You're the centre of my joy

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"Das ist surreal", kam es von Max. Seine Hände zitterten. Hanna klammerte sich an ihn und presste die Lippen aufeinander, um sich nicht auf seine Nikes zu übergeben. Sie erinnerte sich an einen Bootsausflug mit Noah und ihren Eltern auf Teneriffa, bei dem sie schrecklich seekrank geworden war. Ihr war mindestens so schlecht wie damals.
"Und du und Nico, ihr redet nie darüber?" Er konnte es nicht glauben und sie konnte es ihm nicht verübeln. Sie konnte auch nicht glauben, dass ihr bester Freund, der sonst in jeder Situation offen und ehrlich ihr gegenüber war, kein Wort über die acht Stunden verlor, die für sie ein ganzer, wichtiger Lebensabschnitt gewesen waren. "Nein", wiederholte sie, was sie Max bereits erklärt hatte, obwohl sie es selbst nicht verstand. Daran erschien ihr alles falsch. Sie verstand ihn doch in jeder Lebenslage. Sie verstand Nico, wenn er sich über seine Eltern auskotzte, die ihm eine glückliche Ehe vorspielten, in der man sich hinter geschlossenen Zimmertüren bloß ankeifte; sie verstand ihn, wenn er von der einen auf die andere Sekunde traurig wurde, weil ihn der Anblick einer weißen Rose an seinen verstorbenen Opa erinnerte; sie verstand ihn, wenn er Kapern aus seinem Essen sortierte, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Hanna verstand Nico, Nico verstand Hanna.
Das war die Regel zwischen ihnen und was diese einzelne Nacht anging, da hielt er sich nicht dran. Das war es, was das ursprünglich Schöne für sie in etwas Furchbares verkehrte. Nico hielt die acht Stunden an Hannas Seite für einen Albtraum und er konnte schlicht und ergreifend nicht mit ihr über die Geschehnisse des Abends reden. Er initiierte den Pakt; er veranlasste, dass sie aller Welt eine Lüge vorsetzten, wenn ihre außergewöhnliche platonische Zuneigung zum Thema wurde, die gar nicht bestehen konnte, ohne eine verborgene Liebe.
In den frühen Morgenstunden auf dem Heimweg, als sie in einem T-Shirt heimwankte, das sie sich von ihm lieh, weil er in ihre Bluse im Streit ein großes Loch mit ihrem Feuerzeug gekokelt hatte, dachte sie noch wie er. Seine unbändige Wut hatte ihr solche Angst eingeflößt, dass sie einfach hinnahm, was er für richtig hielt. Widerworte hätten sie höchstens in Teufels Küche gebracht und wohl für einen endgültigen Abbruch ihrer einzigen echten Freundschaft genügt. Das Letzte, was sie wollte, war Nico aufgeben zu müssen. Für eine Sache, die gar nicht von Bedeutung war, weil sie sich nach acht Stunden bereits erübrigt hatte.

"Kann ich dich noch was fragen?" Max hielt Hanna weiter im Arm und er würde hoffentlich nicht mehr von ihr abrücken, wo das Schlimmste längst erzählt war, ihr größtes Geheimnis längst ausgeplaudert. Sie hatte einen Mental Striptease vollführt und stand jetzt nackt vor Max. Sie konnte nur beten, dass er sie nicht verletzen würde in ihrer Hilflosigkeit. Einer Panik kam das Gefühl danach aber nicht gleich, eher einem inneren Frieden. Also nickte sie ruhig und sah abwartend zu ihm auf.
"Warst du Jungfrau?"
Sie sah die Dringlichkeit in seinen grünen Augen, auf diese brandheiße Frage eine Antwort zu erhalten. Irgendwie ahnte sie, dass ihn das, was sie gleich sagen musste, um bei der ungeschönten Wahrheit zu bleiben, nicht fröhlich stimmen würde. Stumm senkte sie den Blick.
"Oh, scheiße", murmelte er und sie schnaubte. Was sollte er schon für Schlüsse ziehen in dieser seltsamen Angelegenheit, auf die jeder Drehbuchautor für Telenovelas stolz gewesen wäre, hätte er sie aus dem Hut gezaubert?
"Nein, Max", beschwichtigte sie ihn. "Ich nicht."
"Scheiße." Aber es war ein anderes Scheiße als das zuvor, ein weniger geschocktes, und Hannas Herz klopfte nicht mehr im Zehntelsekundentakt, als stockend und abgehackt bei ihr ankam, dass er sie nicht dafür verurteilte, dass sie Nico seine Unschuld geraubt hatte und dass er erst recht nicht davon auszugehen schien, sie hätte ihn absichtlich verführt.
Sie küsste ihn dankbar auf die Wange.
"Aber wenn es für ihn das erste Mal war, dann kann ich nachvollziehen, warum er drüber schweigt", pflichtete Max Nico plötzlich bei, ohne ihre zärtliche Geste zu beachten.
"Was, wieso?", fragte Hanna ratlos. Sollte er wirklich nach drei Jahren der sein, der Licht ins Dunkel bringen konnte? Sie kannte Nico eine halbe Ewigkeit und hatte ihn nie nachvollziehen können. Was sah Max, was ihr entging?
"Na, weil das nicht dasselbe ist", erklärte er. "Wenn es sein erstes Mal war, wird Julie eventuell annehmen, dass er an dir hängt, dass ihr beste Freunde mit Vorzügen seid und dass er eines Tages zu dir zurückgehen wird."
"Warte mal", stutzte Hanna. "Falls ich dir eröffnet hätte, dass es genau umgekehrt war und ich die Jungfrau, dann hättest du das gedacht?"
Max zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. "Was sollte ich denn sonst denken? Du siehst dich und ihn nicht von außen, du hast ja keine Ahnung. Bevor er dich als Hanna vorgestellt hat, dachte ich, du wärst Julia."
Am liebsten hätte sie diesen Satz umgehend wieder aus ihrem Gedächtnis gelöscht. "Hä, wie kamst du darauf?", grinste sie nervös in einer Mischung aus Belustigung und Verwirrung.
"Johnny hat nicht ohne Grund gefragt, ob ihr was miteinader hattet." Seine vorher ihr zugewandte Körperhaltung wich dem dem klassischen Man Spread, seine zitternden Hände vergrub er in seinen Hosentaschen.
Hanna musterte ihn sorgenvoll. Wer sich nicht mit Nico abfinden konnte, stand nicht länger zur Debatte als potentieller Partner für sie und sie wollte auf keinen Fall, dass Max achtkant aus der (auf ihn als einzigen Kandidaten beschränkten) Auswahl rausflog. Leider verhielt er sich gerade, als müsste sie das vorsichtige Anbändeln mit ihm in den nächsten fünf Minuten beenden."Ja, das haben wir inzwischen geklärt", wurde sie ungeduldig. "Aber was pflanzt euch diesen Gedanken überhaupt ein?"
"Alles!", meinte Max nachdrücklich. Er hatte offensichtlich Schwierigkeiten zu begreifen, warum ihr nicht auffiel, was anscheinend jeder automatisch sah. "Wie ihr redet, keine Berührungen scheut, Witze macht - Ihr geht zum Teil liebevoller miteinander um als echte Paare." Verblüfft registrierte er Hannas Erstaunen über diese Schilderung der Fakten. "Dachtest du, das wäre normal? Ich kenne einen Haufen Leute, die sich als Seelenverwandte bezeichnen. Die sind nix gegen Nico und dich."
In ihren Augen blitzte Erkennen auf. Hanna war nicht dumm, sie konnte sich bis zu einem gewissen Grad in Max hineinversetzen. Sie machte es ihm nicht leicht. Er war der erste Kerl, den sie seit drei Jahren datete, der erfuhr, dass zwischen ihr und ihrem besten Freund tatsächlich etwas gelaufen war. Der Erste, der sich nicht nur mit Nico, sondern außerdem noch mit dieser Information im Hinterkopf arrangieren musste. "Ich empfinde nichts Romantisches für ihn", beteuerte sie trotzdem.
Menschen, die sich tief und innig geliebt hatten, ließen einander los. Hanna hatte Nico nie loslassen können und das war ihr Beweis genug dafür, dass ihre Liebe nie echt gewesen war. Es war die Idee einer Liebe, ein Was wäre wenn. Die Nacht war ein Ausrutscher gewesen und ihre millionenfach beschleunigte Beziehung ein blödes Klischee. Es lief genau wie in Liebesroman viertausendsechshundertsiebenundachtzig von Charlotte Link, Nicholas Sparks, Jojo Moyes und Wiesienichtallehießen ab. Es war jugendlicher Unsinn, aber ...
Schlagartig keimte in Hanna plötzlich der Gedanke auf, Nicos Meinung könne von ihrer Meinung über die Nacht nach seinem siebzehnten Geburtstag abweichen. Nur wie sollte sie je wissen, ob sie da eine korrekte Vermutung anstellte, wenn er nicht mit ihr über die verhängnisvollen acht Stunden sprach?

"Ich vertraue dir, was das angeht", sah Max sie ernst an.
"Danke." Hanna schmiegte sich an ihn und versuchte das Chaos in sich zu ordnen. Er ließ es widerstandslos zu. Niemand hatte ihr sein vollstes Vertrauen geschenkt, wenn man von Nico einmal absah. Männer versuchten sie sonst mit Humor und dummen Sprüchen zu bezirzen und ihr war absolut neu, dass es überhaupt anders ging. Es verwunderte sie, dass es auf diese, ihr fremde Art sogar funktionierte. Mit Vertrauen konnte man sie betören. Vielleicht lag es auch gar nicht am Vertrauen, dass sie hin und weg war, sondern daran, dass es Max war, der es ihr entgegenbrachte. Eventuell war sie stärker in ihn verliebt, als sie bis eben noch angenommen hatte.
"Ich habe dir zu danken, du hättest es nicht erzählen müssen", sagte er leise. Er nahm die Hände aus den Taschen heraus. Das Zittern hatte eine Pause eingelegt. Gott sei Dank hatte er das, was Hanna ihm über sich und Nico in den letzten Minuten preisgegeben hatte, verkraftet.
Sie nahm sowohl die rechte als auch die linke in ihre und drückte beide. Sie waren weich und warm. "Du hast mir etwas anvertraut", machte sie es sich ohne den geringsten Hauch von Schüchternheit auf seinem Schoß bequem. "Es war das einzig Vernünftige, das ich hätte tun können." Lächelnd nahm sie sein Gesicht in ihre Hände, küsste ihn und er ging zu ihrem größten Vergnügen darauf ein. Das hatte erst einmal oberste Priorität. Max war ihr soeben Freund geworden und sie konnte endlich die Dinge mit ihm tun, die sie sich in ihrer Fantasie seit ihrer ersten Begegnung im Kreis seiner Freunde ausgemalt hatte.
Sie wurden erst nach einer halben Stunde von einer lauten Bande Fünfzehnjähriger gestört, die Straßenrap ohne ordentliche Musikbox aus den Handylautsprechern laufen ließen und schief mitgrölten. Sie versuchten einen Song auf mehreren Handys gleichzeitig anzumachen, um den Sound so gut hochzupegeln, wie es ihnen mit ihren armseligen Mitteln möglich wäre. Im Ergebnis erklang ein blecherner Kanon-Sprechgesang, sodass Hanna und Max, die anfangs noch standhaft geblieben waren, doch das Weite suchten.

"Kommst du am Freitag mit mir zur Party meines Bruders? Er feiert seinen Fünfundzwanzigsten", wollte Hanna wissen, während sie gemächlich Händchen haltend zur Bar schlenderten, in der sie Nico und Julia zurückgelassen hatten. Hätte man ihr ein Foto davon gezeigt, hätte sie ernsthaft angezweifelt, ob das sie auf dem Bild wäre oder ihre verschollene Zwillingsschwester.
"Ist das abends? Wer kommt?", löcherte Max sie.
Er war nicht nur real, er war auch ihr Freund. Sie grinste. "Freunde von ihm und seiner Freundin. Keine Sorge, du wirst nicht in meine Eltern reinrennen", zwinkerte sie ihm verschwörerisch zu und er atmete gespielt erleichtert auf. "Ja, bin dabei", stimmte er zu und ihr Herz hüpfte in kleinen Freudensprüngen auf und ab - Dann brachen Bedenken über sie herein.
Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. "Ist es okay, wenn ich Nico und Julia frage?" Unter normalen Umständen wäre ihr nie in den Sinn gekommen, Max um Erlaubnis zu bitten, aber nachdem ... "Das ist dein Bruder, du musst das entscheiden", lachte er unbeschwert. "An mir wird es nicht scheitern."
Ihr fiel ein Stein vom Herzen.

"Ich will mein Geld", forderte Julia sofort ihren Wetteinsatz von Nico, als Max und Hanna vor ihnen auftauchten, beide grinsend und sichtlich verliebt.
"Mann, Max", beschwerte Nico sich. "Ich dachte, du hälst länger durch, schließlich ist sie eine Nervensäge vor dem Herrn", steckte er Julia fünf Euro in die Hosentasche.
"Die Firma dankt", verstaute sie den Schein in ihrem Portemonnaie.
"Ey!", verpasste Hanna Nico einen Nackenklatscher für die Frechheit.
"Hast du gerade meine Freundin beleidigt?", plusterte Max sich auf und Hanna und Julia gackerten los. "Ihr habt leider keine Streetcredibility", gluckste Hanna.
"Habibi, was is' mit dir?", zog Max sie zu sich und sie klopfte lachend auf sein Brust. "Du spinnst, Knabe. Hey, habt ihr Bock auf eine kleine Hausparty? Mein Bruder, das Fossil wird am Freitag fünfundzwanzig", schlug sie vor.
Nico sah zu Julia. Klar, dass er es von ihr abhängig machte.
"Klein, sagst du?", vergewisserte sie sich und Hanna nickte.
"Noah, seine Freundin, vier gemeinsame Freunde, wir und eventuell Emily, die ich bei Starbucks kennengelernt habe", zählte sie auf. Emily wollte sie nicht außen vor lassen. Die konnte Ablenkung vertragen.
"Du sollst dein Geld zusammenhalten und es nicht bei Starbucks verprassen!", schimpfte Nico sie aus, doch sie streckte ihm frech die Zunge raus. Er wusste, wie selten Hanna sich in eine Filiale der überteuerten Kaffee-Kette verirrte und imitierte bloß ihren ehemaligen Geschichtslehrer, der ihrer Generation stets deren haltlosen Konsum vorzuhalten beliebte. Darin war er ein Meister gewesen, mehr jedenfalls als im Vermitteln des abiturrelevanten Lernstoffs.
Sie verband so viel miteinander, fiel Hanna auf ... So viel, dass sie sich fragte, ob es tragbar wäre für Max und Julia. Es war ein Wechselbad aus Unsicherheit und guter Hoffnung, in dem man sie mal heiß, mal kalt überschüttete.
"Na gut, meinetwegen", stimmte Julie zu und Hanna kehrte in die Gegenwart zurück.
"Wer ist Emily?" Nico berührte sie leicht an der Schulter und sie durchzuckte wie ein Blitz eine Momentaufnahme aus verrückteren, vergangenen Zeiten. Seine Lippen, die ihr Schulterblatt ertasteten, während er den Verschluss ihres BHs aufnestelte. Das Erzählen hatte sie aufgewühlt. Es war ihr seit Jahren nicht passiert, dass die konservierten Szenen an die Oberfläche trieben. Ihr sachlicher Bericht an Max hätte sie beinah vergessen lassen, wie emotional aufgeladen das Intermezzo eigentlich gewesen war. Als sie ihren besten Freund nostalgisch ansah, erkannte er, welche Filmkassette der Videorekorder ihres Gedächtnis' abspielte. Für einen Sekundenbruchteil schoss ihm ein und dieselbe Erinnerung durch den Kopf wie ihr. Hanna wertete seine vor Schreck weit aufgerissenen Augen als Fortschritt in der Rekonstruktion des Abschnitts ihrer gemeinsamen Geschichte, den Nico vor anderen gern als Mythos darstellte.
"Emily studiert Skandinavistik und ist schlecht drauf, weil ein Max sie vielleicht hat sitzen lassen, vielleicht nicht", klärte Hanna ihn auf.
"Max, du solltest Emily doch anrufen", empörte sich Nico über die schlechten Manieren seines Mitbewohners.
"Stimmt, du wolltest sie dir sonst krallen, Tiger", erwiderte der trocken.
"Ehe ihr Tölpel weiter unsere Gefühle verletzt, erkläre ich das Thema für abgefrühstückt", mischte Hanna sich ein. Sie zog ihren Stuhl vor, um sich fallen zu lassen, doch Max hielt sie am Handgelenk fest
"Gehen wir vor?", raunte er ihr zu.
"Klar." Sie ging rasch in die Knie und flüsterte Nico ins Ohr: "Er weiß es. Du bist dran." Hanna sah die Anspannung um seine Kieferlinie und wusste, dass er gerade lieber einen Rückzieher machen und die Beziehung, die so nah war - und doch so fern -, sausen lassen würde, als Julia zu erzählen, was zwischen ihm und seiner besten Freundin passiert war. Die untrügliche Gewissheit, dass Nico die Frau neben sich liebte, war das Einzige, was ihr Sicherheit gab. Er konnte ihr Geheimnis nicht länger verschlossen ertragen. Er hatte es nie allein ertragen können. Dazu hatte er sie gebraucht und Hanna war dumm genug gewesen, ihm einen Teil der Last abzunehmen, den er ihr auflud, weil sie sich nicht wehrte.
"Du hast zu einem Leid erklärt, was ich nie als solches bezeichnet hätte", flüsterte sie zudem. Als sie sich aufrichtete, fühlte sie sich leicht wie eine Pfauenfeder. "Wir sprechen uns", umarmte sie ihn. Zum Glück hatte er sein früheres Parfüm gegen ein erwachsener anmutendes eingetauscht. Kein Flashback diesmal.

Sie liefen also allein durch die spandauer Straßen, nur Max und sie. Auf dem Pflaster stapelte sich der Baustaub, der von einem Gerüst entlang einer Häuserfassade rieselte. Von ihren Schritten wurde er aufgewirbelt und manchmal konnte sich Hanna einbilden, sie würden auf dem Dunst der berühmten Wolke 7 wandeln. Die Schatten der hereinbrechenden Finsternis rührten ihre dunklen Gedanken auf.
"Glaubst du, er sagt ihr die ganze Wahrheit?", fragte Max, als er sah, wie Hanna weiter über ihren besten Freund grübelte.
"Vermutlich nicht", sprach sie aus, was ihr Bauchgefühl ihr mitteilte. Auf das war meistens Verlass.
"Nico ist erwachsen, er wird sich kümmern", umarmte Max sie tröstlich. "Ob er ihr jetzt die ganze Wahrheit sagt oder bloß einen Teil. Denkst du nicht, du siehst ihn, wie du ihn kennengelernt hast, als nerdigen Elftklässler? Er hat sich verändert, ist verantwortlicher geworden, unabhängiger. Zum Beispiel ist er ein guter Koch, ohne ihn würde ich selten frisch essen", lächelte Max sie aufmunternd an. "Das war er schon immer", erwiderte Hanna das Lächeln, aber trauriger. "Du kennst ihn nicht lang genug. Er hat sich kein Stück verändert, er ist immer noch Nico. Menschen haben Jahreszeiten. Als er herkam, nach Berlin, war es sein Frühling, er taute und blühte auf; an seinem Siebzehnten war es sein Herbst. Alles starb, um sich auf die Wiedergeburt im folgenden Jahr vorzubereiten. Jetzt ist es sein Hochsommer und er strahlt jeden Tag wie die Sonne am Himmel. Ich will nicht diejenige sein, die seinen Winter vorzieht", entzog sie sich Max. "Sag es ihm, genau so", bat er sie.
"Hast du etwas erlebt, was dem entspricht? Eine Freundschaft so tief wie der blaue Ozean?", fragte sie.
"Nein, nicht annähernd. Und das Meer ist schön, aber ich habe gehört, sobald man nach ganz unten getaucht ist, wird die Luft zum Atmen knapp."
"Unvergleichlich schön", ging Hanna nicht auf seine Worte über die Sauerstoffknappheit ein. Es tat weh.
"Können wir über was anderes reden?", wischte sie sich über die Wangen, über die wider Erwarten keine Tränen rollten. Möglich, dass sie einfach verdunstet waren, bevor sie loskullern konnten. Sie wusste nicht, ob das gut oder schlecht wäre.
"Das war ein seltsamer Start für eine Beziehung", stellte Max fest und Hanna lachte. "Stimmt. Tut mir leid, dass ich diese Sache ausgegraben habe."
"Das muss dir nicht leidtun. Sie ist ja quasi selbst aus ihren Grab geklettert", zwinkerte er ihr zu. "Erstmal sollten wir die Frage klären, wohin wir gerade unterwegs sind", kratzte er sich am Kinn.
"Zu mir", ertönte es wie aus der Pistole geschossen von ihr. Sie hätte sich in Nicos Präsenz oder den Überbleibseln seiner Anwesenheit bei Max und ihm in der WG nicht wohlgefühlt. Lieber war ihr ihre eigene Wohnung, ihr kleines Refugium.
Ihr Weg führte sie an dem Thailänder vorbei, in dem sie Bekanntschaft miteinander gemacht hatten. Sie lächelten sich an. Es war keine Sprache nötig um auszudrücken, was ihnen beiden durch den Kopf schoss. Sie teilten es mit niemandem; das gehörte ihnen.

Oben, in Hannas kleinem Verschlag, zog sie ihn mit sich in die Küche. "Möchtest du was trinken?" Sie war völlig durch den Wind. Die Stunde eben hatte sie aus der Bahn geworfen.
"Gern." Max lehnte am Tresen und musterte seine Freundin besorgt. "Kaffee?"
"Klar."
Sie machte die French Press fertig und versuchte Max' Blick auf sich zu ignorieren. Nach zwei Minuten scheiterte sie endgültig und umarmte ihn, heftig mitgerissen von den sich überschlagenden Ereignissen. Er hielt sie einfach.
Das Wasser wurde kalt, aber Max setzte irgendwann, als Hanna sich einigermaßen gefangen hatte, neues auf und sie verzogen sich mit einer Decke und den Tassen auf ihren winzigen Balkon; hockten auf dem Fenstersims, die Beine ausgestreckt, wie eine Brücke zur Brüstung hinüber. Seine waren länger als ihre, fast ragten seine Füße ein Stückchen über den Rand. Dass ab jetzt öfter sehen zu können, erschien ihr noch unwirklich.
"Du starrst mich an", holte Max sie aus ihrem tranceähnlichen Zustand.
"Wie könnte ich anders?"

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