26 - Heimspiel

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„Vincent! Komm, jetzt schließ endlich ab, verdammte Scheiße." Ich spüre Konstantins bösen Blick in meinem Nacken. Er schnaubt genervt, doch ich tippe in aller Seelenruhe meine Nachricht an Charlotte zu Ende, während ich den Schlüssel im Schloss drehe.
„Chill ma', Dicka", murmle ich und versende meine kurze Abhandlung.

Du stellst es dar, als bestünde irgendein Zusammenhang zwischen Privilegien und Selbstbewusstsein, aber ich versichere dir, da ist keiner. Männer wachsen privilegierter auf als Frauen, unterschreibe ich so. Das ist aber irrelevant dafür, ob man(/Mann) später selbstbewusst durchs Leben geht oder nicht. Darüber entscheiden wesentlich individuellere Faktoren als dein Geschlecht.

„Alter, mach hinne", drängelt Konstantin erneut. Seine dunklen Haare sind durcheinandergeraten und zwischen den buschigen Augenbrauen meines Kumpels hat sich eine Zornesfalte gebildet. „Deinetwegen verpassen wir noch den Anfang der Partie", grummelt er.
„Mach dir nicht ins Hemd, Konny", sage ich und setze ein breites Grinsen auf. Ich lasse meinen Arm auf seine Schultern fallen, doch er schüttelt ihn ab.
„Vergiss es, die Nummer zieht nicht mehr bei mir. Wir wollten vor einer halben Stunde los. Ich schwöre, dein Perfektionismus geht mir so auf den Sack", knurrt er. „Wenn du's nicht mal pünktlich aus dem Studio schaffst, obwohl wir verabredet sind, dann kann ich genauso gut auf diese gelegentlichen privaten Treffen mit dir scheißen." Schuldbewusst schweige ich, als wir in mein Auto steigen. Ich lasse den Wagen an, klappe die Rückspiegel aus und mustere Konstatin, der sich energisch anschnallt und aus der Frontscheibe starrt.
„Ich weiß, ich bin furchtbar", gebe ich zu.
„Ja, bist du, Bruder", bestätigt er ungeschönt.
„Seit anderthalb Wochen oder so packt mich die Lust wieder und ich hab einfach Spaß an Mucke." Konstantin zuckt die Schultern. Er verliert nie lange die Fassung, auch heute nicht. Seine gutmütige Bärenpapa-Art ist beinah zurückgekehrt.
„Ist ja auch eigentlich was Gutes", schlägt er einen versöhnlichen Ton an. „Trotzdem, Mann", wendet er dennoch ein, „du setzt meine Zeit aufs Spiel, und die ist genauso kostbar wie deine."
„Stimmt, bin ich voll bei dir", zeige ich mich einsichtig. Ich schnalle mich ebenfalls an und drücke auf die Tube. Konstantin hat recht, wir sollten uns sputen.

„Erzähl mal von deiner neuen Kleinen", bittet er mich unvermittelt und ich werfe ihm einen überraschten Seitenblick zu.
„Welches Vögelchen hat dir das denn schon wieder gezwitschert?", frage ich ihn skeptisch. Nicht, dass ich solche Infos über mein Privatleben nicht früher oder später an meine Freunde weitertragen würde, aber die Beziehung mit Charlotte ist noch ziemlich frisch und ich hab's nicht von den Dächern runtergeschrien. Außer natürlich an dem Abend, als -
„Hab's von Ef gehört. Er meinte, du hättest ihnen diese Blondine auf Samras Hausparty als deine Freundin vorgestellt." Das war klar.
„Äh, ja, witzige Story", gebe ich zurück und spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt. „Zu dem Zeitpunkt war ich noch gar nicht mit ihr zusammen. Ich wollte nur, dass sie meine Freundin wird." Mein Kumpel lacht auf.
„Ehrlich?", hakt er nach. Ich schmunzle.
„Sie war auch erst echt angepisst", plaudere ich aus dem Nähkästchen.
„Kann ich mir vorstellen. Wie hast du sie danach denn rumbekommen?" Ich erzähle Konstantin die ganze Geschichte von Anfang bis Ende. Dabei gerate ich in einen Redefluss, den ich erst stoppen kann, als auch mein Wagen wieder zum Stehen kommt.

Gleich nachdem wir ausgestiegen sind, ruft eine weibliche Stimme quer über den überlaufenen Parkplatz unsere Namen.
„Vincent! Konstantin!" Es ist Antonia, die auf uns zusteuert. Ein fröhliches Grinsen zieht sich über ihr Gesicht. Vor der Brust balanciert sie mit ihren zwei Händen drei Flaschen Cola. Ihr Pferdeschwanz wippt, als sie die letzten Meter zu uns im Hopser-Lauf zurücklegt. Freudig begrüßt sie uns. „Na, Männer, was geht?" Ich nehme ihr mit leuchtenden Augen eine der Flaschen ab und schraube sie auf.
„Du weißt immer, was ich brauche", kommentiere ich es und trinke ein paar Schlucke. In der Zwischenzeit umarmt Toni Konstantin. Mich lächelt sie verschmitzt an und erwidert: „Da ist aber jemand thirsty." Sie zwinkert mir zu und ich wische mir mit der Hand über den Mund.
„Sie redet in fremden Zungen; verstehst du, was sie sagt?", wende ich mich an Konstantin, und Toni lacht. Er kommt gar nicht erst dazu, zu antworten. Sie plappert sofort dazwischen und tippt ungeniert auf meine Brust.
„Hättest du im Englisch-Unterricht aufgepasst, wüsstest du, worum's geht." Kurz streckt sie mir die Zunge raus. Ich grinse.
„In Französisch war ich immer besser."
„Ah, ja", macht Antonia desinteressiert. Sie hakt sich rechts bei mir und links bei Konstantin unter. „Weitverbreiteter Irrtum, Cunnilingus ist Latein", klärt sie mich auf. Ich lache, entziehe ihr meinen Arm und schubse sie in Richtung Konstantin, bevor ich beide Hände in den Hosentaschen versenke. Toni klammert sich an unseren Kumpel, der eine saure Visage zur Schau trägt.
„Ihr beide seid echt eklig", merkt er an.
„Vielleicht bist du auch einfach nur prüde", ärgert Toni ihn und lächelt. Ich lasse mich davon anstecken. Nur kurz, dann checke ich mein Handy. Aber Charlotte hat mir nicht geschrieben. Sie wird sich mit ihrer Freundin amüsieren und dasselbe sollte ich an diesem lauen Sommerabend wohl auch tun.

„Okay", zügelt sich Antonia neben mir, denn Konstantin hat den Mittelfinger gehoben und hält ihn ihr vor die Nase. Sie kichert. „Tut mir leid", entschuldigt sie sich bei ihm. „Ich bin einfach glücklich ..." Sie lässt eine Lücke für den imaginären Trommelwirbel, ehe sie uns aufklärt. „Weil ich nämlich ab heute Deutsch als Fremdsprache in Integrationskursen unterrichten darf!" Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter und stoppe sie.
„Dann ist es offiziell? Wow, herzlichen Glückwunsch!", rufe ich, breite die Arme aus und Toni springt mich an. Ich hebe sie ein Stück hoch und drücke sie fest. Sie hat wirklich lange dafür geschuftet; den erleichterten Seufzer der Freude, den sie ausstößt, hat sie sich redlich lang erkämpft. Ihren eigentlichen Job als Tontechnikerin wird sie zwar nicht so bald an den Nagel hängen, da bin ich mir sicher. Nichtsdestotrotz, dieses Deutsch-als-Fremdsprache-Ding bedeutet ihr etwas. Es freut mich echt, dass sie seit unserem Studium was Sinnstiftendes für sich gefunden und nun auch noch den schwierigsten Teil, das Referendariat, abgeschlossen hat.

Toni landet mit beiden Füßen auf dem Boden, als ich sie herunterlasse und auch Konstantin zieht sie nochmal zu sich ran, um ihr zu gratulieren.
„War ja klar, dass irgendwas Krasses passiert sein muss, so gut wie du heute drauf bist", stichelt er. Toni schubst ihn leicht.
„Manchmal bin ich halt down, ist doch aber jeder mal", brummt sie. „Geht ihr nachher noch was mit mir trinken, um das zu feiern?", will sie wissen. Ich schüttle den Kopf.
„Ich muss doch fahren", erinnere ich sie.
„Gutes Argument", meint Toni daraufhin und mustert Konstantin abwartend.
„Außerdem hat Vincent die letzten anderthalb Wochen mehr als genug getrunken", feixt der jedoch und ich verdrehe die Augen.
„Ich hab ein paar über den Durst getrunken, und mir dabei irgendwie 'ne Frau geklärt", setze ich Toni seufzend ins Bild, die verständnislos die Stirn in Falten legt.
„Hä, ist das jetzt was Neues, oder was?" Ich kratze mich am Hinterkopf und werfe ihr einen Seitenblick zu.
„Na ja, nicht irgendeine Frau. Ich bin seit ein paar Tagen mal wieder fest vergeben", beichte ich ihr. Toni fallen beinah die runden Kuller-Augen raus.
„Du?!"
„Warum reagiert denn jeder, dem ich davon erzähle, so überrascht darauf?", frage ich empört. „Ist das so abwegig, dass ich eine klassische Beziehung mit einer Frau führen könnte? Ich bin fast dreißig, da darf man doch wohl sesshaft werden", maule ich.
„Oh, Entschuldigung", versetzt Antonia sarkastisch. „Konstantin, ich glaube, ich habe unsere Mimose verärgert." Sie stößt ihn mit dem Ellbogen leicht in die Seite und mein Kumpel nickt. Hilflos zucke ich die Schultern.
„Ich habe mich verliebt", konstatiere ich nüchtern. „Und das mit ihr wird halten, ihr werdet sehen."
„Wie heißt sie denn?", hakt Toni interessiert ein. Wir reihen ins in der Warteschlange ein. Einer aus der Gruppe vor uns trägt bei sechsundzwanzig Grad im Schatten einen Alba-Fanschal. Der Typ hat entweder einen üblen Schnupfen oder ein Rad ab. Vielleicht auch beides.
„Charlotte", beantworte ich Tonis Frage.
„Ganz schön braver Name, auch wenn ich mir den eh nicht merken kann", kommentiert sie trocken und ich lächle stumm, was Toni richtig interpretiert. „Aha, alles klar. So brav ist sie also nicht."
„Deswegen wird's ja halten. Brav macht immer nur begrenzt Spaß."
„Na komm, Karten auf den Tisch", mischt Konstantin sich plötzlich ein. „Es gibt Dinge, die sind wichtiger als Sex." Toni schaut aufmerksam zu ihm hoch, während er erläutert: „Er behauptet, sie ist ein intellektuelles Biest, selbstbewusst und direkt." Konstantin guckt mich an, offenbar damit ich seine Aussage bestätige und das mache ich.
„Eine Hammer-Frau", fasse ich zusammen.
„Ich freu mich drauf, sie kennenzulernen", sagt Antonia. Dabei klingt sie viel ruhiger als noch vor wenigen Minuten, irgendein Gedanke lenkt sie wohl ab. Sie blinzelt, dann ist alles wie zuvor. Sie kramt ihre Karte aus ihrer Tasche. Ich habe meine ebenfalls gezückt und Konstantin hält seine längst bereit. Wir werden von der Einlasserin durchgewinkt und stellen uns auf die Rolltreppe, mit der wir hoch zur Tribüne fahren. Toni und Konstantin tauschen sich über Gott und die Welt aus. Ich höre ihnen nur mit halbem Ohr zu. Charlotte klang gestresst in ihrer letzten Nachricht. Der ungefragte Annäherungsversuch dieses einen Typen hat sie wütend gemacht. Nach dem Basketballspiel denke ich hoffentlich daran, sie nochmal anzurufen.

+

Wie angedacht verschlägt es uns nach dem Spiel in eine Bar, und während meine Freunde Tonis Lehrzulassung feiern, indem sie sich ein Bier nach dem anderen hinter die Binde kippen, beobachte ich die beiden eher und hänge in Gedanken bei Charlotte. Ich bin froh, Zeit mit Konny und Antonia zu verbringen. Dennoch merke ich, dass sie ein ständiger Hintergedanke in meinem Kopf bleibt. Wenn ich mich umschaue, sehe ich am Nachbartisch roten Lippenstift, der an einem Glas klebt. Der Anblick erinnert mich genauso an sie wie eine der Postkarten, die die Barbetreiber an einer Pinnwand hinter dem Tresen aufgehängt haben. Darauf ist ,Der Kussʼ von Gustav Klimt abgebildet. Ein Kunstdruck des Gemäldes hängt bei ihr zu Hause im Wohnzimmer.

Ich nippe an meiner Cola, als Toni mir eine Hand auf den Rücken legt und drüber reibt.
„Vince, du bist so still." Sie sieht besorgt aus. Der Flaschenhals ihrer Bierpulle schimmert golden im gedimmten Licht, das in der Bar für die richtige Atmosphäre sorgen soll. „Sieht dir nicht ähnlich."
„Ich weiß", antworte ich und rücke ein Stück von ihr ab, chille mich in eine Ecke des gemütlichen Samtsofas mit den Brandlöchern. „Meine Freundin hat mir vorhin geschrieben, dass sie im Hotel von so 'nem Idioten angeflirtet wurde. Ich überlege, ob ich sie anrufen und mich nach ihr erkundigen soll, aber ich hab ihr heute schon geschrieben. Und ich will mich ihr nicht aufdrängen. Sie ist mit ihrer Kollegin in so ein teures Wellnesshotel gefahren. Bestimmt will sie ihre Ruhe." Toni schaut mir ausdruckslos in die Augen.
„Ich glaube, wenn sie ihre Ruhe wollen würde, würde sie dich nicht daten." Konstantin neben ihr kichert albern und ich muss schmunzeln. Manchmal klingt er exakt so wie ein kleines Mädchen. Besonders, wenn er getrunken hat. Toni räuspert sich. „Lass ihr ruhig ein bisschen Freiraum. Du musst ja nicht über ihr kreisen wie ein hungriger Habicht. Morgen ist auch noch ein Tag."
„Ach, Mann, kein Plan", murmle ich. „Vielleicht hast du recht."
„Keine Ahnung, ich kenn sie doch nicht", erwidert Antonia. „Manche Frauen wollen einen, der sie auf Händen trägt und ihnen in jeder freien Minute seine Aufmerksamkeit schenkt. Mich würde das fertigmachen, der Typ würde sich bei mir sowas von ins Aus schießen. Wenn sie mir also nur in einem Fitzelchen ähnlich ist -" Ich schnaube belustigt.
„Nicht wirklich", sage ich. Beleidigt zieht sie eine Augenbraue hoch.
„Okay, warum so abwertend?" Empört schnalze ich mit der Zunge.
„Das war doch nicht abwertend gemeint."
„Dein Glück", versetzt Toni streng. Konstantin, der einen Blick auf sein Handy geworfen hat, erschrickt.
„Fuck, es ist ja schon übel spät. Vincent, Dicka, kannst du mich heimfahren?" Ich klimpere mit den Autoschlüsseln und sehe zu Antonia rüber, die ihr Bier leert und aufstößt, als sie die Flasche absetzt. „Eure Getränke gehen auf mich!", ruft sie. Statt zu protestieren, helfe ich Konstantin auf die Beine. Er steht dann aber vergleichsweise sicher, was man von Toni nicht gerade behaupten kann, die die Treppe zum Ausgang gefährlich schwankend runtertorkelt.

„Mach langsam, Dicka", befehle ich Konstantin. „Ich helfe ihr", beschließe ich, deute auf Antonia und umfasse die Hüfte meiner Freundin, bevor sie auf die Fresse fliegen kann.
„Du warst früher trinkfester", necke ich sie amüsiert und führe sie zum Tresen rüber. „Sie möchte für uns bezahlen", informiere ich den Typen hinter der Bar. Er nickt, legt das Küchenhandtuch weg, mit dem er die Pils-Gläser abgetrocknet hat und lotst uns zur Kasse rüber. Toni begleicht unsere Rechnung. Konstantin ist auch wieder zu uns gestoßen. „Dann ma' alle Mann und Mädel an Bord", fordere ich sie auf und schiebe sie durch die Tür raus in die Nacht.

+

Toni rutscht auf ihrem Sitz hin und her. Wir haben Konstantin bei sich rausgelassen, aber zu ihr dauert die Fahrt etwas länger.
„Hast du Hummeln im Hintern, oder was?", frage ich sie.
„Weiß nich'. Irgendwie isses voll warm in deiner Karre." Ich regle wortlos die Klimaanlage noch ein paar Grad runter. „Vincent, denkst du manchmal an früher?"
„Ab und an."
Toni schaut aus dem Fenster und sagt eine Weile nichts.
„Ich hab mich verknallt, aber es hat keine Zukunft."
„Warum nicht?", frage ich.
„Er war davor schon null interessiert, und jetzt hat er 'ne Freundin."
„Ups", mache ich mitleidig. „Scheiße gelaufen."
„Ja, so richtig scheiße."
„Kopf hoch, Toni. Du bist 'ne süße Praline und findest deine Füllung."
„Was, wenn ich mehr als das will? Konstantin hat recht: Es gibt Dinge, die sind wichtiger als Sex."
„Ganz genau. Überleg mal, wie viele Typen dich gar nicht verdienen. Klar dauert es da länger, bis du jemand Vernünftiges kennenlernst."
„Ich dachte, das hätte ich schon."
„Vergiss ihn. Wein ihm nicht hinterher, er hat seine Wahl getroffen. Die falsche, wenn du mich fragst." Antonia ringt sich ein Lächeln ab.
„Seh ich genauso."

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