37. Mom, die auf einmal in der Tür stand

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Ein paar Sekunden lang rauscht es, dann fängt es an zu tuten. Meine Güte Toby, jetzt geh endlich an dein beschissenes Telefon! Mit Dad in der Notaufnahme sitzen ist echt kein Kindergeburtstag. Vor allem, weil er natürlich den Chefarzt raushängen lassen muss und jede Minute die wir länger warten müssen, unhöflicher zu den Schwestern wird. Ist ja nicht so, dass er sie nahezu belästigt. Am Anfang habe ich mich noch für ihn entschuldigt bis mir aufgefallen ist, dass ich Zoe bin und mir Schokoriegel aus dem Automaten besorgt habe und ihn dabei beobachtet habe. War wirklich sehr interessant zu sehen, dass er tatsächlich ein Arschloch sein kann. Zu Mom natürlich nicht, nein, sie ist ja auch nur die Frau, die ihn betrogen hat. Seinen Frust lässt er an seinen Kollegen aus. Obwohl er jetzt ja nicht mal arbeitet, sondern wegen mir hier ist. Vorhin hat er mich sofort abgeholt und darauf bestanden ins Krankenhaus zu fahren. Er hat zwar selbst festgestellt, dass er einen Bänderriss ausschließt, da ich keinen blauen Fleck, sondern nur eine monstermäßige Schwellung habe, aber „Ausnahmen gibt es ja immer“. Tja, jetzt sitzen wir hier zwischen lauter ebenso sterbenskranken Menschen wie ich und meine Riegel sind alle. Ich überlege nochmal zu rollen, aber beim letzten Mal bin ich auf dem Weg den Gang zwischen den ganzen Patienten raus jedem zweiten über den Fuß gerollt. Nicht, dass ich das nicht lustig fand, aber ich glaube nicht, dass ein zweites Mal so unterhaltsam wäre. Den Rollstuhl hat er mir übrigens auch aufgedrängt. Und daher versuche ich die ganze Zeit Toby zu erreichen, damit der Dad ablöst. Der soll arbeiten gehen oder nach Hause oder wo auch immer hin. Auf jeden Fall weg von mir. Er nervt extrem.

„Zoe, du brauchst deinen Bruder nicht holen. Ich habe Zeit.“ Das ist ja das Problem, meine Fresse. Ein Versuch noch, nur einer noch. Mailbox, fick dich doch.

„Morell, Zoe?“, steht auf einmal eine Krankenschwester neben der Tür zu den Behanldungsräumen. Dad springt schon förmlich auf und schiebt mich an der Schwester vorbei in ein Zimmer.

„Ah, Doktor Morell, Sie sind es“, begrüßt sie ihn und ihr Blick ist unergründlich. Auf der Behandlungsliege muss ich nochmal gefühlte Stunden warten, bis jemand kommt. Die Ärztin ist jung und ich weiß, dass Dad ihr über die Schulter schaut. Dauernd verbessert er sie oder fragt sie etwas. Mein Gott, es ist nur der Knöchel.

„Wieso“, reicht es der Frau irgendwann, „sind Sie überhaupt her gekommen, wenn Sie das ohnehin viel besser können oder wissen, Mr Morell?“. Sie betont damit, dass er momentan nicht im Dienst ist. Sie ist schlau. Okay, sie ist Ärztin, das sind immer Streber.

„Weil ich Zuhause keine Möglichkeit habe zu röntgen“, antwortet Dad und ich weiß nicht, ob er gerade verwirrt oder genervt ist.

„Das ist auch gar nicht nötig. Zoe hat eine Bänderdehnung, da brauchen wir nicht zu röntgen.“ Oh oh, jetzt geht’s los.

„Das ist ja wohl ein Witz. Was meinen Sie, weshalb ich in die Notaufnahme gefahren bin? Wie lange sind Sie schon im Dienst? Haben Sie in Ihrem Studium gelernt, dass es keine Abweichungen der Normalitäten gibt? Wenn ja, dann erzählen Sie doch bitte mehr darüber.“ Wow, das war jetzt echt peinlich. Also für mich.

„Mr Morell, wenn Sie darauf bestehen, können wir natürlich röntgen, aber ich denke wirklich, dass das nicht nötig ist“, versucht sie sich zu beherrschen und höflich zu sein. Ich könnte ja auch mal was dazu sagen und meinen Senf dazu geben, aber dann würde mir dieses Entertainment hier ja fehlen.

„Zoe, was sagst du dazu?“ Och manno.

„Passt. Ich muss nicht noch ein paar Stunden länger hier hocken.“ Triumphierend lässt die Ärztin ein Lächeln zu und im Moment stelle ich mir die beiden wie zwei kleine Kinder vor, die über irgendwas streiten und dann ihre Mutter gefragt haben, wer denn nun Recht hat. Tja, Mama Zoe hält lieber zu einer wildfremden Ärztin als zu ihrem eigenen Vater. Das sollte ihm zu Denken geben. Nachdem mein Fuß mit so einer Salbe eingeschmiert, bandagiert und in eine Schiene gesteckt ist, bekomme ich noch eine Sportbefreiung und hinter vorgehaltener Hand den Hinweis möglichst bald auszuziehen. Wem sagt sie das?

„Was ist mit Krücken?“ Immerhin den Gefallen tut sie Dad und ich bekomme ein paar wunderschöne pinke Stelzen.

„Wirst du höchstens die ersten Tage brauchen. Benutz sie, solange du möchtest“, flüstert sie mir noch so halb zu und dann macht sie in normaler Lautstärke einen Termin für nächste Woche Samstag aus, wo ich wieder kommen soll. Die ganzen Zettel stecke ich in meine Hosentasche. Meine Sachen habe ich bei Anthony übrigens nicht wieder gefunden. Musste Dad darum bitten welche mit zu bringen, was mir einige dämliche Kommentare und Blicke eingebracht hat.

„Diese Ärztin war ja wirklich unmöglich. Ich werde mich mal mit deren Stationsoberarzt unterhalten“, beschwert Dad sich auf dem Weg zum Auto, nachdem ich mir noch 'ne Cola geholt habe.

„Können wir zum McDrive?“, frage ich ihn, als wir losgefahren sind und haarscharf einer Oma im Rolllator ausgewichen sind.

„Du hast doch gerade gegessen.“ Uh, da ist jemand schlecht gelaunt.

„Das war Schokolade. Ich habe seit gestern Abend nichts Richtiges mehr gegessen.“

„Gab es bei Anthony kein Frühstück?“, fragt er bissig und ich schweige ihn so lange an, bis die Meccesfrau meine Bestellung wissen will.

„Sollen wir Toby was mitbringen?“

„Der Penner kriegt nie wieder was von mir.“ Gegen all meine Proteste kauft Dad ihm auch etwas, bevor wir nach Hause fahren. Am Gartentor kommt Olga uns entgegen und mustert mich von oben bis unten.

„Gott Zoe, was ist passiert?“ Will sie mich verarschen?

„Belass es beim Drehen von Joints. Das kannst du wenigstens. Denken ja eher nicht so“, knurre ich und sie verdreht die Augen.

„Ist das von gestern?“ Nein. Natürlich nicht. Von wann sonst, verdammte Scheiße?

„Jap.“ Ich quetsche mich irgendwie an ihr vorbei, stolpere fast mit meinen Krücken, fange mich aber glücklicherweise noch ab.

„Brauchst du Hilfe?“, fragt mich plötzlich mein nächstes Hindernis.

„Neien“, fahre ich Toby an, der mir den Eingang versperrt.

„Hattet ihr 'ne schöne Nacht, Zoe-Schatz?“, feixt er und lässt mich nicht durch.

„Wir. Haben. Nicht. Gevögelt.“ Gut, dem bin ich mir selbst noch nicht allzu sicher, aber vor Toby sollte ich das nicht zeigen.

„Lass uns reingehen und darüber reden.“ Einerseits aus Prinzip nein, andererseits wüsste ich schon gerne, was gestern alles so passiert ist. Daher lasse ich ihn mir folgen und nachdem ich es schwerfällig die Treppe rauf geschafft habe, setze ich mich auf mein Bett und lasse die McDonald's-Tüte neben mir fallen. Ungefragt nimmt Toby sich einen Burger raus und setzt sich neben mich und lehnt sich an meine Wand.

„Was war gestern los?“, frage ich, als er gerade die Gurke rausfischt.

„Du bist in der Geisterbahn rausgefallen und umgeknickt. Da haben wir dich auf einen Heuwagen gesetzt und irgendwann mit Tony allein gelassen. Achja, du warst irgendwie ziemlich bekifft für nur einen Joint.“ Das erklärt einiges.

„Und warum genau habt ihr mich und ihn alleine gelassen? Gut möglich, dass der Typ mich vergewaltigt hat.“ Toby legt ein dreckiges kleines Grinsen auf.

„Also hattet ihr doch was“, boxt er mich gegen den Arm und zwinkert übertrieben.

„Nein“, entgegne ich sehr schnell. „Ach, keine Ahnung.“

„Dann ja.“ Er spricht da aus Erfahrung.

„Ich bin nicht du, Toby.“ Er beißt nochmal ab, überlegt anscheinend.

„Wir sind uns nicht mal ähnlich.“ Er verschluckt sich und drückt mir dann seinen Zeigefinger schon fast auf die Nase.

„Das“, er schlägt einen dramatischen Ton an, „hat mich jetzt echt verletzt. Natürlich sind wir uns ähnlich, Zoe.“ Da ist jemand beleidigt.

„Sind wir nicht. Du bist ein Arschloch und vögelst dich durch die Gesellschaft“, antworte ich.

„Hey, ich hab 'ne Freundin, ja?“ Ist mir bewusst, ich hasse sie.

„Man Zoe, merkst du es nicht? Wir hassen die selben Dinge und das was wir nicht gemeinsam haben, ergänzt uns irgendwie. Weißt du was ich meine?“ Er isst auf und rutscht ein Stück an mich heran.

„Und vor allem gibt es da etwas, das wir jeweils nur zueinander haben: Irgendeine kranke Art von Vertrauen.“ Die Tränen in meinen Augen müssen vom Gras kommen. Also von letzter Nacht. Und von meinem Fuß, der wehtut, weil er zwischen Toby und mir eingeklemmt ist. Was macht der überhaupt auf dem Bett? Aber irgendwo hat Toby Recht und dann sind da seine Arme, die mich umschließen. Seine Haare riechen gut, er hat schon geduscht. Er atmet in meinen Nacken.

„Und wir lieben beide Anthony.“ Leck mich, Toby.

Barbossa ist gefüttert, ich habe geduscht und jetzt ziehen Toby und ich uns einen Horrorfilm nach dem anderen rein. Aber irgendwie wird es langsam langweilig. Die Handlungen wiederholen sich dauernd und es ist nicht mehr gruselig. Okay, „Jennifer' s Body“ ist auch nicht unbedingt ein richtiger Horrorfilm, aber Toby hatte Bock auf Titten und weil Olga ja schon weg ist, muss ich mir jetzt eine schlecht schauspielende aber grafisch ziemlich gut dargestellte Megan Fox anschauen.

„Der Film ist so unlogisch, warum holt die dämliche Blonde nicht einfach Hilfe? Nein, sie wischt das ausgekotzte Blut seelenruhig weg.“ Und das war nicht mein erster analysierender Kommentar.

„Zoe, Schnauze!“

„Boa im Ernst, als ob ihr Freund einfach mit diesem Möpsemonster mit...“, setze ich zum Ende hin an, doch Toby rollt sich hinter mich, schlingt seine Beine von hinten um meinen Bauch und drückt seine Hände auf meinen Mund.

„Schnauze habe ich gesagt!“, lacht er und ich spucke ihm seine Finger voll.

„Du bist eklig Zoe, aber ich hatte schon Schlimmeres an den Händen als deine Sabber.“ Und das wollte ich gar nicht so genau wissen. Das Weib tötet den Typ, die Blondine tötet das Weib, Ende. Was für eine Geschichte.

„Dasch wa' jetscht aba escht übarraschend“, nuschele ich durch Tobys Hand. Der lässt mich los, beugt auf der Kante der Matratze weit vor und versucht ohne aufzustehen eine neue DVD einzulegen.

„Vergiss es, jetzt suche ich aus“, kommentiere ich das trocken und schubse ihn vom Bett. Zwischen lauter Hüllen fische ich irgendwas mit viel Blut und Zombies raus. Sieht gut aus. Und es ist definitiv spannender.

„Zoe, Toby?“, ruft Dad plötzlich von unten, aber wir ignorieren synchron.

„Zoe und Toby Morell!“ Das ändert gar nichts. Und dann geht plötzlich meine Tür auf und Dad steht im Rahmen.

„Kommt bitte mal runter.“ Er ignoriert das schon beginnende Kreischen, das aus den Lautsprechern kommt.

„Warum denn?“, maule ich.

„Kommt einfach.“

„Olga ist nicht da und ich bin single.“ Okay, der war flach, Zoe. Dad will nochmal ansetzen und etwas sagen, doch dazu kommt er nicht. Mom steht plötzlich neben ihm und ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Es wirkt so verschlossen und doch, als würden wir alles wissen. Als könnte sie ihren eigenen Gedanken nicht glauben, als wäre sie überrascht. Sie starrt uns einfach nur an. Toby will noch den Ton ausmachen, aber dazu kommt es nicht mehr. Die Protagonistin wird gerade aufgespießt, als Mom den Mund öffnet.

„Oma ist gestorben.“

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