286-Schuss des Jägers

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Wie ein junges Reh, das den Schuss des Jägers im dunklen Wald hörte, springt Harry hastig auf. Seine grünen Augen sind groß, als würde er die Gefahr hinter einem Gebüsch entdecken. Angst, Sorge und tausende Gedanken spiegeln sich in diesem glasigen Blick wieder, der direkt zu mir gerichtet ist.

Erschrocken, ebenso besorgt wie er, schaue ich immer wieder zwischen Fernseher, in dem man Bilder zu irgendeiner Schiffstaufe sehen kann, und Harry, der mich mit diesem gequälten Ausdruck ansieht, hin und her.

Stammelnd, unbeholfen auf der Suche nach den richtigen Worten, richte ich mich langsam auf. Doch schon in diesem Augenblick stürmt der Mann los, sich seine Boots schnappend und in den Flur stürmend.

"Ich bring die um, wenn sie ihr etwas angetan haben", flucht er grimmig, wütend gegen meine Kommode, heute zum bestimmt schon dritten oder vierten Mal, tretend. "Diese scheiß Mistkerle!"

Mit wackligen Beinen eile ich ihm nach, im Türrahmen stehen bleiben. "Vielleicht kommt sie gleich", versuche ich ihn zu beruhigen. "Warte doch noch ein paar Minuten. Was wenn sie aufgehalten wurde?"

"Meine Mom kam noch nie zu spät, Honor", zischt Harry mir, sich nach vorne beugend, entgegen. "Sie hast Unpünktlichkeit."

Wild rennt er nun von der einen Ecke des Flures, zur nächsten, rauft sich verzweifelt fluchend die Haare, immer wieder fiebrig auf die kleine Uhr schauen, die sich über dem Schrank befindet. Er würde am liebsten los stürmen, ich kann es genau erkennen.

Die Muskeln angespannt, die Hände zu Fäusten geballt, den Blick kritisch zum Türgriff, als würde dieser sich gleich bewegen. Und die Ohren gespitzt, falls das Klingeln der Haustür schrill in unseren Ohren ertönt.

Nichts passiert.

Die Türklinke bewegt sich nicht, da Anne keinen Schlüssel besitzt, und das laute Läuten verbleibt.

Auch meine Angst und Anspannung steigen ins Unermessliche, während meine Gedanken sich die schlimmsten Szenarien ausmalen.

Ich bezweifle aber nicht, dass Harrys schlimmer sein werden, da er sich mit allem auskennt, weiß, wo sie sich befindet und bei wem. Er kennt diese Menschen, während ich keinen blassen Schimmer besitze, wo drin wir uns befinden.

Wo sollte ich denn nach den beiden suchen, wenn der Mann wirklich plötzlich die Wohnung verlassen hätte?

"Ich geh, Honor!"

"Zieh dir was an und warte", halte ich ihn schnell warnend auf, greife noch rechtzeitig nach seinem Handgelenk. Mir ist nicht zum Scherzen zumute, weswegen ich meinen Spruch zu seinem Aufzug hart herunterschlucke.

In Boxershorts und den schwarzen Boots wollte er die Wohnung verlassen, rauf auf die Straßen laufen, so aufgebracht wie er ist. Damit hätte er wahrscheinlich sofort die Blicke der Menschen auf sich gezogen und wäre wohl eher auf einer Polizeistation gelandet, da man ihn für einen Verrückten hält.

"Und ich komme mit", meine ich dann entschlossen und mit der Hoffnung, Harry etwas Zuversicht zu schenken.

An seiner Hand lässt er sich von mir ins Schlafzimmer schleifen, wo er sich sofort Jeans und Oberteil schnappt, welches er sich überzieht, dann entgegnet: "Vergiss es, du bleibst hier! Das ist viel zu gefährlich!"

Mit dieser Antwort rechnete ich. Deshalb kann ich schnell und überzeugend kontern, bin innerlich stolz auf mich selbst: "Und was, wenn diese Menschen hier klingeln, ich ohne Bedacht die Haustür öffne, weil ich denke, dass du und Anne zurück seid? Die könnten sonst etwas mit mir machen, Harry!" Bei dem letzten Satz hebe ich meine Stimme wehleidig, schaue unschuldig in seine grünen Augen.

Stöhnend 'Meinetwegen' fluchend reißt der Lockenkopf die Hände in die Luft, bevor Jeans und ein Pulli auf mich zu fliegen. "Zieh dich schnell an!", wird mir noch befohlen, ehe er schon das Schlafzimmer verlässt und scheinbar im Flur wartet.

Voll und ganz verstehe, sowie respektiere ich seine Sorgen, die Ängste und den herrschenden Drang, sofort etwas zu unternehmen, um Gewissheit über den Zustand seiner Mutter zu erhalten. Mir geht es nicht anders.

Doch spüre ich in mir diese Hoffnung und das Vertrauen zu Annes Worten, dass sie in wenigen Minuten klingeln wird und alles gut wird. Harry überstürzt sein jetziges Handeln eventuell, getrieben von den Befürchtungen.

Aber er sollte nicht unüberlegt handeln, weil sonst Fehler, Missgeschicke geschehen können, die alles schlimmer machen.

"Honor!", ruft er laut, sodass ich mich erschrocken aus meinen Gedanken befreie, die Starre mit dem Shirt in meiner Hand löse. "Beeile dich!"

Seufzend, kurz die Augen erschöpft schließend, ziehe ich mir den dünnen Pulli über den Kopf, bevor meine Beine, eins nach dem anderen in die Jeanshose schlüpfen, die ich schließe. Vielleicht aus Absicht etwas tollpatschig und langsam, vielleicht aber auch aus dem Grund, dass ich auf ein Klingeln warte, dieses nicht verpassen möchte.

Ich vertraue Anne, glaube an ihr Versprechen. Sie wird gleich kommen!

All die Jahre, tuen, ihr leid. In denen sie Harry wehtat, nicht für ihn da war, da wird sie ihn jetzt nicht mit solch einer Kleinigkeit, die jedoch mit einem Mal eine große Bedeutung besitzt, enttäuschen. Das würde sie nicht.

Andererseits, was ist, wenn ihr wirklich etwas geschehen ist, weswegen sie nun nicht kommen kann?

"Honor!" Sehr energisch brüllend, steckt Harry seinen Kopf ins Zimmer, mich wütend ansehend. "Kommst du?"

"Harry, was wenn du das alles überstürzt?" Fest beiße ich mir auf meine Unterlippe, überlege und überlege, weiß jedoch nicht einmal genau, über was. "Oder wir jetzt gehen und sie kurz nach uns kommt?"

"Was versuchst du hier?", fragt Harry mich mit einem Mal, mürrisch die Arme vor der Brust verschränkend, ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippend.

"Nichts", quietsche ich, eingeschüchtert von seiner desillusionierenden Haltung, Mimik und Gestik. "Du-Ich... Ich möchte nur, dass du ruhig bleibst-"

"Das kann ich nicht, Honor!", unterbricht er mich, gereizt die Arme in die Luft werfend. "Verstehst du das denn nicht? Wenn ihr etwas geschieht, weil ich sie gehen lassen habe, dann werde ich mir das niemals verzeihen."

Nun stürmt er aus dem Raum raus, zurück in den Flur, wohin ich ihn dieses Mal folge, leicht deprimiert und schwermütig beobachte, wie er dort steht, die kräftigen, muskulösen Arme vor der Brust verschränkt, bei fast jeder weiterschreitenden Sekunde der Zeit blinzelnd.

"Ich mache mir auch Sorgen um sie, Harry", murmele ich leise, weiter in den Flur tretend.

Eine kleine Ader an seinem Hals sticht hervor und pocht ein wenig. Wenn er seinen Kopf dreht, dann sieht es noch dramatischer aus. Den Kiefer spannt er fest an, wodurch man seinen Kieferpartie besser erkennt, diese kantenscharf wirkt.

Trübselig tapse ich nun auf ihn zu, mir tief melancholisch seufzend meine Schuhe vom Schrank nehmend, die ich mir dann langsam und betrübt anziehe. Harrys ungeduldige Präsenz verunsichert mich.

Dazu kommt ein seltsames Gefühl in meinem Magen, welches für eine Übelkeit sorgt, die mich lähmt.

"Baby", stöhnt Harry genervt, wobei seine Wortwahl diese nerv tötende Ungeduld auch nicht besser macht. "Beeile dich!"

Ohne Worte nickend, schaue ich mich nach meinen Haustürschlüssel um, den ich nirgendswo erblicke kann. Genau dies, dass ich ohne Erfolg, ohne eine wirkliche Richtung suche, lässt den Mann vor mir noch gereizter werden. Eigentlich liegen meine Schlüssel immer auf der Kommode, wo ich sie jedoch nicht finden kann.

"Was ist?", fragt der Lockenkopf nach. Er tut so, als würde ich mich nun mit Absicht so unbereit umgucken.

Kopfschüttelnd eile ich hastig in die Küche, antworte ihm gar nicht erst. Was würde eine Diskussion denn großartig bringen?

Die silbernen Schlüssel liegen nicht auf der Theke und auch nicht auf dem Küchentisch. Ebenso finde ich sie nirgendwo im Wohnzimmer, weswegen ich enttäuscht zurück in den Flur komme, meinen Kopf hängen lasse.

Ich schaue gar nicht erst auf zu Harry, der mit hallend großen Schritten auf mich zu kommt, meinen Kopf mit zwei Fingern unter meinem Kinn hebt. Die grünen Augen bohren sich tief in meine, bis der Mann knurrend fragt, einen Schauer meinen Rücken herab jagt: "Können wir los?"

"Geh du alleine", murmele ich beschämt als Antwort, schlage seine Hand weg.

Mit einem trübsinnigen Gesicht trete ich ein paar Schritte von ihm weg, ehe meine Schuhe von meinen Füßen gekickt werden. Am liebsten würde ich mich irgendwo peinlich berührt verstecken und für die nächsten tausend Jahre nicht hervorkommen. Vielleicht ersticke ich irgendwann an der trockenen Luft und meiner eigenen Peinlichkeit, doch dieses innerliche Gefühl, welches gerade in mir herrscht, ist eine Qual.

Harry nicht mehr ansehend, kein Wort sagend, bewege ich mich von ihm weg, gehe ins Wohnzimmer, wo ich auf der Couch Platz nehme, meinen Kopf auf meine Hände, und meine Ellenbögen auf meinen Oberschenkeln stemme. Traurig ächzend, schließe ich meine Augen.

Es tut mir so leid, dass ich Harry elendig lange für Nichts aufhalte, er bestimmt wütend auf mich ist, da er erst solange warten muss und nun ohne mich geht. Sicherlich verließ er die Wohnung kopfschüttelnd, seine Arme weiterhin vor der Brust verschränkt.

Wenn Anne wirklich etwas angetan wurde, dann bin ich nun schuld, dass man ihr nicht eher helfen konnte. Ich bin dafür verantwortlich, dass Harry zu spät kam. Was, wenn er so enttäuscht und verärgert sein wird, dass er nicht mehr zurück kommt?

Dann habe ich ihn wahrscheinlich verloren.

Erschrocken zucke ich plötzlich zusammen, als sich unerwartet eine Hand auf meine Schulter legt und ich einen Arm um mich spüre. Der Stoff der Couch senkt sich neben mir und ich spüre kleine Bartstoppeln an meinem Hals kitzeln. "Du hast recht", raunt die bekannte Stimme, während kleine Küsse in der Nähe meines Genicks verteilt werden. "Ich sollte meiner Mutter vertrauen. Sie wird bestimmt gleich kommen."

Überrascht blicke ich mit einem erschöpften Blick in die grünen Augen, die sich dicht an meinen befinden. Warm und heiß kann ich Harrys Atem in mein Gesicht prallen spüren. Gerne würde ich etwas sagen, oder ihm ohne Worte meine Gefühle vermitteln, doch schaffe ich dies nicht.

Kaum bewege ich mich, öffne geschweige denn meinen Mund. Wie zu Eis verfolge ich seine Bewegungen, wie seine Hand liebevoll, zärtlich eine Strähne hinter mein Ohr streift, er einen Kuss auf meine Stirn presst.

"Verzeih mir bitte, Honor!" Raunend dringen diese Worte an mein Ohr und der bettelnde Blick Harrys tut im Herzen weh.

Eigentlich wollte ich doch, dass nur noch Liebe, Freude und Glück zwischen uns herrscht. Doch nun befinden wir uns schon wieder an einem kritischen Punkt.

Diese Menschen, welche ich nicht kenne und deren Namen ich nicht einmal weiß, bestimmen unsere komplette Beziehung, lenken uns, ohne die Fäden in der Hand zu halten. Sie drücken nur auf kleine Knöpfe, die den sicheren Turm, mit den vielen Bauklötzen einstürzen lassen.

Dabei sollte genau dies sich ändern.

"Baby, es-", beginnt er wehleidig, flehend meine Hände ergreifend.

"Schon gut, Harry", unterbreche ich ihn jedoch. "Ich kann dich verstehen. Wenn ich alleine daran denke, in was für eine Panik ich geraten würde, wenn es um meine Mom gehen würde, dann... Es ist schon in Ordnung."

Dankend schlingt er seine Arme um mich, küsst wild meine Schläfe, meine Wange und dann meine Lippen, was ich über mir ergehen lasse.

Die Realisation der Tatsache, dass andere uns lenken, sitzt noch tief in meinen Knochen, was der Grund dafür ist, dass ich kein Lächeln zu Stande bekomme. Genau dies, bemerkt Harry.

"Was ist los?", erkundigt er sich, besorgt eine Braue hebend und ebenso auf die Innenseite seiner Wange beißend.

"Diese Menschen- Die, die dir wehtaten und bei denen deine Mutter sich nun befindet... Sie haben eine zu große Kontrolle über uns", teile ich ihm ruhig mit, worauf er zustimmend nickt. "Wir wollte glücklich werden, Harry."

"Und ich bin dabei, daran zu arbeiten, dass wir glücklich werden können. Okay. Du wirst einiges erfahren, wenn meine Mutter kommt und dann auch meinen Plan erfahren."

Er besitzt einen Plan.

Vielleicht macht genau dieser Punkt, der Lichtfunke an Hoffnung, mich ein wenig optimistischer, bringt mich etwas zum Strahlen. Voller Hoffnung umarme ich Harry nun, der mich fest an seinen Körper drückt, ein 'Ich liebe dich' in den Stoff meines Pullis murmelt.

"Ich liebe dich", entgegne ich, bevor wir uns voneinander lösen.

In den grünen Augen erkennt man seine Besorgnis, die Angst vor der Zukunft. Jedoch ebenso seine Willensstärke, Kraft und Zuversicht. Schon immer bewunderte ich ihn für seinen Charakter so sehr, tue es nun noch mehr.

"Alles wird gut, Honor!" Mit dieser festen Überzeugung in der Stimme, dem rauen, angenehmen Ton mitschwingend spricht Harry diese Worte ernst aus. Er meint sie ernst! Seine Hände verschränkt er mit meinen, verbindet unsere Finger und küsst erneut meine Stirn. "Ich verspreche es dir."

Jetzt herrscht eine Stille.

Wir beide sehen uns schweigend an, wissen nicht, ob wir weiterhin ruhig bleiben, oder diesen Verlangen uns zu küssen und all die Probleme damit für eine Weile verschwinden zu lassen, nachgehen sollen. Hin und her gerissen denke ich nach, bis mit einem Mal ein schrilles Geräusch ertönt, sich wie durch ein Blitz eine Gänsehaut auf meinen Armen bildet.

"Die Klinge", teile ich Harry keuchend mit, renne hastig zu der Haustür, die sich einfach so, von alleine öffnet.

Wild pocht mein Herz in meiner Brust, wobei ich mir sicher bin, dass es diese ständigen Wechsel nicht mehr lange mit macht. Meine Atmung stockt, meine Hand, welche sich fest an Harrys klammert, zittert.

Die Tür schwingt weiter auf, schenkt uns einen Blick in den Flur, aus dem Anne nun in die Wohnung tritt.

"Sie muss die Wahrheit und deinen Plan erfahren, Harry!", meint sie streng, angespannt, sodass Panik in mir aufsteigt. "Jetzt!"

"Okay", wispert der Mann, mich vorsichtig an seiner Hand, hinter der Frau, die vollkommen außer Atem ist, her ziehend.

Wir alle drei nehmen auf der Couch Platz, wo ich nun gespannt zwischen dem Mann und seiner Mutter hin und er blicke, die beide überlegen, wie sie mir all die Dinge nun bei bringen sollen und wer anfängt.

Ich sterbe fast vor Angst und Neugier.



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