225-noch tausende Geburtstage

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Vor Verlusten besaß ich immer eine große Angst.

Als Sky starb, traute ich mich nicht mehr aus dem Haus, weil ich dachte, dass ich ohne sie nicht weitermachen kann. Sie schenkte mir Kraft und brachte mich zum Lachen. Da fehlte einfach plötzlich etwas in mir. Meine beste Freundin, eine Person, die ich liebte.

Den Verlust von Sky kann man aber nicht mehr dem von Harry beschreiben, vor dem ich mich gerade so sehr fürchte.

Wenn er mich verlässt, ich alleine sein werde, dann fehlt mir alles. Jeglicher Antrieb.

Mir fehlt dann die Luft zum Atmen, die Energie, mein Blut. Mir würde mein Grund zum Leben fehlen. Harry würde fehlen.

"Miss Chapel, bitte setzen Sie sich", bittet der Arzt mich ruhig, der auf den Stuhl neben Niall deutet, der traurig aufsieht. Ein Klemmbrett hält er in seiner Hand und ein Stethoskop hängt um seinen Hals.

"Wo bringen Sie ihn hin?", frage ich nur hysterisch, verfolge wie ein paar Schwestern den im Bett schlafenden Mann in einen Raum schieben, dessen Tür sie hinter sich schließen. "Warum kann ich nicht zu ihm?"

"Sie können gleich zu ihm", beruhigt er mich. Der Mann wirkt gestresst, als habe er schon sehr viel hinter sich und ich kann es verstehen, wenn ich ihn nerve, er es lieber haben würde, wenn ich ruhig und abwartend hier hocke.

Jedoch geht es hier um Harry, den man gerade verletzt an mir vorbei geschoben hat.

"Dürfte ich nur vorher mit Ihnen über ein paar Dinge reden?"

Sofort nicke ich hektisch, schaue ihn neugierig an. Sein Gesichtsausdruck, der bekümmert und resigniert aussieht, gefällt mir nicht, der prüfende Blick auf das Klemmbrett noch viel weniger. Es wirkt so, als müsse er selber nochmal überprüfen, dass das, was auf dem Zettel steht, auch wirklich der Wahrheit entspricht.

"Mr. Styles besitzt zu diesem Augenblick einen Promillewert von Null Komma drei, was im Normalbereich liegt. Wir können uns deswegen nicht erklären, wie es passieren konnte, dass er hinfiel und sich den Kopf stieß", spricht er ernst auf mich ein, worauf ich fragend meinen Blick zu Niall drehe. Er war dabei, muss dies also doch erklären können.

"Er wurde geschubst", nuschelt der Ire leise, kaum verständlich.

"Von wem?", zische ich sofort energisch. "Und warum, Niall?"

Beschämt schaut er zu mir auf, beißt sich deprimiert auf seine Unterlippe. Dieses ganze Geschehen hier nimmt ihn mit.

"Wi-Willoughby kam in die Bar", beginnt er. Mein Magen dreht sich sofort um hundertachtzig Grad. "Er bemerkte Harrys Anwesenheit, kam zu unserem Tisch und... Harry wurde sofort wütend auf ihn, wozu er sich dann auch noch provozieren lassen hat."

Der Lockenkopf warnte mich schon am Sonntagabend, dass er sich nicht zurückhalten wird, wenn er Leonard nochmal begegnen sollte. Aus diesem Grund bin ich nicht wütend auf ihn, nur etwas traurig, dass er auf die billige Provokation eingegangen ist. Er ist viel schlauer.

Aber Leonard lernt auch nie. Womit rechnet er denn, wenn er Harry ärgert?

"Und weiter?", muss ich Niall etwas antreiben, da er nicht weiter sprach, sondern schwieg, was ich zum Nachdenken nutzte. "Niall, bitte!"

Flehend klammern meine Hände sich an seine, packen fest zu und drücken, um ihn zum Erzählen zu bringen.

"Die beiden... Sie sind in eine Rangelei geraten, wobei Harry schon einiges abbekam, auch wenn er gut austeilte", teilt er mir mit. Man erkennt in seinen Augen, ahnt, dass ihm das Nächste nicht gefällt. "Dann schubste Willoughby ihn aber, worauf er an den Tresen klatschte und sich den Kopf stieß."

"Direkt auf den Hinterkopf?", mischt sich der Arzt nun ein, schaut erneut auf das Klemmbrett. Niall schenkt ihm ein Nicken, während ich nicht fassen kann, wie all dies ablief.

"Scheiße, Honor, da war überall Blut und er atmete kaum noch", faselt Niall nun wirr vor sich hin, fuchtelt wild mit seinen Armen. "Er plapperte nur noch irgendein Zeug, sprach davon, dass er dich liebt und alles, bevor er einfach mit dem Kopf zur Seite kippte."

Verzweifelt, durcheinander rauft er sich erneut seine Haare, zieht seine Nase kraus, hält die Hände vor seinen Körper so, als würde er den Lockenkopf genau in diesen Moment halten. Dieser Anblick zerstört mich im Inneren, da eine Träne über seine Wange kullert, auf den Boden tropft.

"Miss Chapel?"

Meinen Kopf hebend starre ich bangend in die braunen Augen des Arztes. Mit zitternden Händen, nicke ich, beiße mir auf meine Unterlippe.

"Ihr ..."

"Freund", teile ich ihm schnell mit, haspele mehr.

"Ihr Freund befindet sich in diesem Moment in keinem guten Stadium. Wir wissen nicht, wann er aufwachen wird, da sein Körper ihn quasi von alleine in eine Art Ruhezustand versetzt hat. Wenn Sie verstehen, was ich meine", erklärt er mir. "Dazu kommt, dass wir nicht genau sagen können, unter welchen Symptomen er durch die Gehirnerschütterung leidet."

"Liegt er im Komma?", frage ich ängstlich.

"Sozusagen", antwortet der Mann mir, dessen weißer Kittel mich blendet. "Er muss sich ausruhen und neue Kraft gewinnen."

"Aber er wird wieder aufwachen?"

"Zu hundert Prozent, ja." Sehr entschlossen sagt er dies, meint dann aber: "Es besteht natürlich immer die Chance, dass etwas dazwischen kommt, er falsch auf ein Medikament reagiert, oder unter etwas leidet, von dem wir keine Ahnung haben. Aber ich bin zuversichtlich."

Diese Worte schenken mir nicht wirklich Hoffnung.

Harry wurde verletzt und befindet sich jetzt in einem Schlaf, von dem niemand weiß, wann er endet. Er leidet unter einer Gehirnerschütterung, die durch Leonard ausgelöst wurde und...

"Kann ich jetzt zu ihm? Bitte."

Flehend falte ich meine Hände, bettele den Mann quasi an, dass er mich endlich zu dem Lockenkopf lässt.

"Sie müssen sich noch ein wenig gedulden, da wir noch ein paar Untersuchungen machen müssen", hält er mich ab, auf zu springen und in den Raum zu laufen, in den man meinen Freund brachte. "Sobald Sie zu ihm können, werde ich sie holen, Miss Chapel. Bleiben Sie solange ruhig und bei Mr. Horan."

Dann verlässt er uns, öffnet die Tür in den Raum, in dem sich Harry befindet. Am liebsten würde ich nacheilen, doch Niall hält mich an der Hand fest.

"Ich habe Angst, Niall", teile ich ihm ehrlich mit, starre ohne jegliche Regung an die mir gegenüberliegende Wand, die nur kahl und weiß zurück scheint. "Solch große Angst."

"Ich habe Angst, seitdem er da lag und weißt du was mir seit dieser Stunde klar wurde?"

Kopfschüttelnd hauche ich ein 'Nein' auf seine Frage, drehe mich interessiert zu ihm, wie er entschlossen, ernst mit seinen Blau in meine Augen guckt.

"Noch nie zuvor in meinem Leben, traf ich einen Kämpfer wie Harry", spricht er, meint es so. "Der Arzt erzählte es dir aus Absicht nicht, aber Harry war schon fast tot, sodass sie ihn reanimieren mussten. Doch der wichtige Punkt dabei ist, Honor, an den du immer denken musst-" Er macht eine Pause, greift nach meinen Händen, die er drückt. "Er kam zurück, kämpfte um sein Leben."

Harry musste reanimiert werden, war schon tot?

All dies klingt so schrecklich in meinen Ohren, sieht noch grauenhafter als Bild vor meinem Inneren aus.

Diese Vorstellung, wie er mit einem blutenden Kopf auf dem Boden einer dreckigen Kneipe liegt und ein Sanitäter immer wieder auf seinen Brustkorb drückt, versucht ihn zurück ins Leben zu holen, sorgt für einen Stich in meiner Brust. Einen schmerzhaften Stich, der mir nur wieder signalisiert, wie wenig ich ohne den Mann leben kann.

"Und er kam für dich zurück, Honor", redet der Ire nun weiter, setzt ein leichtes Lächeln auf. "Harry liebt dich und würde dich niemals alleine lassen. Gott, der Junge will noch so oft mit dir schlafen, so viele Dinge mit dir erleben."

Ich auch mit ihm.

"Ihr werdet Kinder bekommen, es in tausenden Stellungen treiben, heiraten, Großeltern werden, die Uni abschließen, die Welt bereisen und noch tausende Geburtstage zusammen feiern", zählt er all die Dinge auf, die ich mir mit dem verletzten Mann auch noch wünsche. Auch wenn Niall es etwas überspitzt und nur aus Freundlichkeit versucht mich ein Stück aufzumuntern.

"Danke, Niall", schluchze ich gerührt, umarme ihn fest.

Seine Worte schenken mir Hoffnung für die Zukunft, in der alles irgendwann gut sein wird. Wir haben unsere Schattenseiten im Leben, doch seien wir mal ehrlich, welches Leben besitzt sie nicht? Und wie oft haben Harry und ich es schon geschafft die Dunkelheit, all die Probleme zu besiegen?

Oft genug, sodass wir es auch ein weiteres Mal schaffen werden.

"Harry würde dich schon jetzt fragen, ob du ihn heiraten willst, wenn ihr nicht studieren würdet", fügt er dann noch hinzu, streicht eine Strähne aus meinem Gesicht. "Und ich wäre sofort sein bester Mann."

"Das glaube ich dir aufs Wort", entgegne ich, lächle kurz. "Danke, dass du für ihn da bist."

"Er lag verletzt auf dem Boden, da-"

Ich unterbreche ihn kopfschüttelnd, erkläre: "Nicht nur von heute Abend, spreche ich. Sondern von allgemein den letzten Tagen, den vergangenen Wochen."

"Ihr zwei, seid meine besten Freunde."

Dankend umarme ich ihn noch einmal kurz, bevor ich mich wieder gerade aus hinsetze, ungeduldig warte, an die Wand starre, was ich noch mit dem wackeln meines Fußes unterstütze. Genau bemerke ich, wie sehr es Niall stört, der sich aber kein einziges Mal beschwert, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Es vergehen Minuten.

Tausende Sekunden, in denen ich mich frage, was so lange dauert.
Tausende Minuten, in denen ich Harrys Hand schon längst halten könnte.
Tausende Stunden, in denen ich ihm sagen könnte, wie sehr ich ihn liebe und brauche.

Stunden vergehen nicht, aber es erscheint mir so, weshalb ich hastig aufspringe, als sich die Tür öffnet, man Stimmen hört und zwei Krankenschwestern sich unterhaltend an mir vorbeilaufen. Worüber sie reden verstehe ich nicht, konzentriere mich schon auf den Spalt, der sich zwischen Tür und Türrahmen befindet.

"Honor, sie rufen dich, wenn du rein darfst", bringt Niall mich aber von der Idee ab, in den Raum zu stürzen.

"Ich will endlich zu ihm", beschwere ich mich, beginne damit hin und her zu laufen, wie er es tat, als ich ankam. "Nur ganz kurz konnte ich ihn sehen und da schlief er, mit einem schon leicht roten Verband um seinen Kopf."

Dieser Anblick wird mich in geraumer Zeit nicht verlassen.

Das war so scheußlich, grauenvoll, wie er dort so regungslos lag. Sonst kenne ich ihn als jemand aufgeweckten, sportlichen, der mich manchmal zur Weisglut treibt. Genau das fehlte und genau das, was mich manchmal nervt, will ich gerade so verzweifelt sehen.

Er soll sich bewegen, lachen und darüber lustig machen, wie tollpatschig ich mich bei irgendwelchen Dingen anstelle. Ich will eine seiner perversen Anspielungen hören, in der Dusche wieder gegen die Wand gepresst werden, seine Haut auf meiner spüren.

"Du darfst bestimmt gleich rein", versucht der Ire mich ruhig zu halten, verfolgt meine hallenden Schritte von links, nach rechts und wieder zurück, wobei er sich nach hinten lehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Wie geht es dir überhaupt?", erkundige ich mich, mustere ihn im Augenwinkel.

"Ach, ich hab Nichts abbekommen. Mein Kopf brummt nur, weil ich wieder viel getrunken habe", erklärt er mir, winkt ab. "Durch den Schock wurde ich aber schon ganz schön ausgenüchtert."

Wirklich betrunken sieht er auch nicht mehr aus, denke ich mir, werde aber abgelenkt, als ich den Arzt meinen Namen rufen höre, eilig zu ihm haste. "Ja?"

Prüfend wirft er noch ein letztes Mal einen Blick auf sein Klemmbrett, liest sich seine Notizen durch, von denen viele, krakelig dort stehen, bevor er nickt, mir mitteilt: "Sie können jetzt zu ihm."

"Wirklich?" Fassungslos, hysterisch schlage ich mir freudig die Hände vor den Mund.

"Ja, aber bitte denken Sie daran, dass Mr. Styles seine Ruhe benötigt. Und, Miss Chapel, machen Sie sich keine Sorgen. Er wird aufwachen, wenn sein Körper sich bereit dazu fühlt." Mit einem aufmunternden Lächeln geht er an mir vorbei, bittet Niall noch darum, auf mich aufzupassen, bevor er im Aufzug verschwindet.

Ängstlich, mit einer zitternden Hand schiebe ich die Tür zu dem Raum bei Seite, traue mich jedoch noch nicht, einzutreten.

Ich will Harry nicht verletzt sehen, weil ich ihn nur stark kenne.

Doch ich atme tief ein, gehe dann in den Raum, aus dem man das Piepen der Herzmaschine hört, die direkt neben seinem Bett steht.

Grell leuchten die Lampen von der Decke, erhellen den Raum. Die Wände wurden in einem leichten Himmelblau gestrichen, das Bett wurde dazu komplett Weiß gehalten.

Mir stockt bei dem Anblick des Mannes im Bett das Herz, sodass ich mich nicht bewege, nur mit großen Augen zu ihm starre. Wie einen Luftzug spüre ich, wie Niall nach meiner Hand greift, mich vorsichtig zu dem Bett zieht, wo ich ganz achtsam Platz nehme, starr, mit Tränen in den Augen auf meinen reglos, schlafenden Freund gucke.

"Ich kann nicht ohne dich, Harry", hauche ich, bevor ich weine, all die angestauten Tränen der letzten Stunde, nun in Strömen über meine Wange fließen lasse. Auch wenn ich mich dafür schäme, nun so vor ihm hier zu sein, so schwach, geht es nicht mehr. "Komm zurück!"

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