255-dreizehnter Juli

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Hektisch, fast schon sprintend bahne ich mir einen Weg durch die Menschenmassen, muss dabei immer wieder meinen Rucksack richten, da er mir sonst von der Schulter fallen würde, auf der er sehr grenzwertig hängt. Schnaufend rempele ich einen der jüngeren Studenten weg, entschuldige mich nur kurz, ehe ich wieder nach vorne schaue und weiter renne.

"Chapel, warte doch mal?"

Du bist so dumm gewesen, Honor, meckere ich mit mir selber. So verdammt dumm!

Diese Erkenntnis erlangte ich bereits am Wochenende und dies nicht gerade sachte. Schmerzhaft traf mich die Realität, wie bescheuert meine Idee war. Und dabei war es nur ein Versuch, ihn endlich zu vergessen.

Ein kläglicher Versuch, der dafür sorgte, dass ich nun vor dem aufdringlichen Jungen weglaufe, mich viele Menschen verwirrt verfolgen, während der Kerl mir nachruft, was er nicht gerade unauffällig tut.

"Honor!"

Die Stimme klingt grauenhaft in meinen Ohren, wie der alte Motor von einem Auto, dass zwei Jahre lang nicht gefahren wurde. Mir gefällt, dieser Ton, nicht und sein komischer Akzent, den eigentlich alle anderen Mädchen vergöttern, da er so sexy klingt.

Auch wenn meine Beine schmerzen, laufe ich weiter. Auch wenn die Gefahr besteht, dass ich wegen dem offenen Schnürsenkel an meinem linken Fuß falle, haste ich weiter durch die Gänge. Auch wenn einige mich für verrückt halten, da ich vor einem gut aussehenden, beliebten Jungen der Uni weglaufe, schubse ich sie trotzdem zur Seite, um vor ihm weg zu kommen.

Meine einzige Hoffnung ist das Mädchenklo, dessen Tür ich nun schon von Weiten erkennen kann. Ein paar Meter noch, dann erreiche ich es, kann rein flüchten. Mathematik sehe ich als eines der schlimmsten Fächer dieser Einrichtung an.

Vor allem, da er sich dann für eine ganze dreiviertel Stunde mit mir in ein und demselben Raum befindet, die selbe Luft atmet. Mir kommt es immer so vor, dass sein Blick die gesamte Stunde über auf mir liegt, er mich beobachtet, was ich tue, mit wem ich rede und weitere Dinge.

Doch wenn ich mich dann umdrehe, sieht er starr an die Tafel, welche der Professor mit Formeln und Gleichungen vollschmierte.

Wir tauschten schon lange keine Blicke mehr aus, geschweige denn ein Wort. Wenn ich ihm begegne, was so gut wie nie geschieht, dann blickt er weg. Wenn ich rede, ist er derjenige im Raum, der mir nicht zuhört, der lieber mit Charlotte quatscht, die ihre Kurse wechselte. Wegen ihm.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich ersetzte, oder ich nur ein temporärer Ersatz für sie war, jedoch hört man Gerüchte und diese können einen verletzen.

"Chapel!", ruft mir der Kerl erneut hinterher, als meine Tür endlich den Türknauf des Mädchenklos umschlingt und umdrehen will.

"Mist!" Voller Verzweiflung rüttele ich an dem Knauf, drehe und drücke, worauf sich die Tür vor mir aber nicht öffnen will. So wie ich voller Energie lief, kämpfe ich nun darum, Einlass zu erhalten, bis mir ein Schild neben der Tür auffällt.

Wegen verstopfter Toilette vorübergehend gesperrt.

Wieso muss mir so etwas passieren?

Schnell drehe ich mich um, erkenne, wie sich der Mann mir immer mehr nähert, ein Grinsen auf den Lippen bekommt, da er bemerkt, dass ich nicht weg kann und weiß, dass er mich jetzt, egal ob ich loslaufe oder nicht, und egal wie schnell meine Beine mich tragen, einholen und schnappen wird.

"Ganz ruhig", meine ich zu mir selber. Tief Luft holend richte ich meinen Rucksack, wische eine Strähne aus meinem Gesicht, tippe gleichzeitig von einem Fuß auf den anderen, nervös auf ein Wunder hoffend.

Aber meine Wunder sind in den letzten Jahren ausgelaufen, wie Niall eine Chipstüte leert.

"Warum läufst du denn weg?" Nach ein paar Sekunden kommt Jonathan vor mir zum Stehen, schnappt schnaubend nach Luft, die Hände in die Hüfte stemmend.

Sein Dreitagebart sorgt dafür, dass die braunen Augen noch dunkler wirken und die nach hinten gekämmten Haare sorgen dafür, dass seine Stirn größer wirkt. Ein blaues Shirt, darüber eine weiße Collagejacke und eine schwarze Jeans lassen sein Auftreten auf mich noch beunruhigender wirken.

Er weiß was er will und wenn er es nicht bekommt, dann wird er wütend. Wir alle, jeder in der Uni durfte dies schon einmal miterleben. Und sein Outfit spiegelt dies nur wieder.

"Hey!" Laut und energisch zieht er mich aus meinen Gedanken, nun eine Hand auf meine Schulter legend. "Warum läufst du denn weg? Ich hab dich drei Tage schon lang gesucht."

"Ich habe dich schon drei Tage lang gesucht", korrigiere ich ihn unwohl, sein Handgelenk umschlingend, um die große Hand von mir zu entfernen. "Und um ehrlich zu sein, muss ich ähm-"

"Was? Ganz dringend auf die Toilette?" Er scherzt eingebildet, lacht dabei nicht, sondern sieht mich streng, abwartend an. "Warum läufst du vor mir weg, Honor? Ich meine, am Samstag sah das noch ganz anders aus."

"Am Samstag sah sehr Vieles noch anders aus", entgegne ich, mir traurig auf die Zunge beißend, wenn ich mich daran erinnere, dass Samstag noch nicht heute war und dass am Samstag eine ganz andere Situation vorherrschte. Samstag ist nicht heute.

"Zum Beispiel?", hackt der Mann nach, sich nun auch noch nach vorne beugend. "Mmmh?"

"Ethan und Nathan waren bei mir", bringe ich hervor. Mir ist klar, dass er dies niemals als Antwort akzeptieren wird und dass er sich darüber lustig machen wird, weswegen ich keine Miene bei seinem Auflachen verziehe.

"Die beiden Schwuchteln!"

"Nenn sie nicht so!"

"Was war am Samstag anders, Honor?" Diese dunklen Augen brennen sich fest in meine, versuchen mich einzuschüchtern, während ich hier stehe, dicht an die geschlossene Toilettentür gepresst und mit einer hektisch, heben und senkenden Brust.

Du warst so unglaublich dumm, bescheuert, Hirnverbrannt, beknackt, behämmert, debil, gaga, idiotisch, irrsinnig und vor allem blöd am Samstag, Honor!

"Samstag war Samstag. Samstag war nicht heute und du bist nicht..." Ich stoppe, als mir auffällt, was ich in meiner Wut aussprechen wollte. Es geht Jonathan nichts an, was mich zu Dingen bewegte und wenn ich möchte, dass er mich in Ruhe lässt, dann sollte er dies einhalten.

Jedoch sieht er dies kein bisschen ein, geht sofort auf meine Worte ein. "Und ich bin nicht wer?"

"Jemand!", zische ich. Von Hoffnung gefüllt starte ich den Versuch, mich an ihm vorbei zu drängeln und weg zu kommen. Allerdings besitzt dieser Mann einen schnellen Reflex, weswegen er seine Hand sofort um meinen Arm schlingt, mich an Ort und Stelle hält, als ich auch nur einen Fuß nach vorne setze.

"Jonathan, lass mich gehen!"

"Wer?"

"Es geht dich nichts an! Samstag war ein Fehler und du solltest es vergessen", erkläre ich ihm, mit einem angespannten Kiefer. "Sonst vergisst du auch immer alles, da du zu viel getrunken hast!"

"Aber niemand vergisst solch einen schönen Engel, wie dich, Honorlein", raunt er dicht an mein Ohr, wobei mir der beißende Gestand von seinem Aftershave in der Nase hängt und ein Kribbeln verursacht.

"Glaube mir, schon so einige Menschen haben mich vergessen!"

Plötzlich muss ich niesen, schnelle mit meinem Kopf nach vorne, während der Mann angeekelt einen Schritt von mir wegtritt, was ich als meine Chance ansehe und los sprinte, weg von ihm. Sein billiger Angeberduft versaut es ihm selber und lässt in mir doch noch den kleinen Glauben an winzige Wunder aufkeimen.

Aber schon im nächsten Moment tritt jemand auf den kleinen Keim, sorgt dafür, dass er stirbt, als ich stolpere. Mit vollem Schwung, einem Aufschreie und die Hände nach vorne gestreckt klatsche ich schmerzhaft auf die Steine des Ganges.

Niedergeschlagen betrachte ich das Chaos welches aus meinem Rucksack herausfällt, der an einem Metallstück hängen blieb und dadurch aufriss. Über dem gesamten Boden liegen meine Bücher und Hefter, sowie Arbeiten und Notizen verteilt, die ich hastig, beschämt aufsammle und das amüsierte Lachen einiger anderer ausblende.

"Seht euch mal den Freak an", ertönt es schallend von der einzigen Person, die mich noch so nennt. "Du hättest beinahe meine teuren Guccipumps ruiniert!", meckert Charlotte, die sich nun von der Bank erhebt, an der mein Rucksack hängen blieb. Ihre lackierten Füße befinden sich sozusagen direkt vor meinem Gesicht als ich mich aufrichte, meine Sachen dicht an meine Brust drücke. "Ich wette, du besitzt nicht einmal das Geld, für einen der teuren Steine!"

"Naja, so teuer können die nicht sein", meine ich. "Weil die sind vom letzten Jahr!"

Ein lautes 'Oh' geht durch den Gang von neugierigen Studenten. Einige von ihnen lachen, während andere nur gaffen oder zur Seite gehen, da Jonathan nun hinzu kommt, mich mustert, wie ich vor Charlotte stehe, deren Blick skeptisch zu dem Mann schweift.

"Vom letzten Jahr?", fragt sie zickig, wütend, sowie eingeschnappt eine Braue hebend.

"Ja", stimme ich ihr eifrig nickend zu. "Vom letzten Jahr! Du musst zugeben, da sind meine Chucks besser. Die bleiben nämlich immer im Trend."

Frech grinsend werfe ich kurz einen Blick zu meinen schmutzigen Stoffturnschuhen, die nun schon die zweite Saison mitmachen und schon viel erlebten. Von starken Regen, bis hin zu einer brennenden Hitze und Mottergatsche.

"Du bist ganz schon eingebildet, Freak", stellt Charlotte etwas fest, wobei ich ihr nicht recht gebe und dies auch klar und deutlich mitteile: "Ich bin nicht eingebildet. Ich sage dir nur lediglich meine ehrliche Meinung, was ich schon viel früher hätte tun müssen. Aber leider änderte sich dies erst, nachdem einiges geschah."

"Du meinst, nachdem Harry sich endlich aus einer scheiß Beziehung mit einer Durchgedrehten löste, von der er eigentlich nie etwas wollte?"

Ich schweige, stehe starr hier und weiß nichts mehr, kann nur hart schlucken. Jedes Mal wenn sie die Chance erhält, um dieses Thema aufzubringen, dann tut sie dies. Und jedes Mal bricht in mir eine Trauer und Schmerz aus.

Doch heute ist es anders. Denn heute ist der dreizehnte Juli.

"Irgendwann wirst auch du verlassen, Charlotte", spreche ich ernst zu ihr. "Und vielleicht wirst du dann überlegen, was du Falsches getan hast, damit du jemand wichtigen in deinem Leben verlierst. Und glaube mir, du kannst so viel überlegen wie du willst, jedoch wirst du keine Antwort finden."

Genau dieser Punkt wird es sein, der schmerzt.

Wenn man sich tagelang den Kopf zerbricht, versucht sich zu ändern, aber nicht weiß, was man ändern soll. Genau diese Sache ist es, die einen verzweifeln lässt. Und die Einsamkeit, die Erkenntnis des Verlusts.

"Mich verlässt niemand. Wenn, dann verlasse ich", blasiert sie sich, den Kopf hebend.

"Du wirst irgendwann eines Besseren belehrt", teile ich ihr mit, bevor ich hektisch weglaufe, einige Menschen wiederholt zur Seite, schubse.

"Hey, Chapel!", höre ich Jonathan wieder hinter mir rufen, warte auf ihn aber keine Sekunde.

Ich will hier nur noch weg, nach Hause und endlich meine Ruhe an diesem blöden Tag haben. Ich möchte auf meiner kleinen Couch hocken, an diesem heißen Tag in meiner dicken Decke schwitzen und weinen, während ich zum tausendsten Mal seinen Brief lese.

Draußen, endlich raus aus dem Gebäude stoppe ich, bin mir sicher, dass Jonathan mich nicht mehr verfolgt und erhalte recht, als ich ihn nirgendswo erblicke. Endlich kann ich einen Blick auf meine schmerzenden Knie werfen, zische bei dem Anblick des Blutes auf, auch wenn es nicht viel ist.

Trotzdem hasse ich meine Unfälle.

Genervt die Augen verdrehend setze ich mich in Bewegung, meine Bücher haltend, irgendwie sinnlos versuchend mein Knie zu schonen. Auf dem Weg nach Hause, überlege ich, was ich alles tun werde, wie ich diesen Tag anders, als letztes Jahr verbringen kann.

Doch mir fällt nur das Selbe ein.

Tatsächlich werde ich mich erneut in meine dicke Decke wickeln, werde mir die langweiligsten und dümmsten Sendungen im Fernsehen ansehen, über die ich mich schon früher aufregte, oder lese den nun schon langsam sehr knittrigen Brief, der sich unter meiner Unterwäsche im Kleiderschrank befindet, wo ich ihn vor den Augen anderer verstecke.

Vielleicht gehe ich auch einfach gleich ins Bett, wo ich weinen werde, wild strampeln, wenn ich total verzweifle oder laut in mein Kissen brüllen werde, nachdem ich die alten Worte hundertmal in mir Aufnahm.

So lief es bis jetzt immer ab.

Der dreizehnte Juli entwickelt sich zu einem Deja Vu, einem Kratzer auf einer Schallplatte, der endlosen Wiederholungsschleife.

Mein dreizehnter Juli läuft, bis auf ein paar Ausnahmen immer gleich ab.

Ich verabscheue ich schon am zwölften Juli, schlafe in der Nacht schlecht und esse nur sehr spärlich -weniger als sonst- am Morgen, ziehe mir irgendwelche Sachen an und gebe mir keine große Mühe mit meinen Haaren oder sonst irgendwelchen Dingen. Ich trotte zur Uni, wo ich still im Unterricht sitze, den Worten anderer lausche, bis der Tag vorbei ist und ich zurück nach Hause, in meine einsame Wohnung kann, in der ich versauere.

Dieselbe Prozedur. Seit drei Jahren.


*Habt bitte Geduld. Ihr werdet alles zu seiner Zeit erfahren:)* *Ich weiß, dass ich gesagt habe, ein Jahr ist viel, aber ich habe heute lange hier rüber nachgedacht und ja...*

*Zwei Bilder für Lily_Rose_sky (hoffe der Name ist richtig) die sie als Hintergrund für ihr Handy wollte:)* Mal sehen, ob ich die hier noch lösche....

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