40. Ich, die sich auf den Scheiß definitiv nicht einlassen sollte

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Wenn ich mir das nächste Mal einen Korb geben lasse, sollte ich das auf keinen Fall auf einer asphaltierten Straße tun. Nachdem Anthony sich verspisst hat, habe ich mich irgendwann auf den Rücken gelegt und starre stur geradeaus. Keine Ahnung, auf was ich da warte, aber es kommt auf jeden Fall nicht. Toby kommt nicht, Liam auch nicht, Ginger, oh Ginger.

Ich muss eingeschlafen sein, denn jemand rüttelt mich wach und herrscht mich an, endlich von der Straße zu verschwinden. Ein Anwohner anscheinend, der in seine Garage will. Immerhin ist er so freundlich mich zu fragen, ob er mir irgendwie helfen kann. Ich weise nur auf Liams Haus und er wirkt nur noch absolut genervt. Ja sorry, ich wäre auch lieber da drin und würde mit Anthony...Nein, eigentlich nicht. Das muss vom Alkohol kommen. Eindeutig. Ich suche nur noch mein Fahrrad und schaffe es irgendwie nach Hause. Nicht komplett unfallfrei, aber immerhin habe ich es überlebt. Die Nacht ist lang und ich schlafe ewig.

Am Sonntag weckt Toby mich. Unglaublich, aber wahr. Mir tut der Kopf weh und mir ist schwindelig. Ziemlich unwohl in meiner Haut blicke ich an mir herab. Ich habe noch die Klamotten von gestern an und lasse mich wieder in die Matratze sinken. Toby beobachtet mich und reicht mir irgendwann ein Glas Wasser und eine Tablette.

„Oh Z.“, murmelt er und fragt dann, ob ich noch etwas im Bett bleiben möchte oder nicht.

„Ich komme gleich runter“, antworte ich und trinke das Glas aus. Er nickt und dann geht er und ich rühre mich eine Zeitlang nicht. Dann stehe ich auf, ziehe mir etwas bequemeres an und putze mir die Zähne. Erst als ich die Treppe runter schleiche, kann ich es nicht mehr verdrängen: Anthony Edwards hat mich abserviert.

Einerseits hat mein Bruder echt einen an der Klatsche, aber andererseits bin ich ihm mehr als dankbar, wie er da so im Wohnzimmer mit Eis auf mich wartet.

„Tja“, ist alles, was er sagt und dann essen wir.

„Dumm gelaufen, würde ich sagen“, kratzt meine Stimme auf einmal so komisch und dann muss ich heulen. Meine Güte, das Eis war ja schon Klischee genug und jetzt auch noch mein Gefühlsausbruch.

„Du stehst echt auf ihn, hm?“, fragt er und ich stopfe mir einen Löffel Vanilleeis in den Mund. Den Blick auf meine Fingerspitzen gerichtet, zucke ich mit den Schultern.

„Ach man, Zoe.“ Ich weiß. Ich weiß, verdammt. Ich habe es verbockt, fertig. Anthony ist mir letzte Nacht vielleicht hinter her gerannt, aber das, was er mir sagen wollte, war mehr als deutlich. Ich habe ihn mehrmals abgewiesen, jetzt habe ich Pech gehabt. Ich kann nicht behaupten, dass ich richtig verliebt bin, aber irgendwas hätte da schon passieren können. Ich hab' s verbockt, das war' s. Keine Ahnung mehr, was genau er gesagt hat, wirklich, aber es war nicht gerade positiv und dass er danach wahrscheinlich zurück zu dieser komischen Tante ist, hat einen perfekten Arschtritt gegeben. War ich auch so scheiße? Bestimmt, oder schlimmer. Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder ich renne ihm hinterher, wie ein Schoßhund und bettele, oder ich spiele das Spiel mit. Falls man es noch Spiel nennen kann.

Anna,

falls ich jemals Andeutungen gemacht habe, von Anthony etwas zu wollen – Vergiss das. Er hat mir mehr als deutlich gezeigt, dass ich ein Idiot bin. Heißt, er ist schon auf dem selben Stand wie du und das, obwohl ich ihn noch gar nicht so lange kenne. Barbossa lebt, habe ihn die letzten Tage ziemlich unregelmäßig gefüttert. Können Goldfische Essstörungen bekommen? Spätestens jetzt hat er nämlich eine. Oma hat sich umgebracht. Von Brücken zu springen ist effektiver als wir gedacht haben. Das wäre ein cooler Doppelselbstmord gewesen.

Anna, wir werden uns bald sehen, das kriege ich schon hin mit dem Besuchen

Der Brief segelt zu den anderen in den Kasten und ich gehe wieder zurück zum Auto. Dad nimmt uns heute mit Auto mit zur Schule. Er und Mom haben beim Frühstück miteinander geredet und gelacht und Kaffee getrunken und gestritten und Kaffee verschüttet und sich darum gekloppt, wer uns jetzt mitnimmt. Ist psychologisch auch echt wertvoll, seine Kinder in die eigenen Konflikte einzubringen. Bravo. Aber das mit dem Kaffee, das war lustig.

„Wie läuft' s mit dem Aufsatz in Englisch, Zoe?“, fragt Dad, gespielt interessiert.

„Ich werde wohl durchfallen.“

„Bitte was?“

„Ich habe noch nicht eine Seite von dem Scheiß ernsthaft gelesen und bald sind Ferien und ja, was bringt mir das noch?“

„Genau. Zoe-Schatz muss sich auf ihre großartige Hauptrolle vorbereiten“, feixt Toby von der Rückbank.

„Schnauze“, fauche ich ihn an. Dad stört das anscheinend herzlich wenig und er lässt uns auf dem Busparkplatz raus. Und wer spaziert mit Helm unter dem Arm und Tussi an der Seite über den Campus?

„Nimm das nicht ernst“, murmelt Toby mir zu und dann bleibt Anthony stehen und dreht sich zu uns. Seine Schlampe steht stramm und er und Toby schlagen ein. Mir schenkt er keinen einzigen Blick. Wow, jetzt wird es aber echt verletzend. Ich weine gleich. Okay, tue ich wirklich. Aber was er kann, kann ich schon lange und tausend Mal besser. Fick dich doch, Edwards.

„Miss Morell? Wie interpretieren Sie das Symbol aus Vers vierzehn?“ Mein Englischlehrer – Gott, wieso kann ich mir keine Namen merken? - mustert mich und wartet und ich habe noch nicht mal mein Buch rausgeholt.

„Ähm, als...glücklich?“

„Glücklich?“

„Traurig?“

„Ich denke glücklich?“

„Na dann glücklich.“ Allgemeine Begeisterung, die Klasse lacht mich aus. Anthony kann ich ja nicht sehen, will ich auch gar nicht.

„So intelligent heute?“, feixt plötzlich jemand hinter mir und ich drehe mich wütend um.

„Intelligenter als du auf jeden Fall“, spucke ich Anthony förmlich ins Gesicht, der keine Miene verzieht. Er sieht mich einen Moment lang an und dann ist es ruhig. Publikum ist immer gut, haben die kein eigenes Leben?

„Ich hab' doch gar nichts gesagt!“, lächelt er leicht und bleibt weiterhin neutral.

„Ja klar, das habe ich mir bestimmt eingebildet“, fauche ich ihn an und merke, wie ich mehr und mehr die Contenance verliere, wohingegen er locker flockig bleibt. So ein Penner.

„Ob du es glaubst oder nicht, aber die Welt dreht sich nicht nur um dich und was du weißt oder vielmehr was du nicht weißt, interessiert mich einen Scheiß.“ Oh. Er kann das eindeutig besser als ich. Also kontern. Arschloch sind wir beide, aber im Moment liegt er vorne. Eins zu Null für Anthony, super.

„Vielen Dank für Ihren Beitrag, Mister Edwards. In Zukunft verbitte ich mir derartige Privatgespräche in meinem Unterricht. Aber da Sie ja anscheinend bestens mit der Literatur unserer werten Jane Austen vertraut sind – anders ist Ihre vortreffliche Zurückhaltung, um die anderen Schüler nicht in den Schatten zu stellen ja nicht zu erklären -, haben Sie die Ehre, Miss Morell Ihr Wissen anzueignen. In Ihrer Freizeit natürlich.“ Falls ich es noch nicht erwähnt habe – ich hasse mein Leben.

„Gehen wir zu dir oder zu mir?“ Das ist der erste Satz, den ich völlig freundlich zu Anthony am heutigen Tag sagen kann.

„Mir egal. Ob du es am einen oder am anderen Ort nicht checkst, ist mir ziemlich unwichtig.“ Und da ist sie dahin, meine Freundlichkeit.

„Ich bin nicht dumm“, murre ich.

„Auch das ist mir ehrlich gesagt egal.“

„Jetzt halt endlich die Schnauze, meine Güte, ist das zu viel verlangt?“ Und er ist tatsächlich still. Wir gehen zu ihm und setzen uns in die Küche. Während er sich ein Sandwich macht, redet er kein Wort mit mir.

„Ich glaube, ich gehe jetzt“, brumme ich, nachdem er anfängt vor mir zu essen.

„Ich denke nicht, dass du bereits über ausreichend Wissen verfügst“, antwortet er gestelzt.

„Das wird sich ja auch total ändern, wenn du weiterhin deine scheiß Stulle isst.“ Er grinst und hat die Ruhe weg.

„Beleidige mein Sandwich nicht.“ Ist das jetzt sein Ernst? Das wird die längste Zeit meines Lebens.

Nach zwei Stunden und zu viel Buchstaben, habe ich zumindest den Hauptteil von dem Schinken verstanden. Anthony fragt mich nochmal die wichtigsten Charaktere und die Storyline ab und dann sind wir endlich fertig. Sogar ziemlich schnell, hätte ich nicht erwartet. Okay, die meiste Zeit hat er sich ja auch herzlich wenig darum gekümmert, was ich mache und hat mich einfach die Zusammenfassung auf Wikipedia lesen lassen. Den Rest sollte ich nachschlagen und mir aufschreiben. Ich hatte noch nie so viel Spaß.

„Ähm, ja...“ Ich habe echt keine Ahnung, was ich jetzt machen soll, mit der Tasche über der Schulter und Anthony, der immer noch am Tisch sitzt und auf sein Handy eintippt.

„Jaja, du darfst gehen“, murmelt er nur, ohne mich anzusehen. Ich antworte nicht, was soll ich auch sagen? Im Flur ziehe ich meine Schuhe an und höre nur noch, wie ein Telefon klingelt.

„Vanessa-Baby“, und schon bin ich weg. Zumindest hatte ich das vor. Nur wollen meine Beine das nicht. Ich halte die Luft an und höre zu. Leise spricht er ja nicht gerade.

„Klar kannst du“, schallt seine hässliche Stimme bis in den gottverdammten Flur. Das macht der doch mit Absicht. Und ich sollte genug Würde haben, mich nicht auf den Scheiß einzulassen. Jap, ich sollte jetzt gehen. Und los.

„Nein nein, jetzt ist perfekt.“ Ist es nicht.

„Ja, noch bin ich alleine. Mein Dad kommt erst abends.“ Ich bin da, falls das irgendwen interessiert.

„Cool, dann bis gleich. Ich muss nur noch die Schwester meines besten Freundes rauswerfen, von alleine geht die ja nicht; dann habe ich Zeit für dich. Jaja, die Kleine vom Wochenende.“

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