27 - There's something in the water

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Der weiße, flauschige Bademantel des Hotels schmiegt sich an meine Haut, als ich am nächsten Morgen allein den Aufzug runter in den Spa-Bereich nehme. Didi schläft noch, aber ich bin putzmunter in meinen geliebten grünen Badeanzug geschlüpft. Er hat früher meiner Mutter gehört. Als Kind habe ich sie immer bewundert, wenn sie darin am Ostseestrand entlang spaziert ist. Für mich war sie die schönste Frau der Welt in dem zartgemusterten Einteiler. Im Bein- und Brustbereich ist der Stoff leicht gerafft, sodass der Eindruck entsteht, dass seine Trägerin sich nicht in das enge Teil reinquetschen musste. Eher wirkt er maßgeschneidert. Mama hat ihn mir bereitwillig überlassen, als sie ihn vor einiger Zeit aussortieren wollte, und ich schleunigst Protest angemeldet habe. Nun gehört er mir.

Die Fahrstuhltüren öffnen sich. Leise entspannende Klänge begleiten mich auf meinem Weg zum Pool. Es ist alles verlassen, ich habe großes Glück. Zumindest mit ein paar Rentnern, die ihre frühmorgendlichen Runden drehen, hatte ich gerechnet. Umso beschwingter streife ich den Bademantel ab und lasse ihn auf eine der gepolsterten Liegen fallen, zusammen mit meinen Handtüchern. Auch meine Flip-Flops ziehe ich aus und schiebe sie an die Seite, damit keiner drüber stolpert.

Das Wasser ist angenehm temperiert. Nicht zu kalt, sodass man einen Schock erleiden würde, sobald man eintaucht. Ich gleite ins Becken, stoße mich mit den Füßen von der Treppe ab, und drehe mich auf den Rücken. Hier gibt es keine Fenster, die Wellness-Oase des Hotels befindet sich im Keller. Stattdessen hat man an der Decke LEDs so zwischen den blauen, grünen und goldenen Mosaik-Steinen platziert, dass sie anmuten wie ein Sternenhaufen inmitten unserer Galaxie. Ein Lächeln ziert meine Lippen, während ich mich so treiben lasse und spüre, wie mich das Wasser trägt.

In diesem ruhigen Augenblick kehrt das ernste Gespräch mit Didi vom gestrigen Abend zu mir zurück. Ich bin froh, dass sie meine Bemerkung über die Grenzüberschreitung, die mein Freund sich geleistet hat, nicht einfach übergehen konnte. Sonst hätte ich unterbewusst einen Gräuel gegen ihn ausgebildet, genau wie Didi es beschrieben hat. Und wenn ich eins nicht möchte, dann das. Vincent bedeutet mir viel. Ich habe über Nacht neuen Mut geschöpft, weil ich weiß, dass ich mit ihm über wirklich alles reden kann. In Gedanken bin ich unsere gemeinsame Zeit bis zu diesem Punkt jetzt noch einmal durchgegangen. Unsere Kommunikationswege sind absolut frei von Hindernissen. Meine Sorge, wie er reagieren könnte, ist unbegründet. Ich habe Vincent als achtsamen Mann kennengelernt, dem durchaus wichtig ist, wie es seiner festen Freundin geht. Er meldet sich oft bei mir; so wie auch gestern. Wir könnten uns längst Tiefgründigeres anvertrauen. Mehr als einmal hat mich der Impuls ereilt, ihm von Justus zu erzählen. Ich habe dem nie nachgegeben. Mein Bruder ist ein schwieriges Thema, und hinzu kommt, dass keiner meiner Ex-Freunde seine Geschichte kennt. Somit wäre Vincent tatsächlich der Allererste, dem ich die Wahrheit offenbare. Aber irgendwie verdient er es sich gerade. Ich fühle mich bei niemandem so wohl wie bei ihm.

Nachdem ich noch ein wenig geschwommen bin, durchströmt mich neue Leichtigkeit. Ich merke, dass ich noch immer etwas müde bin. Normalerweise schlafe ich am Wochenende gern aus, aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, die Vorteile eines luxuriösen Spas auszukosten? Der Blick auf eine hübsche Wanduhr in Goldoptik verrät mir, dass ich eine halbe Stunde im Wasser war. Ich klettere aus dem Pool und tapse zu meiner Liege rüber, hinterlasse dabei nasse Fußspuren auf dem Boden. Da sowieso niemand da ist, beeile ich mich, aus meinem Badeanzug rauszukommen. Als ich mich vollständig abgetrocknet und erneut in meinen Bademantel gekuschelt habe, hole ich mein Handy aus der rechts eingenähten Tasche. Ich öffne meinen Chat mit Vincent und tippe eine Nachricht:

Hey, guten Morgen 😊 Bist du (entgegen all meiner Erwartungen) schon wach? <3

Statt auf den Bildschirm zu starren, stelle ich mein Smartphone auf Vibration und stecke es wieder weg. Einige Meter abseits von dem nierenförmigen Schwimmbecken steht ein Samowar mit heißem Wasser und eine Tee-Auswahl. Ich entscheide mich für einen Sencha und lasse heißes Wasser in die schmucklose weiße Tasse laufen, die ich mir von einem Tablett geschnappt habe, das jemand neben dem Samowar auf dem erhöhten, länglichen Tisch abgestellt hat. Kaum steuere ich mit meinem heißen Getränk in der Hand erneut die Liege an, erhalte ich eine Nachricht, und die kann nur von einem stammen:

Guten Morgen 😊 Ich mache mir gerade meine zweite Tasse Kaffee, und bin schon fleißig.

Um 7 Uhr? Woran arbeitest du?

In erster Linie an unserer Beziehung, indem ich dir hier antworte, obwohl mein Kumpel schon nach mir zu plärren angefangen hat. (Er muss seine Tochter gleich zu den Großeltern bringen, und holt seine Frau dann für einen Kurzurlaub auf dem Land ab. Vorher wollte er noch kurz checken, wie's mit den Tracks für sein Album aktuell aussieht.)

Können wir telefonieren?

Diesmal antwortet Vincent nicht, dafür erscheint sein Name im Display und ich tippe auf den grünen Hörer darunter.
„Hi", begrüße ich ihn sanft.
„Hi", erwidert er leise. „Ich hab mich mal aufm Klo eingesperrt. Ein bisschen Zeit haben wir. Ich will aber nicht ausschließen, dass er gleich herkommt und genervt gegen die Tür klopft, ob ich in die Schüssel gefallen bin." Ich lache.
„Danke. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich dich auch vermisse – falls das gestern anders rüberkam."
„Quatsch, alles gut", tut er es ab. „Wieso bist du so früh schon auf den Beinen? Schnarcht Didi etwa?"
„Ach, nein. Nicht so wie du."
„Ich schnarche?" Über sein geschocktes Erstaunen muss ich kichern.
„Blödsinn, ich verarsch dich doch nur."
„Hätte ich mir denken können. Aber im Ernst, was machst du gerade?", fragt er.
„Ich bin im Wellness-Bereich des Hotels und lasse es mir gut gehen", antworte ich schmunzelnd.
„Inwiefern?"
„Na ja, ich war schwimmen, und faullenze hier bloß im Bademantel mit einer Tasse Tee auf einer Ruheliege."
„Du bist zu beneiden." Ich lächle, dann beiße ich die Zähne zusammen. Besser, ich bringe es hinter mich und befolge Didis Ratschlag.

„Vincent?"
„Was gibt's denn?"
„Wenn ich morgen zurückkomme, sehen wir uns dann?"
„Davon bin ich irgendwie ausgegangen, oder ... möchtest du lieber erstmal für dich sein, nach der Reise?"
„Nein." Ich setze an, doch dann kneife ich plötzlich. Vielleicht ist es besser, wenn ich mich weniger hetze. Ich will ihn nicht am Telefon damit konfrontieren, dass ich einige Aspekte unseres Sexlebens weniger genieße als andere. Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an. Noch nicht. Ich werde mir das einfach für den Sonntagabend aufsparen, wenn wir uns wiedersehen und von Angesicht zu Angesicht drüber sprechen können. Das ist viel fairer. „Wir könnten die Zeit ja nutzen und schauen, wie wir es in Zukunft hinkriegen, dass wir uns regelmäßig sehen. So spontan wie im Moment, klappt es wahrscheinlich nicht immer", erfinde ich also einen Vorwand.
„Guter Punkt. Klar, machen wir."
„Schön", kommentiere ich. „Achso, und eventuell hast du auch Lust, mich bei Didi abzuholen? Dann muss sie nicht den Umweg über meine Wohnung fahren. Sie hat noch ein Meeting mit unserem Chef."
„An einem Sonntag?", hakt Vincent irritiert ein.
„Auf ihren Wunsch hin. Er wollte es zuerst am Freitag an ihre reguläre Arbeitszeit dranhängen. Das hätte unsere Reisepläne durchkreuzt, darum hat sie es verlegen lassen. Napoleon ist schräg drauf."
„Napoleon also", wiederholt er und fügt ironisch hinzu: „Du kannst deinen Chef gut leiden, oder?"
„Der Name vereint all seine wunderbaren Eigenschaften", flöte ich. „Nein, im Ernst. Klausen kann ein Arschloch sein, aber immerhin versteht er was von Redaktionsarbeit. Und irgendwann stürze ich den Mann ohnehin vom Thron."
„Mach das mal ruhig, verdient er wohl. Das klingt nämlich nicht unbedingt, als hätte er das Wohl seiner Mitarbeiter im Sinn. Du würdest zwar auch mit eiserner Faust regieren, aber hoffentlich zu menschlichen Arbeitszeiten."
„Sagt der, der um sieben Uhr an einem Samstag Studio sitzt, um mit extravaganten Künstlern Rücksprache zu halten."
„Ich würde Siggi nicht als extravagant bezeichnen."
„Siggi also", imitiere ich ihn.
„Kumpel von mir. Du kennst ihn."
„Woher?" Ich kann hören, dass Vincent lächelt, als er mir antwortet: „Aus dem Radio."
„Rück schon raus mit der Sprache", fordere ich ihn genervt auf. „Wer ist es?"
„Sido." Ich schlucke. Das kam überraschend. „Ist noch gar nicht lange her, da haben Dag und ich ein Feature mit ihm rausgehauen", führt mein Freund aus, als wäre es das Normalste auf der Welt, was es für ihn ja auch ist.
„Wenn der dich um sieben an einem Samstag sehen will, springst du? Auf was muss ich mich bitte einstellen in dieser Beziehung?", überspiele ich neckisch meine Aufregung. Sido ist mitnichten eine kleine Nummer im Musikgeschäft. Eher im Gegenteil.
„Ist 'ne Ausnahme. Er hat mich bekniet, dass ich ihn reinquetsche. Glaub mir, ich würde dich gerade auch lieber im Arm halten und selig an dich gekuschelt in meinem Bettchen schlummern. Aber du bist ja nicht hier."
„Das holen wir nach", verspreche ich.
„Ich will's hoffen. Chacha, ich muss echt Schluss machen, Siggi verliert langsam die Geduld."
„Oh, ihr solltet meinetwegen keinen Stress haben. Ich werde mich wohl nochmal eine Runde aufs Ohr hauen und danach mit Didi frühstücken gehen."
„Und ich bewahre meinen Kumpel vor einem Tobsuchtsanfall."
„Sehr vernünftig. Sag ihm, deine Freundin hat sich Sorgen gemacht, ob sie in ihren letzten Nachrichten nicht zu kalt rüberkam."
„Okay." Er lacht. „Ich sage ihm, dass ich sie beruhigen konnte. Hab einen schönen Tag."
„Du auch", wünsche ich ihm ebenfalls. Wir verabschieden uns. Als ich auflege, spüre ich, dass es mir bereits gutgetan hat, einfach nur Vincents Stimme zu hören. Das mit dem ernsten Gespräch kriege ich schon hin, wenn es soweit ist.

+

Ich habe noch eine Menge Energie durch die weitere Stunde Schlaf getankt, und werde erst wach, als Didi anfängt, die Lieder aus ihrer Playlist im Bad laut mitzusingen.
„She's got it; yeah, baby, she's got it – I'm your venus, I'm your fire; your desire!" Mit einem Lächeln auf den Lippen schiebe ich die Decke von mir runter und greife mir die Sachen, die ich für heute rausgelegt habe. Einen perlenbestickten cremeweißen Body und eine dazu passende helle Chino. Auch heute werde ich wieder hohe Schuhe tragen müssen, das Hotel-Restaurant nimmt das mit dem Dresscode sehr ernst. Ich habe rote Pumps dabei, die zu meinem Lippenstift passen. Da ich ja schon geduscht und im Spa-Bereich gleich meine Haare gewaschen und mithilfe meiner hitzebeständigen Bürste glattgeföhnt habe, muss ich sie nur noch einmal durchkämmen.
„Didi!", rufe ich.
„I'm your venu- Ups", gluckst sie. „'Tschuldige, war ich zu laut?" Sie stößt die Badezimmertür auf und präsentiert sich mir in einem karierten Kleid im Stil der Sechziger.
„Du siehst süß aus", mache ich ihr ein Kompliment.
„Findest du?" Sie dreht sich weg von mir, hin zum großen Badezimmerspiegel. Der Türkiston steht ihr ausgezeichnet. Ihre langen Haare glänzen, und die weiß lackierten Fingernägel greifen ihren hellen Lidschatten wieder auf. Sie hat ein teures Silberarmband von Cartier angelegt und trägt die dazu passenden Ohrringe. Ihre Haut sieht frisch aus und als sie lächelt, strahlt sie förmlich.
„Sowas von", bestärke ich sie und winke sie zu mir ran. „Schuhe an, und dann gehst du da rüber ins Tageslicht. Ich mache ein Foto von dir."

Didi schickt das entstandene Foto auf meinen Rat hin ihrem Freund.
„Ich erobere schon mal das Frühstücksbuffet. Am besten machst du dich in Ruhe zu Ende fertig, und wir treffen uns im Ess-Saal."
„Perfekt", stimme ich zu und krame weiter in meinem Schminktäschchen. Kaum ist Didi verschwunden, packe ich meinen Laptop aus. Ich bin nahezu perfekt auf das nächste Interview vorbereitet, aber eben nur fast. Ich möchte meine Fragen chronologisch anordnen, damit ein roter Faden entsteht. Doch dann höre ich das Schloss klicken und fahre augenblicklich zusammen.
„Ich glaube, ich habe meine Wimperntusche nicht ordentlich –" Sie bricht ab. „Wieso hast du deinen Laptop dabei?" Didi läuft auf mich zu und ich klappe den Bildschirm runter, aber sie reagiert schneller und drückt ihn wieder hoch. „Oh mein Gott, Charlotte, ist das dein Ernst? Wir sind im Urlaub, und du arbeitest? Ich fasse es nicht." Meine Freundin verschränkt die Arme vor der Brust und sieht anklagend auf mich runter. „Du hast ein Problem."
„Blödsinn", erwidere ich. „Warum reagierst du so zickig?"
„Weil ich einen Wellness-Urlaub für uns gebucht habe, damit du mal abschalten und den Stress in der Redaktion vergessen kannst, du Schlaumeierin."
„Du meine Güte, komm runter", beschwöre ich sie. Didi atmet schnaubend aus.
„Ich werde jetzt nicht mit dir streiten, aber ich fühle mich von dir hintergangen. Für mich war klar, dass wir die Arbeit zu Hause lassen. Wahrscheinlich wirst du gleich versuchen, das als Missverständnis darzustellen, aber so läuft das nicht, kapiert?"
„Ich verstehe dich", entgegne ich. Didis rechte Augenbraue wandert misstrauisch nach oben. „Es tut mir leid."
„Nicht hinter meinem Rücken, Charlotte."
„Nie wieder", versichere ich ihr. Sie seufzt.
„Los, komm, bevor alle schicken Tische am Fenster weg sind." Ich umfasse ihr Handgelenk, stehe auf und ziehe sie in eine Umarmung.
„Sei nicht böse", sage ich leise.
„Bin ich nicht. Meine innere Unruhe habe ich gestern, während der Algenpackung abgelegt. Das gehört der Vergangenheit an. Du solltest das Gleiche wenigstens versuchen."
„Machen wir nach dem Frühstück einen Spaziergang über die Ländereien des Hotels?", schlage ich versöhnlich vor.
„Ich hätte mehr Lust, das Dorf zu erkunden und dann in den Wald abzubiegen."
„Das machen wir." Sie lächelt.
„Riechst du nicht die frischen Mohnbrötchen?" Ich lache, hake mich bei ihr unter und räuspere mich kurz.

„Ich war heute Morgen schon am Pool, und habe mit Vincent telefoniert."
„Oh", meint sie überrascht. „Über das Thema, über das wir gestern diskutiert haben?"
„Nein, ich fand ein Telefongespräch unpassend dafür. Aber ich bin festentschlossen es anzusprechen, wenn wir uns wiedersehen."
„Gut."
„Danke, dass du mir ins Gewissen geredet hast."
„Nichts zu danken. Holt er dich bei mir ab?"
„Jap", bestätige ich und grinse.
„Es ist so schön, dich verliebt zu sehen", quietscht sie, als wir den Fahrstuhl betreten.
„Ich hatte ganz vergessen, wie schön es am Anfang ist", gebe ich versonnen zurück.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro