4. Das Krankenhaus, das mich nicht mehr will

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

„Das ist großartig, Zoe, einfach großartig. Die Therapie hat angeschlagen“, beendet meine Ärztin ihre Rede und hebt ihren Blick vom Klemmbrett. Sie lächelt, sie freut sich.

„Ich bin geheilt?“, kommt es trocken aus meinem Mund. Nicht dieses gelangweilte „trocken“. Nein, eher ein „Scheiße-mir-bleibt-die-Spucke-zum-sprechen-und-die-Luft-zum-Atmen“-trocken. Genau so.

„Momentan bist du völlig krebsfrei“, strahlt sie mich an.

„Und warum habe ich dann die letzten Tage über dem Klo gehangen?“, frage ich und falte meine Hände unruhig im Schoß.

„Das war nur ein kleiner Infekt.“

Unter normalen Umständen, bringt mich so ein „kleiner Infekt“ um. Mein Imunsystem ist schließlich zerstört. Aber diesmal hatte ich nicht mal Fieber.

„Wir lassen dich die nächsten Tage zur Stärkung noch hier, aber nächste Woche geht es nach Hause.“

Nach Hause, ich war seit Jahren nicht mehr Zuhause. Manchmal, wenn Toby und ich Geburtstag hatten, haben meine Eltern mich für einen Nachmittag raus geholt, aber in meinem Zimmer habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Wie lange ist es her, dass ich draußen war? Verdammt, ich habe abgeschlossen, abgeschlossen mit dem Leben. Egal was mir jeder beschissene Arzt jemals erzählt hat, von wegen ganz gute Heilungschancen – ich war geistlich schon längst tot. Wie soll ich da draußen überleben können? Laut sozialen Netzwerken und Klatschzeitschriften besteht unsere Jugend aus kiffenden Tagträumern. Hirnlose Spasten. Ich will nicht zu denen gehören, ich bin gerne ein Außenseiter, ich werde verdammt nochmal gerne bemitleided. Herrgott, ich hab sogar schon Abschiedsbriefe und Testamente verfasst. Ganz am Anfang, als ich meine Diagnose bekam, habe ich noch irgendwo Hoffnung gehabt. Die hat sich nachdem der Tumor ins Blut gestreut hat verflüchtigt. Wer glaubt bei sowas schon ans Überleben?

Toby kaut unbeeindruckt auf seinem Burger rum und reicht mir meine Pommes. Er war mal wieder sehr spendabel, der Gute. Er meinte, dass wir alles Schöne auf dieser Welt mit Fritten und Michshakes feiern sollten. Im Ernst, ich hab ihm noch nicht mal gesagt, warum er heute unbedingt kommen sollte. Er hat für mich seinen Nachmittagssex mit seiner Aktuellen verschoben, das macht mich schon irgendwie stolz. Ich weiß auch nicht genau warum, aber ich möchte, dass er es als erstes erfährt. Vielleicht besorgt er mir 'ne Knarre und wir zerschießen die Fensterscheiben, vielleicht. So als Abschiedsgeschenk für das Krankenhaus. Wäre doch schön.

„Warum kriegst du eigentlich 'n BigMac und ich nur die Fritten?“, frage ich ihn. Er grinst schelmisch.

„BigMacs sind teuer, hatte nicht viel Kohle bei. Hättest mir ja auch früher Bescheid sagen können, dann wäre ich nicht erst zu Lynn gefahren und hätte Mama noch 'n Fünfer aus der Tasche gezogen.“

Ich lache leise auf. Er beißt noch einmal ab und dabei fällt eine Gurke aus dem Monster von Stulle. Sie platscht unachtsam auf seine Hose. Er sitzt im Schneidersitz gegenüber von mir und wischt sich nun die Lippen am Jackenärmel ab.

„Also, warum musste ich heute auf meine tägliche Ration Vögeln verzichten?“, fragt er und legt den halb aufgegessenen BigMac zurück in die Packung. Er wird ihn nachher im Bus vernichten.

„Sag schon.“

Er legt den Kopf schief, sein Pullover schlägt Falten. Eine Haarsträhne löst sich aus dem Turm auf seinem Kopf. Wie kriegt er das so perfekt hin?

„Die wollen mich hier nicht mehr, Toby.“

Er braucht einen Moment um zu realisieren.

„So richtig nach Hause?“

„Hm. Ich bin geheilt.“ Beim letzten Wort mache ich Anführungszeichen mit den Fingern und frage mich, warum ich mich nicht einfach darüber freuen kann. Weil die Menschen da draußen alle bescheuert sind, deswegen. Einen Moment weiß ich nicht, ob Toby mich ersticken will, bis mir auffällt, dass das eine Umarmung darstellen soll. Er hat sich vorgebeugt und umschließt mich nun mit seinen starken Händen.

Er weint.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro