lachte er schadenfroh: „Also ich bin trocken geblieben."

„Was?!" Quincy drehte sich ruckartig zu ihm um.

Plötzlich war sie Dale so nahe, dass sie seinen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. Dales Augen verdunkelten sich und wurden von einem geheimnisvollen Schimmern gesäumt.

Quincy schluckte schwer.

Sie musste sich nur wenige Millimeter nach vorne beugen, dann würde sie in den Genuss von Dales Lippen kommen.

Noch bevor Quincy abwägen konnte, ob sie über ihren Schatten springen sollte oder nicht, ertönte eine genervte Männerstimme. „Aussteigen!"

Quincy und Dale zuckten zusammen. Notgedrungen lösten sie ihre Blicke voneinander und kletterten danach aus dem Boot. Der magische Moment zwischen ihnen war vorbei. Leider.

Da Quincy Angst hatte, erneut von einem Strudel aus wirren Gefühlen verschluckt zu werden, versuchte sie sich abzulenken, indem sie grinsend fragte: „Wer hat Lust auf Zuckerwatte?"

„Oh ja!", jubelte Isla direkt begeistert.

„Dann mal los!"

An jenem Nachmittag aßen Quincy, Isla und Dale nicht nur Zuckerwatte. Sie fuhren Achterbahn und Karussell. Selbst Armbrust- und Torwandschießen probierten sie aus.

Quincy hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr.

Auch wenn sie vorher bereits eine Vermutung gehabt hatte, hatte der Tag sie in ihren Gefühlen bestärkt.

Quincy hatte sich in Dale verliebt. Hals über Kopf. Einfach so.

... doch für eine Beziehung war noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen ...

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