226-das rettende Schiff

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Können wir ebenfalls unsere Kräfte verlieren, wenn es die Menschen tun, die wir lieben? Können wir ihre Schmerzen spüren, ebenso geschwächt sein?

Ja.

Warum können wir ihnen ihre Schmerzen dann nicht abnehmen, alleine all unsere Kraft verlieren, wenn sie dadurch nur stärker werden?

Wieso?

Für den vor mir liegenden Mann würde ich sofort alles aufgeben, mich an seine Stelle legen, wenn er dadurch glücklich ist, strahlt und keine Qualen erleiden muss.

Mir sagt niemand, ob er leidet oder nicht, es spürt, wenn ich meine Hand auf seine lege, oder nicht. Ich würde es gerne wissen, erfahren, was ich tun muss, damit er sich wohl fühlt, doch erhalte ich keine einzige Antwort, keinen Ton.

Nur das Piepen der Maschine und meine Schluchzer erklingen in dem weißen, kahlen Raum, in dem er so reglos, schlafend liegt.

Die Hand in meiner fühlt sich kalt an. Ein Schauer fließt über meinen Rücken, sorgt für Gänsehaut, wegen dieser unbekannten Kälte.

Harrys Hände sind immer warm, weich und halten einen sicher fest, wollen einen nicht loslassen. Jetzt bemühen sie sich nicht einmal dich anzufassen, liegen ohne ein Zucken auf der Matratze. Es wirkt fast so, als wäre kein Leben in ihnen.

Oft bewegt er sich im Schlaf unruhig hin und her, weil er nie lange auf einer Stelle schlafen kann. Doch er liegt vor mir, ohne sich zu regen, ohne ein Zeichen, dass die Matratze unbequem ist, sein Kissen einmal ausgeschüttelt werden könnte oder er aufstehen will, da sein Po schon wehtut. Nichts kommt, sieht leblos aus.

Das wunderschöne, ruhig schlummernde Gesicht trägt keine Emotion, keinen Ausdruck, nur einen Kratzer über seinem Auge und an seiner Lippe. Um den Schädel wurde ein weißer Verband gebunden, der das schreckliche Bild zusätzlich zu den Schläuchen in seiner Nase, abrundet.

"Sag mir bitte, dass er nur schläft, Niall", wimmere ich flehend, brauche eine Antwort. "Denn er sieht so leblos aus, als sei er tot. Und ich kann ihn nicht verlieren."

"Er schläft nur", versichert der Blonde mir, der seine Hand nun wieder vorsichtig auf meine Schulter legt. "Lausche einfach seinem Herzschlag, Honor."

"Was wenn es plötzlich aussetzt, es konstant durch piept? Das will ich nicht hören, weil es wie ein Dolch in der Brust wirkt."

Bei jedem Mal wenn das Piepen ertönt pocht mein Herz aus Angst stark, da es mit einem Mal einfach nicht mehr aufhören könnte, durchgängig piept und nicht mehr aufhört. Ich erschrecke mich, wenn es nur eine Millisekunde zu lange ertönt.

Es kommt mir vor wie früher in der Schule, wenn man nicht aufgerufen werden wollte und der Lehrer jemanden aufrief, der denselben Anfangsbuchstaben besaß.

Aber diese Situation hier ist eine Millionen Mal schlimmer.

Ich könnte Harry für immer verlieren, wenn ein Strich auf der Maschine erscheint und nie wieder verschwindet.

"Er wird kämpfen!"

"So viel musste er schon durchmachen? Warum kann es nicht irgendwann aufhören?", frage ich weinend, fest die Hand umschlingend, von der ich keine Reaktion erhalte. "Warum kann er nicht meine Hand drücken, nur als Signal, dass er kämpft?"

"Hat er je aufgegeben?"

Kopfschüttelnd schluchze ich, rücke dichter an Harry.

Sein Körper wurde in eines dieser Krankenhaushemden gekleidet. Die Haare hängen wild durcheinander auf seinem Kopf und die Kratzer in seinem Gesicht wurden versorgt. Der über seinem Augen sogar leicht genäht. Sein Handrücken besteht aus Schrammen und blauen Flecken.

Die Ringe liegen auf dem Schrank, weswegen ich sie mir nehme, achtsam einen nach den anderen auf die üblichen Finger schiebe.

"Komm zurück, Harry!" Tränen fließen über meine Wange, tropfen auf meine Hose, was mich kein bisschen stört.

Mich stört es, dass es so weit kommen musste, dass ich an einem Samstagabend ins Krankenhaus laufen muss, in dem mein Freund verletzt liegt. Mich regt es auf, wie er hier liegt, dass er hier -an Stelle von Leonard- liegt. Er verdient all diese Schmerzen nicht.

"Du kannst mich nicht alleine lassen."

"Honor?" Sanft spricht Niall, versucht mich ruhig zu halten. "Er wird dich nicht verlassen. Ich habe dir doch gesagt, wie viel er noch für euch geplant hat."

Schniefend nicke ich, schaue kurz dankbar zu ihm, bevor ich Harry wieder mustere. Er sieht so verletzt aus, so geschafft. Diese Reglosigkeit regt mich auf, nagt an meinen Nerven, die Tatsache, dass kein Wort von ihm kommt, er mich nicht in seine Arme nimmt und mir versichert, dass alles wieder gut wird.

"Harry, wenn du das hier hören solltest", beginne ich nun, komme mir vor Niall nicht blöd vor, weil ich mit einer schlafenden Person rede. "Dann muss ich dir sagen, dass auch ich noch so viel mit dir geplant habe." Mich etwas auf die Bettkante kniend streiche ich eine Haarsträhne aus dem ruhigen Gesicht. "Du bist die einzige Person, die ich mir als meinen Mann vorstellen kann, als den Vater meiner Kinder und als die Person, die irgendwann um mich an meinem Grab trauern wird, unseren Enkelkindern unsere verrückte Geschichte erzählt. Da gibt es nur dich in meinem Kopf."

Vielleicht ist es gut, dass er nicht hört, wie verzweifelt ich klinge und wie kaputt, dass ich sehr pessimistisch gerade denke. Er mag es nicht, wenn ich nicht lache, Dinge runter mache oder halt alles Schwarz sehe.

"Du musst jetzt ein weiteres Mal stark sein, kämpfen. Ich weiß, dass du das schaffst, auch wenn es gerade nicht so aussieht", rede ich weiter, mich mehr an die Hand klammernd, als könne ein Zeichen von ihr kommen. Ein rettendes, erlösendes Zeichen. "Meine Grandma möchte doch unbedingt Enkelkinder, Harry. Wie soll sie denn welche bekommen, wenn ich niemanden habe?" Bei diesem Satz schmunzele ich ein wenig, da er mir einmal erzählte, wie sehr meine Grandma ihn unter Druck setzt.

Und ich weiß, dass er einmal von uns als Familie träumte. Wir besaßen einen kleinen Jungen und ich war mit einem Mädchen schwanger. Der Junge hieß Jack und was ich ihm in Schlaf nuscheln hörte, waren wir glücklich.

Genau für diese Sache muss er nun kämpfen, damit sie wahr werden kann.

"Bitte. Erinnere ich daran, wie du dich gegen deine Eltern gewehrt hast, wie sie dich schlugen und du trotzdem weiter machtest. Denke an die Tage zurück, an denen wir beide am Boden lagen und du uns wieder auf die Füße gezogen hast", fasele ich vor mir hin, weine etwas. "Immer warst du derjenige, der für uns kämpfte, Harry. Bitte, verlass mich nicht."

Nialls Hand auf meiner Schulter beruhigt mich nur ein wenig. Doch mir wäre ein Zeichen des Mannes lieber.

"Ich möchte nicht stören, jedoch muss ich noch einmal den Verband Ihres Freundes wechseln", meldet sich entschuldigend der Arzt hinter uns, kommt in den Raum. "Miss Chapel, ich kann Ihnen versichern, dass Mr. Styles in ein paar Tagen wieder aufwachen wird."

"Zu hundert Prozent?"

"Zu hundert Prozent", versichert er mir. "Jedoch kann ich Ihnen nicht sagen, was dann sein wird. Es wäre möglich, dass er sein Gedächtnis bis zu einem bestimmten Punkt verloren hat und die vergangenen Tage wieder aufarbeiten muss. Vielleicht wird er sich an gar nichts erinnern oder mir sagen können, welche Farbe Ihre Socken vor drei Tagen besaßen."

"Aber er wird wieder aufwachen und gesund werden?" Ich muss es einfach tausendmal fragen, will, dass er sofort aufwacht.

Ihn so hier liegen zu sehen bricht mir das Herz, da irgendwie kein Leben in seinem Körper herrscht. Es fehlt sein Geist, der die pure Perfektion zu dem wunderschönen Körper beiträgt.

Harrys Körper liebe ich, all seine Tattoos, die grünen Augen, Wangenknochen und leichten Andeutungen von Muskeln. Doch noch wichtiger sind mir seine persönlichen Charaktereigenschaften, wie sein ständiges Fluchen, der Pessimismus und die mürrische Art. Das macht ihn zu Harry und das fehlt gerade.

Von der anderen Seite des Bettes zieht der Arzt ihn vorsichtig an seinen Schultern nach vorne, beginnt dann damit, den Verband um seinen Kopf abzuwickeln. Umso mehr abkommt, desto größer werden die durchgesickerten Blutflecken.

Wie stark hat Leonard ihn geschubst? Wie schlimm sieht sein Hinterkopf aus?

Was wenn er sein Gedächtnis verliert, sich an nichts mehr erinnert, das ihm wichtig war? Was wenn er uns vergisst?

Er könnte sich nicht mehr an Olivia erinnern. Vielleicht hat er schon längst seine Träume für uns vergessen, weiß nicht einmal mehr meinen Namen.

Mir wird bei diesen Gedanken immer banger, immer schlechter, weil ich ihn Angst habe, dass ich ihn, selbst wenn er aufwacht, verloren habe, da er sich nicht am mich erinnert.

"Könnten Sie ihn hier an den Schultern festhalten, damit ich den Verband richtig um seinen Kopf wickeln kann?", bittet der Herr mich, worauf ich aus meinen verzweifelten Gedanken geholt werde, Harry an den Schultern halte, mit meinen Daumen dabei etwas über seinen Hals streiche.

Er mag es nicht so, wenn ich seinen Rücken oder seinen Arm streiche, wie er es bei mir tut, jedoch tue ich es trotzdem. Wer weiß, vielleicht wacht er ja fluchend auf, weil es ihn stört.

Was er hoffe ich mir eigentlich hier schon?

"Hat er große Schmerzen, oder?", nuschele ich erkundigend an den Arzt, der nur noch ein paar Zentimeter des Verbands in der Hand hält.

"Ich denke nicht, da wir ihm ein Schmerzmittel gespritzt haben. Miss, bitte machen Sie sich keine zu großen Gedanken."

"Ich- Es ist einfach so schwer, weil er immer derjenige ist, der mich in traurigen Situationen aufbaut", erkläre ich mein Verhalten. Die ganze Zeit bin ich schon so verwirrt, denke wirr und unklar. Ebenfalls spreche ich so. Oder es kommt mir nur so vor, aber ich fühle mich nicht normal. "Kann ich ihm irgendwie helfen, irgendwas tun, dass er vielleicht eher aufwacht oder es ihm zumindest gut geht?"

"Reden Sie einfach ruhig mit ihm und bleiben bei ihm, das sollte schon etwas bewirken", teilt der Mann mir mit, ehe er wieder den Raum verlässt.

Lange herrscht Stille, in der ich dicht an dem Lockenkopf sitze. Dieser Schlauch in seiner Nase gefällt mir nicht. Ich selber musste ihn mal tragen und weiß, dass das Ding drückt, kein schönes Gefühl vermittelt. Er wird sich, wenn er aufwacht beschweren, aber es ist wichtig.

"Soll ich euch vielleicht alleine lassen?", erkundigt Niall sich leise, den Blick deprimiert auf Harry gerichtet. "Oder dir was zu Essen oder Trinken aus der Cafeteria holen?"

"Ich brauche nichts, danke", bedanke ich mich kopfschüttelnd. "Hol du dir selber was. Deinen Magen hör ich bis hier knurren."

Nickend läuft er schweigend zur Tür, meint dann aber noch: "Er ist stark, Honor. Und wie du selbst sagtest, hat er schon so viel überstanden. Das hier wird für ihn nur ein Mittagsschlaf sein."

"Hoffentlich", seufze ich, ehe die Tür ins Schloss fällt und ich vollkommen alleine mit Harry bin, weinend zusammen breche.

Kniend, meine Hand fest um seine geschlungen, knie ich vor dem Bett, weine bitterlich und schluchze, kämpfe gegen die Schmerzen in meinem Kopf. Er sieht so schlimm aus, so verletzt und ich konnte es nicht verhindern.

Die Kabel, welche von seinen Arm an die Maschine laufen, hätten verhindert werden können. Das Piepen müsste nicht sein und dieser ganze Aufzug könnte durch unser Schlafzimmer eingetauscht sein.

Ich würde alles tun, was Harry verlangt, tausendmal mit ihm schlafen, all seine Sachen vom Boden aufräumen, während er schon wieder welche hinwirft. Seine Sprüche zu meinen Kochkünsten fehlen mir und allgemein die neckenden Worte.

"Weißt du noch, wie du mir von Olivias Lieblingsblumen erzähltest? Dass sie Sonnenblumen mag und Angst hast, sie würde verblühen?", stelle ich ihn diese Frage, auf die ich keine Antwort erhalten werde. "Du bist für mich das rettende Schiff auf den schwanken Wellen. Nur bei dir bin ich sicher und, Harry, bitte sorge dafür, dass ich nicht eine Schwimmfeste tragen muss oder in die tödlichen Welle falle. Ich brauche dich!"

Hoffend, dass er mich hört, mich versteht, da ich meine eigenen Worte kaum kapiere, lege ich mich vorsichtig zu ihm ins Bett, mein Kopf auf seiner Schulter platziert, ein Arm achtsam um seinen Bauch geschlungen. Irgendwie will ich ihn halten, ihm nah sein.

"Bitte, atme weiter, lebe weiter und schwimme weiter sicher durch die hohen Wellen", wimmere ich, durch meine zitternden Lippen. "Du bist doch tausendmal stärker als Leonard Willoughby oder irgendein anderer Honk -wie du sagen würdest."

Er amüsiert sich nicht über meine Worte, lacht nicht darüber, wie gezwungen ich seine Wortwahl ausspreche.

Harry liegt nur regungslos im Bett, tut nichts außer der Maschine einen Rhythmus für das Piepen zu schicken.

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