19. Toby, wegen dem ich andauernd am Verrecken bin

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Als wir Zuhause ankommen, ist es schon nach sechs und wäre es nicht so warm, könnte man die langsam schwindende Sonne als Eintreffen der Nacht bezeichnen. Auf dem Rückweg habe ich kein Wort mit meiner Mutter geredet. Sie auch nicht mit mir. Ich dachte, ich bekomme Ärger, aber sie hat nur stur gerade aus geschaut und irgendwann das Radio angemacht. Die Tür ist nicht abgeschlossen und im Flur treffe ich auf Toby, der wohl gerade auf dem Weg irgendwohin ist. Er tippt irgendwas auf sein Handy ein, steckt sich die Kopfhörer in die Ohren und bemerkt mich.

„Wie ist es gelaufen?“, fragt er und nimmt einen Stecker wieder raus. Mein Blick ist Antwort genug.

„Wo gehst du hin?“ Er weist an seinem Körper herab und mir fällt auf, dass er seine Sporthosen und die Fußballschuhe trägt. Die Tür geht hinter mir wieder zu und die Erzeugerin zieht ihre Schuhe und den übertriebenen Blazer aus.

„Ich komme mit.“

„Du wirst dich langweilen, Z“, antwortet er und schultert seine Tasche.

„Ich mag Fußball.“

„Du bist bloß zu blöd um Baseball zu verstehen.“

„Du doch auch.“ Darauf weiß er keine Antwort mehr und ich verschränke die Arme.

„Na gut, wenn du willst“, erlaubt er es mir dann und wir gehen, ohne uns zu verabschieden. Toby fährt mit einem riesigen Skateboard und erklärt mir, dass das ein Longboard ist. Da ist sogar noch knapp Platz für uns beide drauf. Er hält mich an der Hüfte fest, während er Schwung nimmt und gleichzeitig seine Tasche handhaben muss.

„Wieso hast du nicht deine neuen Sachen angezogen?“, fragt er mich, während wir die Straße runter rollen.

„Hatte keine Zeit“, zucke ich mit den schultern und versuche mich nicht für die zugegeben peinlich schlabbrigen Klamotten zu schämen.

„Naja, ist ja auch egal, was du trägst. Bleibst so oder so hässlich“, feixt er und macht einen kräftigen Rückstoß.

„Liegt in der Familie“, gebe ich trocken zurück und er lacht laut auf. Der Sportplatz ist nicht weit von der Schule entfernt und Toby erklärt mir, dass er auch in der Schulmannschaft spielt, aber es ihm da „zu einfach“ ist. Ich lache ihn aus, weil er niemals so gut ist, wie er sagt. Als ich mich verschlucke und fast vom Board falle, springen wir beide im letzten Moment runter und beschließen den Rest des Weges zu laufen. Es ist nicht mehr weit und wir müssen nur noch in eine kleine Siedlung rein. Dahinter ist der Platz. Man hört es schon vom Weiten. Nicht, dass die Musik anhaben oder so, nein. Sie brüllen sich an. Ist ja nervtötend. Aber das kann ich Toby nicht schon sagen, bevor wir überhaupt angekommen sind. Das wäre ja fast sowas wie ein Triumph für ihn. Der Platz ist ziemlich groß und am Rand sind keine Tribünen, aber Bänke.

„Ist ja schließlich kein Stadion“, erklärt Toby mir grinsend, drückt mir das Board in die Hand und die Tasche und joggt dann zu seinen Kumpels. Es sind vielleicht zwanzig Typen in seinem Alter. Ein paar sind etwas jünger, aber nicht allzu sehr. Prüfend blicke ich über sie hinweg, sehe aber weder Liam noch Anthony. Liam kann bestimmt kein Fußball spielen und von Anthony wollen wir lieber gar nicht erst anfangen. Überhaupt, ich sollte nicht so sehr an ihn denken. Stattdessen beobachte ich, wie sich die Typen warm machen und dann irgendwelche Übungen machen. Einiges sieht echt bescheuert aus. So eine Mischung aus dämlichen hin und her Gerenne und Knie hochziehen. Die Dehnung sieht auch sehr maskulin und elegant aus. Fuß nach vorne, Bein strecken und mit den Händen an die Füße. Absolut bescheuert. Das habe ich definitiv nicht vermisst in der Online-Schule. Falls ich das später auch machen muss, dann schwänze ich Sport. Wirklich, ist ja nervtötend. Und mir wird kalt. Warum trainieren die auch abends? Es wird immer später und die Sonne verpisst sich und ich schreie sie an, dass sie verdammt nochmal bleiben soll. Toby sehe ich schon gar nicht mehr in der Menge. Die spielen jetzt alle mit farbigen Leibchen und ich stelle fest, dass ich Fußball doch langweilig finde. Passiert da denn noch was? Außer, dass ich hin mich hin und wieder unter einem Ball wegducken muss, bleibt meine körperliche Beteiligung im Grenzbereich. Nahe Null. Da fehlt nicht mehr viel bis zur absoluten Enthaltung. Das ändert sich allerdings schlagartig, als ich vom Klischee gekonnt eins in die Fresse bekomme. In Form eines Balls. Er trifft mich etwas unterhalb und rechts neben der – Ach was, volle Ladung von oben bis unten. Wow, der hat gesessen. Ich fliege rückwärts von der Bank und kurz wird alles etwas schwarz und die Ränder meines Blickfeldes Flimmern, bis sich der Schmerz ausbreitet. Nicht sonderlich stark, aber durchaus wahrnehmbar. Irgendwo zwischen Blutabnehmen und Einlauf einführen. Sonst werde ich immer nach einer Stufe gefragt. Das hier ist eine glatte Sieben. Meine Gedankengänge haben die letzten Sekunden wohl ziemlich erfolgreich das Gewusel um mich herum ausgeblendet. Ich liege immer noch flach auf dem Rücken und – ach, wie lustig – eine halbe Fußballmanschaft beugt sich über mich. Sie denken meinen Namen zu schreien macht es ja so viel besser.

„Ist ja gut“, murmele ich und mir wird unter die Arme gegriffen. Meine Nase schmerzt und in der Senkrechten fängt es auch noch zu allem Überfluss an zu bluten. Einige hauen wieder ab, andere kommen und glotzen mich an. Nicht, dass mich das stören würde, ist ja nichts Neues für mich.

„Z? Z, jetzt antworte bitte“, kristallisiert Toby' s Stimme sich heraus und er drückt mir irgendwas unter die Nase. Das Blut, das er nicht aufhalten konnte, läuft in meinen Mund und ich muss kichern. Ich mag das Salzige. Es beruhigt irgendwie. Über den hellen Stoff hinweg mustere ich meinen Bruder und ziehe die Augenbrauen zusammen. Mir fällt auf, dass ich jetzt schon zwei Mal wegen ihm am Verrecken bin. Erst der Kopfstoß und jetzt das.

„Stopfst du mir gerade ernsthaft dein Trickot in die Nase?“, frage ich ihn, doch er kann nicht lachen.

„Das wäscht du schön selber, Freundchen“, herrscht ihn sein plötzlich auftauchender Trainer an. Dann besinnt er sich auf mich und schüttelt kurz den Kopf.

„Kann jemand sie abholen? Braucht sie einen Arzt? Ich meine...“, stottert er zum Ende hin.

„Keine Angst, ich sterbe schon nicht“, sage ich trocken und ziemlich nasal.

„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“, fragt er und sein Blick auf die Uhr unterstreicht sein Mitgefühl ungemein.

„Geht schon. Wie lange macht ihr noch?“, frage ich.

„'Ne halbe Stunde“, antwortet der Typ mir.

„Dann geh ich nach Hause“, sage ich und stehe auf. Toby drückt mich an den Schultern zurück, aber sein nackter Oberkörper macht ihn jetzt nicht wirklich autoritär.

„Vergiss es. Ich bring dich“, murmelt er und holt aus der Tasche eine Trainingsjacke, die er sich überzieht.

„Das Training ist noch nicht beendet, Morell“, knurrt sein Trainer schon fast. Erst jetzt fällt mir seine Hässlichkeit auf. Mittleres Alter, Platte und ein Bierbauch vom Feinsten. Als Trainer genau so überzeugend, wie Toby als Ballerina.

„Ich komm' nächstes Mal früher“, sagt Toby nur fest und hilft mir dann wieder hoch.

„Wenn sie gebrochen ist, fahren wir sofort in die Notaufnahme“, murmelt er mir noch ins Ohr, greift sein Board und nimmt meine Hand. Mit der anderen drücke ich den Blutfluss ab und wir brauchen diesmal deutlich länger nach Hause zu kommen.

„Warum hat der so rumgezickt?“, schniefe ich und schlucke das Blut in meinem Rachen runter, während wir die Siedlung verlassen.

„War letzte Woche schon nicht da“, zuckt er mit den Schultern. Wegen mir. Weil er mich abgeholt hat.

„Tut mir leid.“

„Ja ehrlich Zoe, stell dich nächstes Mal weniger dämlich an“, grinst er schon wieder.

Als wir ungefähr die Hälfte geschafft haben, hält er kurz an und nimmt das Ding von meinem Gesicht. Ein weiterer Schwall ergießt sich über seine Hände und mein Oberteil.

„Vergiss es, wir fahren ins Krankenhaus“, murmelt er und presst „Morell, Nummer 17“ wieder ins Zentrum meines Gesichts. Dann kramt er aus seiner Tasche sein Handy.

„Hast du die SIM-Karte nicht zerschnitten?“, frage ich ihn.

„Hab 'ne neue gekauft“, antwortet er, bevor er den Finger hebt und mit der Tante am Hörer redet.

„Die sind in zehn Minuten da. Du sollst dich hinsetzen, wenn dir schwindelig wird und nicht einschlafen oder sowas“, informiert er mich und wir setzen uns auf den Bordstein.

„Ich kratz' schon nicht ab“, murmele ich und wäge kurz ab, was mich mehr stört. Das Blut oder die Schmerzen? Beides nicht sonderlich cool.

„Sagst du so einfach.“

„Halt die Klappe, kleine Schwester“, grummelt er und ich lege meinen Kopf auf seine Schulter, bis wir abgeholt werden.

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