49. Das Mikrophon, das meinen Rücken runter gleitet

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Ginger löst sich sofort von der Brünetten, die mir nicht bekannt vorkommt und fällt fast vom Bett. Wir haben sie wirklich überrascht und jetzt weiß keiner von uns, was er tun soll. Sie fässt sich an die Lippen und starrt uns an. Das Mädchen ist da reaktionsschneller, liest ihre Tasche und ihre Jacke vom Boden auf und murmelt ein leises „Ciao“. Dann schiebt sie sich an uns vorbei und unten höre ich, wie sie sich von Gingers Mom verabschiedet. Die Tür fällt ins Schloss, das hören wir bis hier oben. Weil niemand etwas sagt, niemand.

„Tja.“ Toby zuckt mit den Schultern, schlendert in das kleine und in Naturfarben gehaltene – so ein kotzgrün und orange – Zimmer und setzt sich auf den braunen Schreibtischstuhl. Er lehnt sich weit nach hinten, verschränkt die Arme und sieht sich um.

„Schön hast du' s hier“, lügt er und wartet darauf, dass wir reagieren. Ginger sitzt immer noch auf der Matratze und knetet ihre Finger. Sie ist nicht so easy peasy drauf wie mein Bruder. Oder zumindest versucht sie nicht so zu verstecken, wie unangenehm die Situation ist.

„Klopfen wird auch überbewertet“, räuspert sie sich. Ihre Stimme ist ganz rau. Matty legt seine Hand um meine Taille und weiß wohl nicht so wirklich, ob er mich jetzt rein oder raus auf den Flur schieben soll. Er entscheidet sich dafür, dass er am Gespräch teilhaben möchte und drückt mich in das immer kleiner werdende Zimmer. Er schließt die Tür, rutscht an ihr mit dem Rücken runter und zieht mich in seinen Schoß. Scheiße, wieso mussten wir hier her kommen? Wieso?

„Ich schätze, ihr wollt jetzt was von mir hören“, nuschelt Ginger und ihre Haare fallen ihr ins Gesicht. Dann richtet sie sich auf, strafft die Schultern und schüttelt den Kopf.

„Naja, eigentlich wollten wir nur schwimmen gehen“, erklärt Toby und Ginger verengt die Augen zu schlitzen, zieht die Brauen zusammen und verschränkt die Arme.

„Morell, noch ein dämlicher Spruch und ich schmeiße dich mit sehr unchristlichen Worten vor meiner sehr christlichen Mutter raus“, warnt sie ihn und obwohl es lustig ist, verkneife ich mir mein Lachen.

„Hey, ich hab noch nicht mal was zu deiner kleinen Süßen gesagt“, rechtfertigt Toby sich, obwohl er sich damit nur noch mehr in die Scheiße reitet.

„Schnauze, Toby“, kommt es von meiner irgendwie einzigen Freundin und mir synchron. Der hebt beschwichtigend die Hände und ist tatsächlich ruhig.

„Ich...ich weiß wie gesagt, dass ihr jetzt was von mir erwartet, aber das könnt ihr euch abschminken.“ Sie steht auf, läuft in den vielleicht noch übrigen drei Quadratmetern hin und her und verschränkt dann die Hände im Nacken.

„Sie ist nur eine Freundin.“ Ich spüre, wie Mattys Bauchmuskeln sich anspannen, weil er versucht, nicht zu lachen. Ich kneife ihn in sein Knie, damit er sich zusammenreißt. Mein hinreißender Bruder schafft es sogar, eine ernste Miene zu waren, doch als Ginger ihn ansieht, muss er sein Gesicht in den Händen verstecken.

„Es ist 'ne Fickbeziehung, Morell. Damit müsstest du dich doch bestens auskennen“, faucht sie ihn an und da fehlt echt nicht mehr viel, bis sie explodiert.

„Hey, ich hab 'ne Freundin“, bringt Toby darauf den Spruch, den ich in letzter Zeit verdächtig oft gehört habe. Ginger legt den Kopf in den Nacken, ihre roten Locken berühren den Bund ihrer Jeans und sie lacht laut und sarkastisch auf. „Und das ist die Wahrheit“, legt Toby nach, doch Merida kriegt sich nicht mehr ein. Sie gackert mittlerweile richtig und stützt jetzt beide Hände auf ihre Oberschenkel.

„Ich liebe sie, okay?“ Gut, jetzt müssen wir alle lachen, außer Toby, der ziemlich beleidigt aussieht. Wir lachen und lachen und lachen und dann hört es irgendwann abrupt auf. Da ist wieder dieses dämliche „Meine Fresse, ich will hier gerade echt weg“-Schweigen.

„Sollen wir gehen?“, fragt Matty dann plötzlich. Ginger setzt sich auf die äußerste Bettkante und sieht ihn an.

„Wer?“

„Toby und ich?“

„Ihr habt jetzt eh schon alles gesehen. Dann könnt ihr jetzt auch bleiben.“ Und dann beginnt sie zu erzählen, in einem Schwall und ohne uns dabei anzusehen.

„Wir haben uns in einem Café kennengelernt. Sie arbeitet da und auf der Rechnung stand unten ihre Nummer drauf. Ich habe sie angerufen und wir haben uns getroffen. Es ist nicht mehr als Sex, aber immerhin das. Mit Frauen ist das irgendwie...ich weiß nicht...intensiver.“

„Das kann ich bestätigen“, raunt Matty mir in den Nacken, ohne, dass Ginger es hört.

„Aber wie gesagt – mehr ist da nicht. Ich mag sie und sie sagt, sie mag mich, aber ficken beim ersten Date endet nie in einer ernsthaften Beziehung.“ Sie schaut wieder auf ihre Hände und räuspert sich nochmal. Dann sieht sie auf und sucht Blickkontakt. Sie erwartet eine Reaktion. Und sie hat Angst.

„Heißt das, ich muss dich von der To-do-List streichen?“, fragt Toby nach einer Ewigkeit und da ist im Witz eine ganze Menge Ernsthaftigkeit mit drin. Ich kenne ihn. Ginger lacht leise auf, zuckt dann mit den Schultern und wischt sich über die Nase. „Kannst es ja trotzdem versuchen“, lacht sie dann nochmal leise und wirkt erleichtert. Sie hat etwas anderes erwartet.

„Normalerweise fände ich dich jetzt echt scheiße, weil du so 'ne Art Konkurrenz bist, aber naja...“, äußert sich Matty und ich spüre am Ende seinen Blick auf mir, was mich erröten lässt. Ginger nickt, sie dankt ihm und schaut dann unsicher zu mir. Von mir ist es ihr am wichtigsten.

„Ach, mir ist das Wurst“, erlöse ich sie und sie grinst. Dann geht sie an ihren Schrank, zieht ein Schubfach raus und zieht ihr Shirt über dem Kopf aus. Dabei wendet sie uns den Rücken zu.

„Ihr wolltet also baden gehen, ja?“

Ich knie mich nieder, starre dabei auf das Blatt Papier in meinen Händen und sehe dann wieder hoch. Ich schaue nochmal auf die Zeilen und dann wieder zum Jäger. Die dämlichen Regieanweisungen von wegen Aschenputtel wischt mit einem Lappen den Boden und kniet dabei auf allen Vieren.

„Ihr müsst mir nichts mitbringen, Vater. Das hätte ich nicht verdient“, sage ich meinen Text und mein Partner in der Szene grinst mich an, ohne auf sein Skript zu gucken.

„Oh, da wüsste ich aber eine Möglichkeit, wie du es dir verdienen könntest, mein Kind“, sagt er und ich ziehe die Brauen zusammen, weil ich dachte, dass es anders weiter geht.

„Äh...wie?“, improvisiere ich, nachdem ich mich vergewissert habe, dass er tatsächlich nicht die richtigen Wörter sagt. Er grinst noch einmal, greift nach seinem Gürtel und öffnet die Schnalle. Als ich es kapiere, ist es bereits zu spät, denn alle brechen in Gelächter aus, außer Birch.

„Andrew“, beginnt er und läuft auf die Bühne. „Andrew, das ist doch völlig falsch.“ Er schüttelt den Kopf, ich richte mich wieder auf und die anderen beruhigen sich wieder.

„Und ihr“, beginnt Birch, dreht sich um und sieht zum Rest des Kurses, der am Bühnenrand und in den Rängen sitzt. „, solltet euch um eure Aufgaben kümmern. Es ist noch einiges zu tun, meine Lieben“, klatscht er in die Hände und sie wenden sich wieder den Pappbäumchen, Kostümen und Textpassagen zu. Jesus schüttelt den Kopf, fährt sich durch die Haare und versucht uns anzulächeln.

„So, Andrew, also jetzt nochmal und diesmal bitte etwas richtiger.“ Andrew grinst immer noch so dämlich. Ich verschränke die Arme vor der Brust und starre ihn an.

„Wäre wirklich sehr sozial von dir“, sage ich, als er meinen Blick erwidert. Er zuckt mit den Schultern, zwinkert mir zu und sagt, dass er es versuchen werde. Der Typ geht mir auf den Sack.

„Ich kann aber echt nichts versprechen, wenn sie die Stellung einnimmt, Mr B. Da flutscht es förmlich aus mir heraus“, setzt er noch hinten ran und ich stöhne entnervt auf.

„Dann musst du dich wohl besser in deine Rolle einfinden“, entgegnet Birch, der die Anspielungen nicht gecheckt hat.

„Tue ich ja. Ich finde mich sogar sehr gut in diesen miesen Vater ein. Der Typ lässt seine Tochter im Dreck verrotten und für seine dämliche neue Frau schuften. Der ist ein Idiot, ein richtiger Penner. Da ist es doch nur realistisch, wenn er seine eigene Tochter...“, beginnt er und Birch ist offensichtlich eine ewige Jungfrau, denn er hat keinen Schimmer.

„Ich verstehe jetzt nicht, was du mir sagen möchtest, Andrew. Wir fangen einfach nochmal von vorne an und du sprichst die richtigen Zeilen, in Ordnung?“ Andrew gibt nach und nickt.

„Könnten wir eine kurze Pause machen?“, frage ich und weil ich es bin, gewährt Jesus allen zehn Minuten zum Luft holen. Er sagt aber auch, dass wir die Zeit nutzen sollen, um uns von den Technikern verkabeln zu lassen, um schon mal „ein Gefühl für unsere Lautstärke bei der Aufführung zu erlangen“. Ich will das schnell hinter mich bringen, weil ich weiß, was auf mich zukommt und gehe deswegen hinter die Bühne zur linken Seite zur Hauptlichtanlage und den Schaltern für die Vorhangbewegung. Liam und Anthony haben da auch die Musikanlage aufgebaut und – was für ein Zufall – Anthony ist für die Mikrophone zuständig. Er sieht mich kurz an, greift dann nach dem kleinen schwarzen Kasten in der großen Sammlung mit einer 1 drauf und räuspert sich. Ich stehe vielleicht einen Meter vor ihm und weil ich keine Ahnung habe, wie es jetzt weiter geht, sage ich nichts. Er blinzelt kurz und schnell hintereinander, tritt um mich herum und ich höre, wie er verschiedene Knöpfe drückt.

„Ich mach das unter dein Shirt und hinten an die Jeans ran, damit du mit dem Kabel nirgendwo hängenbleibst“, informiert er mich und ich bekomme eine Gänsehaut, als er genau das tut. Mag sein, dass es davon kommt, dass das kalte Mikrophon meinen Rücken runter gleitet. Wird höchstwahrscheinlich so sein. Muss es ja. Du wurdest schon so oft von kalten Ärztehänden berührt, feixt eine Stimme in meinem Kopf. Und als ich mich umdrehe, steht Anthony schon bei Aschenputtels Vater und ich habe nicht mal mitbekommen, dass er von mir abgelassen hat.

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