Kapitel Zwei

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Das erste, wovor wir uns fürchten, ist das Böse in dieser Welt, obwohl - oder weil? - wir es noch nicht verstehen. Unsere Eltern erzählen uns, dass die Monster, die wir als Kinder in unserem Schrank oder unter unserem Bett vermuten, nicht existieren. Es gibt sie nicht. Sie sind bloß Kreationen unserer angstdurchtränkten Fantasie.

Aber sie erzählen uns nicht von den wahren Ungeheuern.

Diese hängen ihre Kleidung zu unserer in den Schrank, schlafen neben uns im Bett und obwohl ihre Fassade so normal - als wären sie wie wir - , so liebevoll und perfekt erscheint, sind sie doch nichts weiter als Monster. Und sie sind so viel gefährlicher als die Wesen, die wir uns als Kinder unter diesem Begriff vorgestellt haben.

Denn sie existieren. Denn sie können unsere Seele tatsächlich fressen. Denn sie sind die, die wir lieben. Denn es sind die, in denen wir das Monster nicht sehen wollen.

❁  ❁  ❁

Scherben. Scherben überall. Ein scharfes Meer, das wieder und wieder hässliche Schnitte durch meine Haut, durch meine Seele zog. Kleine Blutstropfen, die sie verfärbten. Doch die schmerzhaftesten waren die, die man nicht sah. Ich spürte sie jetzt noch. Jetzt wieder. Das Brennen einer Wunde, die sich nicht schließen wollte, während die an meinem Finger nur noch ein zarter Schatten war. Vergangenheit.

Ich hörte das klirrende Geräusch der brechenden Vase wieder, die an der Wand zerschellt war. Warum ich jetzt wieder daran denken musste, war mir nicht klar. Vielleicht, weil ich fürchtete, Aidan könnte wieder so schrecklich wütend sein wie vor zwei Wochen, wenn ich ihm erzählen würde, was heute geschehen war. Ich erinnerte mich nicht eimmal, wie der Streit begonnen hatte. Von einem Augenblick auf den anderen war er so zornig gewesen wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Wie würde er also heute die schlechten Nachrichten auffassen?

Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, was geschehen würde, wenn ich einfach nicht in die nun langsam anhaltende Straßenbahn einsteigen würde. Wenn ich auf die nächste oder eine noch spätere warten würde, egal in welche Richtung sie mich führen würde. Einsteigen und fahren. Egal wohin. Egal wie lange. Einfach weit weit weg.

Ein seltsamer alberner Gedanke. Wohin sollte ich? Wohin, wenn nicht nach Hause, sollte ich wollen?
Vielleicht zerbrach ich mir ja ganz unnötig den Kopf. Vielleicht würde Aidan mich mit seiner dunklen Stimme beruhigen, dass alles nur halb so schlimm war, dass alles gut sein würde und dass ich sicher war - und ich würde mich in seinen Armen sicher fühlen.

Aber was, wenn nicht? Wenn er einen schlechten Tag hatte und alles andere als gefasst und ruhig reagieren würde? Sollte ich es ihm überhaupt erzählen und ihn damit belasten? Sollte ich...?

Ich stieg in die Straßenbahn und ließ die Gedanken draußen am nassen Asphalt zurück. Wieso sollte er denn wütend sein? Es war nicht meine Schuld, dass mein Boss ein widerlicher Mensch war. Korrigiere, gewesen war. Denn diese Position besaß er für mich nicht mehr.

Heute war er zu weit gegangen und ich hatte ihm, vielleicht nicht ganz überlegt, meine Kündigung entgegengefeuert. Ja, eine impulsive Reaktion. Aber bestimmt die richtige. Schon meine Großmutter hatte mir beigebracht stolz zu sein.

»Verbiege dich nicht. Schon gar nicht für andere. Zeig ihnen, wie falsch sie liegen und wie wunderbar und stark du bist«, hatte sie mir mit einem sanften Kuss auf den Scheitel erklärt, nachdem ich weinend von der Schule nach Hause gekommen war.

Damals war es nur um ein paar dumm Sprüche von unreifen Jungen aus meiner Klasse gegangen, die dem zehnjährigen Mädchen, das ich gewesen war, aber wie harte Schläge ins Gesicht und messerscharfe Stiche ins Herz erschienen waren. Doch hieß das nicht, das ihre Worte nun umso bedeutsamer waren?

Mein Chef war kein dummer vorpubertärer Junge, der sich im Moment besonders gut dabei fühlte, einem kleinen Mädchen gemeine Sprüche hinterherzubrüllen und diese Phase irgendwann hinter sich lassen würde.

Nein, er war ein erwachsener Mann, dessen Stolz es nicht ertragen hatte, dass ich seine unangebrachten Avancen zurückgewiesen hatte, weswegen er darauf mit widerlichen sexistischen Bemerkungen und völlig wahnsinnigen Ansprüchen an mich reagiert hatte.
Niemand konnte so viel arbeiten, wie er es von mir verlangt hätte. Und niemand musste sich seine Beleidigungen und Gemeinheiten gefallen lassen, die von Mal zu Mal mehr Grenzen überschritten hatten.

Den Jungen in der Schule hatte ich am nächsten Tag hocherhobenen Hauptes einen noch viel schärferen Konter vor die Nase geknallt, der sie verwirrt hatte verstummen lassen. Bei Mr. Goldberg dagegen war es meine Kündigung gewesen, die ihn plötzlich nicht mehr so arrogant auf mich hinabblicken hatte lassen. Wobei er mit dem Satz, der mich letztendlich zum Explodieren gebracht hatte, nicht unbedingt falsch lag. 

»Stellen Sie sich nicht so an. Sie brauchen diesen Job doch, nicht wahr?«
»Nein, ich brauche ihn nicht. In Zukunft können Sie auf jemand anderem rumtrampeln, wenn sich überhaupt jemand findet, der für so ein aufgeblasens Arschloch freiwillig arbeiten würde«, hatte ich erwidert ohne überhaupt darüber nachzudenken.

Aber er hatte leider recht. Und genau deswegen wollte sich die leise Befürchtung Aidan könnte wütend reagieren, die sich in mir eingenistet hatte, auch nicht verschwinden. Noch vor kurzem hatte ich mich mit meiner Entscheidung so stark empfunden, wie es meine Großmutter gesagt hatte, jetzt fühlte ich mich unsicher und schwach. Immer mehr Sorgen verschlangen jedes Gefühl von Überzeugung.

Mein Gehalt war dank meines reizenden Chefs ohnehin nicht hoch gewesen. Wenn es nun aber fehlte, bedeutete das, das Aidan alleine für uns sorgen müsste und nein, das würde ihm nicht gefallen.

Schnell schob ich diese Gedanken beiseite und hielt nach einem Platz Ausschau. Dicht an dicht drängten sich die Menschen hier aneinander und ich war nicht sonderlich erpicht darauf, mich zwischen sie zu quetschen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Im Moment sah es aber genau danach aus.

Beinahe ganz hinten fiel mir ein junger Mann ins Auge, der gedankenverloren aus dem Fenster sah. Ganz in seiner eigenen Welt versunken, einem fremden Kosmos, in dem nichts um ihn existierte. Nicht die anderen Menschen hier. Nicht ihre Stimmen. Nicht die Straßenbahn. Nichts. Seine Welt drehte sich anders als ihre. In fremden Bahnen, die niemand stören konnte.

Nicht die Mutter, die versuchte, ihr jammerndes Kind zu beruhigen. Nicht die Gruppe Mädchen, die sich lautstark unterhielt und immer wieder in Gelächter ausbrach. Nicht der Mann, der eindringlich in sein Smartphone sprach. Unverwandt, ohne jede Reaktion darauf zu zeigen, blickte er aus dem Fenster auf die regendurchfluteten Straßen.

Sein schwarzes Haar lag in nassen Strähnen wie in einer schnellen Bewegung aus dem Gesicht gestrichen an seinem Kopf, und auch an seiner Jacke zeichneten sich dunkle Wasserflecken ab.

Neben ihm war ein freier Platz.
Nur einen Moment zögerte ich, weil ich das seltsame Gefühl hatte, ihn zu stören, wenn ich ihn jetzt anspräche, dann schob ich mich durch die dichte Menschenmenge bis zu ihm.

Ihre Stimme war leise, obwohl sie es nicht sein hätte sollen, hätte dürfen. Zu leise, um von den meisten gehört zu werden. Als ich den Blick hob, war ich mir nicht einmal sicher, ob sie mit mir sprach. Bis mein Blick den der jungen Frau traf. Auf ihren Lippen lag ein schiefes schüchternes Lächeln, das sie allerdings kein bisschen glücklich erscheinen ließ, denn in ihren dunklen Augen fand sich das Gegenteil. Sie waren traurig. Unendlich traurig. Oder glaubte ich das nur zu sehen?

Doch der Ausdruck fraß sich in mein Gedächtnis, setzte sich dort fest und hinterließ ein leise ziehendes Gefühl in meinem Inneren. Diese verrückte, bittersüße Mischung aus einem warmen Lächeln und einsamen Augen voller nie vergossener Tränen. Falsch. Es schien so schrecklich beunruhigend falsch.

Das dunkle zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengefasste Haar war im Gegensatz zu meinem trocken. Vermutlich gehörte sie nicht zu den Menschen, die ihren Schirm immer vergaßen, wozu ich mich hingegen stolz zählen durfte.

»Natürlich.« Schnell rückte ich noch weiter zur Seite und zog meine Tasche schnell auf meinen Schoß, wie um ihr Platz zu machen.

Vermutlich spielte mir mein Verstand schon irgendwelche dummen Streiche. Du kennst sie doch überhaupt nicht. Richtig. Sie war nur eine Fremde, die mich höflich angelächelt hatte, obwohl ihr vielleicht im Augenblick nicht danach zu Mute war. Daran war noch nichts besonders außergewöhnlich.

Alles andere, was ich darum sponn, waren mit Sicherheit nur Fantasiegewebe, mein nie enden wollendes Zerdenken jeder Kleinigkeit. Nur manchmal musste man einsehen, dass das, was man dabei zu finden glaubte, sich nur im eigenen Inneren befand.

Aber so war ich immer schon gewesen. Ich suchte immer nach Dingen, ohne zu wissen, ob es etwas zu finden gab. Meine kleine Schwester hatte mich schon immer damit geneckt, ich solle meine Fantasie besser in meine Malerei stecken, was mich jedes Mal verärgerte. Gut, mit elf war ich auch felsenfest davon überzeugt gewesen, unser Nachbar wäre eigentlich Geheimagent. So falsch lag Nana also nicht, sich über meine übersteigerte Vorstellungskraft lustig zu machen.

Mit einem leisen »Danke« ließ sich die junge Frau auf den Platz fallen.
Ich zwang mich, das Fenster hinaus auf die Lichter zu starren.
Irgendetwas stimmte mit mir heute definitiv nicht. Jetzt zerbrach ich mir schon den Kopf über ein wildfremdes Mädchen, wegen Dingen, die vermutlich nur ich sah und die nicht existierten. Im Übrigen ging es mich auch nichts an, was in ihrem Leben vorging.

Durchscheinend und zart spiegelte sie sich in dem Glas, über das die Regentropfen ihre Bahnen hinab flossen. Aus ihrer Handtasche hatte sie einen kleinen Terminkalender gezogen und begann nun großzügig das Eingetragene unter den geraden Linien eines Kugelschreibers verschwinden zu lassen. Altmodisch. Irgendwie mochte ich das.

Ein Seufzen verließ ihre Lippen, ehe sie beides sinken ließ. Sich von dem Büchlein mit dem Kugelschreiber, der die eben noch aufgeschlagene Seite markierte, abwandte. Ihre Finger gruben sich in den Stoff ihres weiten Pullis, während sich ihr Blick an das Plakat für die van Gogh Ausstellung geheftet hatte, das mich heute irgendwie zu verfolgen schien.

Im Gegensatz zu den meisten Menschen, die ich schon daran vorbei eilen hatte sehen, legte sie den Kopf ein wenig schräg und runzelte die Stirn als würde sie tatsächlich über das Zitat darauf nachdenken.

Dann schlug sie den Terminkalender wieder auf, ließ den Kugelschreiber hektisch über das Papier gleiten, nur um dann die gesamte Seite nach einem kritischen Blick darauf aus dem kleinen Buch zu reißen und achtlos zerknüllt in ihrer Hosentasche verschwinden zu lassen. Statt der Lichter draußen sah ich bloß noch die schemenhafte blasse Spiegelung der Frau.

Quietschend hielt die Straßenbahn. Einer meiner unzähligen Bleistifte glitt bei dem sanften Ruck aus meiner Tasche, die ich vorher wohl nicht richtig geschlossen hatte, und traf mit einem Geräusch auf dem Boden auf, das mir unendlich laut erschien. Tatsächlich war es vermutlich kaum hörbar.
Ich bückte mich danach. Sie war schneller.

Wieder mit diesem seltsamen Lächeln hielt sie ihn mir entgegen.
»Ich glaube, die Tasche ist offen«, stellte sie amüsiert fest und deutete darauf. In etwas seltsamer Position lag sie auf meinem Schoß und nun begann auch das Skizzenbuch langsam immer weiter aus der Öffnung zu rutschen. Innerlich stöhnte ich leise auf. Was stimmte heute nicht mit mir?

Wieder hatte ich einen neuen Rekord für mich aufgestellt: so zerstreut war ich sonst nicht.
»Äh ja...sieht so aus.« Welch geistreiche Antwort! Schnell nahm ich ihr den Stift aus der Hand, schob ihn an den Platz zurück, an den er gehörte und sorgte dann dafür, dass er wie alles andere auch dort blieb.
Die Straßenbahn setzte sich ruckend wieder in Bewegung.

»Du solltest besser auf deine Sachen aufpassen, wenn du sie nicht irgendwann in der halben Stadt verstreuen willst«, stellte sie fest.

Tadelnd, aber immer noch eher belustigt. Nun, was hieß das überhaupt? Ihre immer noch leise Stimme klang so. Ihre Lippen waren zu einem Lächeln geformt. Doch ihre Augen blieben einsam und still.
 
»Stimmt, heute bin ich echt nicht ganz auf der Höhe.« Konnte man wohl sagen. Ich saß hier nass wie ein Hund, den man draußen vergessen hatte, und war im Begriff den ganzen Inhalt meiner Tasche auf dem dreckigen nassen Boden zu verstreuen.

»Damit du nicht nochmal nass wirst.« Mit diesen Worten drückte sie mir ihren Schirm in die Hand und als ich widersprechen wollte, winkte sie schon ab. »Ist kein Problem, ich wohne fast direkt neben der Haltestelle. Ich glaube, du brauchst ihn dringender als ich. Wer weiß, vielleicht sieht man sich wieder mal am Heimweg. Bis dann.«

Und schon hatte sie ihren Terminkalender wieder in ihrer Tasche verstaut, war aufgestanden und Sekunden nachdem wir hielten zur Tür raus.
»Danke...«, hörte ich mich murmeln, ohne das sie es noch hätte hören können.

Etwas fassungslos sah ich ihr nach. So schnell konnten sich Wege von Menschen treffen und ebenso schnell wieder trennen. Wie bei den meisten Begegnugen im Leben würde keine weitere folgen.

Beste Freunde, die große Liebe, ein gebrochenes Herz - all das zog vielleicht hunderte Male an uns vorbei und blieb doch nichts als eine verpasste Möglichkeit, die wir nie als solche erkannten. Denn man blieb sich fremd und vergaß die Menschen wieder, die wäre es nur ein bisschen anders gekommen zu den wichtigsten im Leben hätten werden können.

Sie würde ihren Schirm nicht wiederbekommen. Ich würde mich nicht bedanken können. Wir würden uns nicht wiedersehen.
Nichts verriet noch, das sie eben hier gesessen war. Bloß die zerknüllte Seite aus ihrem Terminkalender, die sie verloren hatte.

Verdammt, das ist meine Station!, begriff ich entschieden zu spät.
Schnell schnappte ich das Stück Papier und hastete zum wiederholten Mal an diesem Tag im letzten Moment auf die Straße hinaus. Vor mir lag die Straße verlassen. Keine Spur mehr von ihr. Und ebenso wenig von einem Wohnhaus.

Sie hatte also zu allem Überfluss noch gelogen und würde nass werden, weil sie einem vergesslichen Idioten wie mir ihren Schirm geschenkt hatte. Wieso tat sie das?

Seufzend betrachtete ich das Blatt Papier in meiner Hand. Wer hat nun also seine Sachen in der Stadt verstreut? Was sollte ich jetzt damit tun? Es gehörte mir nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns wiedertreffen würden ging gegen Null. Es wegwerfen? Behalten? Und wenn ich tat, war es falsch, es zu lesen? Spielte das eine Rolle, wenn man sich nie wieder traf?

Am Ende siegte die Neugierde, was sie sich notiert haben könnte, nachdem sie das Zitat - dieses für mich ganz besondere - gelesen hatte, nur um es dann vernichten zu wollen. Vorsichtig faltete ich die Seite auseinander, bis ich die energisch durchkreuzten Termine und den geschwungenen Schriftzug immer noch von Falten durchzogen, aber deutlich vor mir sah.

Wo warten unsere Blumen?

Ein Regentropfen fiel vom Himmel und ließ das letzte Wort mit seinem Auftreffen schwarze Tinte 
bluten, in der es langsam verschwamm.

*
*
*

Idk what this chapter is and what it wants to be.

Die Banner für die Charaktere werden zu 100% von Wattpad wieder richtig verschwommen gemacht werden als hätte ich die mit einer Kartoffel erstellt. Sorry dafür.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro