36. Die Kreise am Himmel, die immer größer werden

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Der weitere Tag verläuft verhältnismäßig ruhig. Ginger und ich verbringen die meiste Zeit zusammen während der Pausen, wenn wir nicht sogar zusammen Kurse besuchen. Und obwohl ich sie eigentlich nicht leiden können mag, geschieht das Gegenteil. Wir ranzen uns gegenseitig an und hin und wieder lachen wir darüber. Ich bleibe dabei sie Ginger zu nennen und sie wechselt zwischen Zoe und Morell. In Sport setzen wir uns an den Rand und werfen den Freaks hin und wieder Bälle an den Kopf. Am Ende liege ich sogar vorn mit den Treffern, obwohl ich ein absolut unsportlicher Mensch bin. Irgendwann scheucht uns allerdings der Coach von der Bank. Ich bin mir nicht sicher ob er oder sie eine Frau oder ein Mann ist, Ginger tippt auf irgendwas dazwischen.

„Jetzt bewegt eure eingeschlafenen Hintern, Ladies!“, brüllt sie uns hinter her. Für die nach hinten gestreckten Mittelfinger ernten wir beide Nachsitzen.

„Du hast 'n schlechten Einfluss auf mich“, murre ich und wir müssen beide lachen wie die Bekloppten. Meins erstirbt allerdings, als auf einmal Jesus in der Halle steht und der Coach uns wieder zu sich ruft.

„Mein Augenstern“, begrüßt er mich und ich versuche erfolglos Gingers dämliches Kichern zu ignorieren.

„Mr Birch“, entgegne ich und bin verdammt stolz, dass ich mich noch an seinen Namen erinnern kann.

„Wie geht es dir? Alles in Ordnung? Den Schock schon verdaut, Liebes?“, strahlt er mir entgegen. Er denkt wohl, ich hätte gestern noch 'ne große Siegesfeier gemacht.

„Schock trifft es auf jeden Fall ziemlich gut“, brumme ich in mich hinein.

„Ach Süße, es freut mich so sehr, dich unterstützen zu dürfen und dein unsagbares Talent der Welt“, hierbei macht er eine ausladende Geste, wobei er dem Coach mit ausgestreckten Armen eine reinhaut „präsentieren zu dürfen. Entschuldige Schätzchen.“ Letzteres ging an den etwas verärgert drein schauenden Coach. Ich glaube die würde ihm am liebsten ebenfalls Nachsitzen aufbrummen.

„Keine Ursache“, komme ich wieder auf das Gespräch zurück und weiß nicht so recht, ob ich jetzt will, dass er geht, was bedeuten würde, dass Ginger und ich weiter rennen müssten, oder, dass er uns weiter volllabert und ich verzweifle. Schwere Entscheidung.

„Ich wollte dir auch eigentlich nur sagen, dass ich mich um deine Extrastunden gekümmert habe.“ Ach, leck mich doch.

„Am Samstag um zehn?“, scherzt Ginger. Obwohl, bei ihr bin ich mir nicht sicher, ob sie es nicht sogar ernst meint.

„Schnauze“, knurre ich sie daher an.

„Ist sie nicht fantastisch?“, flüstert Jesus ehrfürchtig zum Coach, die ihm einen ziemlich irritierten Blick zuwirft.

„Jaja, ein Wunderkind. Ich weiß“, verdrehe ich die Augen. Kann man hier nicht mal jemanden anschnauzen, ohne gleich wieder als neue Saoirse Ronan zu gelten? Dieses tote Mädel aus „In meinem Himmel“? Naja, richtig tot ist sie ja nicht. Also irgendwie schon, aber sie befindet sich ja 'n Großteil der Geschichte in dieser Zwischenwelt.

„Liebes?“, reißt mich Birch aus den Gedanken und Ginger boxt mich in die Seite.

„Bist du bescheuert?!“, fauche ich Ginger an, die mir einen Blick zuwirft, der mich langsam begreifen lässt. Ich schaue wieder zu Birch, der seine Frage nochmal wiederholt.

„Ob es für dich passen würde, deinen Extrasportkurs morgen gegen unsere gemeinsame Stunde zu ersetzen? Miss Williams hat selbstverständlich schon ihr Einverständnis dazu gegeben.“ Sport oder zum Affen machen? Tod oder Doppeltod?

„Was hätte ich denn für einen Extrakurs?“ Jesus runzelt die Stirn und es wirkt fast so, als würde ihm die Brille von der Nase rutschen.

„Ich glaube Cheerleading.“

„Also morgen dann in der Aula, richtig?“

Das Nachsitzen gestaltet sich ziemlich ruhig. Tatsächlich tun wir nichts anderes als in einem Raum zu hocken und auf die Uhr zu starren. Eine junge Lehrerin, die dauerhaft in ihr Taschentuch rotzt hat die Aufsicht und entlässt uns ein paar Minuten früher, als sie bei einem Hustenanfall fast kotzen muss. Wie kann man denn bei der Hitze krank werden? Mir soll es ja egal sein, war ja außerhalb ihrer Reichweite beim Bakterienverteilen. Erwähnenswert ist eigentlich nur noch, dass Barbossa noch lebt und ich anfange ihm Kunststücke beizubringen. Obwohl ich vielleicht lieber beginnen sollte, ihm das „Gegen-die-Wand-Rammeln“ abzugewöhnen. Der bringt sich damit irgendwann noch selbst um. Oder ich polstere das aus. Mit dieser Folie in der diese kleinen Luftblasen sind, die man immer platzen lässt. Damit habe ich mich nach meinem ersten Rückfalls mal versucht zu ersticken. Hat nicht so recht funktioniert. Obwohl ich mir meinen selbst zusammen gebastelten „Hut“ echt stramm über Mund und Nase gezogen habe. Aber irgendwann kommen dann halt Schwestern rein. Und dann findet man sich erneut bei der Psychologin wieder. Obwohl die schon um einiges beeindruckter war als bei der Sache mit dem Kissen.

„Also mit so einer Folie hat es echt noch keiner versucht“, waren ihre Worte. Und ich muss zugeben, das hat mich stolz gemacht. Und eben weil ich weiß wie weich dieses Zeug ist, wäre das verdammt gut für Barbossa. Wenn der noch länger gegen den Rand rasselt, zermatscht der sein kleines Hirn irgendwann komplett. Und davon hat er doch schon so wenig. Ich sollte mir sowas wirklich kaufen. Die Extrastunde am Freitag ist lang und länger und ich will nach zehn Minuten reinhauen, aber Birch liebt mich mit jedem Wort mehr. Ich weiß echt nicht was ich da falsch mache. Ich gebe mir ja nun wirklich alle Mühe, dass er mich hasst, die Rolle wieder dieser komischen Tante deren Name ich schon wieder vergessen habe zurück gebe und mich am besten noch von der Schule wirft. Aber nein, er lobt mich durchgehend und ich hätte jetzt auch gerne ein Goldfischglas zum Gegenrennen. Wenigstens muss ich keinen Text lernen. Er sagt, dass ich mir damit Zeit lassen kann. Was ich allerdings nicht verstehe, weil diese Show ja schon in ein paar Wochen ist. Aber gut, wenn er das sagt, soll es mir egal sein.

„Fühl dich in Hermia ein, spüre sie, sei sie! Ich weiß, dass du das kannst, mein Herzblatt.“ Okay. Langsam aber sicher wird es unheimlich. Sowohl der erste, als auch der zweite Satz.

„Du musst nicht sprechen. Bewege dich einfach. Das ist schon in Ordnung. Was würdest du gerne darstellen?“

„Ihren Tod.“ Er nickt wissend und fässt sich ans Kinn. So wie Toby, als er mich in diese Scheiße reingeritten hat.

„Das ist gut, sehr gut. Sie stirbt zwar nicht, aber ich mag deine Art ihre Rolle zu interpretieren.“ Nachdem ich mich den Rest der Stunde einfach flach auf die Bühne gelegt habe und wohl irgendwann eingeschlafen bin, darf ich endlich gehen.

„Geht es dir gut, Schätzchen? Mit deinem Krebs alles in Ordnung?“, fragt Birch mich allerdings noch in der Tür. Weil ich gepennt habe? Also bitte.

„Also momentan habe ich ja einen Goldfisch.“ Dumme Fragen bitten nach dummen Antworten. Und ich glaube er überlegt gerade ernsthaft, ob das eine Krankheit ist.

„Er heißt Barbossa.“ Ah, er checkt es.

„Schönes Wochenende, Kleines. Ruh dich gut aus.“ Wer' s glaubt. Den Bus habe ich natürlich verpasst, aber glücklicherweise läuft Liam mir über den Weg. Den habe ich jetzt gerade gebraucht. Er nimmt mich auf seinem Moped mit und bringt mich bis vor die Haustür. Anscheinend hat Anthony auch dicht gehalten. Liam spricht mich nicht auf die Sache an. Eigentlich sitze ich wirklich nur hinter ihm und am Gartentor setzt er mich ab. Er fragt mich nur noch, ob ich auch zu irgendeinem Fest komme, dass wohl noch stattfinden soll. Ich hab keine Ahnung wovon er spricht, sage aber erstmal vorsorglich „Nein.“. Er überredet mich zu einem „Vielleicht“. Und als er fährt kommt Toby mir im Flur entgegen, der gerade duschen gehen will.

„Gehst du da hin?“

„Zum Mitternachtsfest?“, fragt er und setzt sich kurz auf die Treppe.

„Nein, zur Parade am 4. Juli“, antworte ich nüchtern.

„Okay okay“, hebt er abwehrend die Hände, muss dann aber grinsen.

„Und ja, wir gehen da hin.“ Achso. Wir gehen da hin.

„Es wird dir gefallen Zoe. Es gibt Essen, so 'ne Art Fahrgeschäfte und irgendwann, wenn die Alten alle besoffen sind, fangen wir am Waldrand an zu kiffen und so 'n Kram.“ Hört sich interessant an.

„Und was feiert man da?“

„Nutten oder so. Nein, keine Ahnung. Sterne glaube ich. Da stehen auch überall solche Heuwagen rum, auf die man sich rauflegen kann. Obwohl ich die Leute da nicht so wirklich verstehe.“ Er macht eine dramatische kleine Pause. „Da stellen die einem schon extra ein Bett hin und wenn man es dann zum Vögeln nutzt, regen sie sich auf.“ Oh Toby.

„Also mach dich hübsch. Bin in ungefähr drei Stunden fertig, dann kannst du auch ins Bad. Aber beeil dich bitte, wir wollen ja nicht zu spät kommen“, meint er noch und verschwindet nach oben.

Also eins muss man Toby lassen, er hat immerhin nicht übertrieben. Es gibt eine Geisterbahn, das kleine angrenzende Wäldchen und überall was zu Essen. Viel mehr ist diese Anreihung an ein paar hundert Bäumen nicht, obwohl ich nicht wusste, dass es die überhaupt hier gibt. Wir sind ja nicht mal so lange hier her gelatscht. Vielleicht zwanzig Minuten. Diesmal allerdings nicht in Richtung Supermarkt, sondern nach rechts. Und den Teil kannte ich vorher noch nicht. Ich kannte das Krankenhaus und alles links die Straße runter so halbwegs. Das Mitternachtsfest ist tatsächlich so ein komisches Fest, um sich die Sterne anzusehen. Alle die irgendwas verkaufen haben Ketten oder Ohrringe mit den besagten Anhängern um und sehen abgrundtief bescheuert aus. Typen mit gelben Strippen um den Hals gebunden sind nicht so meins. Olga ist übrigens auch da. Sie verkauft russischen Zupfkuchen oder so. Vielleicht waren es auch Pommes, ich hab nicht so drauf geachtet. Als sie und Toby angefangen haben sich abzulecken, habe ich mich abgewandt und bin völlig überraschend Liam und Anthony in die Arme gelaufen. Super. Zunächst laufen wir alle noch über die kleine Wiese und stopfen uns mit Burgern voll. Auf nüchternem Magen soll man nichts rauchen, das ist schlecht für die Gesundheit. Da aber alle noch ziemlich nüchtern sind, können wir noch nicht anfangen und stehen eine Weile dumm rum. Bis Toby vorschlägt in diese winzige Geisterbahn zu gehen. Mehr als widerwillig lasse ich mich mit ziehen und wir reihen uns in die sogar ziemlich lange Schlange ein. Kurz bevor wir dran sind zieht Toby mich plötzlich neben das Zelt in einen kleinen schattigen Platz und drückt mir einen Joint in die Hand.

„Wo zur Hölle hast du den jetzt her?“, wispere ich, nehme aber einen tiefen Zug. Er nickt Richtung Olga, die vor uns steht und den anderen die Sicht versperrt. Immerhin dazu ist sie gut. Muss man ihr lassen. Wir lassen den letzten Stummel abbrennen und Toby tritt noch aus, bevor wir zu den anderen zurück gehen und schon rein können. Die Bahn, die tatsächlich einen Wagen mit mehreren Waggons beinhaltet, ist größer als gedacht. Von draußen sah das echt klein aus. Toby und Olga setzen sich in nebeneinander und ich verzichte auf sowohl Liam, als auch Anthony als Sitznachbar. Die zwei setzen sich hinter mich. Und ich bin gerade schon ganz schön gut drauf. Obwohl ich das Ding nicht mal alleine gezogen habe. Vielleicht vertrage ich ja einfach nichts. Haben wir eigentlich Karten gekauft? Muss man nicht irgendwo bezahlen? Als es ruckartig losgeht, vergesse ich das ziemlich schnell und konzentriere mich auf die Farben. Unglaublich wie bunt das hier ist. Ich kann die Viecher, die hier rum schwirren zwar nicht alle komplett erkennen, aber jetzt mal im Ernst: Dieses Leuchten ist genial. Ich finde das echt super. Da kommt was Grünes auf mich. Soll das einen Riesenpopel darstellen? Olga soll ihre Fresse halten, die kreischt unentwegt. Ich beuge mich weiter vor, also zur Seite um diese ungruseligen Figuren zu berühren. Wobei ich allerdings nicht mit Anthony gerechnet habe, der auf einmal meinen Arm berührt und mir sagt, dass ich nicht raus fallen soll. Dabei bewirkt er aber genau das. Er erschreckt mich zu Tode, der Penner. Ich komme dem Licht entgegen spüre die Schienen des Wagens an meinen Knien und der Schulter. Verdammte Scheiße, das tut weh. Und mein Waggon? Der fährt einfach weiter. Ich würde ja gerne hinter her rennen, aber wie gesagt, ich vertrage einfach nichts. Meine Füße sind zwar schnell, aber mein Oberkörper schneller und ich packe mich immer wieder hin. Mein Gott, ist das hell hier. Oder dunkel? Irgendwas Starkes auf jeden Fall. Vielleicht sollte ich einfach gehen. Also nicht rennen meine ich damit. Das macht mich irgendwie sicherer. Ist das hier ein Labyrinth oder warum finde ich nicht raus? Und dann wird es plötzlich wirklich hell. Ich glaube die haben gerade eine Lampe angeknipst. Ich höre den Schalter, als er umgelegt wird. Wie bei Jurassic Park, wo die blonde Frau den Strom wieder anstellt und dann der kleine Junge, der zu blöd ist einfach den Zaun runter zu klettern eine gewischt bekommt. Und das macht mir gerade verdammt nochmal Angst. Vielleicht kriege ich ja auch gleich einen Stromschlag und muss wiederbelebt werden von einem alten Mann. Ist bestimmt eklig so jemanden zu küssen.

„Miss?“ Schock des Tages, nein, Schock des Lebens Nummer zwei. Ich springe zur Seite und knicke dabei wenig elegant um, als ich über die eine Schiene falle. Dass mich der riesige Typ, der auf einmal da ist, noch mein Handgelenk greift und mich zurück zieht, bringt auch nichts mehr.

„Ist alles in Ordnung, Miss?“, fragt er und ich nicke. Außer, dass ich meinen Knöchel nicht spüre. Es ist ja nicht mal so, dass er weh tut. Nein, als wäre er nicht mehr da. Der Kerl erklärt mir irgendwas, von wegen er arbeite hier und bringe mich jetzt raus. Er legt meinen Arm um seine Schulter, die tausende von Metern über mir ist und stützt mich ins Freie.

„Zoe“, empfängt mich Toby. Und wo kommt der jetzt auf einmal her? Ich sehe mich um. Wir stehen wieder vor dem Eingang, beziehungsweise Ausgang. Toby schlägt vor mich zu einem Heuwagen zu bringen und nimmt mich Huckepack. Ich fühle mich wie ein Cowgirl. Was machen die eigentlich für Geräusche? Muhen die? Oder schnalzen die mit der Zunge? Ich entscheide mich für' s muhen, bis Toby mich auf einer Ladung pieksendem Stroh ablädt. Und dann ist er weg und ich starre in den düsteren Himmel. Diese Lichter da oben, die Punkte, die sind heute irgendwie ziemlich nahe. Als könnte ich sie greifen und herunter ziehen. Kann man die essen?

„Toby?“, rufe ich irgendwann nach ihm.

„Er holt was für deinen Knöchel, Zoe“, antwortet mir entweder Liam, Anthony oder Olga. Das kann ich gerade nicht auseinanderhalten. Aber Toby kommt nicht wieder. Und ich blicke weiter nach oben. Es tut ja immer noch nicht weh. Es ist einfach nur taub.

„Schläft sie?“

„Nein sie schläft nicht“, antworte ich auf die Frage, die wohl nicht an mich gerichtet war. Ist das Toby? Ich blicke an mir herab und sehe ihn tatsächlich. Er hält irgendwas an meine Fessel.

„Mir geht’s wirklich gut, okay?“, erkläre ich ihm. Außer, dass ich das Gefühl habe, mein Fuß sei weg. Einfach verschwunden.

„Ich weiß, Z.“ Das ist schön, Toby, sehr schön. Und dann sind da wieder diese Punkte. Weiß. Oder gelb. Vielleicht auch eine Mischung, sie sind wunderschön. Ich blicke zur Seite. Olga ist weg. Liam ist weg. Toby ist weg. Und Anthony ist da. Er drückt mir was in die Hand und die Kippe tut so gut.

„Du bist süß, wenn du drauf bist, Zoe.“ Komm schon, ein Joint. Oder waren es zwei? Ist das hier einer? Ich halte mir den Stummel vor die Nase und versenke mein Shirt. Es riecht nach Gras. Eindeutig, Gras.

„Ich werde dich nicht vögeln, Anthony. Das mögen die Leute hier nicht“, erkläre ich ihm und beobachte wieder die Kreise im Himmel.

„Schon okay.“ Da klebt was an meinen Lippen und das Stroh piekst nicht mehr in meinen Rücken, sondern in meine Seite. Und dann piekst gar nichts mehr. Ich liege auf etwas Weichem und kann nicht mehr sprechen. Da versperrt mir etwas die Sprache. Und die Kreise werden immer größer.

Meine Decke ist weiß. Das weiß ich genau. Mein gesamtes Zimmer ist nämlich weiß. Die Decke, die jetzt über mir ist, ist aus Holz. Das ist nicht mein Zimmer. Oder habe ich die Augen zu? Und wo verdammt bin ich? Nein, meine Augen sind auf. Vorsichtig setze ich mich auf. Und stoße mit dem Kopf gegen eine Dachschräge. Scheiße. Bitte, bitte nicht. Sehr langsam schaue ich zur Seite und sehe das, was ich nicht sehen wollte. Anthony. Mindestens oberkörperfrei. Mit mir in einem Bett. In seinem Bett. Bevor ich zu hyperventillieren beginne, sehe ich unter die Bettdecke, die Anthony und ich uns übrigens teilen. Meine nicht zusammen passende Unterwäsche lacht mir entgegen. Heiliger Klabautermann. Bedacht darauf ihn nicht zu wecken, krieche ich aus Anthonys Bett und bleibe lieber auf allen Vieren, während ich zu dem Loch in seinem Boden krabbele. Am Ende stoße ich hier wieder gegen irgendeinen Pfosten oder eine Dachschräge. Auf der Treppe fällt mir dann aber noch ein anderer Grund ein, warum laufen gerade nicht so günstig ist. Etwas durchzuckt meinen Knöchel und ich rutsche ab. Unsanft poltere ich in den zweiten Teil von Anthonys Zimmer und bleibe auf dem Hintern sitzend und die Luft anhaltend. Bitte, lass es ihn nicht geweckt haben. Ich höre keine Schritte und sehe mich daher nach meinen Klamotten um. Da ich sie aber nicht finde und die ganze Zeit auf dem nicht schmerzenden Fuß hüpfe, greife ich mir eine Steppdecke, die auf der Couch liegt und wickel mich damit irgendwie ein. Ich taste mich an der Wand zur Tür und lausche. Scheint wieder niemand da zu sein. Was zur Hölle ist mit meinem Knöchel passiert? Und die noch viel größere Frage: Warum verdammte Scheiße bin ich neben Anthony in seinem Bett aufgewacht? Ich will gar nicht wissen, was der Grund dafür ist. Halb humpelnd, halb springend kämpfe ich mich über den Flur und finde glücklicherweise ein Telefon auf einem kleinen Tisch neben der Treppe. Jetzt müsste ich nur noch Tobys Nummer im Kopf haben. Verdammt. Allerdings ist unsere Nummer von Zuhause eingespeichert, was ich irgendwie nicht verstehe. Ich meine, das hier ist das Telefon von Anthonys Familie und nicht sein Handy. Wenn ich Pech habe, geht Dad ran. Aber ich finde, dass ich in der letzten Zeit – ach was, in der letzten Nacht schon allein – verdammt wenig Glück hatte. Da kann ich doch jetzt mal wieder welches bekommen. Meine Finger zittern. Und ich habe kein Gleichgewicht. Und achja, ich stehe an das Geländer von Anthonys Obergeschoss gelehnt und rufe bei mir Zuhause an. Es tutet eine Weile.

„Hallo?“

„Hi Dad.“

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